Urteil vom 16.03.2004 -
BVerwG 2 WD 3.04ECLI:DE:BVerwG:2004:160304U2WD3.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.03.2004 - 2 WD 3.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:160304U2WD3.04.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 3.04

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 16. März 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant ...
Oberleutnant ...
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 3. Juli 2003 aufgehoben.
  2. Das Verfahren wird eingestellt.
  3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der gegenwärtig hre alte Soldat erwarb im Jahre e Fachhochschulreife. Zur Ableistung des Grundwehrdienstes trat er am ... bei der .../... ... in ... in die Bundeswehr ein. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung wurde er mit Wirkung vom ... in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine zunächst auf sieben Jahre festgesetzte Dienstzeit wurde zuletzt auf 13 Jahre festgesetzt, sodass sie voraussichtlich am ... enden wird.

Nach der allgemeinen Grundausbildung wurde der Soldat zur ...in ... versetzt. Am 1. Oktober 1993 erfolgte seine Versetzung zur .../... ... in ... zwecks Ausbildung zum Offizier der ... und am ... zur ... in ... zur Absolvierung des Offizieranwärterlehrgangs. Den Offizieranwärterlehrgang ... sowie danach auch den Offizierlehrgang Truppendienst an der Offizierschule des Heeres bestand er jeweils mit der Abschlussnote „befriedigend“. Zum ... wurde er zur Universität der Bundeswehr ... zum Fachhochschulstudiengang Maschinenbau versetzt. Dieses Studium beendete er erfolgreich mit dem Diplom als Dipl.Ing. (FH) im ... mit der Gesamtnote „gut bestanden“. Zum ... wurde er zur ... in ... versetzt und dort als Zugführer und anschließend ab ... als ... sowie als ... verwendet. Bis zu der zum Jahresende 2002 erfolgten Auflösung der ... wurde er in dieser Einheit u.a. als Bearbeiter für Alarm- und Mobilmachungsangelegenheiten eingesetzt. Seitdem wird er im Stab der ... als Offizier für ... verwendet.

Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung vom ... zum Oberleutnant.

In seiner planmäßigen Beurteilung vom ... durch den Chef der ... wurden seine Leistungen dreimal („Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“, „Auffassungsgabe“) mit der Wertungsstufe „6“ („Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen“), neunmal mit „5“ sowie viermal („Belastbarkeit“, „Praktisches Können“, „Planungsverhalten“, „Organisatorisches Können“) mit „4“ bewertet. Seine Eignung und Befähigung wurden je zweimal mit der Wertung „D“ („Geistige Befähigung“; „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“) und der Wertung „C“ („Verantwortungsbewusstsein“; „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) beurteilt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:

„OLt ... reagiert gelegentlich impulsiv, ist aber insgesamt eher zurückhaltend, ruhig und beherrscht. Er ist sehr geradlinig. Hohe Anforderungen stellt er an sich und an sein Umfeld, neigt zum Perfektionismus. Dabei ist er teilweise zu kritisch gegenüber dem Umfeld und manchmal zu wenig bereit, Kritik an der eigenen Leistung zuzulassen.

Er ist in den Kreis des Führerkorps der Kompanie gut integriert und macht sein Interesse an der Steigerung des Gemeinschaftsgefühls deutlich.

Sein berufliches Selbstverständnis ist sehr gut ausgeprägt. Dienstlichen Belangen gibt er in aller Regel Vorrang, obwohl es für ihn sicher ist, dass er nach Ablauf seiner Verpflichtungszeit als SaZ aus dem aktiven Dienst ausscheiden möchte. ...“

Der nächsthöhere Vorgesetzte bewertete seine Förderungswürdigkeit mit „C“ („Förderung wird mit Nachdruck empfohlen“).

In der weiteren planmäßigen Beurteilung vom ... durch den Kompaniechef der ... wurden die Leistungen im Beurteilungszeitraum seit 7. Januar 2002 viermal („Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“, „Auffassungsgabe“ und „Ausbildungsgestaltung“) mit der Stufe „6“ und zwölfmal mit der Stufe „5“ bewertet. Seine Eignung und Befähigung wurde einmal („Geistige Befähigung“) mit der Wertung „D“ („Eignung und Befähigung sind besonders vorhanden“) und dreimal („Verantwortungsbewusstsein“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ sowie „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“) mit „C“ beurteilt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird der Soldat mit nahezu den gleichen Worten wie in der Beurteilung vom ... eingeschätzt.

