Beschluss vom 19.12.2023 -
BVerwG 2 B 40.22ECLI:DE:BVerwG:2023:191223B2B40.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.12.2023 - 2 B 40.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:191223B2B40.22.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 40.22

  • VG Gelsenkirchen - 04.02.2014 - AZ: 12 K 6247/12
  • OVG Münster - 15.08.2022 - AZ: 1 A 612/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. August 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 17 406,46 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt die Gewährung von Unfallruhegehalt.

2 1. Im Oktober 1991 wurde der im Jahr 19.. geborene Kläger, der bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 20.. als Posthauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) im Bundesdienst stand, im Dienst Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls. Zwei maskierte Männer hinderten ihn mit vorgehaltener Pistole, das Postamt bei Dienstschluss zu verlassen. Sie banden ihm mit Klebeband die Hände auf den Rücken und schlugen ihn mit der Pistole auf Kopf und Schulter. Dies führte zu Platzwunden am Kopf und Prellungen an der Schulter. Infolge des Überfalls war der Kläger bis Mitte Dezember 1991 sowie von Ende Januar 1992 bis Anfang März 1992 dienstunfähig.

3 In der Folgezeit befand sich der Kläger wegen einer "depressiven Neurose" wiederholt in stationärer, zum Teil mehrmonatiger Behandlung in verschiedenen Kliniken. Zwischen den Behandlungen war er - mit Einschränkungen - im Dienst. Ferner litt der Kläger unter Alkoholsucht und entwickelte einen Hang zu pathologischem Spielen.

4 Im August 2000 gewährte ihm die Unfallkasse wegen des Dienstunfalls vom Oktober 1991 einen Unfallausgleich für den Zeitraum von Oktober 1991 bis Mitte Juni 1992. Im Widerspruchsverfahren erließ die Unfallkasse aufgrund eines Vergleichs einen Abhilfebescheid und verlängerte den Unfallausgleich bis Mitte November 1992.

5 Im März 2008 wurde die Arbeitszeit des Klägers um 10 Prozent reduziert. Es bestehe bei dem mit einem Grad von 60 vom Hundert schwerbehinderten Kläger die folgende Leistungsminderung: "Probleme mit dem Bewegungs-/Stützapparat, Knie-OP und Bandscheibenvorfall führen zu Einschränkungen beim Stehen und Gehen am Arbeitsplatz". Ab Mitte April 2008 war der Kläger dienstunfähig erkrankt. Im August 2008 befand er sich zur stationären Anschlussheilbehandlung in einer orthopädischen Rehabilitationsklinik.

6 Von Anfang Juni bis Mitte August 2010 war er in stationärer psychotherapeutischer Behandlung. Nachfolgend wurde ein Zurruhesetzungsverfahren eingeleitet. Der damalige Betriebsarzt der Deutschen Postbank AG, ein Facharzt für Arbeits- und Sozialmedizin, untersuchte den Kläger im Oktober 2010 auf seine Dienstfähigkeit. In dem Gutachten befand er den Kläger aus ärztlicher Sicht als dauernd dienstunfähig. Als "Zurruhesetzungsdiagnose" gab er an: "Verschleiß der Wirbelsäule und der großen Gelenke, künstliches Kniegelenk rechts". Als "Diagnosen" führte er auf: "Verschleißleiden LWS und HWS, Wirbelsäulensyndrom; Polyarthrose, künstliches Kniegelenk rechts; Depressive Störung".

7 Noch im Oktober 2010 teilte die Deutsche Postbank AG dem Kläger die Absicht mit, ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Wegen der Dienstunfähigkeit wurde auf das Zurruhesetzungsgutachten Bezug genommen. Der Kläger erhob keine Einwendungen gegen die Zurruhesetzung.

8 Im Januar 2011 versetzte die Beklagte den Kläger ohne Angabe weiterer Gründe mit Ablauf des Monats Januar 2011 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Ebenfalls im Januar 2011 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers fest.

