Urteil vom 16.10.2025 -
BVerwG 2 WD 1.25ECLI:DE:BVerwG:2025:161025U2WD1.25.0
Zugriff auf dienstliches Material durch einen Mannschaftsdienstgrad, der für das Material vergleichbar verantwortlich ist wie ein Materialverantwortlicher, dem es anvertraut ist
Leitsatz:
Entwendet ein einfacher Materialbewirtschaftungssoldat unter Missbrauch der ihm eingeräumten Vertrauensstellung Ausrüstungsgegenstände der Bundeswehr, bildet die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
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Rechtsquellen
WDO § 1 Abs. 3, § 38 Abs. 1, § 60 Abs. 2 und 3 Satz 2, Abs. 7, § 67 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2, § 87 Abs. 2, § 143 Abs. 1 Satz 2, § 144 Abs. 3 Satz 3, § 151 Abs. 7 SG §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 und 3, §§ 23 und 38 StGB § 16 Abs. 1 Satz 1, § 242 Abs. 1, § 263 Abs. 1 und 2 BGB §§ 855 und 935 SVG §§ 16 und 19 -
Instanzenzug
TDG Nord 10. Kammer - 02.10.2024 - AZ: N 10 VL 61/23
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 16.10.2025 - 2 WD 1.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:161025U2WD1.25.0]
Urteil
BVerwG 2 WD 1.25
- TDG Nord 10. Kammer - 02.10.2024 - AZ: N 10 VL 61/23
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 16. Oktober 2025, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk, ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant i.G. Marchewski und ehrenamtlicher Richter Oberstabsgefreiter Michel, Leitender Regierungsdirektor ... als Vertreter der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft, Rechtsanwalt ... als Verteidiger, Geschäftsstellenverwalterin ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
- Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 2. Oktober 2024 aufgehoben.
- Dem früheren Soldaten wird das Ruhegehalt aberkannt.
- Der frühere Soldat trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I
1 Das Berufungsverfahren betrifft den Zugriff auf dienstliche Gegenstände und deren Veräußerung durch einen als Materialbewirtschaftungssoldat eingesetzten (früheren) Oberstabsgefreiten.
2 1. Der ... geborene frühere Soldat verfügt über den Hauptschulabschluss und schloss die Berufsschulausbildung zum Fachlageristen erfolgreich ab. Nach einer ersten vierjährigen Wehrdienstzeit von ... bis ... trat er Anfang ... als Wiedereinsteller seinen Dienst bei der ... Kompanie ...bataillon ... in ... an, wurde erneut in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zum Oberstabsgefreiten befördert. Vor dem regulären Dienstzeitende ... wurde er 2023 wegen Dienstunfähigkeit entlassen.
3 Militärisch wurde er unter anderem zum Materialbewirtschaftungssoldaten ausgebildet und entsprechend in der ... Kompanie ...bataillon ... in ... eingesetzt. Nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungsvorwürfe wurde er zur dortigen Verpflegungsgruppe versetzt.
4 Der frühere Soldat wurde nicht planmäßig beurteilt. Erstinstanzlich hat Oberstleutnant A als letzter nächster Disziplinarvorgesetzter ausgesagt, er könne über ihn nichts Negatives sagen. Er sei zuverlässig und insbesondere pünktlich gewesen, habe über eine gute Dienstauffassung verfügt und sei seiner dienstlichen Tätigkeit verlässlich nachgekommen. Teilweise habe er seine Tätigkeiten mehr als man dies von einem Mannschaftssoldaten erwarten könne eigenständig und beanstandungsfrei durchgeführt. Er habe gerne mit ihm zusammengearbeitet und sich immer auf ihn verlassen können. Die dienstlichen Leistungen lägen im oberen Mittelfeld. Er vertraue ihm weiterhin und würde mit ihm in einen Auslandseinsatz verlegen. Mit Schreiben vom 4. November 2021 an die Wehrdisziplinaranwaltschaft hatte er ausgeführt, nach der Dienstpostenumsetzung habe der frühere Soldat diverse Möglichkeiten gesucht, nicht im Dienst zu sein. Das erste Jahr sei von dessen Unzuverlässigkeit geprägt gewesen.
5 Positiv hat sich Oberstleutnant B, früherer Disziplinarvorgesetzter des früheren Soldaten von 2016 bis 2020, in einem Schreiben vom 29. März 2020 an die Wehrdisziplinaranwaltschaft geäußert. In der Berufungshauptverhandlung hat er ausgesagt, der frühere Soldat sei immer da gewesen, habe immer gearbeitet und wenn ein Auftrag in die Materialgruppe gekommen sei, sei dieser damit zuerst betraut worden. Selbst als der disziplinare Vorfall bekannt geworden sei und er den früheren Soldaten deshalb aus der Materialgruppe habe nehmen müssen, sei er noch manchmal um Mithilfe durch die Vorgesetzten gebeten worden, da der frühere Soldat sich am besten ausgekannt habe.
6 Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister weist keine Eintragungen mehr auf. Der teilweise sachgleiche Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 13. August 2020 ist getilgt. Mit ihm wurde der frühere Soldat wegen Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 4 200 € verurteilt. Der letzte Auszug aus dem Disziplinarbuch enthält Förmliche Anerkennungen aus den Jahren 2015 und 2018.