In der Sonderbeurteilung vom ... bewertete der Kommandeur der ... die Leistungen des Soldaten im Beurteilungszeitraum seit dem 17. November 2003 einmal („Auffassungsgabe“) mit der Stufe „7“, fünfmal („Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“, „Ausbildungsgestaltung“, „Beurteilungsverhalten“, „Fürsorgeverhalten“) mit der Stufe „6“ sowie zehnmal mit „5“. Die Vergabe der Höchstnote begründete er damit, der Soldat habe deutlich unter Beweis gestellt, dass er Sachzusammenhänge schnell, umfassend und in die Tiefe gehend erfasse, daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen vermöge und in Lösungsansätze einbringe. Seine geistige Beweglichkeit habe er eindrucksvoll durch die Schnelligkeit unter Beweis gestellt, mit der er sich in sein neues Aufgabengebiet eingearbeitet habe. Die Eignung und Befähigung beurteilte er dreimal („Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ sowie „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“) mit der Wertung „D“ und einmal („Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit der Wertung „C“. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird über den Soldaten ausgeführt:

„OLt ... ist ein verantwortungsbewusster Offizier, der anderen gegenüber von einem positiv geprägten Menschenbild ausgeht und eine entsprechende Reaktion erwartet. Fehlt diese aus Phlegmatismus oder aus bewusster Opposition, kann OLt ... energisch werden und verhalten impulsiv reagieren. Dabei steht für ihn die Fürsorge im Vordergrund; hier versucht er, alles Mögliche zu erreichen und nimmt keine Abstriche in Kauf.

Im Führerkorps der Kompanie wie auch im Kreis der Offiziere des Brigadestabes, dem er als ... zuzuordnen ist, ist er anerkannt und integriert. Seine Einstellung zum Soldatenberuf ist deutlich ausgeprägt; den dienstlichen Belangen ordnet er private Angelegenheiten unter.

Hinsichtlich seiner körperlichen Fitness sollte OLt ... schon aus eigenem Interesse dieser stärker Beachtung widmen, dennoch sehe ich ihn für Auslandseinsätze als geeignet an.“

Für Stabsverwendungen beurteilte Oberst B. den Soldaten als „besonders geeignet“, für Fachverwendungen, allgemeine Führungsverwendungen und Lehrverwendungen als „gut geeignet“. Eine Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten unterblieb.

Am 27. Juni 2001 bewilligte der Kommandeur der ... dem Soldaten eine Leistungsprämie mit der Begründung, der Soldat habe vom 17. April bis 30. Mai 2001, erstmals eingesetzt als Stellvertreter des ..., sehr engagiert und mit großem Elan diesen für ihn vollkommen neuen Aufgabenbereich mit gutem Erfolg wahrgenommen. Dabei habe er sich überzeugend gut und schnell eingearbeitet sowie sich mit seinem erweiterten Verantwortungsbereich auch als Disziplinarvorgesetzter voll identifiziert. Er habe eine für seinen Erfahrungshorizont insgesamt souveräne Leistung gezeigt.

In der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer haben Hauptmann K. als früherer Disziplinarvorgesetzter und der ... Oberst B. die zuvor wiedergegebenen Beurteilungen der Sache nach bestätigt.

Im Auszug aus dem Disziplinarbuch Teil 1 vom 8. Oktober 2003 ist die mit den beiden Anschuldigungspunkten des vorliegenden Verfahrens sachgleiche Disziplinarbuße von 1.000 € vom 30. Juli 2002 aufgeführt. Im Auszug aus dem Zentralregister vom 6. Oktober 2003 finden sich keine Eintragungen.

Der seit dem ... verheiratete Soldat mit einem am ... geborenen Sohn erhält ausweislich der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung ... - Gebührniswesen - vom 6. Oktober 2003 Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe ...

Der Soldat bezeichnet seine wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere aufgrund seiner Belastungen durch den Bau eines Wohnhauses als angespannt. Er erhalte deshalb noch finanzielle Unterstützungsleistungen von seinen Eltern.

II

III