Beschluss vom 14.05.2019 -
BVerwG 1 C 5.18ECLI:DE:BVerwG:2019:140519B1C5.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.05.2019 - 1 C 5.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:140519B1C5.18.0]

Beschluss

BVerwG 1 C 5.18

  • VG Saarlouis - 24.11.2016 - AZ: VG 3 K 1529/16
  • OVG Saarlouis - 18.12.2017 - AZ: OVG 2 A 541/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:
  3. 1. Ist für die Beurteilung der Frage, ob im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU einem staatenlosen Palästinenser Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, in räumlicher Hinsicht allein auf das jeweilige Operationsgebiet (Gazastreifen, Jordanien, Libanon, Syrien, Westjordanland), in dem der Staatenlose bei Verlassen des Mandatsgebietes des UNRWA seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte (hier: Syrien), oder ist auch auf weitere dem Mandatsgebiet des UNRWA angehörende Operationsgebiete abzustellen?
  4. 2. Soweit nicht allein auf das Operationsgebiet bei Verlassen abzustellen ist: Ist stets und unabhängig von weiteren Voraussetzungen auf alle Operationsgebiete des Mandatsgebietes abzustellen? Wenn nein: Sind weitere Operationsgebiete nur dann zu berücksichtigen, wenn der Staatenlose zu diesem Operationsgebiet einen substantiellen (territorialen) Bezug hatte? Ist für einen solchen Bezug ein - bei Verlassen bestehender oder vormaliger - gewöhnlicher Aufenthalt erforderlich? Sind weitere Umstände für die Prüfung eines substantiellen (territorialen) Bezuges zu berücksichtigen? Wenn ja: Welche? Kommt es darauf an, ob dem Staatenlosen im Zeitpunkt des Verlassens des UNRWA-Mandatsgebietes eine Einreise in das maßgebliche Operationsgebiet möglich und zumutbar ist?
  5. 3. Genießt ein Staatenloser, der das Mandatsgebiet des UNRWA verlässt, weil er sich in dem Operationsgebiet seines tatsächlichen Aufenthalts in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA dort unmöglich ist, ihm Schutz oder Beistand zu gewähren, auch dann im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU ipso facto den Schutz der Richtlinie, wenn er sich zuvor in dieses Operationsgebiet begeben hat, ohne sich in dem Operationsgebiet seines vorherigen Aufenthalts in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden zu haben und ohne nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Übertritts damit rechnen zu können, in dem Operationsgebiet, in welches er sich begibt, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren und in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet seines bisherigen Aufenthalts zurückkehren zu können?
  6. 4. Ist für die Beurteilung der Frage, ob einem Staatenlosen die Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling deshalb nicht zuzuerkennen ist, weil die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU nach dem Verlassen des Mandatsgebiets des UNRWA weggefallen sind, allein auf das Operationsgebiet des letzten gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen? Wenn nein: Sind zusätzlich spiegelbildlich die Gebiete zu berücksichtigen, auf die nach Nr. 2 für den Zeitpunkt des Verlassens abzustellen ist? Wenn nein: Nach welchen Kriterien sind die Gebiete zu bestimmen, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen sind? Setzt der Wegfall der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU die Bereitschaft der (staatlichen oder quasistaatlichen) Stellen im maßgeblichen Operationsgebiet voraus, den Staatenlosen (wieder) aufzunehmen?
  7. 5. Für den Fall, dass im Zusammenhang mit dem Vorliegen oder dem Wegfall der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU das Operationsgebiet des (letzten) gewöhnlichen Aufenthalts von Bedeutung ist: Welche Kriterien sind für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich? Ist ein rechtmäßiger, vom Aufenthaltsstaat genehmigter Aufenthalt erforderlich? Wenn nein: Bedarf es zumindest der bewussten Hinnahme des Aufenthalts des betroffenen Staatenlosen durch die verantwortlichen Stellen des Operationsgebiets? Wenn insoweit ja: Muss den verantwortlichen Stellen die Anwesenheit des einzelnen Staatenlosen konkret bekannt sein oder reicht die bewusste Hinnahme des Aufenthalts als Mitglied einer größeren Personengruppe aus? Wenn nein: Reicht allein ein längerer tatsächlicher Aufenthalt aus?

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG.

