Beschluss vom 15.06.2022 -
BVerwG 1 WB 7.22ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B1WB7.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.06.2022 - 1 WB 7.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B1WB7.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 7.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Perko und
den ehrenamtlichen Richter Oberstabsfeldwebel Sommerschuh
am 15. Juni 2022 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der 1997 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit im Dienstgrad Oberfeldwebel. Er gehört dem X an. Sein regulärer Dienstort ist die ...-Kaserne in ...

2 Am 18. Juni 2021 erteilte der Chef des Stabes des X dem Antragsteller mündlich einen Befehl, mit dem er ihm bis auf Weiteres verbot, Dienst in der ...-Kaserne zu leisten, und ihm aufgab, bis auf Weiteres seinen Dienst in der rund drei Kilometer entfernten ...-Kaserne zu versehen. Anlass dieses Befehls war, dass eine in der ...-Kaserne beschäftigte Beamtin gegen den Antragsteller eine Anordnung nach dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen beantragt hatte.

3 Gegen diesen Befehl erhob der Antragsteller unter dem 19. Juli 2021 per E-Mail Beschwerde. Diese wies der Kommandeur des X mit Bescheid vom 9. August 2021 als unzulässig zurück, weil die Einlegung mittels E-Mail nicht dem gesetzlichen Schriftformerfordernis genüge.

4 Mit einem ersten Schreiben vom 11. August 2021 erhob der Antragsteller daraufhin Beschwerde gegen den Kommandeur des X, weil dieser die unzulässige Wehrbeschwerde nicht als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt habe. Außerdem wandte er sich dagegen, dass er nicht telefonisch auf den Formmangel hingewiesen worden sei.

5 Mit einem zweiten Schreiben vom 11. August 2021 erhob der Antragsteller erneut Beschwerde gegen den Befehl des Chefs des Stabes vom 18. Juni 2021. Mit Bescheid vom 1. September 2021 wies der Kommandeur des X diese Beschwerde als unbegründet zurück. Die Beschwerde sei zwar nunmehr formgerecht eingereicht; auch sei die Beschwerdefrist gewahrt, weil der angefochtene Befehl eine Daueranordnung darstelle. Der Befehl sei jedoch rechtmäßig, weil er zur Sicherung des Dienstbetriebs geboten sei.

6 Mit Schreiben vom 20. September 2021 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde, weil über die von ihm mit dem ersten Schreiben vom 11. August 2021 eingelegte Beschwerde bis dahin noch nicht entschieden worden sei.

7 Mit Bescheid vom 30. November 2021 wies der Generalinspekteur der Bundeswehr die weitere (Untätigkeits-)Beschwerde zurück. Sie sei unzulässig, soweit der Antragsteller rüge, dass seinem Vorbringen aus der Beschwerde vom 19. Juli 2021 nicht im Rahmen der Dienstaufsicht nachgegangen worden sei. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers scheide insoweit schon deshalb aus, weil die Dienstaufsicht allein im öffentlichen Interesse erfolge und nicht der Wahrung der individuellen Rechte eines Soldaten diene. Unabhängig davon sei dem Beschwerdevorbringen jedoch im Rahmen der Dienstaufsicht nachgegangen worden. Ein gesonderter Bescheid sei hierzu nicht erstellt worden, weil der Umstand, dass der Kommandeur des X den Befehl des Chefs des Stabes vom 18. Juni 2021 als rechtmäßig erachtet habe, dem Antragsteller bereits in dem Beschwerdebescheid vom 1. September 2021 mitgeteilt worden sei. Soweit der Antragsteller eine Verletzung der Fürsorgepflicht geltend mache, sei seine Beschwerde unbegründet. Es bestehe keine Verpflichtung des für die Beschwerdeentscheidung zuständigen Vorgesetzten, den Beschwerdeführer im Vorfeld auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hinzuweisen.

8 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Dezember 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2022 dem Senat vorgelegt.

