Beschluss vom 18.11.2014 -
BVerwG 9 B 30.14ECLI:DE:BVerwG:2014:181114B9B30.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.11.2014 - 9 B 30.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:181114B9B30.14.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 30.14

  • OVG Koblenz - 15.01.2014 - AZ: OVG 9 C 10643/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und Steinkühler
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts für Rheinland-Pfalz und das Saarland vom 15. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen § 86 FlurbG verlangt, dass bei Anordnung des Verfahrens der Unternehmer unmittelbar benötigte Flächen bereits erworben haben muss, rechtfertigt die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

3 Sollte sie darauf gerichtet sein, rechtsgrundsätzlich die Klärung herbeizuführen, ob das Unternehmen bereits bei Anordnung der Flurbereinigung über ein ausreichendes Maß an Eigenland verfügen muss, „damit die Anordnung der Unternehmensflurbereinigung ergehen durfte“ (Beschwerdebegründung S. 3), fehlte es bereits an der Entscheidungserheblichkeit, weil Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ein Flurbereinigungsbeschluss ist, der ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG angeordnet hat und nicht ein Verfahren der Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG. Aber auch in Bezug auf das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren wird keine Frage aufgeworfen, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würde.

4 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 FlurbG in erster Linie privatnützigen Zwecken dient, hinter denen fremdnützige Zwecke im Konfliktfall zurücktreten, und dass ein objektives Interesse der Teilnehmer im Sinne des § 4 FlurbG bestehen muss. Mit dem Erfordernis überwiegender Privatnützigkeit ist es nicht vereinbar, eine vereinfachte Flurbereinigung anzuordnen, um in erster Linie Land für ein im Interesse der Allgemeinheit liegendes Vorhaben zu beschaffen. Dieses Anliegen ist vielmehr der fremdnützigen Unternehmensflurbereinigung vorbehalten, die eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG darstellt (Urteil vom 13. April 2011 - BVerwG 9 C 1.10 - BVerwGE 139, 296 Rn. 13 ff., 21 = Buchholz 424.01 § 86 FlurbG Nr. 3). An diese grundsätzlichen Unterschiede zwischen privatnütziger Flurbereinigung im vereinfachten Verfahren und fremdnütziger Unternehmensflurbereinigung knüpft das Flurbereinigungsgericht an, wenn es ausführt, in der Begründung für die Verfahrenseinleitung seien als Ziele des vereinfachten Verfahrens Maßnahmen der Landentwicklung und einer durchgreifenden agrarstrukturellen Verbesserung genannt worden. Das Verfahren diene nicht dazu, Land für das Naturschutzgroßprojekt Bienwald in einem größeren Umfang zu beschaffen und den hierdurch bedingten Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen, wozu eine Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG geboten gewesen wäre. Im Gegensatz zur Unternehmensflurbereinigung werde im Flurbereinigungsbeschluss der freihändige Landerwerb durch das „Unternehmen“ vorausgesetzt. Soweit die Beschwerde aus der Verwendung des Begriffs des Unternehmens ableiten will, das Flurbereinigungsgericht sei von einer Unternehmensflurbereinigung ausgegangen, verfehlt dies den Sinnzusammenhang der Aussage des Flurbereinigungsgerichts; aus diesem wird ohne weiteres deutlich, dass nicht ein Unternehmer im Sinne des § 87 FlurbG gemeint ist, sondern der Träger des Naturschutzprojekts, der sich um einen freihändigen Erwerb bemüht.

5 Die Frage, ob es privatnützigen Zwecken dient, durch Verwirklichung eines Naturschutzgroßprojekts erst entstehende Landnutzungskonflikte im Interesse der Landwirtschaft aufzulösen, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Sie lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten. Auch ein Verfahren, das durch Zwecke veranlasst ist, die primär fremdnützig sind, kann dem Privatnützigkeitserfordernis entsprechen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch das Flurbereinigungsverfahren Maßnahmen der Landschaftspflege (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG) ermöglicht werden sollen, um Konflikte zwischen sich wechselseitig störenden Nutzungen aufzulösen oder eine konfliktfreie Neuordnung der Grundstücksnutzung zu schaffen (Urteil vom 13. April 2011 a.a.O. Rn. 21). Nach den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts lagen solche Landnutzungskonflikte im Verfahrensgebiet bereits bei Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens vor, da sich die betroffenen Flächen im Bereich von Landschaftsschutz-, Naturschutz-, Vogelschutz- und FFH-Gebieten befanden und bereits deswegen naturschutzrechtlichen Nutzungsvorgaben unterlagen. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts aufgrund des Naturschutzgroßprojekts Bienwald mit Sicherheit mit dem Ankauf weiterer Flächen gerechnet werden muss, so dass weitere Nutzungskonflikte hinsichtlich der für Naturschutzmaßnahmen vorgesehenen Flächen und den ohne Beschränkung landwirtschaftlich nutzbaren Flächen absehbar sind. Das Flurbereinigungsgericht hat daher, gerade weil das mit erheblichen Finanzmitteln unterstützte Naturschutzgroßprojekt auch ohne Bodenordnungsverfahren durchgeführt würde mit der Folge, dass eine Gemengelage von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Landespflegeflächen entstünde, die vorrangige Privatnützigkeit der Flurbereinigung bejaht. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und stellt - anders als die Beschwerde meint - keine Umkehrung des Grundsatzes der Privatnützigkeit dar. Die Frage der Privatnützigkeit beantwortet sich nicht nach den mit dem Naturschutzprojekt verfolgten Zielen, sondern nach den Zielen, die mit dem Flurbereinigungsverfahren verfolgt werden. Die Aussage der Beschwerde, ohne Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens könne das Naturschutzprojekt nicht durchgeführt werden, steht mit den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts nicht in Einklang.