7 Der frühere Soldat ist berechtigt, das Leistungsabzeichen Truppendienst in Gold, die Schützenschnur in Gold und das Tätigkeitsabzeichen Versorgungs- und Nachschubpersonal in Silber zu tragen.
8 Er ist seit 2020 verheiratet und Vater einer 2018 geborenen Tochter. Als Busfahrer verdient er netto etwa 2 300 € monatlich, seine Ehefrau etwa 2 000 €. Ein Hauskredit wird monatlich mit 1 300 € bedient. Er bezieht Übergangsgebührnisse von monatlich 2 331,49 € netto. Die noch einbehaltene Übergangsbeihilfe beläuft sich auf 19 261,25 €.
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2. Nachdem das gerichtliche Disziplinarverfahren im Dezember 2020 eingeleitet worden war, wurde dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 8. Februar 2022 zur Last gelegt:
"1. Er entwendete an einem oder mehreren nicht mehr näher zu ermittelnden Tagen in der ...Kaserne, ...,
a) im Zeitraum von Ende Oktober bis Anfang November 2015 zumindest 51, hilfsweise 25, MRS Alpha Rettungswesten mit einem Zeitwert von zumindest 14.594,67 Euro beziehungsweise 7.154, 25 Euro sowie
b) im Zeitraum von Ende 2016 bis Anfang 2017 eine nicht mehr ermittelbare schusssichere Weste der Schutzklasse 4 (SK4), vermutlich eine Schutzweste Infanterie ohne Tiefenschutz und Schulterstücke im Neuwert von etwa 1.800 Euro, sowie zwei Pakete mit jeweils zwei SK4 Keramikplatten im Wert von jeweils 124,95 Euro, jeweils mit nicht mehr zu ermittelndem Zeitwert
- jeweils aus Bundeswehrbeständen stammend -, um diese zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuveräußern.
2. Er veräußerte die unter Anschuldigungspunkt 1. genannten aus Bundeswehrbeständen stammenden Gegenstände im Zeitraum vom 24. Februar 2019 bis zum 29. August 2019 von im Einzelnen nicht mehr näher zu ermittelnden Orten, zumindest aber auch aus seiner Privatwohnung ..., über das Internet-Auktionsportal 'eBay' und erzielte hierbei einen Gewinn von insgesamt 4.652,15 Euro, hilfsweise zumindest 2.080 Euro."
10 3. Das Truppendienstgericht hat das Verfahren unter Feststellung eines Dienstvergehens mit Urteil vom 2. Oktober 2024 eingestellt.
11 a) In tatsächlicher Hinsicht stehe zu Anschuldigungspunkt 1 fest, dass der frühere Soldat 25 Rettungswesten, eine schusssichere Weste und zwei Keramikplatten entwendet habe. Der teilweise sachgleiche Strafbefehl stelle dazu fest, dass der frühere Soldat die Gegenstände - wie angeschuldigt - aus den Beständen des ...bataillons ... in ... an sich genommen habe.
12 Diese Gegenstände habe er nachfolgend über die Internetplattform "eBay" unter seinem Account "..." und dem Account seiner Lebensgefährtin "..." an diverse Einzelabnehmer zum Preis von ca. 80 € pro Weste weiterverkauft. Die Feststellungen im Strafbefehl dürften zugrunde gelegt werden, der frühere Soldat habe den Vorwurf insoweit eingeräumt.
13 Der frühere Soldat habe sich dahingehend eingelassen, dass die Rettungswesten über einen gewissen Zeitraum im Lager für jeden frei zugänglich gelegen hätten, er nicht weiter darüber nachgedacht und einmalig etwa 20 bis 25 Rettungswesten mitgenommen habe. Diese habe er in sein Auto geladen und zu seinen Eltern gebracht, wo sie bis zum Verkauf gelegen hätten. Die schusssichere Weste habe er später mitgenommen. Die schusssicheren Westen seien ausgesondert gewesen und nicht mehr benutzt worden. Sie hätten daher nur noch zu Übungszwecken in der Materialgruppe gelegen und dort ausgeliehen werden können. Davon habe er sich eine angeeignet, diese in sein Auto gebracht und zu sich nach Hause mitgenommen. Bei den Keramikplatten habe es sich um zwei, nicht um vier gehandelt. Das Ablaufdatum der Platten sei definitiv überschritten gewesen. Er habe die Tat nicht geplant, es sei vielmehr im Affekt geschehen. Die schusssichere Weste habe er für sich nutzen wollen. All' das tue ihm sehr leid. Soweit dem früheren Soldaten vorgeworfen werde, weitere 26 Rettungswesten sowie zwei weitere Keramikplatten entwendet zu haben, sei dies nicht nachzuweisen.
