Beschluss vom 13.11.2017 -
BVerwG 2 B 21.17ECLI:DE:BVerwG:2017:131117B2B21.17.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 13.11.2017 - 2 B 21.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:131117B2B21.17.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 21.17
- VG Münster - 15.10.2013 - AZ: VG 13 K 1568/12.O
- OVG Münster - 21.12.2016 - AZ: OVG 3d A 2603/13.O
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die auf Verfahrensmängel (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und auf Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.
2 1. Der 1973 geborene Beklagte, der 2000 in den Polizeidienst eintrat, hat seit 2006 das Amt eines Polizeikommissars (Besoldungsgruppe A 9) inne. Mit im Jahr 2010 rechtskräftig gewordenem Urteil verurteilte das Landgericht den Beklagten wegen einer am 4. Oktober 2009 begangenen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts plante der Beklagte gemeinsam mit der Prostituierten P., diese und deren Tochter aus den Verhältnissen bei ihrem damaligen Lebensgefährten L. zu befreien. Er besorgte ihr eine Wohnung und plante gemeinsam mit ihr den Auszug in der Erwartung, künftig mit ihr eine Beziehung zu führen. Bei der Umzugsaktion sollte der L. eingeschüchtert und daran gehindert werden, die P. zu verfolgen. Dafür "organisierte" der Beklagte mehrere Männer, die maskiert in die Wohnung des L. eindringen und diesen fesseln und knebeln sollten, wobei eine grobe Behandlung des L. einkalkuliert war. Der Tatplan wurde umgesetzt, indem der Beklagte zwei Fahrzeuge mietete und eine Bekannte bat, eines der Fahrzeuge zu fahren. Per SMS forderte der Beklagte die bei dem L. verweilende P. auf, die Haus- und Wohnungstür zu öffnen. Kurz danach klingelte es, L. ging zur Wohnungstür und wurde von mindestens zwei mit Sturmhauben maskierten und in die Wohnung eindringenden Männern geschlagen, an Händen und Füßen mit Kabelbindern gefesselt und mit Klebeband geknebelt. P. und deren Tochter verließen die Wohnung mit den Männern, die sie zu den bereitstehenden Fahrzeugen brachten.
3 Auf die vom Kläger erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die dagegen erhobene Berufung hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet zurückgewiesen. Es hat die wesentlichen Feststellungen des Strafurteils zugrunde gelegt. Danach habe der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Die an der gesetzlichen Strafandrohung und der Höhe der verhängten Freiheitstrafe zu messende Schwere dieses Dienstvergehens, das zudem einen Bezug zum Amt eines Polizeibeamten - Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen - aufweise, indiziere nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Milderungsgründe seien nicht gegeben.
4 2. Die Beschwerde hat keine Verfahrensmängel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
5 a) Das Berufungsgericht hat den Grundsatz der rechtsfehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt.
6 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Die Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des Tatsachengerichts ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2017 - 2 B 2.16 - juris Rn. 15 m.w.N.).
7
Die Rügen des Beklagten, das Berufungsgericht habe den objektiven Sachverhalt insoweit fehlerhaft festgestellt, als ihm vorgehalten werde,
- bei der Tatausführung das Risiko in Kauf genommen zu haben, den Tathergang im Falle einer naheliegenden Eskalation nicht mehr kontrollieren zu können,
- es habe das vom Beklagten verfasste Buch "Treibjagd" verwertet, ohne es zuvor in das Verfahren eingeführt zu haben ("falscher Sachverhalt"),
- es sei in Bezug auf seine Motive und innere Haltung ("skrupelloses und zielstrebiges Vorgehen") von einer inneren Gesinnung ausgegangen, für die der Tatbestand keine Anhaltpunkte enthalte und
- es habe in Ansehung seiner bekannten Erkrankung das von ihm geltend gemachte "Helfersyndrom" außer Acht gelassen,
greifen nicht durch.