6 2. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

7 Die Beschwerde rügt - ohne die gebotene Zuordnung zu den einzelnen Verfahrensfehlern vorzunehmen - eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) und der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil sich das Flurbereinigungsgericht zur Frage der Privatnützigkeit nicht bzw. unzureichend mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt habe. Zur Begründung gibt sie umfangreich den Vortrag der Klägerin im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht wörtlich wieder. Damit wird sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn vermeintlich begründeten Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör muss dementsprechend im Einzelnen und unter Beachtung des materiell-rechtlichen Standpunkts der Vorinstanz dargetan werden, welches entscheidungserhebliche Vorbringen im angegriffenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist. Eine pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen in der Vorinstanz genügt ebenso wenig wie die Aussage der Beschwerde, in einer „Gesamtschau“ falle auf, dass sich das Gericht nicht ausreichend mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt habe. Dies gilt vorliegend umso mehr, als das Flurbereinigungsgericht auf die Frage der Privatnützigkeit und der Erforderlichkeit der Flurbereinigung sowie auf die Frage, ob das Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung gegeben ist, in dem angefochtenen Urteil unter Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Klägerin ausführlich eingeht.

8 Hinsichtlich des gerügten Aufklärungsmangels fehlt es an jeder Darlegung, dass bereits vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch die Stellung von Beweisanträgen hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Den Überzeugungsgrundsatz verletzende, als Verfahrensfehler einzuordnende Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind ebenfalls nicht dargetan. Dazu müsste eine aktenwidrige, gegen die Denkgesetze verstoßende oder sonst von objektiver Willkür geprägte Sachverhaltswürdigung dargelegt werden (stRspr; z.B. Beschluss vom 22. Mai 2008 - BVerwG 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 22). Das ist hier nicht geschehen.

9 Auch soweit die Beschwerde rügt, das Flurbereinigungsgericht sei im Rahmen seiner Ausführungen zur Erforderlichkeit der Flurbereinigung nicht auf den Vortrag der Klägerin zu fehlenden Arrondierungsmöglichkeiten für die Eigentums- und Pachtflächen, zu den drohenden Flächenverlusten, den fehlenden Vorteilen eines Landtausches, den zu erwartenden Nachteilen im Wegenetz und den Anstieg des Grundwasserspiegels eingegangen, ist ein Verfahrensmangel in Form eines Gehörsverstoßes nicht dargetan.

10 Das Flurbereinigungsgericht hat sowohl im Rahmen seiner Ausführungen zur Privatnützigkeit als auch im Rahmen seiner Ausführungen zur Erforderlichkeit und zu dem Interesse der Beteiligten an der Flurbereinigung entscheidend darauf abgestellt, dass die Befürchtungen der Klägerin, durch das Flurbereinigungsverfahren könnten Maßnahmen des Naturschutzprojekts zu Lasten der Teilnehmer des Verfahrens umgesetzt werden, nicht gerechtfertigt seien. Es betont in diesem Zusammenhang, dass die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens vor allem durch den Anspruch auf wertgleiche Abfindung gemäß § 44 FlurbG, der auch einen Anspruch auf Schaffung der erforderlichen Vorflut umfasst (§ 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG), gegen eine Verschlechterung der landwirtschaftlichen Nutzung durch das Flurbereinigungsverfahren geschützt seien. Weiterhin weist es darauf hin, dass auch bei der Aufstellung des Wege- und Gewässerplans die landwirtschaftlichen Interessen der Teilnehmer zu berücksichtigen seien und dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft insoweit ein unmittelbares Anfechtungsrecht gegen den Wege- und Gewässerplan zustehe. Es bedurfte daher aus der Sicht des Flurbereinigungsgerichts keines Eingehens auf jeden einzelnen Punkt des klägerischen Vortrags zu den von ihm befürchteten Nachteilen durch die Umsetzung des Naturschutzgroßprojekts.

11 Die Beschwerde übersieht ferner, dass die im Verfahrensgebiet liegenden Grundstücke des Projektträgers nach den Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts ebenfalls in die Verteilungsmasse fallen und daher auch diese Flächen für die wertgleiche Abfindung zur Verfügung stehen. Sie verkennt, dass der im Flurbereinigungsverfahren für den Träger des Naturschutzgroßprojekts erleichterte Flächenerwerb durch ihn begünstigende Landabfindungsverzichte anderer Teilnehmer die Flurbereinigungsbehörde nicht davon befreit, die Privatnützigkeit der Flurbereinigung bei der Zuteilungsentscheidung zu beachten. Vor diesem Hintergrund hätte es einer ins Einzelne gehenden Darlegung bedurft, warum es auf bestimmtes tatsächliches Vorbringen der Klägerin auch nach dem Rechtsstandpunkt des Flurbereinigungsgerichts - gegen dessen Richtigkeit im Übrigen keine Bedenken bestehen - angekommen wäre. An einer solchen, den materiell-rechtlichen Standpunkt des Flurbereinigungsgerichts zum Ausgangspunkt nehmenden Darlegung der behaupteten Verfahrensmängel fehlt es.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.