9 Zur Begründung erklärt der Antragsteller, dass der Generalinspekteur im Beschwerdebescheid unzureichend dargestellt habe, warum die unzulässige Wehrbeschwerde nicht als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt worden sei, obwohl dies nach der Zentralen Dienstvorschrift A-2160/6 so vorgesehen sei. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde hin habe er einen Anspruch auf Mitteilung. Weil dies unterlassen worden sei, sei er in seinen Rechten verletzt.

10 Der Generalinspekteur der Bundeswehr beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass dienstaufsichtliche Feststellungen in den Bescheid aufgenommen würden, mit dem eine Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen werde. Dies komme zwar in Betracht, wenn die Wehrbeschwerde und der dienstaufsichtliche Teil gleichzeitig erledigt werden könnten. Die Mitteilung über die Erledigung im Rahmen der Dienstaufsicht könne jedoch auch gesondert erfolgen. Im vorliegenden Fall sei zwar auch kein gesonderter Bescheid ergangen. Der Antragsteller habe jedoch auf seine erneute Beschwerde gegen den Befehl des Chefs des Stabes aus dem Beschwerdebescheid vom 1. September 2021 ersehen können, dass der Kommandeur des X den Befehl als rechtmäßig und verbindlich bewertet habe. Damit sei ihm das Ergebnis mitgeteilt worden, das auch Gegenstand der dienstaufsichtlichen Prüfung auf die unzulässige Wehrbeschwerde vom 19. Juli 2021 gewesen sei. Ein gesonderter dienstaufsichtlicher Bescheid mit gleichlautendem Inhalt wie der Beschwerdebescheid vom 1. September 2021 wäre reiner Formalismus gewesen. Das Recht des Antragstellers, das Ergebnis der dienstaufsichtlichen Prüfung mitgeteilt zu bekommen, sei damit gewahrt.

12 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten und die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem Senat bei der Beratung vor.

II

13 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

14 1. Der Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag gestellt. Nach seinem Vortrag begehrt er die Verpflichtung der zuständigen Stellen, ihm die Weiterbehandlung seiner unzulässigen Beschwerde vom 19. Juli 2021 als Dienstaufsichtsbeschwerde und deren Erledigung mitzuteilen.

15 2. Der in dieser Form zulässige Antrag ist unbegründet.

16 a) Der Antragsteller hat zwar grundsätzlich einen Anspruch auf die begehrte Mitteilung.

17 Ist eine Wehrbeschwerde nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist bei einer hierfür zuständigen Stelle eingegangen, so ist sie gemäß § 12 Abs. 3 WBO unter Hinweis auf diesen Mangel zurückzuweisen, ihr jedoch trotzdem nachzugehen und, soweit erforderlich, für Abhilfe zu sorgen. Die Kommentarliteratur erstreckt diese Regelung richtigerweise auf alle Fälle, in denen eine Beschwerde ohne Sachprüfung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (vgl. Dau/Scheuren, WBO 7. Aufl. 2020, § 12 Rn. 57). Dementsprechend bestimmt Nr. 2029 der Zentralen Dienstvorschrift A-2160/6 zur "Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung" generell, dass einer als unzulässig zurückgewiesenen Beschwerde im Rahmen der Dienstaufsicht nachzugehen ist.

18 Gemäß Nr. 2030 Satz 1 ZDv A-2160/6 wird hierzu das Beschwerdevorbringen als Dienstaufsichtsbeschwerde weiterbehandelt, was bedeutet, dass dem Beschwerdeführer nur die Kenntnisnahme von dem Inhalt der Beschwerde und die Art der Erledigung mitgeteilt werden muss und ein Anspruch auf eine besondere Begründung nicht besteht (Nr. 2030 Satz 2 und 3 ZDv A-2160/6). Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach derjenige, der eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegt, (nur) Anspruch darauf hat, dass die zuständige Stelle die Beschwerde entgegennimmt, sachlich prüft und ihm die Art der Erledigung mitteilt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2007 - 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 Rn. 19 m. w. N.).