14 b) Der frühere Soldat habe ein Dienstvergehen begangen, weil er durch das Entwenden des dienstlichen Materials vorsätzlich seine Pflicht zum treuen Dienen sowie seine Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere, verletzt habe. Von Anschuldigungspunkt 2 sei er indes freizustellen. Denn dieser Anschuldigungspunkt enthalte keine eigene, über den Vorwurf in Anschuldigungspunkt 1 hinausgehende Pflichtverletzung. Vielmehr erschöpfe sich der dortige Sachverhalt in der Darlegung der Verwertungshandlung des entwendeten Materials. Für die Unterschlagung dienstlichen Materials sei allein entscheidend, dass der frühere Soldat die im Eigentum des Dienstherrn stehenden Gegenstände in seinen Besitz gebracht, damit der Verfügungsgewalt und dem Gewahrsam des Dienstherrn entzogen und seinem eigenen Verfügungsbereich zugeführt habe. Auf die nachfolgende Veräußerung der Gegenstände komme es nicht an. Sei eine Zueignung, wie hier, bereits erfolgt, seien weitere Zueignungsakte strafrechtlich tatbestandslos. Die ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit sei bereits durch das Entwenden eingetreten. Der frühere Soldat sei bei dem Verkauf der Gegenstände weder als Angehöriger der Bundeswehr aufgetreten, noch als solcher erkennbar gewesen.
15 c) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme indiziere der vorsätzliche Zugriff auf Eigentum oder Vermögen des Dienstherrn eine Dienstgradherabsetzung, es sei denn, der Zugriff erfolge im Bereich der dienstlichen Kernpflichten; in diesem Falle sei regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis angezeigt. Nach Maßgabe dessen sei Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung, weil die Gegenstände dem früheren Soldaten nicht anvertraut gewesen seien. Auf der zweiten Bemessungsstufe ergebe sich jedoch eine mildere Disziplinarmaßnahme. Zwar habe der frühere Soldat vorsätzlich gehandelt, das Dienstvergehen seine Ablösung als Materialbewirtschaftungssoldat zur Folge gehabt und auch kein von Spontanität und Kopflosigkeit geprägtes persönlichkeitsfremdes Handeln vorgelegen. Erheblich mildernd wirke jedoch vor, dass der frühere Soldat ein gutes Leistungsbild aufweise, bislang disziplinar- wie strafrechtlich unbescholten gewesen sei und sich von Anfang an geständig, einsichtig und reuig gezeigt sowie an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt habe. Zudem sei er freiwillig zur Hauptverhandlung erschienen und der Leumundszeuge habe dargelegt, dass der zunächst eingetretene Vertrauensverlust nicht mehr bestehe. Zudem weise das Verfahren eine ungerechtfertigte Überlänge von mehr als 19 1/2 Monaten auf.
16 Die somit an sich gebotene Verhängung eines Beförderungsverbots sei indes nach § 58 Abs. 2 WDO nicht mehr möglich. Auch die mildere Disziplinarmaßnahme in Form der Kürzung des Ruhegehalts könne nach § 17 Abs. 3 WDO nicht mehr verhängt werden. Denn seit seinem Dienstvergehen seien drei Jahre verstrichen, wobei die Frist bereits mit Beendigung der allein maßgeblichen Handlung nach Anschuldigungspunkt 1 zu laufen beginne. Daher sei das Verfahren unter Feststellung eines Dienstvergehens einzustellen.
17 4. Mit der dagegen zuungunsten des früheren Soldaten eingelegten Berufung beantragt die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Kürzung der Übergangsgebührnisse. Das Truppendienstgericht verkenne, dass dessen Verhalten nach Anschuldigungspunkt 1 keine Unterschlagung, sondern einen Diebstahl darstelle; von Anschuldigungspunkt 2 sei er zu Unrecht freigestellt worden. Denn er habe in insgesamt 51 Inseraten die Rettungswesten zum Kauf angeboten und damit die Käufer darüber getäuscht, Eigentum erlangen zu können. Weil die Gegenstände gestohlen und damit dem Bund abhandengekommen seien, sei dies nicht möglich gewesen. Er habe mit jedem einzelnen Verkaufsangebot zumindest einen versuchten Betrug begangen. Dies begründe einen Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht. Die Verkennung dessen wirke sich nachteilig auf die Maßnahmebemessung aus und führe auch dazu, dass die Fristberechnung nach § 17 Abs. 3 WDO unzutreffend vorgenommen worden sei. Denn bei Einbeziehung des Anschuldigungspunktes 2 liege der Zeitpunkt der letzten Pflichtverletzung erst im August 2019.
18 5. Der frühere Soldat verteidigt die Entscheidung des Truppendienstgerichts. Im Übrigen lägen auch keine vorsätzlichen Betrugsstraftaten vor, weil er nicht gewusst habe, an abhandengekommenen Sachen kein Eigentum verschaffen zu können. Dies sei zwar Juristen, nicht aber einfachen Soldaten bekannt, so dass es bei ihm am Vorsatz gefehlt habe.
19 6. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Dokumenten wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.
II
20 Da sich die Berufung gegen das am 2. Oktober 2024 verkündete Urteil des Truppendienstgerichts richtet, sind auf das Berufungsverfahren gemäß § 151 Abs. 7 der WDO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (3. WehrDiszNOG) vom 17. Dezember 2024 (BGBl. I Nr. 424) die §§ 115 bis 121 WDO in der zuletzt durch Gesetz vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3932) geänderten Fassung (WDO a. F.) anzuwenden; im Übrigen finden die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung in der ab April 2025 maßgeblichen Fassung (WDO) Anwendung.