9 Im April 2011 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Unfallruhegehalt zu gewähren. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie zurück. Es fehle an der erforderlichen Kausalität des Dienstunfalls für Dienstunfähigkeit und Zurruhesetzung. Wesentlicher Grund für die Zurruhesetzung seien die körperlichen Beeinträchtigungen im Bewegungs- und Stützapparat gewesen. Die im Zurruhesetzungsgutachten mitdiagnostizierten depressiven Störungen fänden ihre Ursache im Übrigen nicht in dem Dienstunfall aus dem Jahre 1991, sondern in unfallfremden Umständen.

10 Die Klage auf Verpflichtung zur Gewährung von Unfallruhegehalt ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 C 36.20 - BVerwGE 174, 209). Hinsichtlich der Zurückverweisung hat es ausgeführt, dass das Berufungsgericht zu ermitteln habe, ob der Kläger den Meldepflichten nach § 45 Abs. 2 BeamtVG entsprochen hat. Bejahendenfalls werde es - unter Heranziehung eines medizinischen Sachverständigen - weiter zu prüfen haben, ob die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers im Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfallbedingt waren und - falls ja - ob sie eine wesentliche Mitursache für die Dienstunfähigkeit des Klägers waren.

11 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Unfallruhegehalt. Selbst zu seinen Gunsten unterstellt, dass der Überfall wesentliche Ursache der beim Kläger diagnostizierten psychischen Erkrankungen gewesen sei und diese wiederum im Wesentlichen zu seiner Dienstunfähigkeit geführt hätten, stehe einem Anspruch des Klägers auf Unfallruhegehalt jedenfalls entgegen, dass er diese Unfallfolgen weder innerhalb der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG noch innerhalb der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG gemeldet habe. Adressat dieser Meldung sei jeweils ausschließlich der Dienstvorgesetzte oder die für den Wohnort des Berechtigten zuständige untere Verwaltungsbehörde. Die Meldung an eine andere Stelle des Dienstherrn - etwa an den Behördenarzt - reiche nicht aus. Der Kläger habe zwar das Unfallereignis vom Oktober 1991 drei Tage danach und damit innerhalb der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angezeigt. Er habe dabei die unmittelbar erlittenen Verletzungen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen als Unfallfolgen benannt, weitere Unfallfolgen jedoch weder im Zusammenhang mit der Unfallmeldung noch zu einem späteren Zeitpunkt gemeldet.

12 2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete und auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

13 a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

14 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9 und vom 26. April 2023 - 2 B 41.22 - juris Rn. 5). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

15 aa) Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage
"Stellt auch die Meldung eines Dienstunfalls bzw. einer weiteren Dienstunfallfolge bei der Stelle, die von der obersten Dienstbehörde als zuständig für die Entscheidung über die Anerkennung von Dienstunfällen und das Heilverfahren bestimmt worden ist, eine die Fristen des § 45 Abs. 2 BeamtVG wahrende Meldung des Dienstunfalles im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dar?"
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, denn sie lässt sich unter Heranziehung des Gesetzeswortlauts und auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung ohne die Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

16 § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nennt den Adressaten der Unfallmeldung, nämlich den "Dienstvorgesetzten des Verletzten". § 45 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG bestimmt, dass die Frist für die Unfallmeldung auch dann gewahrt ist, wenn der Unfall bei der dort bezeichneten anderen Stelle gemeldet worden ist. Das war nach der Gesetzesfassung, die im Zeitpunkt des Unfalls des Klägers und in den Zeitpunkten des Auftretens der möglichen Unfallfolgen galt, die "für den Wohnort des Berechtigten zuständige untere Verwaltungsbehörde". Zwar sind mit dem Gesetz zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 5. Januar 2017 (BGBl. I S. 17) in § 45 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG die Wörter "für den Wohnort des Berechtigten zuständige untere Verwaltungsbehörde" durch die Wörter "zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle" ersetzt worden, sodass die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage nunmehr ohne Weiteres - d. h. auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens - zu bejahen wäre. Für die Unfallfürsorge ist jedoch das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Unfallereignisses gegolten hat, sofern sich nicht eine Neuregelung ausdrücklich Rückwirkung beimisst (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 C 36.20 - BVerwGE 174, 209 Rn. 18 m. w. N.). Eine solche rückwirkende Geltungsanordnung enthält das Gesetz vom 5. Januar 2017 nicht. Die Neufassung hat auch nicht lediglich klarstellenden Charakter; vielmehr wurde die bisherige Zuständigkeit der unteren Verwaltungsbehörde als überflüssig angesehen, weil sie keine praktische Bedeutung gehabt habe, während eine Unfallmeldung gegenüber der Dienstunfallfürsorgestelle als sinnvoll angesehen wurde (vgl. BT-Drs. 411/16 S. 46). Damit ist die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage für die im Streitfall maßgebliche Gesetzesfassung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ebenso ohne Weiteres zu verneinen, wie sie nach der Neufassung zu bejahen ist.

