Beschluss vom 14.04.2025 -
BVerwG 3 BN 8.24ECLI:DE:BVerwG:2025:140425B3BN8.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.04.2025 - 3 BN 8.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:140425B3BN8.24.0]

Beschluss

BVerwG 3 BN 8.24

  • VGH Mannheim - 11.04.2024 - AZ: 1 S 278/23

In der Normenkontrollsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2025
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und Hellmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. April 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Instanzen auf je 10 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich gegen infektionsschutzrechtliche Regelungen in Verordnungen des Antragsgegners während der Corona-Pandemie.

2 Die Antragstellerin hat am 3. Mai 2020 einen Normenkontrollantrag gegen alle Bestimmungen in der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17. März 2020 in der Fassung vom 2. Mai 2020 sowie gegen die Verordnung des Sozialministeriums zur Untersagung des Verlassens bestimmter Einrichtungen zum Schutz besonders gefährdeter Personen vor Infektionen mit Sars-CoV-2 (Corona-Verordnung Heimbewohner - CoronaVO Heimbewohner) vom 7. April 2020 gestellt. Zudem hat sie beantragt, zeitnah einen Termin zur mündlichen Haftprüfung zu bestimmen. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs trat die Corona-Verordnung mit Ablauf des 15. Mai 2020 außer Kraft, die Corona-Verordnung Heimbewohner mit Ablauf des 3. Mai 2020. In der mündlichen Verhandlung am 11. April 2024 hat die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Verordnungen beantragt.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 11. April 2024 abgelehnt. Er sei nur teilweise zulässig. Hinsichtlich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschrift des § 9 CoronaVO sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Die Antragstellerin sei im Übrigen nur antragsbefugt, soweit sie sich gegen Regelungen zu Kontaktbeschränkungen, zur Maskenpflicht und zur Beschränkung von Versammlungen sowie gegen Betriebsuntersagungen für Bildungseinrichtungen, Schwimm- und Hallenbäder, Thermal- und Spaßbäder, Sportanlagen und Sportstätten nach der Corona-Verordnung richte. Hinsichtlich der übrigen Bestimmungen dieser Verordnung fehle es an der Betroffenheit der Antragstellerin; im Hinblick auf die Corona-Verordnung Heimbewohner fehle es gänzlich an der Antragsbefugnis sowie am Rechtsschutzbedürfnis. Soweit der Antrag zulässig sei, sei er unbegründet. Die zulässigerweise angegriffenen Vorschriften der Corona-Verordnung seien materiell rechtmäßig gewesen. Sie hätten sich mit § 32 IfSG i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020 auf eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Grundlage seien erfüllt gewesen. Die Verordnungsregelungen erwiesen sich auch im Übrigen als mit höherrangigem Recht vereinbar und hätten insbesondere keine Grundrechtsverletzungen begründet. Die Regelungen hätten darauf abgezielt, die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu verlangsamen und das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen sowie das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Die Annahme des Verordnungsgebers, dass diese Ziele ohne die erlassenen Ge- und Verbote gefährdet seien und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich gewesen sei, habe eine tragfähige tatsächliche Grundlage gehabt. Insoweit komme es auf die Beurteilung der Lage durch den Verordnungsgeber ex ante an. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe nach den Erkenntnissen des hierzu berufenen Robert Koch-Instituts (RKI) eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung vorgelegen. Der Verordnungsgeber habe sich auf die Erkenntnisse des RKI stützen dürfen. Eine nachträgliche abweichende Einschätzung anderer Sachverständiger oder die Berufung auf spätere Studien könne hieran nichts ändern. Dies zugrunde gelegt, seien die Maßnahmen verhältnismäßig gewesen.