8 Das Berufungsgericht stützt sich auf die bindenden tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils. Nach § 56 Abs. 1 LDG NRW sind die tatsächlichen Feststellungen u.a. eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im sachgleichen behördlichen Disziplinarverfahren bindend. Soweit diese Bindungswirkung reicht, entfällt die Verpflichtung - und Befugnis - der Disziplinarbehörde, die erforderlichen Beweise zu erheben. Entsprechendes gilt nach § 56 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 BDG für das gerichtliche Disziplinarverfahren. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Abs.1 BDG (für das Berufungsverfahren) hat das Disziplinargericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.
9 Die Bindungswirkung soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung primär den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen, soweit die Bindungswirkung reicht. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen. Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 13; Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 B 1.15 - juris Rn. 8).
10 Somit ist es rechtsfehlerfrei, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte die ihm angelasteten Taten begangen hat, auf die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils abgestellt hat. Dass das Berufungsgericht im Ergebnis diese Feststellungen nicht als offensichtlich unrichtig, sondern als zutreffend beurteilt hat, obliegt seiner Beweiswürdigung. Die Beschwerde hält das Ergebnis dieser Beweiswürdigung für fehlerhaft, zeigt aber keinen Verfahrensfehler bei der Beweiswürdigung auf.
11 Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei der Tatausführung das Risiko in Kauf genommen, den Tathergang für den Fall einer Eskalation nicht mehr kontrollieren zu können, leitet sich folgerichtig und nachvollziehbar aus den Feststellungen des Strafgerichts ab, wonach der Beklagte mindestens zwei Männer organisiert hat, die maskiert in die Wohnung eindringen und das Opfer fesseln und knebeln sollten, wobei eine grobe Behandlung des Opfers einkalkuliert war.
12 Soweit im Hinblick auf den Sachverhalt in der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, das Berufungsgericht habe das vom Beklagten nach begangenem Dienstvergehen während der Untersuchungshaft verfasste Buch "Treibjagd - vom Cop zu Outlaw" bei der Maßnahmebemessung erschwerend berücksichtigt, obgleich dieses Buch weder Gegenstand des Verfahrens noch der Verfahrensakte gewesen sei, ist diese Darstellung unzutreffend. Bereits die Disziplinarklage nimmt auf dieses vom Beklagten verfasste Buch Bezug und zitiert daraus negative Aussagen über den Beruf des Polizeibeamten. Der damalige Bevollmächtigte des Beklagten hat darauf in der Klageerwiderung reagiert; das Urteil des Verwaltungsgerichts verwertet das Buch im Rahmen der disziplinaren Maßnahmebemessung (UA S. 15). In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat sich der Beklagte dagegen nicht gewandt. Außerdem sind die Disziplinarakten laut dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - entgegen der Einlassung in der Beschwerde - ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens erklärt worden (Bl. 2 der Niederschrift).
13 Hinsichtlich der Motivlage des Beklagten bei der Begehung des Dienstvergehens als "skrupellos und zielstrebig" ist darauf hinzuweisen, dass diese Beschreibung des Vorgehens des Beklagten bei der Begehung der Tat durch das Berufungsgericht an die Strafzumessungserwägungen des landgerichtlichen Urteils anknüpfen. Darin heißt es, dass sich die vom Beklagten begangene Freiheitsberaubung nicht in einer reinen Beschränkung der Freiheit zur Ortsveränderung erschöpfte, "sondern durch die Fesselung und insbesondere die Knebelung mit Klebeband besonders intensiv und für den Geschädigten beeinträchtigend" gewirkt habe. Zudem berücksichtigte das Landgericht bei der Strafzumessung das "planmäßige Vorgehen" zu Lasten des Beklagten als strafschärfend. Planmäßiges Vorgehen lässt sich schon dem Wortlaut nach synonym ohne Weiteres auch als "gezieltes", "zielbewusstes", "zielstrebiges" oder "methodisch überlegtes" Vorgehen verstehen (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/ planmäßig). Die Tatsache, dass der L. nicht nur verletzt, sondern zudem mit Kabelbindern gefesselt und mit Klebeband geknebelt worden ist, stellt zudem eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Bewertung der Tatausführung als "skrupellos" durch das Berufungsgericht dar.