17 Außerdem betrifft die aufgeworfene Frage ausgelaufenes Recht. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Beantwortung der Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Diese besonderen Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden (BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2018 - 2 B 38.18 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 11 Rn. 12 m. w. N.). Eine solche Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht.

18 bb) Die außerdem als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage
"Muss die Meldung einer weiteren Dienstunfallfolge die präzise medizinisch korrekte Bezeichnung enthalten oder ist es ausreichend, wenn die Beschwerden grundsätzlich einem bestimmten medizinischen Formenkreis von Beschwerden zugeordnet werden?"
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie würde in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden.

19 Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger die Unfallfolgen nicht schon mit der Vorlage der Bescheinigung der Klinik W. vom 20. November 1991 im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angezeigt habe, weil sie weder seinem Dienstvorgesetzten noch der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde vorgelegt worden sei. "Ungeachtet dessen" verhalte sich diese Bescheinigung inhaltlich nicht zu einer depressiven Störung bzw. zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern beziehe sich lediglich auf eine "depressive Neurose". Einen entsprechenden Ansatz hat das Berufungsgericht in Bezug auf die ärztliche Bescheinigung des Dr. R. vom 17. März 1992 verfolgt. Auf den zweiten - den inhaltlichen - Aspekt kann es in einem Revisionsverfahren aber nur ankommen, wenn der erste Aspekt - der Ausschluss von Unfallfürsorgeansprüchen wegen Versäumung der Unfallfolgenmeldepflicht infolge des falschen Adressaten der Meldungen - nicht durchgreift. Da - wie unter aa) dargelegt - keine durchgreifenden Revisionszulassungsgründe bezüglich des Adressaten der Meldepflicht vorgetragen sind, wären in einem Revisionsverfahren darüberhinausgehende Fragen nicht entscheidungserheblich.

20 cc) Auch die Frage
"Muss der Beamte in einer Dienstunfallmeldung eine Kausalität bestimmter Gesundheitsschäden mit dem Dienstunfall behaupten oder ist es auch ausreichend, wenn der Beamte bestimmte seit dem Dienstunfall vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigungen darstellt?"
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

21 Das Berufungsgericht führt hinsichtlich der ärztlichen Bescheinigung vom 17. März 1992 u. a. aus, dass diese die Anforderungen an eine Unfallfolgenanzeige nach § 45 BeamtVG nicht erfülle. Es ergebe sich aus den Akten nicht sicher, dass der Kläger diese Bescheinigung vorgelegt habe, sondern nur, dass das Postamt ... sie an das Sozialamt der Deutschen Bundespost in ... mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt habe. Dementsprechend folge aus der Akte auch nicht, dass der Kläger seine Erkrankung kausal auf das Unfallereignis zurückgeführt habe. Bei diesen Ausführungen des Berufungsgerichts handelt es sich letztlich um eine einzelfallbezogene Würdigung, ob eine Unfallmeldung des Klägers vorliegt, d. h. eine von diesem gegenüber einem gesetzlich benannten Adressaten abgegebene Erklärung, dass infolge eines Dienstunfalls möglicherweise ein bestimmter Körperschaden entstanden ist oder entstehen könnte. Das verneint das Berufungsgericht vor dem Hintergrund, dass schon nicht feststehe, dass der Kläger diese Bescheinigung vorgelegt habe. Letztlich greift die Beschwerde diese einzelfallbezogene Sachverhaltswürdigung an und kleidet sie in die Form einer Grundsatzrüge, zeigt aber keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage auf.

