Beschluss vom 16.10.2007 -
BVerwG 9 B 40.07ECLI:DE:BVerwG:2007:161007B9B40.07.0

Beschluss

BVerwG 9 B 40.07

  • Bayerischer VGH München - 22.06.2007 - AZ: VGH 4 B 05.3239

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Dr. Nolte
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 48 257,75 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, die ihr von der Beschwerde beigemessen wird.

2 Die Beschwerde bezeichnet folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam:
„Liegt bei Eltern, die ihr Kind während eines Klinikaufenthalts betreuen und für die ein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I die Unterbringungskosten übernommen hat, ein Aufenthalt zu Kur- oder Erholungszwecken im Kurgebiet der betreffenden Gemeinde vor?“

3 Diese Fragestellung rechtfertigt nicht die begehrte Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes wäre es erforderlich, dass die Beschwerde eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die angestrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts formuliert und außerdem angibt, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Sache bestehen soll (vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils reichen ebenso wenig aus, um diese Voraussetzung zu erfüllen, wie der bloße Hinweis darauf, der streitige Sachverhalt und damit zusammenhängende Rechtsfragen seien bisher nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung geworden. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Vorinstanz die Kurbeitragspflicht der genannten Begleitpersonen aus der Kurbeitragssatzung des Beklagten und aus Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayKAG und somit ausschließlich aus Normen des Landesrechts hergeleitet hat, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).

4 Die Beschwerde zeigt einen Bezug zum revisiblen Bundesrecht nur auf, wenn sie meint, Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayKAG biete mit seinen offenen Formulierungen ausreichend Raum für eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung, die hier mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 (Pflicht des Staates zum Schutz und zur Förderung der Familie sowie des elterlichen Erziehungsrechts), Art. 3 Abs. 1 (Grundrecht auf Gleichbehandlung) sowie Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG (Sozialstaatsprinzip) auch geboten sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision jedoch allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wird - wie hier - die Auslegung und Anwendung einer Vorschrift des Landesrechts als bundesverfassungsrechtlich bedenklich angesehen, ist in der Beschwerdebegründung insbesondere darzulegen, warum in Ansehung der Rechtsätze, die bereits der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen sind, in dem anhängigen Verfahren weiterhin klärungsbedürftige Fragen verbleiben (vgl. z.B. Beschlüsse vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306; vom 4. April 2002 - BVerwG 6 B 1.02 - juris Rn. 4 m.w.N.). Diesem Erfordernis trägt die Beschwerde mit ihren - pauschal bleibenden - Rechtsprechungszitaten zu den genannten Grundgesetzartikeln nicht ausreichend Rechnung.

5 Die Vorinstanz hat es in Bezug auf Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayKAG ausdrücklich verneint, unter familiären oder sozialen Gesichtspunkten eine Einschränkung des Ermessens des Satzungsgebers anzunehmen, wenn dieser vor der Entscheidung stehe, ob Begleitpersonen eine Befreiung vom Kurbeitrag oder zumindest eine Ermäßigung einzuräumen sei. In diesem Zusammenhang verweist die Vorinstanz darauf, dass bei typisierender Betrachtung die zeitliche Inanspruchnahme der Begleitpersonen mit Betreuungsaufgaben diesen hinreichend die Möglichkeit zur Nutzung der gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen belasse und die daraus erwachsenden Vorteile sich damit nicht maßgeblich von denjenigen Vorteilen unterschieden, die für die Heranziehung der sonstigen Beitragspflichtigen ausschlaggebend seien (UA S. 10). In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz dazu die Feststellung getroffen, es handele sich für die Begleitpersonen um eine objektiv bestehende Nutzungsmöglichkeit, die durch den anderweitigen Aufenthaltszweck nicht vollständig entwertet werde. Anders als insbesondere bei Ortsfremden, die im Kurgebiet arbeiteten oder ausgebildet würden, verbleibe den Begleitpersonen nicht nur eine theoretische Nutzungsmöglichkeit ohne praktische Bedeutung (UA S. 9). Gegen diese Argumentation wendet die Beschwerde lediglich ein, die Vorinstanz habe übersehen, dass auch den berufstätigen Ortsfremden vor und nach ihrer täglichen Arbeit oder Ausbildung nach aller Lebenserfahrung die Möglichkeit verbleibe, die gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen zu nutzen. Dieser Einwand widerlegt aber nicht die - nicht mit Verfahrensrügen angegriffene - tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, dass die Begleitpersonen zu denjenigen Ortsfremden zählen, die ihren Aufenthalt im Kurgebiet in ganz ähnlicher Weise wie jeder „Kurgast“ dazu nutzen können, um von den gemeindlichen Kur- oder Erholungseinrichtungen Gebrauch zu machen. Diese Feststellung ist somit für das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend und schließt es aus, in Beantwortung der Fragestellung, die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet wird, von einem anderen Sachverhalt auszugehen.

6 Dann ist aber nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), warum sich in dem angestrebten Revisionsverfahren die von der Beschwerde angesprochenen Fragen einer verfassungskonformen Auslegung des Landesrechts stellen. Das gilt auch mit Blick auf die Anforderungen, die sich speziell aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ergeben können. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auch von der Beschwerde in diesem Zusammenhang herangezogen wird, ist bereits geklärt, dass diese Anforderungen nicht auf ein Gebot hinauslaufen, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familien zu vermeiden. „Nur unter Abwägung aller Belange“ - heißt es weiter - „lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht mehr genügt“ (so Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 <259>). Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Vorinstanz dies verkannt hat, wenn sie in ihrem Urteil ausdrücklich darauf hinweist, dass die Kurbeitragssatzung familienfreundliche Regelungen über die Beitragsfreiheit bzw. Beitragsermäßigung für Kinder enthält, die auch dann durchgreifen, wenn Eltern als Begleitpersonen ihrer Kinder im Kurort Aufenthalt nehmen (UA S. 11). In der Sache stellt die Vorinstanz damit nämlich auf den Bagatellcharakter der von den Kurbeiträgen ausgehenden Belastungswirkung ab. Dieser Gesichtspunkt kann bei der Würdigung der Frage, ob Abgaben mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar sind, von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. Beschluss vom 6. Dezember 2006 - BVerwG 10 B 62.06 - Buchholz 445.1 Allg. Wasserrecht Nr. 12 S. 12 Rn. 5; die gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde ist vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 1. März 2007 - 1 BvR 303/07 - nicht zur Entscheidung angenommen worden).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.