Beschluss vom 14.03.2008 -
BVerwG 9 VR 3.07ECLI:DE:BVerwG:2008:140308B9VR3.07.0

Beschluss

BVerwG 9 VR 3.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2008
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird eingestellt.
  2. Die Gerichtskosten des Verfahrens werden der Antragstellerin zur Hälfte, der Antragsgegnerin zu einem Viertel und den Beigeladenen zu je einem Achtel auferlegt. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder der Beteiligten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen.

3 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin entspricht es nicht billigem Ermessen, ungeachtet der Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs die Antragsgegnerin und die Beigeladenen mit den gesamten Verfahrenskosten deswegen zu belasten, weil die Antragsgegnerin aus der Zeitplanung der Beigeladenen nicht die Konsequenz gezogen hat, die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Oktober 2006 auszusetzen. Um der Antragstellerin die Einleitung eines Eilverfahrens zu ersparen, hätte die Antragsgegnerin die Vollziehung entweder im Planfeststellungsbeschluss selbst oder innerhalb der Monatsfrist des § 18e Abs. 2 Satz 2 AEG n.F. (= § 20 Abs. 5 Satz 2 AEG a.F.) aussetzen müssen. Aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2007 ergibt sich aber, dass ihr der - später nochmals geänderte - Bauzeitenplan der Beigeladenen erst nach Ablauf dieser Frist aus einem Antwortschreiben der DB ProjektBau GmbH vom 26. Januar 2007 bekannt geworden ist; vor Fristablauf hatte sie also gar keinen Anlass, die Aussetzung der Vollziehung zu erwägen.

4 Aber auch unabhängig davon hätte sich der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung nicht aufdrängen müssen. Allerdings kann die Behörde im Interesse des Betroffenen gehalten sein, von der Möglichkeit des § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO Gebrauch zu machen, um die Stellung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz zu erübrigen. Das gilt nicht nur, wenn der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses ein Vollziehungshindernis entgegensteht (vgl. hierzu Beschluss vom 17. September 2001 - BVerwG 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66), sondern auch dann, wenn für die Planfeststellungsbehörde erkennbar ist, dass das Vorhaben in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden soll (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 2001 - BVerwG 4 VR 14.01 - S. 5 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks). Soll ein Vorhaben dagegen - wie hier - zeitnah begonnen, mit Rücksicht auf seinen Umfang jedoch in Etappen über einen längeren Zeitraum gestaffelt ausgeführt werden, so braucht die Behörde dem nicht durch eine Teilaussetzung des Beschlusses hinsichtlich der erst später anstehenden Bauabschnitte Rechnung zu tragen. Dies folgt schon daraus, dass die Arbeiten in der Regel insgesamt auf Verwirklichung des angegriffenen Vorhabens gerichtet sind und es deshalb dem Rechtsschutzziel des Betroffenen entspricht, sie auch insgesamt zu unterbinden. Eine Ausnahme ist lediglich in Betracht zu ziehen, falls sich der Betroffene allein gegen einen abtrennbaren Vorhabensteil wendet, dessen Ausführung noch nicht in absehbarer Zeit ansteht. Das setzt indes sowohl eine rechtliche als auch eine klare räumliche Teilbarkeit des Gesamtvorhabens voraus. An dem zweiten Erfordernis fehlt es hier. Der Ausbau des Ostkreuzes könnte zwar auch ohne die Vorsorgemaßnahme B 100 erfolgen; die Vorsorgemaßnahme mag also rechtlich abtrennbar sein. Ihre Bauausführung ist aber mit dem Umbau der Gleis- und Bahnhofsanlagen über dem Straßentunnel so eng verzahnt, dass beide nur gemeinsam erfolgen können. Unter diesen Umständen konnte von der Planfeststellungsbehörde keine gesonderte Aussetzungsentscheidung erwartet werden.

5 Die Kostenentscheidung ist demgemäß an der Erfolgsaussicht des nunmehr erledigten Rechtsbehelfs auszurichten. Lässt sich der vermutliche Prozessausgang nicht ohne Weiteres übersehen, so entspricht es insoweit dem Sinn der zur Verfahrensvereinfachung dienenden Vorschrift des § 161 Abs. 2 VwGO, der Ungewissheit über den Verfahrensausgang durch eine anteilige Kostenbelastung Rechnung zu tragen. Dies trifft hier zu: Die Entscheidung über das Antragsbegehren hätte eine Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen, die das Verhältnis fachplanungs- und wasserrechtlicher Regelungen sowie die Zulässigkeit isolierter Teilmaßnahmen im Vorgriff auf spätere Planungen betreffen, sowie die zumindest summarische Würdigung komplizierter Sachfragen und ihrer sachverständigen Begutachtung erfordert. Das Ergebnis dieser gerichtlichen Überprüfungen war nach dem Sach- und Streitstand bei Erledigung der Hauptsache nicht annähernd absehbar.

6 Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.