22 Im Übrigen ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung in § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG, dass der Beamte lediglich mögliche Dienstunfallfallfolgen eines - sicher oder möglicherweise eingetretenen - Dienstunfalles benennen muss, dies aber mittels einer von ihm abgegebenen oder von ihm veranlassten Erklärung gegenüber einem im Gesetz benannten Empfänger. Deshalb ist ein meldepflichtiger "Unfall" nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei Unfallfürsorgeansprüche auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslöst (BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 ‌- 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 13). Nach der Systematik des Gesetzes schließen die Untersuchungs- und Entscheidungspflichten des Dienstherrn an die Meldepflichten des Beamten an. Das Gesetz geht von einer Meldeverpflichtung des Beamten aus, nicht hingegen von einer Untersuchungs- und Feststellungsverpflichtung des Dienstherrn von Amts wegen, die nur bei Nichterfüllung durch eine Meldeverpflichtung des Beamten abgesichert wird. Die Meldepflichten stehen im Kontext in Betracht kommender Unfallfürsorgeansprüche, in dem das mit der Meldepflicht abverlangte Tätigwerden des Beamten möglich und zumutbar ist. Dies gilt auch deshalb, weil die Anforderungen an eine Unfallmeldung gering sind. Erforderlich sind lediglich Angaben, aus denen - zumindest mittelbar - hervorgeht, dass ein (Unfall-)Ereignis angezeigt wird, aus dem Unfallfürsorgeansprüche entstehen können; hingegen ist insbesondere nicht erforderlich, dass sich aus der Meldung die Art der Verletzung ergibt oder mit ihr Unfallfürsorgeansprüche erhoben werden (BVerwG, Urteile vom 30. August 2018 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 29 m. w. N. und vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 - NJW 1986, 2588). Deshalb ist bezüglich der Meldung von Unfallfolgen erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Beamte gegenüber einem im Gesetz benannten Erklärungsempfänger einen möglichen Körperschaden anzeigt, der möglicherweise Folge eines Dienstunfallereignisses ist.

23 dd) Schließlich rechtfertigt auch die Frage
"Kann der Dienstherr sich auf die fehlende Dienstunfallmeldung bzw. Meldung einer Dienstunfallfolge berufen, wenn er hinsichtlich des Dienstunfalls bzw. dieser Dienstunfallfolge bereits Dienstunfallfürsorge - beispielsweise durch Gewährung ärztlicher Behandlung im Sinne von § 33 BeamtVG - geleistet hat?"
nicht die Zulassung der Revision, denn sie ist auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens zu bejahen.

24 Die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen setzt gemäß § 45 BeamtVG die Erfüllung von Dienstunfallmeldepflichten voraus. Werden Unfallfürsorgeleistungen erbracht, obwohl nach § 45 BeamtVG bestehende Dienstunfallmeldepflichten nicht erfüllt sind, bewirkt das nicht die Entbehrlichkeit der Dienstunfallpflichten, sondern die Rechtswidrigkeit der Unfallfürsorgeleistungen. Der Dienstherr gewährt als Ausprägung seiner Fürsorgepflicht umfangreiche Dienstunfallfürsorgeleistungen (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG). Er gewährt sie aber nicht von Amts wegen, sondern auf Initiative des Beamten. Der Beamte muss in zweierlei Weise tätig werden, nämlich den Unfall bzw. die Unfallfolge melden (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) und in der Regel die konkrete Leistung beantragen (vgl. §§ 32 ff. BeamtVG zu den einzelnen Dienstunfallfürsorgeleistungen). Dieses System würde unterlaufen, wenn auch ohne Unfallmeldung des Beamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde (BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 33). Gleiches gilt für die Annahme der Entbehrlichkeit der Einhaltung der Meldepflichten wegen vorangegangener Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen.

25 b) Auch die Verfahrensrügen sind nicht begründet.

26 aa) Die Sachaufklärungsrüge hinsichtlich unterlassener Ermittlungen, wie die ärztliche Bescheinigung vom 17. März 1992 zu den Akten gelangt ist, greift nicht durch.

