Beschluss vom 18.11.2025 -
BVerwG 4 BN 4.25ECLI:DE:BVerwG:2025:181125B4BN4.25.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.11.2025 - 4 BN 4.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:181125B4BN4.25.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 4.25
- OVG Koblenz - 10.10.2024 - AZ: 1 C 11118/22.OVG
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. November 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2024 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.
- Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2025 - 4 BN 22.24 - juris Rn. 3 m. w. N.).
3
a) Die Frage,
ob ein Bebauungsplan auf einer einheitlichen Planurkunde mit einem einheitlichen Geltungsbereich, dessen Festsetzungen Grundstücke zweier (Orts-)Gemeinden erfassen und der als Plangeber zwei (Orts-)Gemeinden bezeichnet, nur als gemeinsamer gebietsübergreifender Bebauungsplan erlassen werden kann, der die Gründung eines Planungsverbandes i. S. v. § 205 Abs. 1 BauGB oder einen dem Planungsverband in der Organisationsform gleichwertigen Zusammenschluss im Sinne von § 205 Abs. 6 BauGB voraussetzt,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie führt nicht auf eine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts. Sie betrifft die Auslegung des irrevisiblen Ortsrechts durch die Vorinstanz. Die Revision ist in so einer Fallgestaltung nur dann zuzulassen, wenn die Auslegung der gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender bzw. dirigierender Maßstab angeführten bundesrechtlichen Regelung ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Februar 2022 - 4 B 20.21 - BRS 90 Nr. 192 S. 1485 und vom 18. Oktober 2023 - 4 BN 8.23 - juris Rn. 5 jeweils m. w. N.).
4 Die Beschwerde legt nicht dar, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der von ihr angeführten bundesrechtlichen Regelungen in § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1 und § 205 BauGB sowie des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit vorliegen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist - wie die Beschwerde nicht verkennt - bereits geklärt, dass die Zuständigkeit der Gemeinde für die Bauleitplanung sich nach § 2 Abs. 1 BauGB nur auf das eigene Gemeindegebiet bezieht und ein gemeinsamer gebietsübergreifender Bebauungsplan zweier Gemeinden nur durch einen Planungsverband nach § 205 Abs. 1 BauGB oder einen dem Planungsverband in der Organisationsform gleichwertigen Zusammenschluss im Sinne von § 205 Abs. 6 BauGB erlassen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2023 - 4 BN 10.22 - BauR 2023, 1217 <1218>. Ebenfalls geklärt ist, dass der Bebauungsplan als Rechtsnorm (§ 10 BauGB) und seine einzelnen Festsetzungen dem im Rechtsstaatsgebot verankerten Gebot der Normenklarheit und der Bestimmtheit entsprechen und deswegen hinreichend klar und unmissverständlich sein müssen (BVerwG, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 BN 13.21 - BRS 89 Nr. 8 S. 42 m. w. N.). Einer Norm fehlt nicht schon deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Es reicht aus, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1995 - 4 N 2.95 -Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 5). Das Bestimmtheitsgebot gilt auch für den räumlichen Geltungsbereich, dessen Grenzen der Bebauungsplan nach § 9 Abs. 7 BauGB festsetzen muss. Hieraus ist das Erfordernis abzuleiten, den Geltungsbereich vollständig zu umgrenzen. Die in dieser Hinsicht getroffenen Festsetzungen müssen aus sich heraus klar und unmissverständlich sein. Dies folgt schon daraus, dass auch sie Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmen, und zwar unmittelbar für die überplanten, mittelbar aber auch für die dem Planbereich benachbarten Grundflächen. Besteht ein Widerspruch zwischen der zeichnerischen Darstellung und der textlichen Beschreibung, ist er unbeachtlich, wenn er sich durch Auslegung auflösen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1994 - 4 NB 30.93 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 69 S. 1 f. und Urteil vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - UPR 2014, 441 Rn. 19). Ob eine Planaussage dem Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit genügt, ist grundsätzlich eine Frage der durch das Tatsachengericht vorzunehmenden Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall und damit des nicht revisiblen Rechts und keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2022 - 4 BN 14.22 - juris Rn. 4 und vom 25. Juli 2023 - 4 B 28.22 - BauR 2023, 2055 <2056>).
5
b) Das gilt gleichermaßen für die weiter aufgeworfene Frage,
ob es beim Erlass von Bebauungsplänen nach § 10 Abs. 1 BauGB, die das Gebiet zweier Gemeinden betreffen, darauf ankommt, was der Plangeber wollte oder die äußeren Merkmale der Rechtsnorm, nämlich Darstellung des Geltungsbereichs, zeichnerische und textliche Festsetzungen die Grenze der Erforschung des subjektiven Rechtssetzungswillens der Plangeber bilden.