2 Der nach eigenen Angaben im Oktober 1991 in Damaskus geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser. Er reiste seinem Bekunden zufolge im Dezember 2015 auf dem Landwege in das Bundesgebiet ein. Anfang Februar 2016 stellte er einen Asylantrag. Im Rahmen seiner Anhörung führte er unter anderem aus, er habe von Oktober 2013 bis zum 20. November 2015 im Libanon Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Da er dort keine Aufenthaltsberechtigung erhalten habe und die libanesischen Sicherheitskräfte begonnen hätten, "sie" nach Syrien zurückzuschieben, sei er dorthin zurückgekehrt. Bis zu seiner Ausreise Ende November 2015 sei er in Q., einer sieben Kilometer westlich von Damaskus gelegenen syrischen Stadt, aufhältig gewesen. Seine Eltern und seine Schwester lebten weiterhin dort. Sein Vater habe einen Fenster- und Türbaubetrieb. Weitere Verwandte seien in Syrien wohnhaft. Er habe Syrien auf Grund des Krieges verlassen; die dortigen Lebensverhältnisse seien sehr schlecht. Für den Fall einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, verhaftet zu werden. Mit Bescheid vom 29. August 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu; im Übrigen lehnte es dessen Asylantrag ab.

3 Mit Urteil vom 24. November 2016 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dieser sei unabhängig von einer Vorverfolgung auf Grund der aktuellen Situation in Syrien aus beachtlichen Nachfluchtgründen wegen seiner Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und seines Aufenthalts im Ausland von Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG bedroht.

4 Im Berufungsverfahren hat der Kläger neuerlich die bereits anlässlich seiner Anhörung bei dem Bundesamt vorgelegte Ablichtung eines Registrierungsnachweises des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, im Folgenden: UNRWA) eingereicht. Ausweislich der "Familiy Registration Card" wurde er als Familienangehöriger für (das im südlichen Teil von Damaskus belegene Lager) Jarmuk registriert. Mit Urteil vom 18. Dezember 2017 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bedürfe keiner Klärung, ob der Kläger aufgrund seines individuellen Vorbringens die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG beanspruchen könne. Denn als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sei er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG. Der Schutz des UNRWA habe sich auf den Kläger erstreckt. Dieser unterfalle auch nicht dem Ausschlussgrund der fehlenden Schutzbedürftigkeit, da für ihn der Schutz durch den UNRWA aus Gründen weggefallen sei, die von seinem Willen unabhängig gewesen seien. Er habe sich bei seiner Ausreise aus Syrien in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden. Seine Ausreise sei auf Grund von seinem Willen unabhängiger Zwänge nicht als freiwillig anzusehen. Dies indiziere die ihm gegenüber erfolgte Zuerkennung subsidiären Schutzes. Ihm habe im Zeitpunkt seiner Ausreise auch keine Möglichkeit offengestanden, den Schutz des UNRWA in anderen Teilen des Einsatzgebiets in Anspruch zu nehmen. Jordanien und der Libanon hätten bereits vor der Ausreise des Klägers aus Syrien ihre Grenzen für dort aufhältige palästinensische Flüchtlinge geschlossen.

5 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte unter anderem aus, es bedürfe der Klärung, ob eine Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU für den Fall ausscheide, dass sich ein unter dem Schutz oder Beistand des UNRWA stehender staatenloser Palästinenser längerfristig in einem anderen Operationsgebiet der UNRWA als demjenigen aufhalte, in dem er vormals Leistungen des Hilfswerks bezogen habe, und sich in dem Operationsgebiet seines nunmehrigen Aufenthalts nicht um den Schutz oder Beistand des UNRWA bemühe.

II

6 Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: RL 2011/95/EU).

7 1. Die rechtliche Beurteilung richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des am 12. Dezember 2018 in Kraft getretenen Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250), - AsylG -. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; die hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht geändert.

8 Den danach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:
§ 3 AsylG
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(...)
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.
§ 27 AsylG
(1) Ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, wird nicht als Asylberechtigter anerkannt.
(...)
(3) Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war. Das gilt nicht, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war.
§ 29 AsylG
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn (...)
4. ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird (...).
§ 77 AsylG
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

9 2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.

10 2.1 Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.