27 Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum einen die substanziierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aus der materiellrechtlichen Sicht des Berufungsgerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese bei Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Zum anderen muss dargelegt werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es - wie hier - unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.> und Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 7 f., vom 10. Dezember 2020 - 2 B 6.20 - NVwZ-RR 2021, 469 Rn. 7 f. und vom 30. März 2022 - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 21).

28 Diesen Anforderungen genügt die Sachaufklärungsrüge im vorliegenden Fall nicht. Sie bezeichnet nicht, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen für die vermisste Sachaufklärung in Betracht gekommen wären. Außerdem legt sie nicht dar, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen.

29 bb) Schließlich greift auch die Verfahrensrüge nicht durch, das Berufungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, und den Grundsatz auf rechtliches Gehör, § 108 Abs. 2 VwGO, verletzt, weil es angenommen habe, die ärztliche Erklärung vom 17. März 1992, dass der Patient seit dem Überfall auf seine Poststelle unter Angstzuständen und Depressionen leide, besage nicht, dass der Kläger behauptet habe, der Überfall auf die Poststelle sei ursächlich für die Angstzustände und Depressionen gewesen.

30 (1) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Einhaltung der sich daraus ergebenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Denn damit wird ein (vermeintlicher) Fehler in der Beweiswürdigung angesprochen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen.

31 Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiellrechtliche Norm betreffen. Das kommt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht, etwa bei denkfehlerhaften, aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglichen oder sonst willkürlichen Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <273 f.>; Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 u. a. - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 22). Ein Denkfehler in diesem Sinne liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die tatrichterliche Würdigung auch anders hätte ausfallen können. Denkgesetze werden durch Schlussfolgerungen nur dann verletzt, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt nur eine einzige Folgerung gezogen werden kann, jede andere Folgerung aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglich ist und das Gericht die allein mögliche Folgerung nicht gezogen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - 8 B 3.72 u. a. - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 28, vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 11. Juli 2022 ‌- 2 B 31.21 - juris Rn. 24).

32 Überprüft werden kann auch, ob das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt hat, etwa ob es gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs (BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92 <95> und Beschluss vom 20. August 2003 - 1 B 463.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275 S. 100), ob es gegen das Gebot rationaler, um Objektivität bemühter Beurteilung verstoßen hat (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20) oder ob es den ihm gezogenen Beurteilungsrahmen überschritten hat, sei es dadurch, dass es von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere ob es in das Verfahren eingeführte Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>), sei es, dass es gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze missachtet hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - juris Rn. 25).

33 Es kann offen bleiben, ob die von der Beschwerde beanstandete Ausführung im Berufungsurteil, die ärztliche Erklärung, der Patient leide seit dem Überfall auf seine Poststelle unter Angstzuständen und Depressionen, besage nicht, dass der Überfall auch ursächlich für die Angstzustände und Depressionen gewesen sei, noch eine von mehreren möglichen Schlussfolgerungen oder schon objektiv willkürlich gewesen ist. Jedenfalls legt die Beschwerde nicht dar, dass und wie diese ärztliche Erklärung gegenüber einem nach § 45 BeamtVG a. F. zuständigen Erklärungsempfänger abgegeben worden ist. Ihr lässt sich gerade nicht entnehmen, dass die ärztliche Bescheinigung vom 17. März 1992 im Rahmen einer Unfallmeldung gegenüber dem Dienstvorgesetzten übermittelt worden und so in den Machtbereich des Postamts ... gelangt ist. Deshalb fehlt es an der Darlegung, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem diesbezüglichen Verfahrensfehler beruhen kann.

34 (2) Die Rüge eines mit dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) nicht zu vereinbarenden Überraschungsurteils greift ebenfalls nicht durch.

35 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m. w. N.; BVerwG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - 2 B 12.16 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 64 Rn. 12 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - juris Rn. 25).

36 Auch insoweit kann dahinstehen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, weil mangels Darlegungen dazu, dass und wie diese ärztliche Erklärung gegenüber einem nach § 45 BeamtVG a. F. zuständigen Erklärungsempfänger abgegeben worden ist, es an der Darlegung fehlt, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem diesbezüglichen Verfahrensfehler beruhen kann.

37 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GKG.