Beschluss vom 17.06.2010 -
BVerwG 2 WNB 7.10ECLI:DE:BVerwG:2010:170610B2WNB7.10.0
Leitsatz:
Über die Abhilfe nach § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO entscheidet das Truppendienstgericht mit ehrenamtlichen Richtern und nicht nur der Vorsitzende der Kammer.
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Rechtsquellen
WBO § 22b Abs. 4 Satz 1 WDO § 75 Abs. 1, § 114 Abs. 3 -
Instanzenzug
Truppendienstgericht Nord 1. Kammer - 24.11.2009 - AZ: TDG N 1 BLc 3/09
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 17.06.2010 - 2 WNB 7.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:170610B2WNB7.10.0]
Beschluss
BVerwG 2 WNB 7.10
- Truppendienstgericht Nord 1. Kammer - 24.11.2009 - AZ: TDG N 1 BLc 3/09
In der Disziplinarsache
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 17. Juni 2010 beschlossen:
- Die Beschwerde des Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 24. November 2009 wird als unzulässig verworfen.
- Der Soldat hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO nicht entspricht.
2 1. Der Senat ist für die Entscheidung zuständig. Nach § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde, wenn das Truppendienstgericht der Beschwerde nicht abhilft. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Beschluss vom 8. März 2010 (TDG N 1 GL 24/09) der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom 24. November 2009 nicht abgeholfen. Zwar entspricht die Besetzung der Kammer nur mit dem Vorsitzenden bei dem Nichtabhilfebeschluss nicht den gesetzlichen Vorschriften, dies führt aber nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, so dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Senats gegeben sind.
3 a) Nach § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO entscheidet „das Truppendienstgericht“ über die Frage der Abhilfe. Da die Wehrbeschwerdeordnung abgesehen von der Regelung des § 18 Abs. 1 WBO, wonach über die Besetzung des Truppendienstgerichts der Dienstgrad des Beschwerdeführers maßgebend ist, und abgesehen von der Regelung in § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO, nach der das Bundesverwaltungsgericht in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheidet, keine Regelungen über die Besetzung der Spruchkörper enthält, richtet sich diese nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung, die in der Wehrbeschwerdeordnung vorausgesetzt werden (vgl. Beschluss vom 20. November 1979 - BVerwG 1 WB 161.77 und 1 WB 166.77 - BVerwGE 63, 289 f.; Dau, WBO, 5. Auflage 2009, § 18 Rn. 6).
4 Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 WDO entscheidet die Truppendienstkammer in der Hauptverhandlung mit einem Richter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein, soweit nicht nach diesem Gesetz das Truppendienstgericht zu entscheiden hat (Satz 2). Die Unterscheidung zwischen Entscheidung in oder aufgrund mündlicher Verhandlung einerseits und ohne mündliche Verhandlung andererseits ist auf das Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung wegen dessen Besonderheiten (mündliche Verhandlung nur fakultativ) nicht übertragbar (Beschluss vom 20. November 1979 a.a.O. S. 292; Dau a.a.O. Rn. 7).
5 Der Wortlaut des § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO („das Truppendienstgericht“) spricht für die volle Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern, wie insbesondere ein Vergleich zur Regelung des § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO und des § 75 Abs. 1 Satz 2 WDO zeigt. Auch sonst wird in der Wehrdisziplinarordnung zwischen den Entscheidungen des Truppendienstgerichts und denen des Vorsitzenden differenziert (vgl. § 20 Abs. 1 und 2, § 40, § 100 Satz 1, § 102 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 WDO).
6 Auch die Regelung des § 114 Abs. 3 Satz 1 WDO differenziert zwischen dem Vorsitzenden der Kammer und dem Truppendienstgericht. Im Übrigen lässt sich diese Vorschrift nicht auf den Fall des § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO übertragen. Während § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in jedem Falle eine Abhilfeentscheidung des Truppendienstgerichts voraussetzt, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nach § 114 Abs. 3 WDO über die Beschwerde, es sei denn, dass der Vorsitzende der Truppendienstkammer eine Abhilfe für angebracht hält und das Truppendienstgericht daraufhin der Beschwerde abhilft. Schließlich spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 22b Abs. 4 Satz 1 WBO ausdrücklich geregelt hat, dass das Bundesverwaltungsgericht ohne ehrenamtliche Richter über die Zulassungsbeschwerde entscheidet, während eine entsprechende Regelung über die Besetzung des Truppendienstgerichts nicht getroffen wurde, gegen die Befugnis des Vorsitzenden der Truppendienstkammer, über die Nichtabhilfe allein zu entscheiden.