21 Da die Berufung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- (1.) und Schuldfeststellungen (2.) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (3.). Nach Maßgabe dessen hat das Urteil des Truppendienstgerichts keinen Bestand. Dem früheren Soldaten, der wegen des Bezugs von Übergangsgebührnissen und einbehaltener Übergangsbeihilfe gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldat im Ruhestand gilt, ist das Ruhegehalt abzuerkennen. Denn befände er sich noch im Dienst, wäre seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt (§ 67 Abs. 1 Satz 2 WDO).
22 1. In tatsächlicher Hinsicht steht angesichts der Tatsachenfeststellungen im Strafbefehl, dessen Richtigkeit vom insoweit geständigen früheren Soldaten nicht substantiiert in Frage gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 2025 - 2 WD 29.24 - juris Rn. 34 ff.), gemäß § 87 Abs. 2 WDO fest, dass dieser wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, aus den Beständen des ...bataillons ... in ... von Ende Oktober bis Anfang November 2015 25 Rettungswesten und von Ende November 2016 bis Anfang Februar 2017 eine Schutzweste mit zwei innenliegenden Keramikplatten an sich genommen und sie später über die Internetplattform "eBay" unter seinem Account "..." und dem Account seiner Lebensgefährtin "..." an Einzelabnehmer zum Preis von ca. 80 € pro Rettungsweste weiter verkauft und dadurch einen Gewinn von 2 080 € erzielt hat.
23 Soweit der Anschuldigungsvorwurf darüber hinausreicht, steht nicht mit der zu einer Verurteilung führenden Überzeugungsgewissheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. August 2025 - 2 WD 29.24 - juris Rn. 34 ff.) fest, dass er weitere Rettungswesten sowie zwei weitere SK4 Keramikplatten in seinen Besitz gebracht hat. Ungeachtet dessen besteht auch keine weitere Aufklärungsverpflichtung des Senats, weil weitergehende Feststellungen aus Rechtsgründen entscheidungsunerheblich sind. Denn bereits auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen ist die Höchstmaßnahme zu verhängen.
24 Bezüglich der Schadenshöhe löst sich der Senat von den Feststellungen des Strafbefehls, der den Neuwert der entwendeten Gegenstände, nicht aber deren Zeitwert zugrunde gelegt hat. Er legt insoweit die Wertangaben zugrunde, die in der Anschuldigungsschrift für 25 MRS Alpha Rettungswesten nachvollziehbar mit 7 154, 25 € beziffert und vom früheren Soldaten auch nicht in Abrede gestellt worden sind. Soweit die Wiederbeschaffungswerte für die schusssichere Weste mit 1 800 € sowie für zwei SK4 Keramikplatten mit 124,95 € angegeben worden sind, kann dies ebenfalls nicht zugrunde gelegt werden. Denn die schusssicheren Westen waren schon lange im Gebrauch. Als Zeitwert kann hier der beim Verkauf vereinbarte Preis von 88 € für die Weste und 220 € für die beiden Keramikplatten angesetzt werden, so dass der Gesamtschaden 7 462,15 € beträgt.
25 2. In rechtlicher Hinsicht hat der frühere Soldat dadurch ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen. Denn er hat soldatische Pflichten mehrfach verletzt.
26 a) Die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG gebietet einem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal zu erfüllen. Sie umfasst die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem zur Beachtung der Strafgesetze (bb)), und die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen (aa)) (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 37 m. w. N.). Dem ist der frühere Soldat unter beiden Gesichtspunkten nicht gerecht geworden:
27 aa) Die Pflicht des Soldaten nach § 7 SG verlangt, in loyaler Weise alles Erforderliche zu veranlassen und zu unternehmen, damit Personal und Material der Bundeswehr nur zu dienstlichen Zwecken in Anspruch genommen werden. Denn die Bundeswehr kann ihren Auftrag nur erfüllen, wenn einerseits ihre Angehörigen, ihr Gerät und ihre Mittel jederzeit präsent und voll einsatzfähig sind und andererseits das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind. Die Vorenthaltung von Material der Bundeswehr, das bereits rechtswidrig in den eigenen Besitz verbracht wurde, ist damit unvereinbar, selbst wenn keine Zueignungsabsicht besteht (BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 46 und vom 13. September 2011 - 2 WD 15.10 - juris Rn. 40). Denn § 7 SG bezweckt in dieser Ausprägung den Schutz vor dem Entzug dienstlichen Materials durch dessen Vorenthaltung (BVerwG, Urteile vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 45 und vom 14. April 2022 - 2 WD 9.21 - juris Rn. 36). Dass der frühere Soldat die Sachen der Verfügungsgewalt des Bundes entzogen hat, steht fest.
28 bb) Er hat darüber hinaus durch den Abtransport der Rettungswesten und der Schutzweste zweifach den Straftatbestand des Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB verwirklicht. Denn er hat diese Gegenstände in Zueignungsabsicht weggenommen. Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams verstanden. Es genügt der Bruch des übergeordneten Mitgewahrsams eines Anderen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1995 - 1 StR 309/95 - juris Rn. 5 bis 9).