11 a) Der Asylantrag des Klägers ist nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 AsylG betrachtet wird. Nach § 27 Abs. 1 AsylG wird ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, nicht als Asylberechtigter anerkannt. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 AsylG vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war. Mit § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG hat der deutsche Gesetzgeber das verfahrensrechtliche Konzept des ersten Asylstaats nach Art. 35 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - RL 2013/32/EU - umgesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 16). Der Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist bei entsprechenden Anhaltspunkten im asylgerichtlichen Verfahren auch dann zu prüfen, wenn er im Verwaltungsverfahren von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht in Erwägung gezogen wurde und dieses den Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes nach einer Prüfung seiner Begründetheit ganz oder teilweise abgelehnt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 - Rn. 13). In einem solchen Fall muss das Tatsachengericht den Antragsteller gegebenenfalls zu dem Vorliegen der Voraussetzungen des Unzulässigkeitsgrundes persönlich anhören (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​584], Alheto - Rn. 127).

12 "Sonstiger Drittstaat" im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG beziehungsweise "erster Asylstaat" im Sinne des Art. 35 RL 2013/32/EU kann nur ein Staat sein, dessen Hoheitsgebiet sich von dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 - Rn. 14; EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 141) und in dem sich dieser nach dem Verlassen des Staats seines gewöhnlichen Aufenthalts aufgehalten hat.

13 Das Berufungsgericht hat zwar keine tatsächlichen Feststellungen zu dem Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers getroffen. Dieser ist im Ergebnis aber auch nicht entscheidungserheblich. Der Unzulässigkeitsgrund greift unabhängig davon nicht durch, ob der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien oder im Libanon hatte. Ist der Kläger vor Verlassen des Mandatsgebiets des UNRWA zuletzt im Libanon gewöhnlich aufhältig gewesen, wo er sich eigenen Angaben zufolge im Zeitraum von Oktober 2013 bis November 2015 aufhielt, so wäre dieser Staat als Staat des gewöhnlichen Aufenthalts kein Drittstaat. Als ein solcher käme - ungeachtet der nur kurzen Dauer des Aufenthalts des Klägers - auch Syrien nicht in Betracht, da auch dann, wenn dem Kläger in Syrien seinerzeit Verfolgung nicht gedroht hätte, dort Ende November 2015 wegen der kriegsähnlichen Zustände zumutbare Lebensbedingungen nicht gewährleistet waren. Wäre der Kläger hingegen zuletzt in Syrien gewöhnlich aufhältig gewesen, so schiede der Libanon als sonstiger Drittstaat im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG und erster Asylstaat im Sinne des Art. 35 RL 2013/32/EU aus, da sich der Kläger nach seiner Ausreise aus Syrien Ende November 2015 nicht mehr im Libanon aufgehalten hat.

14 b) Der Antrag auf Zuerkennung der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling hätte in der Sache Erfolg, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. D Satz 1 und 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, verkündet mit Gesetz vom 1. September 1953 (BGBl. II S. 559, in Kraft getreten am 22. April 1954 gemäß Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 25. Mai 1954 (BGBl. II S. 619), - GK -, des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 der RL 2011/95/EU bzw. des § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG vorlägen und Ausschlussgründe im Sinne des Art. 1 Abschn. E und F GK, des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 und 3 RL 2011/95/EU und des § 3 Abs. 2 AsylG nicht eingreifen.

15 Gemäß Art. 1 Abschn. D Satz 1 GK findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen nach Art. 1 Abschn. D Satz 2 GK diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens. Die Ausschlussklausel des Art. 1 Abschn. D Satz 1 GK und die Einschlussklausel des Art. 1 Abschn. D Satz 2 GK bilden eine Einheit in dem Sinne, dass nur bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen beider Absätze der Vorschrift eine Anwendung der Genfer Konvention in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <260 f.>). Art. 1 Abschn. E und F GK regelt, in welchen weiteren Fällen das Abkommen keine Anwendung findet.

16 Gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 RL 2011/95/EU ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschn. D GK genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU ipso facto den Schutz dieser Richtlinie. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a RL 2011/95/EU enthält zum einen einen Ausschlussgrund, nach dem ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser, der den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießt, in der Union von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, und zum anderen einen Grund für die Beendigung der Anwendung dieses Ausschlussgrundes, wonach dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, wenn der Schutz oder Beistand nicht länger gewährt wird, ohne dass seine Lage gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, ipso facto den Schutz der Richtlinie genießt, um in der Union als Flüchtling anerkannt zu werden (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 87 und 92). Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 und 3 RL 2011/95/EU normiert weitere Gründe, in denen auch ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist.