14 Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur rechtsfehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auch nicht dadurch verletzt, dass es - so die Beschwerde - unberücksichtigt gelassen habe, dass das Motiv des Beklagten für sein Dienstvergehen nicht Eigennutz gewesen sei, sondern auf einem psychisch/emotionalen Grund während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase - "Helfersyndrom" - beruht habe.
15 Das Berufungsgericht hat im Rahmen der Prüfung einer verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten (S. 18 f. des Berufungsurteils) es als nicht nachvollziehbar angesehen, warum der Beklagte infolge eines "Helfersyndroms" zum Tatzeitpunkt im Sinne einer negativen Lebensphase "aus der Bahn geworfen" gewesen sei. Dass das Berufungsgericht (S. 14 des Berufungsurteils) diesem Motiv im Hinblick auf die bereits im Strafurteil angestellten Überlegungen - "der Angeklagte als Polizeibeamter wusste, dass es andere Möglichkeiten gab, einer Frau zu helfen, die sich in der von V. P. geschilderten Lage befindet" und "dass der Angeklagte nicht stärker darauf gedrängt hat, dass sie die Hilfe einer Einrichtung in Anspruch nahm, die sich professionell mit der Hilfestellung in vergleichbaren Situationen befasst" - keine durchgreifende maßnahmemildernde Bedeutung beigemessen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen des dem Disziplinargericht nach § 13 LDG NRW zustehenden Spielraums und verstößt nicht gegen die Pflicht zur richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16 b) Das Berufungsgericht hat auch nicht seine Sachaufklärungspflicht (§ 57 LDG NRW i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt. Danach obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1 sowie Beschluss vom 27. April 2016 - 2 B 23.15 - juris Rn. 11). Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dient dabei aber nicht dazu, Versäumnisse in der Tatsacheninstanz wettzumachen oder nachzuholen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 2 B 85.13 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 382 Rn. 7 m.w.N.).
17 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe es unter Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 57 LDG NRW und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterlassen, im Hinblick auf die Dienstunfähigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt des außerdienstlichen Dienstvergehens - 4. Oktober 2009 - ein vom Beklagten schriftlich angeregtes Sachverständigengutachten zur Frage der Vorwerfbarkeit bei eingeschränktem Unrechtsbewusstsein zu erheben, ist festzustellen:
18 Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Dies gilt auch für die Einholung von Gutachten oder die Ergänzung vorhandener Gutachten oder Arztberichte und selbst dann, wenn eine solche Maßnahme der Sachverhaltsermittlung von einem Beteiligten angeregt worden ist (BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2; Beschluss vom 30. Juni 2010 - 2 B 72.09 - juris Rn. 4). Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Ja-nuar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und Beschlüsse vom 11. Februar 2016 - 2 B 51.14 - juris Rn. 13 und vom 27. April 2016 - 2 B 23.15 - juris Rn. 11).
19 Zwar sind die Disziplinargerichte auch nach einem rechtskräftigen Strafurteil verpflichtet, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen verminderten Schuldfähigkeit zu treffen, denn die Bindungswirkung des Strafurteils erstreckt sich nicht auf die Tatsachen, die der Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit entgegenstehen oder diese stützen (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 29; Beschluss vom 9. Februar 2016 - 2 B 84.14 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 41 Rn. 20). Im vorliegenden Fall ist die Amtsaufklärungspflicht des Disziplinargerichts jedoch nicht verletzt.
20 Denn das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die Polizeidienstunfähigkeit zum Tatzeitpunkt auf psychische Erkrankungen des Beklagten zurückzuführen sei, hinreichend auseinandergesetzt. In den Urteilsgründen wird die Feststellung, es fehle an greifbaren Anhaltspunkten für die Annahme, es liege eine den §§ 20 und 21 StGB unterfallende Krankheit vor, nachvollziehbar daraus geschlossen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nur pauschal angegeben habe, dass er damals krankgeschrieben gewesen sei und auch Tabletten habe einnehmen müssen. Mit den Begriffen "krankgeschrieben" und "Tabletteneinnahme" werden keine konkreten Tatsachen zu konkreten Einschränkungen der Funktions-, Steuerungs- oder Erkenntnisfähigkeit benannt, die dem Beweis zugänglich sind und deren Wahrheitsgehalt vom Gericht überprüft werden kann. An einer Konkretisierung der sich aus seinem "Krankgeschriebensein" und der "Tabletteneinnahme" (wofür und mit welchen Auswirkungen auf das Wohlbefinden?) folgenden Einschränkungen durch den Beklagten in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat es gefehlt.