7 Der Senat verkennt nicht, dass es aus den in dem Nichtabhilfebeschluss angeführten Gründen der Beschleunigung des Verfahrens und der Beschränkung auf reine Rechtsfragen durchaus sachgerecht gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber zumindest für den Fall der Nichtabhilfe die alleinige Zuständigkeit des Vorsitzenden vorgesehen hätte. Bei der derzeitigen Fassung der Bestimmungen erscheint dem Senat aber eine entsprechende Auslegung der getroffenen Regelung nicht möglich.
8 b) Auch wenn der Beschluss über die Nichtabhilfe demnach verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, sieht der Senat von einer Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und einer Zurücksendung der Akten zur Nachholung eines ordnungsgemäßen Abhilfebeschlusses ab. Wie die Regelungen des § 22a Abs. 6 Satz 2 WBO und die auf das Verfahren nach § 22b WBO entsprechend anwendbare Vorschrift des § 133 Abs. 6 VwGO zeigen, steht es im Ermessen des Bundesverwaltungsgerichts, ob es eine fehlerhafte Entscheidung aufhebt und die Sache an die Vorinstanz zurückverweist oder ob es in der Sache selbst entscheidet. Im vorliegenden Fall hält der Senat eine Zurückverweisung für nicht angebracht, weil die Begründung in dem Nichtabhilfebeschluss für die Besetzung des Gerichts vertretbar erscheint und jedenfalls nicht willkürlich war, sodass zwar ein Verstoß gegen einfaches Recht, nicht aber gegen das grundgesetzliche Gebot des gesetzlichen Richters vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL12/88, 13/88, 2 BvR 1436/87 - BVerfGE 82, 159 <194> ; vgl. auch Plenumsbeschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 <334>; BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 41 <46> m.w.N.; Eichberger, in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 138 Rn. 35f.).Es kommt hinzu, dass die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist, wie nachstehend ausgeführt wird:
9 2. Die Beschwerde entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gestellt werden (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - NZWehrr 2009, 258 <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen> und zuletzt vom 26. Mai 2010 - BVerwG 2 WNB 6.10 -). Die von der Beschwerde allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann gegeben, wenn in dem angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden (ständige Rechtsprechung der Revisionssenate; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.), inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung im beabsichtigten Rechtsmittelverfahren zu erwarten ist.
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Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde nicht. Sie bezeichnet als klärungsbedürftig die Frage,
ob es einen fahrlässigen Verstoß gegen Mitwirkungspflichten und mithin gegen seine soldatische Pflicht zum treuen Dienen gemäß § 7 SG darstellt, dass der Beschwerdeführer Schichtzulagen in einer Höhe von 46,02 € weiterhin ausgezahlt erhielt, obwohl die Voraussetzungen hierfür weggefallen waren.
11 Soweit die Frage über den Einzelfall hinaus verallgemeinert wird, lässt sie sich auch ohne Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens eindeutig mit ja beantworten. Ob im vorliegenden Fall dem Soldaten berechtigt der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens gemacht wird, ist aber eine Frage des Einzelfalls, und kann deswegen nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung führen. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift beschränken sich darauf, nach Art einer Berufungs- oder Beschwerdebegründung im Einzelnen auszuführen, warum im vorliegenden Fall das Truppendienstgericht zu Unrecht den Vorwurf der Fahrlässigkeit erhoben hat. Allein die Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung materiell fehlerhaft sei, rechtfertigt aber die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 WBO nicht (Beschluss vom 4. Dezember 2009 - BVerwG 1 WNB 4.09 -, vgl. auch Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: November 2009, § 132 Rn. 34).
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO und § 154 Abs. 2 VwGO.