Beschluss vom 19.12.2024 -
BVerwG 2 WDB 9.24ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B2WDB9.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.12.2024 - 2 WDB 9.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B2WDB9.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 9.24

  • TDG Nord 5. Kammer - 02.05.2024 - AZ: N 5 VL 19/22

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 19. Dezember 2024 beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird zurückgewiesen.
  2. Der Bund trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I

1 Die Beschwerde richtete sich gegen die Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens.

2 1. Der ... geborene frühere Soldat wurde ... zum Soldaten auf Zeit ernannt und ... als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdiensts zugelassen. Er wurde zuletzt im April ... zum Stabsunteroffizier befördert. Auf Antrag des Kompaniechefs wurde der frühere Soldat am 15. Mai ... durch das Bundesamt für das Personalmanagement nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG aus dem Dienstverhältnis entlassen. Infolge der Entlassung stehen dem Soldaten keine Ansprüche auf Versorgung zu (§ 56 Abs. 3 SG).

3 2. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr nahm im Februar 2020 sachgleich zu dem Entlassungsverfahren Vorermittlungen gegen den früheren Soldaten auf. In der Anschuldigungsschrift vom 26. April 2022 wurden dem früheren Soldaten mehrere Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen. Hierzu zählen der wiederholte Besitz von Betäubungsmitteln, eigenmächtige Abwesenheit, Gehorsamspflichtverletzungen, Fälschung eines Krankmeldescheins und Betrug.

4 3. Am 3. Januar 2024 beantragte der Soldat unter Verzicht auf seinen Dienstgrad seine Entlassung aus dem Reservistenverhältnis. Das Karrierecenter der Bundeswehr in ... gab dem Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Januar 2024 statt.

5 4. Mit am 10. Mai 2024 zugestelltem Beschluss vom 2. Mai 2024 stellte der Kammervorsitzende das gerichtliche Disziplinarverfahren wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Der Soldat sei durch Bescheid des Karrierecenters aus dem Reservistenverhältnis entlassen worden. Die Wehrdisziplinarordnung finde auf ihn keine Anwendung mehr.

6 5. Mit der am 6. Juni 2024 eingelegten Beschwerde wendet sich die Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen die Verfahrenseinstellung. Es sei ungeklärt, ob der frühere Soldat seinen Dienstgrad verloren habe. Weder der Fall einer einseitigen Verzichtserklärung noch der Verlust durch Verwaltungsakt sei gesetzlich geregelt. Insbesondere bei Verhängung der Höchstmaßnahme sei die Durchführung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens geboten, da nur so die besondere Verwerflichkeit generalpräventiv dokumentiert werden könne. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II

7 Die zulässige Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist unbegründet.

8 1. Das Truppendienstgericht hat das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren Soldaten zu Recht wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 108 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 WDO eingestellt.

9 a) Unter dem Begriff eines Verfahrenshindernisses im Sinne von § 108 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 WDO fallen alle Umstände, die der Fortführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens von Rechts wegen entgegenstehen, also diese verhindern. Dazu zählen fehlende allgemeine Verfahrensvoraussetzungen (z. B. die Verfolgbarkeit von Täter und Tat) sowie schwere Mängel des Verfahrens, die nicht auf andere Weise geheilt werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2004 - 2 WDB 4.03 - NVwZ-RR 2005, 47, vom 4. September 2013 - 2 WDB 4.12 - juris Rn. 14 und vom 30. September 2013 - 2 WDB 5.12 - juris Rn. 11). Die Fortsetzung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens verbietet sich ebenfalls, wenn ein früherer Soldat bereits auf andere Weise alle Rechte aus seinem Dienstverhältnis verloren hat (BDH, Beschlüsse vom 6. Juli 1960 - WDB 6/60 - BDHE 5, 212 <214 f.> und vom 20. Dezember 1962, WD 111/62, BA S. 3 f.). Auch § 127 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1 WDO geht davon aus, dass bei Verlust des Dienstgrades und der sonstigen Rechte aus dem Dienstverhältnis das gerichtliche Disziplinarverfahren eingestellt wird (vgl. Dau/​Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022 § 127 Rn. 6).

10 Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der frühere Soldat wurde im Mai ... nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG aus dem Dienstverhältnis mit der Folge des Verlusts des Anspruchs auf Dienstbezüge und Versorgung entlassen (§ 56 Abs. 3 SG). Das Karrierecenter hat mit Bescheid vom 29. Januar 2024 dem Antrag des früheren Soldaten vom 3. Januar 2024 auf Entlassung aus dem Reservistenverhältnis unter Verlust seines Dienstgrades stattgegeben. Der Verlust des Dienstgrades kann im Rahmen eines Entlassungsverfahrens durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn der frühere Soldat die Entlassung aus dem Reservistenverhältnis beantragt (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 WDB 1.18 - juris Rn. 17 und Urteil vom 10. Mai 2023 - 2 WD 14.22 - juris Rn. 21). Die Entlassungsverfügungen sind unanfechtbar und rechtswirksam. Der frühere Soldat hat damit alle Rechte aus seinem Dienstverhältnis verloren.

11 b) Die Einstellung des Verfahrens durch den Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung nach § 108 Abs. 4 WDO war auch nicht ermessensfehlerhaft, da die Frage, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, bereits durch den Senat entschieden worden ist (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 WDB 1.18 -‌ juris Rn. 16 und Urteil vom 10. Mai 2023 - 2 WD 14.22 - juris Rn. 21 ff.).

12 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 WDO.