29 Der frühere Soldat hat den übergeordneten Gewahrsam des für das Materiallager verantwortlichen und über die Schlüssel zur Halle verfügenden Vorgesetzten gebrochen. Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, das von deren Herrschaftswillen getragen ist. Dafür ist die Sachherrschaft wesentlich, der unter Ausschluss fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 2 StR 229/20 - juris Rn. 7). Ob und wessen Gewahrsam an einer Sache besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen. Die Besitzregelungen des BGB, das auch Besitz ohne tatsächliche Herrschaft kennt, gelten insoweit nicht, weil ein Besitzdiener (§ 855 BGB) zwar zivilrechtlich keinen Besitz, aber durchaus (Mit-)Gewahrsam haben kann (Fischer, StGB, Kommentar, 72. Aufl. 2025, § 242 Rn. 11). Auch Mitgewahrsam eines Dritten ist fremder Gewahrsam, gleichgültig ob er zu gleichem Recht oder er im Verhältnis eines Besitzdieners (zur zivilrechtlichen Besitzdienerschaft von Soldaten im Verhältnis zum Bund: BVerwG, Urteile vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 52, vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 29 und vom 14. April 2022 - 2 WD 9.21 - juris Rn. 26) gemeinsam ausgeübt wird (Fischer, StGB, Kommentar, 72. Aufl. 2025, § 242 Rn. 14). Zwar hatte der frühere Soldat untergeordnetes Mitgewahrsam an den im Eigentum des Bundes stehenden Sachen, da er als Angehöriger des Materialtrupps jederzeitigen Zugriff auf sie hatte; dass er zivilrechtlich lediglich als Besitzdiener (§ 955 BGB) anzusehen war, der zivilrechtlich keinen Besitz innehatte, ändert daran nichts. Gewahrsam hatte jedoch auch der seinerzeitige Materialtruppführer (Hauptfeldwebel C) und dies in übergeordneter Form. Diesen übergeordneten Gewahrsam hat der frühere Soldat seinerzeit gebrochen, als er Gegenstände durch jeweils zwei Zugriffe - zum einen auf die Rettungswesten, zum anderen später auf die Schutzweste mit den Keramikplatten - aus der Lagerhalle entnahm und sie zu sich oder seinen Eltern verbrachte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 1995 - 1 StR 309/95 - juris Rn. 9). Dies erfolgte nach eigener Einlassung in der Berufungshauptverhandlung zum Zeitpunkt der Wegnahme auch in Zueignungsabsicht.
30 cc) Ferner hat der frühere Soldat jedenfalls zusätzlich in 25 Fällen einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB und in den sonstigen 26 Fällen einen nach § 263 Abs. 2 StGB strafbaren Versuch begangen (vgl. zu § 263 StGB: BVerwG, Urteil vom 14. August 2025 - 2 WD 29.24 - juris Rn. 45), womit bereits insoweit strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt (BVerwG, Urteil vom 14. August 2025 - 2 WD 29.24 - juris Rn. 44).
31 (1) Denn er hat durch sein Verhalten bei Käufern und Kaufinteressierten den Irrtum erregt, von ihm Eigentum an den bei "eBay" eingestellten Gegenständen erlangen zu können, und durch die Zahlung des Kaufpreises in jedenfalls in 25 Fällen einen Vermögensvorteil von über 2 000 € erlangt. In Fällen, in denen es nicht zur Zahlung kam, lag jedenfalls ein Betrugsversuch vor. Soweit sich der Soldat dahingehend einlässt, sich darüber geirrt zu haben, an den gestohlenen Sachen nach § 935 BGB nicht Eigentum verschaffen zu können, lässt dies seinen Vorsatz nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB entfallen. Denn dass er in der insoweit ausreichenden Parallelwertung in der Laiensphäre wusste, Dritten die entwendeten Gegenstände nicht verkaufen zu dürfen, hat er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Damit war ihm der für die Unrechtsbegründung wesentliche Bedeutungsgehalt bekannt (vgl. Kulhanek, in: Münchener Kommentar zum StGB, 5. Aufl. 2024, § 16 Rn. 75).
32 (2) Die Betrugshandlungen bildeten auch keine mitbestrafte Nachtat. Bei ihr handelt es sich um selbständige, den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlungen, durch die der Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position lediglich sichert, ausnutzt oder verwertet. Sie bleibt jedoch nur dann straflos, wenn der nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung wegen ihres inneren funktionalen Zusammenhangs mit der (Vor-)Haupttat kein eigener Unwertgehalt zukommt, so dass auch kein Bedürfnis besteht, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen. Voraussetzung für die Straflosigkeit der Nachtat ist jedoch, dass die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird (BGH, Urteil vom 27. August 2008 - 2 StR 329/08 - juris Rn. 4 m. w. N.). Da die Betrugshandlungen sich jedoch nicht gegen den Dienstherrn, sondern gegen private Käufer als Dritte richteten, bestand schon keine Identität der Geschädigten, womit den Handlungen straf- wie disziplinarrechtlich eine selbständige Bedeutung zukommt.