21 Eine andere rechtliche Beurteilung folgt hier auch nicht daraus, dass das Gericht eine Aufklärungsmaßnahme, die sich ihm nach den Umständen des Falles hat aufdrängen müssen, nicht deshalb unterlassen darf, weil kein Beweisantrag gestellt worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. September 2008 - 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 7, vom 6. September 2012 - 2 B 31.12 - juris Rn. 11 und vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 - juris Rn. 10). Denn der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Vorgaben des materiellen Rechts. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich ohne ausdrücklichen Beweisantrag nur auf, wenn das Gericht nach seinem materiellrechtlichen Standpunkt Anlass zur weiteren Aufklärung sehen muss, weil die bisherigen Tatsachenfeststellungen eine Entscheidung noch nicht sicher tragen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25 und Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 B 143.11 - juris Rn. 10).
22 Vor dem Hintergrund der insbesondere zuletzt nur pauschalen Einlassungen zu seinem Gesundheitszustand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Dienstvergehens am 4. Oktober 2009 hat es sich dem Berufungsgericht nicht aufdrängen müssen, dass die Erkenntnis- oder Steuerungsfähigkeit des Beklagten damals in einer schuldmindernden Art und Weise nachteilig beeinträchtigt gewesen sein könnte. Hinreichende Anknüpfungspunkte oder Tatsachen hat der Beklagte nach den Ausführungen in der Sitzungsniederschrift zuletzt auch während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht vorgetragen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund seiner weiteren Aussage vor dem Berufungsgericht (Bl. 4 der Sitzungsniederschrift), dass er sich nach der Tat in der Psychiatrie in Münster aufgehalten hat und im Anschluss daran von einem SEK festgenommen worden ist. Wenn bereits damals - 2009 - im unmittelbaren Anschluss an das dem Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen im straf- und im disziplinarrechtlichen Verfahren weder behördlich noch gerichtlich noch von Seiten des Beklagten selbst Anlass gesehen worden ist, ihn gutachtlich zu untersuchen, so gilt dies erst recht für den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung im Dezember 2016. Auch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht trotz entsprechender Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift nicht mehr auf diesen Aspekt zurückgekommen.
23 Letztlich setzt die Beschwerde nur ihre Wertungen zu weiteren Fragen der Schuldfähigkeit, etwaiger Milderungsgründe zum Tatzeitpunkt und der Bewertung des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in den Beamten - negative Lebensphase, persönlichkeitsfremdes Handeln infolge Medikamenteneinnahme, "Helferssyndrom" - an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts. Dies ist nicht geeignet, die geltend gemachte Sachverhaltswidrigkeit oder einen Aufklärungsmangel zu substantiieren. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob sich der Beklagte vollständig vom Dienstherrn abgewandt hat, mit dem Vorspann beantwortet, "ohne dass es für die jetzige Entscheidung tragend darauf ankommt" (UA S. 15 unten). Damit sind die dazu folgenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich und können den Beklagten schon deshalb nicht in seinen Rechten verletzen.
24 3. Auch die geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
25 Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht oder bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes divergenzfähiges Gericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 3 ff. m.w.N.).
26 Das Beschwerdevorbringen genügt diesen Anforderungen nicht. Es hat keinen Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- oder Bundesverfassungsgericht oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts abweicht. Mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe, abweichend von den Erfordernissen der allumfassenden Gesamtwürdigung, belastende Tatsachen in den Vordergrund gestellt, andere entlastende Tatsachen überhaupt nicht berücksichtigt und weggelassen sowie sich mit der Frage der gesundheitlichen Belastung des Beamten nicht hinreichend befasst, rügt die Beschwerde der Sache nach lediglich die vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall.
27 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 LDG NRW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.