Beschluss vom 16.12.2004 -
BVerwG 1 B 59.04ECLI:DE:BVerwG:2004:161204B1B59.04.0

Beschluss

BVerwG 1 B 59.04

  • Niedersächsisches OVG - 24.02.2004 - AZ: OVG 10 LC 67/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Dezember 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2004 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist mit der sinngemäß geltend gemachten Rüge eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Oberverwaltungsgericht zurück.
Die Beschwerde rügt der Sache nach zu Recht, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers nicht wegen Fehlens eines bestimmten Antrags in dem Berufungsbegründungsschriftsatz als unzulässig hätte verwerfen dürfen. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass sich dem rechtzeitig eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20. Mai 2003 ein bestimmter Antrag nicht entnehmen lasse und er deshalb nicht den Erfordernissen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO genüge, überspannt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Dem Erfordernis, dass die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten muss, ist auch Genüge getan, wenn ein solcher Antrag zwar nicht ausdrücklich formuliert worden ist, sich aber das Ziel der Berufung aus dem fristgerecht eingereichten Schriftsatz deutlich ergibt (vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 124 a Rn. 30, 32). Das ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers als Verpflichtungsklage auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG aufgefasst und sie wegen des Sozialhilfebezugs der Eltern des Klägers unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 46 Nr. 6 AuslG abgewiesen. Dagegen hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und in der Berufungsbegründung im Einzelnen ausgeführt, dass seiner Ansicht nach der Sozialhilfebezug seiner Eltern der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehe und die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sei. Diesem Schriftsatz war hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Kläger das verwaltungsgerichtliche Urteil in vollem Umfang anfechten und sein in erster Instanz verfolgtes Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch im Berufungsverfahren weiter verfolgen wollte. Dies hat er im Übrigen auf Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 20. Februar 2004 auch ausdrücklich bestätigt. Dass in der Sache angesichts des in § 35 Abs. 1 AuslG eingeräumten behördlichen Ermessens auch die Beschränkung auf einen Bescheidungsantrag in Betracht gekommen wäre, ändert nichts an der Tatsache, dass der Kläger mit seiner Berufungsbegründung das Ziel seiner Berufung, nämlich die uneingeschränkte Weiterverfolgung seines Verpflichtungsbegehrens, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Der angefochtene Beschluss beruht auf diesem Verfahrensmangel, weil das Oberverwaltungsgericht die Berufung nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, sondern in der Sache hätte entscheiden müssen.
Wegen der noch ausstehenden Entscheidung in der Sache verweist der Senat im Übrigen auf sein Urteil vom 28. September 2004 - BVerwG 1 C 10.03 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).