II

4 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist weder wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5 1. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

6 a) Mit der Rüge, ausweislich des Zustellungsprotokolls seien die elektronischen Signaturen des Urteils fehlerhaft, legt die Beschwerde keinen Verfahrensfehler dar. Nach dem in den Gerichtsakten befindlichen Transfervermerk vom 6. August 2024 haben die beteiligten Richter - soweit nicht verhindert - das Urteil am 28. Mai 2024 qualifiziert elektronisch signiert. Das Ergebnis der Prüfung der Integrität der Signatur und der Gültigkeit des Zertifikats ist dabei für alle Signaturen mit "gültig" angegeben. Ein Verstoß gegen das Unterschriftserfordernis des § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist damit nicht erkennbar; auch Zweifel am wirksamen Erlass des Urteils durch dessen Zustellung gemäß § 116 Abs. 2 VwGO bestehen nicht. Zu einer anderen Bewertung führt nicht, dass das von der Antragstellerin vorgelegte Prüfprotokoll vom 14. Juni 2024 bei drei Signaturen als Ergebnis der Prüfung die Mitteilungen "Die Signatur konnte mathematisch nicht geprüft werden, da die Inhaltsdaten nicht vorliegen" und "Der Status der Signatur ist unbestimmt" ausweist. Die Fehlerhaftigkeit der Signaturen ist damit bereits deshalb nicht belegt, weil die Prüfung nicht ihre Ungültigkeit, sondern lediglich die Unbestimmtheit ihres Status ergeben hat. Ob und mit welchem Ergebnis die Antragstellerin eine in einem solchen Fall mögliche weitere Prüfung (vgl. Bundesrechtsanwaltskammer, beA-Anwenderhandbuch, S. 147) vorgenommen hat, trägt sie nicht vor; auch setzt sich die Beschwerde nicht mit der Frage auseinander, ob die Probleme bei der Signaturprüfung auf Umstände auf Sender- oder Empfängerseite zurückzuführen sind.

7 b) Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren der Antragstellerin mit drei weiteren Verfahren zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden hat. Die Trennung und Verbindung von Verfahren (§ 93 VwGO) unterliegt nicht der revisionsgerichtlichen Nachprüfung, weil es sich um eine unanfechtbare Vorentscheidung handelt (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO, § 146 Abs. 2, § 152 Abs. 1 VwGO). Mit dem gegen die Schlussentscheidung gerichteten Rechtsmittel können indes Mängel gerügt werden, die als Folge der beanstandeten Verbindung oder Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften, also auf die der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Sachentscheidung durchschlagen (vgl. für die Verfahrenstrennung BVerwG, Beschlüsse vom 6. Dezember 2007 - 9 B 53.07 - juris Rn. 4 und vom 20. Mai 2011 - 8 B 64.10 - juris Rn. 6, Urteile vom 17. Februar 1972 - 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <323> und vom 18. September 2014 - 5 C 18.13 - juris Rn. 23, insoweit in BVerwGE 150, 200 nicht abgedruckt). Solche Mängel zeigt die Antragstellerin nicht auf. Soweit sie vorträgt, durch die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung fänden die Beteiligten kein ungeteiltes rechtliches Gehör, fehlt es an konkreten Darlegungen dazu, hinsichtlich welchen Vortrags der Antragstellerin es aufgrund der Verbindung der Verfahren zu einem Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör gekommen sein soll. Das Vorbringen, sie sei von der Verbindung überrascht worden und habe sich auf diese nicht vorbereiten können, zeigt nicht auf, an der Wahrnehmung welcher Verfahrensrechte sie sich hierdurch gehindert sah und inwieweit dies dem Urteil anhaften soll.

