Beschluss vom 13.09.2018 -
BVerwG 9 B 34.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130918B9B34.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.09.2018 - 9 B 34.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130918B9B34.17.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 34.17

  • VG Koblenz - 25.02.2016 - AZ: VG 4 K 103/15.KO
  • OVG Koblenz - 23.08.2017 - AZ: OVG 6 A 11790/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Martini
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. August 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 18 608,83 € festgesetzt.

Gründe

1 Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Frage,
ob § 133 Abs. 3 BauGB verfassungswidrig ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 9 B 41.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 58 Rn. 3 m.w.N.). Zwar ist keine umfassende Aufbereitung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur erforderlich; die Beschwerdebegründung muss sich aber jedenfalls ansatzweise mit den Gründen des angegriffenen Urteils auseinandersetzen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2014 - 9 B 75.14 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 91 Rn. 3 und vom 27. Mai 2015 - 9 B 68.14 - juris Rn. 2 m.w.N.).

4 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Aus ihr geht lediglich hervor, dass die Frage auf die Vereinbarkeit von § 133 Abs. 3 BauGB mit dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 41 ff.) zielt und das Berufungsgericht einen Verfassungsverstoß insoweit verneint hat. Auf die Begründung des Oberverwaltungsgerichts, § 133 Abs. 3 BauGB ermögliche die Erhebung von Vorausleistungen vor der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage und könne damit nicht in Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit geraten, welches der Beitragserhebung nach Erlangung des Vorteils zeitliche Grenzen setze, geht die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise ein. Inwiefern die Auslegung des vorgenannten Grundsatzes ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, legt sie gleichfalls nicht dar.

5 2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

6 Eine Divergenz ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Hieran fehlt es.

7 a) Entgegen der Ansicht des Klägers weicht das Oberverwaltungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, der zufolge für die Beurteilung der Ausdehnung einer Erschließungsanlage - ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise - auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten geprägte Erscheinungsbild abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1994 - 8 C 14.92 - BVerwGE 95, 176 <185>, vom 10. Juni 2009 - 9 C 2.08 - BVerwGE 134, 139 Rn. 16 und vom 12. Mai 2016 - 9 C 11.15 - BVerwGE 155, 171 Rn. 28). Vielmehr legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung diesen Rechtssatz ausdrücklich zugrunde. Seine weitere Annahme, eine danach einheitliche Straße könne abweichend hiervon im Einzelfall in erschließungsbeitragsrechtlich unterschiedlich zu beurteilende Einzelanlagen zerfallen, wenn sie nur auf einer Teilstrecke zum Anbau bestimmt sei, steht gleichfalls mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Einklang (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996 - 8 C 32.95 - BVerwGE 102, 294 <298>).

8 b) Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Abweichung ist auch nicht dargelegt, soweit der Kläger geltend macht, das Berufungsurteil nehme keinen Bezug auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2016 - 9 C 25.15 - (BVerwGE 156, 326 Rn. 26), nach dem bereits der bloße Zeitablauf eine Straße in die Eigenschaft einer selbständigen Erschließungsanlage hineinwachsen lassen könne. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer Divergenzrüge stellt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

9 c) Das angefochtene Urteil weicht auch nicht vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2008 - 9 B 18.08 - (Buchholz 406.11 § 123 BauGB Nr. 45 Rn. 6 f.) ab, soweit danach die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage durch einen anderen Hoheitsträger als die Gemeinde nicht den Merkmalen der endgültigen Herstellung nach § 132 Nr. 4, § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB genügen muss, sondern nach § 123 Abs. 2 BauGB lediglich den Erfordernissen des Verkehrs entsprechen, also eine gefahrlose und funktionsfähige Erschließung gewährleisten soll. Denn davon geht das Berufungsgericht aus und gelangt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass die erstmalige Herstellung den Anforderungen des § 123 Abs. 2 BauGB nicht genügt habe, weil die Anlagen zur Beseitigung des Straßenoberflächenwassers angesichts ihrer nur eingeschränkten Funktionsfähigkeit nicht den Erfordernissen des Verkehrs entsprochen hätten. Auf die Merkmale der endgültigen Herstellung stellt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht ab.

10 d) Soweit der Kläger schließlich eine Abweichung des Berufungsurteils vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2014 - 9 C 4.13 - (BVerwGE 150, 308) rügt, ist den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ebenfalls nicht genügt. Weder der Rechtssatz, mit dem sich das Oberverwaltungsgericht zu einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch setzt, noch der Rechtssatz von dem abgewichen worden sein soll, lassen sich der Beschwerdebegründung entnehmen.

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

12 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 GKG.