19 In welcher Form das Ergebnis der dienstaufsichtlichen Prüfung mitgeteilt wird, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im Falle des § 12 Abs. 3 Satz 2 WBO kann die Dienstaufsichtsbeschwerde zugleich mit der zurückweisenden Beschwerdeentscheidung beschieden werden, wobei eine klare Trennung zwischen der Beschwerdeentscheidung und dem dienstaufsichtlichen Teil angezeigt ist, weil nur gegen die Beschwerdeentscheidung, nicht aber gegen den dienstaufsichtlichen Teil weitere Rechtsbehelfe nach der Wehrbeschwerdeordnung eröffnet sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2007 - 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 Rn. 19 f. m. w. N. sowie Nr. 2031 ZDv A-2160/6). Das Ergebnis der dienstaufsichtlichen Prüfung kann innerhalb eines angemessenen Zeitraums aber auch gesondert mitgeteilt werden.

20 b) Nach diesen Maßstäben ist der Anspruch des Antragstellers auf Mitteilung des Ergebnisses der dienstaufsichtlichen Prüfung mit dem Empfang des Beschwerdebescheids vom 1. September 2021 erloschen.

21 Zwar wurde die Beschwerde des Antragstellers vom 19. Juli 2019 gegen den Befehl des Chefs des Stabes durch den Beschwerdebescheid des Kommandeurs vom 9. August 2021 - zutreffend - als nicht formgerecht (§ 6 Abs. 2 WBO) und damit unzulässig zurückgewiesen. Hierdurch wurde zugleich die Pflicht zur dienstaufsichtlichen Abhilfeprüfung und Weiterbehandlung als Dienstaufsichtsbeschwerde ausgelöst (§ 12 Abs. 3 Satz 2 WBO). Der Antragsteller hat jedoch mit seinen beiden darauffolgenden Beschwerdeschreiben vom 11. August 2021 nicht nur die noch fehlende dienstaufsichtliche Behandlung durch den Kommandeur angemahnt, sondern auch eine erneute (sachgleiche) Beschwerde gegen den Befehl des Chefs des Stabes eingelegt. Diese letztere, nunmehr formgerecht erhobene und auch noch nicht verfristete Beschwerde wurde von dem Kommandeur für zulässig erachtet und mit Beschwerdebescheid vom 1. September 2021 als unbegründet zurückgewiesen.

22 Durch die Beschwerdeentscheidung in der Sache wurde der denselben Beschwerdegegenstand betreffende, rein verfahrensrechtliche Beschwerdebescheid vom 9. August 2021 überholt und damit zugleich die durch die ursprüngliche Zurückzuweisung als unzulässig ausgelöste Pflicht zur dienstaufsichtlichen Abhilfeprüfung zum Erlöschen gebracht. Denn der Vergleich von § 12 Abs. 3 WBO (unzulässige Beschwerde) mit § 13 Abs. 3 WBO (unbegründete Beschwerde) zeigt, dass die Pflicht, einer als unzulässig zurückgewiesenen Beschwerde im Wege der Dienstaufsicht nachzugehen, eine Kompensation für die Überprüfung in der Sache darstellt, die der Beschwerdeführer bei einer zulässigen, aber unbegründeten Beschwerde erhält. Folgt - wie hier - auf einen ersten Bescheid, der die Beschwerde als unzulässig zurückweist, ein zweiter Bescheid, der eine sachgleiche Beschwerde als unbegründet zurückweist, so erlischt die zunächst eingetretene Pflicht zur dienstaufsichtlichen Abhilfeprüfung. Der Antragsteller hat erhalten, was ihm in erster Linie zusteht, nämlich eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung in der Sache; einer gesonderten Mitteilung, dass damit die dienstaufsichtliche Prüfung erledigt ist, bedarf es nicht. Zum selben Ergebnis führt die Erklärung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, wonach die Begründung des Beschwerdebescheids vom 1. September 2021 zugleich die Mitteilung des Ergebnisses der dienstaufsichtlichen Überprüfung darstelle.