Beschluss vom 16.10.2025 -
BVerwG 5 AV 1.25ECLI:DE:BVerwG:2025:161025B5AV1.25.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.10.2025 - 5 AV 1.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:161025B5AV1.25.0]

Beschluss

BVerwG 5 AV 1.25

  • VG Dresden - 10.09.2025 - AZ: 1 K 1747/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 16. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge beschlossen:

Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - bestimmt.

Gründe

I

1 Im Ausgangsverfahren wendet sich der Kläger gegen den Beklagten als gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger seiner Kinder, weil dieser es unterlassen habe, die Verlängerung ihrer Schwerbehindertenausweise nach dem SGB IX zu beantragen.

2 Das von dem Kläger zunächst angerufene Verwaltungsgericht Dresden hat mit Beschluss vom 30. Juni 2025 den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit - soweit er hier in Rede steht - an das Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - verwiesen, weil es sich um eine vor dem Familiengericht als Beratungs- und Aufsichtsgericht über den Ergänzungspfleger zu verhandelnde Familiensache handle.

3 Das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - hat mit Beschluss vom 29. Juli 2025 die "Übernahme der Sache [...] abgelehnt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Dresden zurückgegeben". Der Rechtsstreit falle aus näher dargelegten Gründen nicht in die familiengerichtliche Zuständigkeit.

4 Das Verwaltungsgericht Dresden hat mit Beschluss vom 10. September 2025 das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen.

II

5 1. Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Dresden und dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - berufen.

6 Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Zwar ist diese Vorschrift auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Verwaltungsgericht und einem Amtsgericht weder unmittelbar anwendbar noch gibt es für einen solchen Fall an anderer Stelle eine gesetzliche Regelung. Diese Regelungslücke ist aber - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird. Denn obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine Zuständigkeitsbestimmung in Analogie zu § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es in einem Verfahren zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. November 2021 - 5 AV 1.21 - juris Rn. 5, vom 7. Februar 2022 - 5 AV 5.21 - juris Rn. 5 und vom 21. Juni 2023 - 5 AV 4.23 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Eine solche Situation ist hier gegeben. Sowohl das Verwaltungsgericht Dresden als auch (der Sache nach) das Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - haben entschieden, dass der Rechtsweg zu ihnen unzulässig sei.

7 2. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist das Amtsgericht Frankfurt (Oder) – Zweigstelle Eisenhüttenstadt - zuständig. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Juni 2025 entfaltet gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG Bindungswirkung. Die Voraussetzungen, unter denen ein Verweisungsbeschluss eines Gerichts ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet, liegen hier nicht vor.

8 Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Die Bindungswirkung tritt auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war oder das Gericht den Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet oder unter Verletzung des rechtlichen Gehörs getroffen hat. Mit Rücksicht auf die in § 17a GVG eröffnete Möglichkeit, einen Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Das ist nur dann der Fall, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2021 - 3 AV 1.21 - NVwZ 2022, 421 Rn. 11 und vom 7. Februar 2022 - 5 AV 5.21 - juris Rn. 7, jeweils m. w. N.).

9 Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Juni 2025 erweist sich jedenfalls nicht als in dieser Weise qualifiziert fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht Dresden hat in Auseinandersetzung mit den Gründen des Amtsgerichts in seinem Beschluss vom 10. September 2025 unter dem Gliederungspunkt II.1 ausführlich dargelegt, dass - nach dem vorstehend dargelegten rechtlichen Maßstab - die Voraussetzungen für eine Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung nicht vorliegen. Hieraus ergibt sich jedenfalls, dass von einer nicht mehr verständlichen und offensichtlich unhaltbaren Verweisung nicht ansatzweise die Rede sein kann.