8 c) Die Beschwerde legt auch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dar. Das Vorbringen der Antragstellerin, der Verwaltungsgerichtshof habe Gesichtspunkte, die ihr erkennbar wichtig gewesen seien, nicht bewertet und über sie nicht geurteilt, zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Sie trägt hierzu vor, es sei ihr nicht um die Prüfung einzelner Paragraphen der Verordnung gegangen, sondern um das Ob und Wie der Verordnung und der darin verhängten Maßnahmen an sich, insbesondere um eine Diskussion zur Gefahrenlage. Angekommen sei es ihr auch auf die Fragen des geschützten Rechtsgutes, der Verhältnismäßigkeit und der formellen Rechtmäßigkeit der Verordnung. Der geltend gemachte Gehörsverstoß liegt nicht vor, weil der Verwaltungsgerichtshof sich mit den genannten Aspekten in seinem Urteil vom 11. April 2024 befasst hat, so mit der formellen Rechtmäßigkeit der Verordnung auf S. 38 ff. des Urteilsabdrucks, der hinreichenden Ermächtigungsgrundlage auf S. 58 ff. und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sowie den der Prüfung zugrunde zu legenden tatsächlichen Annahmen zur Gefahrensituation auf S. 73 ff.

9 Auch die Rüge der Antragstellerin, das Gericht sei nicht darauf eingegangen, dass es ihr um eine fortgesetzte begleitende Betrachtung der Maßnahmen gegangen sei, zeigt keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung allein beantragt, festzustellen, dass die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 vom 17. März 2020 in der Fassung vom 2. Mai 2020 und die Verordnung des Sozialministeriums zur Untersagung des Verlassens bestimmter Einrichtungen zum Schutz besonders gefährdeter Personen vor Infektionen mit SARS-CoV-2 vom 7. April 2020 unwirksam waren. Auf weitere Fassungen dieser Verordnungen oder andere - später ergangene - Verordnungen hat sie ihren Antrag nicht erstreckt. Damit scheidet auch ein Verstoß gegen § 88 VwGO aus. Dass der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Vorstellung der Antragstellerin insbesondere bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Verordnungsbestimmungen spätere Maßnahmen nicht berücksichtigt hat, steht im Übrigen im Einklang mit der vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 79).

10 Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang weiter rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe die durch ihren Antrag Nr. 3 in das Verfahren eingebrachte Frage, warum die durch die angegriffene Verordnung geregelten Maßnahmen nicht vorab richterlich hätten überprüft werden müssen, nicht gewürdigt, zeigt sie bereits deshalb keinen Gehörsverstoß auf, weil sie ihren im Schriftsatz vom 2. Mai 2020 gestellten Antrag zu 3), mit dem sie die zeitnahe Bestimmung eines Termins zur Haftprüfung begehrt hatte, nicht aufrechterhalten hat.

11 d) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO und den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Insoweit nimmt die Beschwerde Bezug auf die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 1 bis 5 der Antragstellerin. Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44.22 - juris Rn. 25 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall.

12 Mit den Beweisanträgen Nr. 1 und 2 hat die Antragstellerin Bezug auf den Beweisantrag Nr. 1 in den zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren genommen und zum Beweis der Behauptung, dass es in Wahrheit und entgegen den öffentlichen RKI-Bekundungen der fachlichen wissenschaftlichen Auffassung des RKI entsprach, dass es gerade keine Evidenz für eine allgemeine Nutzung von Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, noch nicht einmal von FFP2-Masken gab und gibt, die Ladung von Zeugen beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anträge unter anderem abgelehnt, weil die Behauptung nicht entscheidungserheblich sei. Eine nunmehr behauptete, lediglich interne abweichende Auffassung des RKI habe sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verordnung auswirken können. Maßgeblich seien vielmehr die abschließenden und veröffentlichten Stellungnahmen gewesen, die dem Antragsgegner bekannt gewesen seien. Dies ist nicht zu beanstanden. Ein Beweisantrag kann unter anderem abgelehnt werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts nicht entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44.22 - juris Rn. 25 m. w. N.). Ausgehend von dem dargestellten materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs kam es auf die unter Beweis gestellte Behauptung abweichender interner Auffassungen innerhalb des RKI für die rechtliche Bewertung nicht an. Mit den Einwänden, die die Antragstellerin gegen diese materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs vorbringt, zeigt sie einen Fehler des Verfahrens nicht auf.

