Verfahrensinformation



Das Revisionsverfahren betrifft die Erstattungsklage eines Landkreises, der die beklagte Stadt in seiner Funktion als sogenannter Pflegestellenort in Anspruch nimmt.


Das in Vollzeitpflege betreute Kind wurde im November 2007 im Zuständigkeitsbereich der beklagten Stadt geboren und Mitte August 2009 im Alter von knapp zwei Jahren von Pflegeeltern aufgenommen, die im Gebiet des klagenden Landkreises wohnhaft waren. Bei Aufnahme des Kindes in die Pflegefamilie hatte dessen Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Etwa zehn Monate nach der Aufnahme des Kindes in die Pflegefamilie wurde der Mutter das Sorgerecht vollständig entzogen und ein Amtsvormund für das Kind bestellt. Die Mutter des Kindes verzog einige Monate später in ein anderes Bundesland. Die Beklagte gewährte ab Mitte August 2009 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege. Im November 2011 verfügte sie die Beendigung der Hilfe und stellte ihre Zahlungen ein. Anlass hierfür war ein Hilfeplangespräch, in dem der Vertreter des Jugendamtes, der Amtsvormund und die Pflegeeltern übergekommen waren, dass die Hilfe zu beenden sei, da die Pflegeeltern die Adoption des Kindes beantragt hätten und in absehbarer Zeit mit einer positiven Entscheidung über diesen Antrag zu rechnen sei.


Ende Mai 2012 beantragte der Amtsvormund beim Kläger indes erneut die Gewährung von Hilfe zu Erziehung in Form der Vollzeitpflege rückwirkend ab November 2011. Der Kläger lehnte den Antrag ab. Das vom Amtsvormund nach erfolglosem Widerspruch eingeleitete Klageverfahren endete mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Zeitraum von Mai 2012 bis Juli 2014 Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege zu gewähren. Anfang 2015 trennten sich die Pflegeeltern und nahmen in der Folgezeit ihren Adoptionsantrag zurück. Das Kind blieb im Haushalt des Pflegevaters. Auf einen daraufhin gestellten Antrag des Amtsvormundes gewährte der Kläger ab September 2016 Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege.


Die Klage des Landkreises auf Erstattung des von ihm in den beiden vorgenannten Zeiträumen gewährten Pflegegeldes ist in den beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht ist – ebenso wie das Verwaltungsgericht – davon ausgegangen, dass die Erstattung nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII eine fortgesetzte Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII voraussetze, an der er hier fehle. Der Amtsvormund und die Pflegeeltern hätten im Hilfeplangespräch im November 2011 den Übergang der Vollzeitpflege in eine Adoptionspflege vereinbart. Hierfür sei – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht erforderlich, dass die leiblichen Eltern ihre Einwilligung in die Adoption erteilt hätten oder deren verweigerte Einwilligung durch das Familiengericht ersetzt worden sei. Die Beklagte habe mit Blick auf die vereinbarte Adoptionspflege die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege im November 2011 durch Bescheid beendet. Dies habe zur Folge, dass die vom Kläger in den beiden streitgegenständlichen Zeiträumen gewährten Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege die ursprünglich von der Beklagten gewährte Hilfe nicht fortführten, sondern diese neue Jugendhilfeleistungen darstellten. Der Kläger verfolgt sein Erstattungsbegehren im Revisionsverfahren weiter.


Beschluss vom 19.07.2024 -
BVerwG 5 B 16.23ECLI:DE:BVerwG:2024:190724B5B16.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.07.2024 - 5 B 16.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:190724B5B16.23.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 16.23

  • VG Chemnitz - 17.03.2022 - AZ: 4 K 2031/19
  • OVG Bautzen - 30.03.2023 - AZ: 3 A 208/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. Juli 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 30. März 2023 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

2 Die Revision kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, in welchem Verhältnis die jugendhilferechtliche Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) und die Adoptionspflege (§ 1744 BGB) stehen und wie sich dies gegebenenfalls auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auswirkt.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 5 C 5.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.