33 b) Schließlich hat der frühere Soldat mit seinem Verhalten sowohl gegen die innerdienstliche als auch - bezogen auf die strafrechtlich relevante Veräußerung der Gegenstände an Dritte - gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen, § 17 Abs. 2 Satz 1 und 3 SG.
34 Ein Soldat bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war. Ungeachtet dessen ist ausweislich der Ablösung des früheren Soldaten von seiner früheren Verwendung ein solcher Vertrauensverlust auch tatsächlich eingetreten (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27).
35 Soweit es den Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht betrifft, resultiert die Ernsthaftigkeit der Vertrauensbeeinträchtigung aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB von bis zu fünf Jahren (vgl. Grundsatzurteil BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 57). Dass der Soldat bei der Begehung entsprechender Straftaten auch als solcher in Erscheinung tritt, ist disziplinarrechtlich nicht erforderlich.
36 3. Bei der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme sind nach § 60 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde.
37 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
38 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei einem Soldaten, der sich vorsätzlich an Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn vergreift, Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung. Erfolgt der vorsätzliche Zugriff im Bereich dienstlicher Kernpflichten, wenn etwa auf anvertrautes Gut zugegriffen wird, ist die Entfernung aus dem Dienst Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 54). Das Gleiche gilt, wenn sich der Schaden im mindestens fünfstelligen Eurobereich bewegt und es damit einen für die Verhängung der Höchstmaßnahme notwendigen Schweregrad aufweist (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 75). In diesen Fällen indiziert ein solches Verhalten den Verlust des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des Soldaten. Dabei ist dies allein nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 51), so dass die Aussage des früheren Disziplinarvorgesetzten, dem früheren Soldaten wieder zu vertrauen, daran nichts ändert.
39 Ein Soldat greift jedoch nur dann auf einen anvertrauten Gegenstand zu, wenn er eine besondere dienstliche Schutz- und Verwendungspflicht hinsichtlich dieser Gegenstände hat. Denn Anvertrauen ist - im Wehrdisziplinarrecht nicht anders als im Strafrecht (Fischer, StGB, Kommentar, 72. Aufl. 2025, § 246, Rn. 16) – die Hingabe oder das Belassen einer Sache durch den Eigentümer oder sonst Berechtigten zum Verwalten und Verwenden in dem Vertrauen, der Besitzer werde mit der ihm überlassenen Sache ausschließlich im Sinne des Anvertrauenden verfahren, sie also nur in seinem Sinne verwenden und sie schützen (BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2004 - 2 WD 11.03 - juris Rn. 6). Die Gegenstände müssen sich bei gewöhnlichem Ablauf regulär in seinem Arbeitsbereich befinden und sich der Soldat auch faktisch gewöhnlich mit der Verwahrung und Verwaltung derartiger Gegenstände befassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 38 ff. und vom 14. April 2022 - 2 WD 9.21 - juris Rn. 45). Eine vergleichbare Vertrauensposition hat auch derjenige, der dafür Sorge zu tragen hat, dass Material ausschließlich zu dienstlichen Zwecken angefordert und verwendet wird (BVerwG, Urteile vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 38 und vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 77). Dass im Rahmen dessen auch andere Personen Zugriff auf das Material des Bundes haben, steht der Vertrauensstellung eines Soldaten ebenso wenig entgegen (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - juris Rn. 74) wie dass er nicht Hauptverantwortlicher für das dort gelagerte Material ist. Jedem, der dienstliches Material ein- und umsortiert und nach Weisung ausgibt, muss der Dienstherr besonders vertrauen können, dass er weisungsgemäß und uneigennützig verfährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - juris Rn. 47).
40 Jedoch begründet die bloße Möglichkeit des Zugriffs auf Gegenstände noch kein Anvertrautsein (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 23 und <zusammenfassend> vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 55). Auch dass eine Befassung mit dem fraglichen Objekt aufgrund von Einzelweisungen im Bedarfsfall nicht auszuschließen ist, rechtfertigt nicht die mit der Feststellung des Anvertrautseins regelmäßig verbundene höhere Sanktionsdrohung (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - juris Rn. 74). Dass ein Soldat Besitzdiener des Dienstherrn ist, reicht für ein Anvertrautsein ebenfalls nicht aus, da dies für alle von Soldaten in der dienstlichen Sphäre genutzten Materialien gilt (BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 63).
41 bb) Nach Maßgabe dessen indiziert zwar nicht bereits die Schadenshöhe die Höchstmaßnahme, weil sie bei Zugrundelegung der vorliegend als maßgeblich erachteten Angaben mit 7 462,25 € noch deutlich unter 10 000 € liegt. Ebenso wenig liegt nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften der Bundeswehr ein Anvertrautsein vor, weil der frühere Soldat nicht zu dem Personenkreis zählt, der nach Nr. 206 der Allgemeinen Regelung (AR) A2-1032/0-0-7 (Prüfungen der Materialbewirtschaftung) zu den Materialverantwortlichen zählt. Der insoweit allein in Betracht zu ziehende Punkt 4 ("Personen für das ihnen zugeordnete Material") bezieht sich nicht speziell auf Materialbewirtschaftungssoldaten, sondern auf jeden Soldaten hinsichtlich des zur persönlichen dienstlichen Nutzung zugewiesenen Materials des Bundes.
