Beschluss vom 17.05.2022 -
BVerwG 5 BN 3.21ECLI:DE:BVerwG:2022:170522B5BN3.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.05.2022 - 5 BN 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:170522B5BN3.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 BN 3.21

  • OVG Berlin-Brandenburg - 16.06.2021 - AZ: 6 A 5/20

In der Normenkontrollsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Mai 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß
und Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2021 wird verworfen.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen nicht genügt.

2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 8. Mai 2018 - 5 B 18.18 - juris Rn. 3). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

3 Die Beschwerde trägt dazu vor (Beschwerdebegründung S. 2), es sei
"in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht klärungsbedürftig, dass die kommunale Satzungsautonomie ebenso wie die privatrechtliche Gestaltung von Kita-Elternbeitragsregelungen einer den Maßstäben des Sozialstaatsprinzips entsprechenden inhaltlichen Begrenzung bedarf, soweit es um die Festsetzung und Erhebung von Elternmindestbeiträgen (innerhalb des mit öffentlichen Mitteln geförderten Kindertagesstättensystems) geht."

4 Mit dieser Behauptung einer rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit und dem zu ihrer Begründung unterbreiteten Vorbringen legt die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dar. Auch wenn und soweit dieser Vortrag als Aufwerfen einer Rechtsfrage des revisiblen Rechts verstanden werden soll, genügt er den Darlegungsanforderungen nicht.

5 Die Beschwerde lässt zunächst unberücksichtigt, dass die von ihr als klärungsbedürftig bezeichnete Frage in dieser Form weder im Berufungsverfahren aufgeworfen worden ist noch das Oberverwaltungsgericht sie behandelt und darüber entschieden hat. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann aber regelmäßig und so auch hier mangels Klärungsfähigkeit nicht die Zulassung der Revision zur Folge haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 = juris Rn. 5, vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - juris Rn. 7 und vom 11. Juni 2010 - 6 B 86.09 - juris Rn. 10 m.w.N.). Eine Ausnahme hiervon greift nicht ein, weil die Beschwerde jedenfalls nicht schlüssig darlegt, dass sich die Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich stellen wird.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung in tragender Weise darauf gestützt, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 und 2 KitaBBV wegen Überschreitung der landesgesetzlich in § 17 Abs. 1a Satz 4, § 23 Abs. 1 Nr. 12 KitaG vorgesehenen Verordnungsermächtigung ungültig sei und das in § 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 KitaBBV geregelte Verfahren zum Ausgleich höherer Einnahmeausfälle ebenfalls nicht den landesgesetzlichen Vorgaben des § 17 Abs. 1a KitaG genüge. Neben dem Umstand, dass die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 KitaBBV nicht mit dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Bestimmtheitsgebot vereinbar sei, fehle es schon an einer landesrechtlichen Ermächtigung für den Verordnungsgeber, den landesgesetzlich nicht eingeschränkten Anspruch auf Erstattung höherer Einnahmeausfälle durch Einführung eines Zumutbarkeitskriteriums auf aus seiner Sicht sozialverträgliche Mindestbeiträge zu deckeln.

7 Mit diesen tragenden Gründen der Vorinstanz setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Ebenso wenig wie die Beschwerde aufzeigt, dass sich die aufgeworfene Frage dem Oberverwaltungsgericht hätte stellen und dieses zu einer bundesrechtlich determinierten anderen Auslegung der landesrechtlichen Regelungen hätte kommen müssen, zeigt sie schlüssig auf, dass die Frage in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte.

8 Die Beschwerde berücksichtigt zunächst nicht, dass Fragen des Landesrechts einer Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich sind und eine vermeintliche Verletzung von Bundes(verfassungs-)recht bei der Auslegung oder Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung allenfalls dann rechtfertigen kann, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes(verfassungs-)rechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit Blick auf seine Übereinstimmung mit Bundes(verfassungs-)recht angezweifelt wird (vgl. zu den diesbezüglichen, hier nicht erfüllten Darlegungsanforderungen: BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 5 BN 2.19 - juris Rn. 7 m.w.N.).

9 Soweit die Beschwerde ausführt, die Regelungen des § 5 Abs. 1 und 2 KitaBBV stellten die erforderliche bundes(verfassungs-)rechtskonforme Ausgestaltung des im Sozialstaatsprinzip wurzelnden Grundsatzes dar, dass von Personensorgeberechtigten Elternbeiträge nicht erhoben werden dürften, die existenzgefährdend (im Sinne der Gewährleistung des Existenzminimums) seien (Beschwerdebegründung S. 1 f., 5), setzt sie damit lediglich der ihrer Ansicht nach fehlerhaften und nicht mit Bundesrecht im Einklang stehenden Rechtsauffassung und -anwendung des Oberverwaltungsgerichts ihre eigene, zu einem anderen Ergebnis führende Rechtsmeinung und Subsumtion entgegen, was die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen vermag. Im Hinblick auf die tragende Begründung der angegriffenen Entscheidung, dass es für die streitige Verordnungsregelung bereits an der erforderlichen (landes-)gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehle, legt die Beschwerde nicht schlüssig dar, aus welchen Gründen diese - zumal der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugängliche - Begründung nicht haltbar sein bzw. es darauf nicht ankommen soll. Dass die erforderliche Verordnungsermächtigung etwa aus dem Bundesrecht zu entnehmen wäre und außerdem den insoweit zu beachtenden verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen könnte, ist weder ansatzweise aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Ebenso fehlt es an jeder Darlegung, dass die Regelungen des § 90 SGB VIII einschließlich insoweit einschlägiger Landesrechtsvorbehalte von der Einhaltung landes(verfassungs-)rechtlicher Gebote hinsichtlich der Rechtsetzung durch Verordnung dispensieren oder auch nur dispensieren könnten.

10 2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.