13 Dass der Verwaltungsgerichtshof den mit den Beweisanträgen Nr. 1 und 2 in Verbindung stehenden Beweisantrag Nr. 3 auf Heranziehung des Protokolls der Sitzung des COVID-19-Krisenstabs des RKI vom 26. Februar 2020 abgelehnt hat, weil die Antragstellerin dieses Protokoll bereits selbst vorgelegt hatte, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

14 Den Beweisantrag Nr. 4, mit dem die Antragstellerin beantragt hatte, zum Beweis dafür, dass zu keinem Zeitpunkt eine gesundheitliche Gefahrenlage wegen des Corona-Virus bestand und die Corona-Verordnung und die darin getroffenen Maßnahmen daher unwirksam und unverhältnismäßig waren, die ungeschwärzten Protokolle der Sitzungen des COVID-19-Krisenstabs des RKI von Januar 2020 bis April 2023 anzufordern und vorzulegen, hat der Verwaltungsgerichtshof als nicht entscheidungserheblich abgelehnt. Auch dies findet eine Stütze im Prozessrecht. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorschriften komme es nur auf die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers veröffentlichten fachlichen Stellungnahmen des RKI an und einen ihm unbekannten und nicht erkennbaren behördeninternen vorangegangenen Entscheidungsprozess habe der Antragsgegner bei Erlass der Vorschriften nicht berücksichtigen können und müssen, kam es auf die unter Beweis gestellte Tatsache des Nichtbestehens einer Gesundheitsgefahr bei ex post-Betrachtung für die rechtliche Bewertung nicht an. Die Einwände der Antragstellerin, mit denen sie im Wesentlichen geltend macht, der Antragsgegner habe sich nicht auf die Stellungnahmen des RKI berufen, er sei hinsichtlich des Bestehens einer Gefahrenlage "bösgläubig" gewesen, es fehle an einem rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, es komme auch auf spätere Erkenntnisse an und der Inhalt der RKI-Protokolle sei relevant, weil sie zeigten, welche Einflussnahmen es auf das RKI gegeben habe, richten sich gegen den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs, zeigen aber nicht auf, dass - ausgehend von diesem - die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 4 verfahrensfehlerhaft gewesen ist.

15 Den Beweisantrag Nr. 5, mit dem die Antragstellerin zum Beweis dafür, dass die vom Antragsgegner behauptete Gefahrenlage zu keinem Zeitpunkt vorlag, die Vorlage sämtlicher Protokolle der Bund-Länder-Konferenzen beantragt hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt, weil die Antragstellerin die Entscheidungserheblichkeit der Protokolle - die im Übrigen schon während der Corona-Pandemie im Internet veröffentlicht worden seien - nicht dargelegt habe. Der Antrag sei ersichtlich ins Blaue gestellt. Anknüpfungstatsachen für die Beweisbehauptung benenne der Antrag nicht. Das Protokoll, auf das sich der Antragsgegner im Schriftsatz vom 5. April 2024 beziehe, sei bereits Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dass diese Ablehnung verfahrensfehlerhaft gewesen ist, legt die Beschwerde nicht dar. Ein Beweisantrag kann mangels Substantiierung dann "als ins Blaue hinein" abgelehnt werden, wenn für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, sie mithin ohne greifbaren Anhaltspunkt, also ohne tatsächliche Grundlage behauptet wird. Welche Anforderungen an die Substantiierung dabei vom Tatsachengericht gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2018 - 3 B 37.17 - juris Rn. 9 m. w. N.). Der tatgerichtlichen Bewertung, die Antragstellerin habe das Nichtbestehen der vom Antragsgegner angenommenen Gefahrenlage ohne tatsächliche Grundlage behauptet, setzt die Beschwerde mit dem Vortrag, der Erkenntnisgewinn sei im Fluss, das Gericht habe nicht unterstellen dürfen, dass der Antragsgegner dem RKI habe vertrauen können und die bereits vorliegenden Protokolle hätten auch ohne Beweisantrag eine weitere Aufklärung nahegelegt, nichts Durchgreifendes entgegen. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags überspannt hat, ist nicht erkennbar; insbesondere wäre es der Antragstellerin angesichts der Veröffentlichung der in Rede stehenden Protokolle möglich gewesen, in ihnen gegebenenfalls vorhandene tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Beweisbehauptung zu benennen.