6 Ob der Plangeber in einem Bebauungsplan hinreichend klar zum Ausdruck bringt, welche Regelung mit welchem Gehalt für welchen Bereich normative Geltung beansprucht, ist eine Frage der Auslegung des Bebauungsplans, die den anerkannten Auslegungsmethoden unterliegt. Der Kanon der klassischen Auslegungsgrundsätze umfasst die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Die verschiedenen Methoden können gleichzeitig und nebeneinander angewandt werden und sich gegenseitig ergänzen. Die Interpretation ist nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist vielmehr der objektive Wille des Normgebers, soweit er "wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden" hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1995 - 4 N 2.95 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 5 m. w. N.). Ob ein Plan eindeutige Aussagen trifft oder Raum für eine Auslegung lässt, und der objektive Wille des Normgebers darin hinreichend Ausdruck gefunden hat, beurteilt sich nach den jeweiligen Einzelfallumständen.
7 Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der bundesrechtliche Maßstab für die Bestimmtheit von Rechtsnormen, die Grundsätze zur Bestimmtheit von Bebauungsplänen oder die Auslegungsregeln im Hinblick auf gemeinsame gebietsübergreifende Bebauungspläne der Fortentwicklung oder Korrektur bedürfen. Sie legt auch nicht dar, inwieweit sich dazu Erkenntnisse aus den § 2 Abs. 1 und § 205 BauGB ergeben sollen. Der Sache nach greift sie im Gewand einer Grundsatzrüge die Auslegung der Vorinstanz als fehlerhaft an, weil nach ihrer Auffassung nur eine Auslegung als (unzulässiger) gemeinsamer Bebauungsplan in Betracht kommt. Das führt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung.
8 2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
9 Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil u. a. von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes. In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe einen abstrakten Rechtssatz des Divergenzgerichts fehlerhaft oder gar nicht angewandt, genügt dagegen nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2021 - 4 BN 10.21 - NVwZ 2021, 1702 Rn. 11).
10 Die Beschwerde macht eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 21. März 2002 - 4 CN 14.00 (BVerwGE 116, 144 juris Rn. 16) geltend. Diesem Urteil entnimmt sie den Rechtssatz, die Gemeinde müsse bei Erlass des Satzungsbeschlusses davon ausgehen können, dass das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in dem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden und funktionsfähig sein wird, in dem die nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen fertig gestellt und nutzungsreif sind. Davon abweichend habe das Oberverwaltungsgericht den "verdeckten" Rechtssatz aufgestellt, dass die Frage, ob sich das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in tatsächlicher Hinsicht als funktionsfähig erweist, dem Bauantragsverfahren vorbehalten werden könne, weil die Planung lediglich die grundsätzlichen planerischen Voraussetzungen für das Vorhaben schaffe, für dieses aber im Einzelnen noch die Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde benötigt werde.
11 Eine Rechtssatzdivergenz wird damit nicht bezeichnet. Der "verdeckte" abweichende Rechtssatz lässt sich der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Abwägung der Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit der zitierten Senatsrechtsprechung darauf überprüft, ob die Plangeberin von einem im maßgeblichen Zeitpunkt funktionsfähigen Entwässerungssystem ausgehen durfte. Dies hat es unter Hinweis auf die sich aus der Abwägungsentscheidung ergebende eingehende Befassung der Antragsgegnerin mit diesem Thema bejaht. Danach hätten schon der ursprüngliche Bebauungsplan und dessen 1. Änderung ein Erschließungskonzept für die Entsorgung des Niederschlagswassers vorgesehen. Die seinerzeitigen Planungen hätten auch das Gebiet der hier angegriffenen 2. Planänderung umfasst, das bislang nicht bebaut worden sei. Die vorhandenen öffentlichen Entwässerungseinrichtungen berücksichtigten daher den von der 2. Planänderung betroffenen Bereich und seien hinsichtlich der Oberflächenwasserbewirtschaftung und -beseitigung auch ausreichend bemessen worden. Das Entwässerungskonzept sei bei Aufstellung des ursprünglichen Plans und der 1. Planänderung umfassend mit der SGD Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz und dem Abwasserwerk der Verbandsgemeinde abgestimmt worden. Die SGD Nord und die untere Wasserbehörde hätten im Beteiligungsverfahren keine Bedenken gegen die 2. Planänderung erhoben (UA S. 35 ff.).
12 Vor diesem Hintergrund hat das Oberverwaltungsgericht die Antragstellerin mit ihrem Einwand, wegen der mit der Errichtung des beabsichtigten Logistikzentrums auf dem Nachbargrundstück verbundenen Aufschüttung sei es physikalisch unmöglich, das abfließende Wasser den bestehenden Rückhaltebecken zuzuführen, auf das konkrete Genehmigungsverfahren verwiesen. Nach den textlichen Festsetzungen des Plans bedürfe die Versickerung auf gewerblich und industriell genutzten Grundstücken einer Einzelfallbetrachtung für das jeweilige Grundstück bzw. Bauvorhaben und einer jeweiligen wasserrechtlichen Erlaubnis durch die SGD Nord. Im Bauantragsverfahren sei die Oberflächenentwässerung u. a. im Hinblick auf möglicherweise auf das angrenzende Grundstück der Antragstellerin abfließendes Niederschlagswasser mit dem Abwasserwerk und der SGD Nord abzustimmen. Diese Ausführungen der Vorinstanz betreffen nicht die Funktionsfähigkeit des Entwässerungssystems für das Plangebiet als solches, sondern die Frage der Genehmigungsfähigkeit des konkreten Vorhabens im Hinblick auf die Entwässerung.
13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.