42 Jedoch hatte der frühere Soldat eine Vertrauensposition inne, die mit der von Soldaten vergleichbar ist, denen dienstliches Material anvertraut ist. Er war seiner Ausbildung entsprechend Teil der Materialbewirtschaftungsgruppe, die unter Leitung des für die Materialbewirtschaftung primär zuständigen Hauptfeldwebels für die Verwaltung der an das Bataillon gelieferten und von ihm wieder abgegebenen Waren zuständig war. Der Zeuge B hat die zentrale Bedeutung dieses Trupps gleichsam als Nadelöhr der in einer großen Halle vorgenommenen Materialbewirtschaftung beschrieben und dies mit den Worten unterstrichen, es handele sich dabei um einen "neuralgischen Punkt" der Truppenversorgung. Dort werde alles Material, welches für das Bataillon reinkomme und auch wieder rausgehe, geprüft und gezählt. Es laufe alles über die Materialgruppe, die regelmäßig aus ca. 8 Soldaten (3 Dienstgrade und 3 bis 5 Mannschaftssoldaten) bestehe.
43 Mit der institutionell singulären Stellung dieser Einheit geht in personeller Hinsicht eine Vertrauensposition nicht nur der Materialbewirtschaftungsfeldwebel, sondern auch der ihnen speziell zu dieser Aufgabenerfüllung zur Seite gestellten Soldaten einher; dies schließt Mannschaftsdienstgrade ein. Denn auf deren Mitwirkung in der faktischen Umsetzung sind die Materialverantwortlichen zwingend angewiesen. Dem früheren Soldaten wuchs damit eine vergleichbare Vertrauensposition zu, womit er im Kernbereich seiner soldatischen Funktion und Aufgaben schwer versagte (vgl. zum Materialnachweisfeldwebel: BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 25). Dies folgt schon daraus, dass die Materialgruppe, der der frühere Soldat angehörte, seinerzeit aus 3 Unteroffizieren und mehrheitlich aus 4 Mannschaftsdienstgraden bestand. Dass an die die Materialverantwortlichen unterstützenden Soldaten im Hinblick auf ihre Integrität auch in der soldatischen Praxis höhere Erwartungen gestellt werden als an sonstige Soldaten, hat der frühere Disziplinarvorgesetzte B in der Berufungshauptverhandlung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Herausnahme des Soldaten aus der Materialgruppe als zwangsläufig bezeichnet und dies mit der im Vergleich zu sonstigen Soldaten größeren Materialverantwortung der dort eingesetzten Soldaten begründet hat.
44 Auch der frühere Soldat ist sich seiner besonderen Verantwortung bewusst gewesen, hat er sich doch dahingehend eingelassen, abends sei die große Halle abgeschlossen worden, damit kein Material entwendet würde. Der Schlüssel zu ihr sei ihm im Bedarfsfall dazu ausgehändigt worden. Auch die besondere aufgabentypische Nähe des früheren Soldaten zum Material liegt vor. Er hat sich dahingehend eingelassen, teilweise habe er mit einem Gabelstapler das entsprechende Material in diese Regale gebracht, aus denen es dann von den einzelnen Kompanien abgeholt worden sei. Wenn neues Material gebracht worden sei, sei es geprüft und das Ergebnis an den Vorgesetzten gemeldet worden. Er habe dann das Material an den festgelegten Orten abgestellt. Während die belegtechnische Abwicklung über den Vorgesetzten gelaufen sei, seien die Mannschaftssoldaten für die Umsetzung zuständig gewesen. Zuvor hätten diese das Material und die Anzahl bestimmter Lieferungen geprüft. Die Mannschaftssoldaten hätten Belege über Material von ihrem Vorgesetzten erhalten und anschließend das Material verpackt und versandt oder eingelagert.
45 Genauso wie bei Mannschaftssoldaten ein Anvertrautsein vorliegen kann (BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 2 WD 11.13 - juris Rn. 74), ist bei ihnen auch die Übertragung einer besonderen Vertrauensposition für Bundeswehrmaterial möglich. Soweit der Senat in seinen Entscheidungen zu Zugriffsdelikten von Materialverantwortlichen die Vorgesetztenfunktion erwähnt und sich zu deren Bedeutung nicht hinreichend klar positioniert hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Januar 2017 - 2 WD 1.16 - juris Rn. 77 und vom 14. April 2022 - 2 WD 9.21 - juris Rn. 45, in dem die Vorgesetzteneigenschaft Erwähnung findet; anders Urteil vom 11. September 2014 - 2 WD 11.13 - juris Rn. 74), war dies dem Umstand geschuldet, dass es sich regelmäßig um keine Mannschaftsdienstgrade handelte. Daraus folgt indes nicht, dass für die Bestimmung des Ausgangspunkts der Zumessungserwägungen bei Pflichtverletzungen der vorliegenden Art die Innehabung einer Vorgesetztenstellung gleichsam konstitutiv wäre. Denn hier ist nicht das personelle Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen betroffen, so dass die Vorgesetztenstellung einen lediglich bemessungsrelevanten Umstand (§ 10 Abs. 1 SG) darstellt. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet somit bei jedem Missbrauch einer Vertrauensstellung für Bundeswehrmaterial die Höchstmaßnahme, hier nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 WDO in Form der Aberkennung des Ruhegehalts nach § 67 Abs. 1 WDO.
