Beschluss vom 16.05.2018 -
BVerwG 9 B 37.17ECLI:DE:BVerwG:2018:160518B9B37.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.05.2018 - 9 B 37.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:160518B9B37.17.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 37.17

  • VG Frankfurt am Main - 01.03.2016 - AZ: VG 6 K 3384/12.F
  • VGH Kassel - 28.08.2017 - AZ: VGH 5 A 2323/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Mai 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Martini
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. August 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 11 268,75 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil er die Klage gegen die Heranziehung zu einem Straßenbeitrag auf der Grundlage unzureichender Gutachten über den Zustand der Friedensstraße vor Beginn der abgerechneten Um- und Ausbaumaßnahmen abgewiesen habe. Damit hat der Kläger eine mangelnde Sachaufklärung nicht hinreichend bezeichnet. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge ist unter anderem substantiiert darzulegen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist. Dazu ist in der Regel ein - unbedingter - Beweisantrag erforderlich, der förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen ist. Denn die Verfahrensrüge kann nicht dazu dienen, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren. Die Tatsache, dass - wie hier ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. August 2017 - ein solcher Beweisantrag nicht gestellt worden ist, ist nur dann unerheblich, wenn aufgezeigt wird, aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Hiervon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Vorinstanz - ausgehend von ihrem materiell-rechtlichen Standpunkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. November 2009 - 9 B 87.09 - juris Rn. 2) - zu der Überzeugung gelangen musste, dass die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit vorliegender Gutachten im Allgemeinen oder nach den besonderen Verhältnissen des konkreten Falles nicht gegeben waren. Das ist dann der Fall, wenn ein Gutachten offen erkennbare Mängel enthält, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2015 - 7 B 23.14 - juris Rn. 13 m.w.N.).

3 Derartige Umstände legt die Beschwerde nicht dar. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die übliche Lebensdauer der Friedensstraße nach Ablauf von 45 Jahren seit ihrer Erstherstellung abgelaufen war und schon dies ihre Erneuerungsbedürftigkeit indiziere; die im Verfahren vorgelegten Fotografien, Berichte und Gutachten widerlegten dieses Indiz nicht, sondern bestätigten vielmehr die Erneuerungsbedürftigkeit der Straße. Der hiergegen vom Kläger erhobene Einwand, die von der Beklagten vorgelegten und vom Gericht herangezogenen Gutachten seien erst nach Beginn bzw. Abschluss der Bauarbeiten erstellt worden und erlaubten keine Feststellung des ursprünglichen Straßenzustands, ist unbegründet. Die Angaben im Erläuterungsbericht der Bauberatung H. sowie des Bodenmechanischen Labors G. beruhen ersichtlich auf Erkenntnissen, die vor Beginn der Baumaßnahmen gewonnen wurden. Dabei steht der Verwertbarkeit der Probebohrungen der Firma G. nicht entgegen, dass sie zur abfalltechnischen Untersuchung des anfallenden Aushubs, nicht jedoch zur Bewertung der Erneuerungsbedürftigkeit der Straße erfolgten. Vielmehr konnte der Verwaltungsgerichtshof aus der festgestellten Mächtigkeit der Schwarzdecken von zwei bis neun Zentimetern sowie der darunter liegenden ungebundenen Tragschichten aus Basaltschottermaterial von sechs bis 20 Zentimetern schlussfolgern, dass der Zustand der Friedensstraße nicht den Anforderungen an einen zeitgemäßen Straßenbau genügte. Das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B. vom 1. April 2016 wurde zwar nach Abschluss der Bauarbeiten erstellt. Ihm zugrunde lagen jedoch unter anderem Bilddokumentationen der Straßenoberfläche vor dem Ausbau sowie der Straßenaufschlüsse im Zuge der Bauarbeiten, anhand derer die darunter liegenden Böden zu erkennen und vom Sachverständigen hinsichtlich ihrer Eignung für einen Straßenaufbau zu bewerten waren. Gemäß § 128 Satz 2 VwGO steht der Berücksichtigung des Gutachtens nicht entgegen, dass es erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erstellt und vorgelegt wurde.

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.