16 Soweit die Antragstellerin vorträgt, auch ohne Beweisantrag sei der Verwaltungsgerichtshof zu einer eingehenderen Befassung und Aufklärung verpflichtet gewesen, fehlt es an Darlegungen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs weiterer Ermittlung bedurft hätten.

17 2. Die Beschwerde zeigt auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

18 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2023 - 3 B 4.22 - juris Rn. 7). Dies ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2023 - 3 B 24.22 - juris Rn. 7).

19 An den erforderlichen Darlegungen fehlt es hier. Soweit die Antragstellerin zur geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung ausführt, es gehe um das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer Aufarbeitung und Klärung, der Verwaltungsgerichtshof sei von mehreren Grundsätzen der Gefahrenabwehr abgewichen, die von den Verordnungen getroffenen Maßnahmen hätten mangels Vortrags des Antragsgegners nicht auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden können und der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht auf eine ex ante-Sicht abgestellt, formuliert die Antragstellerin bereits keine konkreten Rechtsfragen. Gleiches gilt für die Rüge, es habe ein gravierender formeller Fehler der Verordnung vorgelegen, und das Vorbringen, die Anwendbarkeit der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und die Verletzung der Würde des Menschen sowie des Art. 5 GG seien von grundsätzlicher Bedeutung.

20 Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Fragen formuliert, führen diese ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Fragen,

  • "wie verwertbar die Veröffentlichungen des RKI denn sein können, wenn von außen oder - wie hier - vom weisungsberechtigten Ministerium das Ergebnis vorgegeben oder beeinflusst wird?",
  • "Wie kann einer Bundesbehörde die Kompetenz für die Schaffung neutraler, wissenschaftlicher Grundlage politischer, d.h. exekutiver Entscheidungen zukommen, wenn die Behörde genau gegenüber dieser Exekutive weisungsgebunden ist bzw. sich als weisungsgebunden erachtet und dementsprechend weisungsgebundene Handlungsempfehlungen 'erlässt'?",
  • "inwiefern sonstiger Einfluss von außen, sei es durch die EU, EMA, Pfizer, WHO und dergleichen verfassungsgemäß bzw. rechtmäßig sind und Expertisen unverwertbar machen",

wären bereits deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Regelungen in der Corona-Verordnung auf die ex ante-Sicht des Verordnungsgebers ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - BVerwGE 177, 60 Rn. 57). Dass dieser im maßgeblichen Zeitraum die Eignung der Erkenntnisse des RKI aufgrund der von der Antragstellerin mit den Fragen zu 1 bis 3 behaupteten Umstände hätte anzweifeln müssen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Die tatrichterliche Würdigung ist für das Revisionsgericht verbindlich (§ 137 Abs. 2 VwGO); die Antragstellerin hat gegen sie - wie gezeigt - keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben.

21 Inwiefern die Frage der Unwirksamkeit der angegriffenen Verordnungen von den von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen,

  • "Wer denn Pandemien oder Epidemien, und unter welchen Voraussetzungen ausrufen darf. Inwiefern ist das gerichtlich überprüfbar?"

und
  • "Ist eine Pandemie nun ein Akt politischen Gutdünkens (Deklaration/Ausrufung) oder welche handfesten Daten iSv wissenschaftlich belastbaren sind hier Grundlage?",

abhängen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

22 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 und 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, bei gegen Corona-Verordnungen gerichteten Normenkontrollanträgen nach § 47 VwGO von nicht in einer wirtschaftlichen Tätigkeit betroffenen Antragstellern den Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) unabhängig von der Anzahl der angegriffenen Vorschriften einer Verordnung zugrunde zu legen. Da der Antrag sich gegen zwei Verordnungen gerichtet hat, ist der Auffangstreitwert zu verdoppeln.