46 b) Von der Höchstmaßnahme ist auch nicht auf der zweiten Bemessungsstufe abzuweichen.
47 Bei ihr ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Dabei müssen die Milderungsgründe, die es gebieten, von der Regelmaßnahme abzusehen, umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - juris Rn. 26 m. w. N.).
48 aa) Die vom Truppendienstgericht bezeichneten Gründe tragen keine Milderung.
49 Dabei sind die vom früheren Disziplinarvorgesetzten A dem früheren Soldaten bescheinigten Leistungen insofern unvollständig gewürdigt, als dessen frühere negative Feststellungen zum Leistungsverhalten nicht einbezogen wurden. Er hatte unter dem 4. November 2021 berichtet, dass das erste Jahr von der Unzuverlässigkeit des Soldaten geprägt gewesen sei. Dessen Aussage, der zunächst objektiv eingetretene Vertrauensverlust würde nicht weiter bestehen und er ihn sogar in den Auslandseinsatz mitnehmen, wirkt zudem nur beschränkt mildernd, weil sich diese Frage in der Praxis nicht mehr stellt. Dass der frühere Soldat bislang straf- wie disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, ist nicht zu berücksichtigen. Denn damit hat er nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2025 - 2 WD 16.24 - NVwZ-RR 2025, 614 Rn. 42). Dass er sich von Anfang an geständig, einsichtig und reuig gezeigt hat, wirkt angesichts der für ihn erdrückenden Beweislage ebenso wenig mildernd (zur Ausnahme: BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 2 WD 26.20 - juris Rn. 42) wie seine Aufklärung an dem auch ohne seine Mitwirkung aufklärbaren Sachverhalt. Dass er zur Verhandlung erschienen ist und sich seiner Verantwortung gestellt hat, ist bemessungsneutral. Von einer "Kurzschlussreaktion", die einen Anhaltspunkt für eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat bilden könnte, kann schon angesichts des zweifachen Diebstahls nicht gesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 WD 1.18 - juris Rn. 29), zumal der frühere Soldat durch den Verkauf der Materialien erneut kriminelle Energie gezeigt hat.
50 In Ermangelung tatsächlicher Anhaltspunkte ist auch nicht mildernd einzustellen, dass es sich um ausgesonderte Gegenstände handelte, bei denen ein erheblich reduziertes Erhaltungsinteresse bestanden hätte (BVerwG, Urteile vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 33 f. und vom 14. April 2011 - 2 WD 7.10 - juris Rn. 16). Eine förmliche Aussonderung ist nicht erfolgt und allein der Umstand, dass ihre konkrete Herkunft dem früheren Soldaten unbekannt war, nimmt ihnen nicht ihren Wert, zumal sie auch noch nicht das dafür vorgesehene Aussonderungsalter aufgewiesen haben. Dem entspricht, dass zehn der im Jahr 2012 produzierten und eine Nutzungsdauer von 10 Jahren aufweisenden Rettungswesten vom Erwerber dem Hersteller zur Wartung übergeben worden waren. Auch dass es dem früheren Soldaten möglich war, durch die Veräußerung einen Gewinn von über 2 000 € zu erzielen, spricht gegen deren Wertlosigkeit. Bei alledem hat sich der frühere Soldat dahingehend eingelassen, es habe lediglich ein "Gerücht" gegeben, die Westen sollten ausgesondert werden. Zur schusssicheren Weste hat er sich dahingehend eingelassen, sie sei noch für Übungszwecke eingesetzt worden.
51 bb) Dem Fehlen erheblich mildernder Umstände steht als erheblich erschwerender Umstand zusätzlich das unter Anschuldigungspunkt 2 beschriebene Verhalten gegenüber, von dem das Truppendienstgericht den früheren Soldaten in der Annahme freigestellt hat, es begründe keine eigenständige Pflichtverletzung. Es verkennt damit, dass disziplinarisch zwei selbständige Pflichtverletzungen vorliegen: Zum einen die Pflichtverletzung, dienstliches Material dem Dienstherrn entzogen zu haben (Anschuldigungspunkt 1); zum anderen aber auch die Begehung weiterer Straftaten nach § 263 Abs. 1 und 2 StGB als mehrfacher Verstoß gegen die Rechtsordnung (Anschuldigungspunkt 2) und dies durch Handlungen, die nicht zwangsläufig mit der anderen Pflichtverletzung (Anschuldigungspunkt 1) begangen werden mussten.
52 cc) Ist das Vertrauen in einen (früheren) Soldaten zerstört und deswegen die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann eine überlange Verfahrensdauer keine maßnahmemildernde Wirkung entfalten (BVerwG, Urteil vom 14. August 2025 - 2 WD 29.24 - juris Rn. 56 m. w. N.).
53 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 Satz 2, § 144 Abs. 3 Satz 3 WDO. Es liegen keine Gründe vor, die es unbillig erscheinen lassen, den früheren Soldaten die Verfahrenskosten und die ihm im Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen tragen zu lassen.