17 § 3 Abs. 3 AsylG setzt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a RL 2011/95/EU in das nationale Recht um.

18 aa) Ausschlussgründe im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 und 3 RL 2011/95/EU liegen in Bezug auf den Kläger nicht vor.

19 bb) Dieser erfüllt auch die Voraussetzungen der Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 RL 2011/95/EU.

20 (1) Das UNRWA ist eine der in den bezeichneten Normen angesprochenen Organisationen und Institutionen der Vereinten Nationen. Das Hilfswerk wurde gerade im Hinblick auf die besondere Lage der Palästinaflüchtlinge, die des Beistands und Schutzes bedurften, geschaffen (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-31/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​351], Bolbol - Rn. 44). Sein Mandat wurde zuletzt bis zum 30. Juni 2020 verlängert.

21 (2) Die konkrete Bedeutung der alternativen Betreuungsformen "Schutz" und "Beistand" bestimmt sich nach der im Rahmen seines Auftrags wahrgenommenen Tätigkeit des UNRWA. Maßgebend ist, ob der Betroffene der Personengruppe angehört, deren Betreuung das UNRWA entsprechend seinem Mandat übernommen hat. Das ist jedenfalls bei denjenigen Personen der Fall, die - wie hier der Kläger - als Palästina-Flüchtlinge bei dem UNRWA (weiterhin) registriert sind. Dieses Verständnis entspricht Sinn und Zweck der Ausschlussklausel, die gewährleisten soll, dass sich in erster Linie das UNRWA und nicht die Vertragsstaaten, insbesondere nicht die arabischen Staaten, der palästinensischen Flüchtlinge annehmen. Die palästinensischen Flüchtlinge sind danach gehalten, vorrangig den Schutz oder Beistand des UNRWA in Anspruch zu nehmen. Diese Zwecksetzung würde verfehlt, wenn registrierte palästinensische Flüchtlinge von der Ausschlussklausel nicht erfasst würden, solange sie Leistungen des UNRWA tatsächlich nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie bei entsprechendem Bedarf dazu berechtigt wären. Sie hätten es dann entgegen der vorstehenden Zielsetzung der Vertragsstaaten weitgehend selbst in der Hand zu bestimmen, ob sie sich von UNRWA betreuen lassen oder die Vergünstigungen der Konvention in Anspruch nehmen (BVerwG, Urteile vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <261> und vom 21. Januar 1992 - 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 <305>).

22 Von der Ausschlussklausel sind nur diejenigen Personen erfasst, die die Hilfe des UNRWA tatsächlich in Anspruch nehmen. Die betreffenden Bestimmungen sind eng auszulegen und erfassen daher nicht auch Personen, die lediglich berechtigt sind oder waren, den Schutz oder Beistand dieses Hilfswerks in Anspruch zu nehmen, ohne jedoch von diesem Recht Gebrauch zu machen. Als ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands ist die Registrierung bei dem UNRWA anzusehen (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-31/09 - Rn. 51 f.; Schlussanträge der Generalanwältin vom 4. März 2010 - C-31/09 - Rn. 99). Der Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling liegt nicht nur bei den Personen vor, die zurzeit den Beistand des UNRWA genießen, sondern auch bei denjenigen, die diesen Beistand kurz vor Einreichung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat tatsächlich in Anspruch genommen haben (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​826], El Kott u.a. - Rn. 52).

23 Der Kläger hat den Schutz oder Beistand des UNRWA kurz vor Einreichung seines Asylantrags genossen, da er ausweislich der von ihm als Ablichtung eingereichten "Familiy Registration Card" als Familienangehöriger für (das im südlichen Teil Damaskus belegene Lager) Jarmuk registriert war.

24 cc) Demgegenüber ist dem vorlegenden Gericht eine Beurteilung der Erfüllung der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU (vgl. auch Art. 1 Abschn. D Satz 2 GK und § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG) in der Person des Klägers ohne eine Klärung der im Tenor dieses Beschlusses aufgeworfenen Fragen nicht möglich.

25 (1) Dabei steht fest, dass die Lage der Personen, die den Beistand des UNRWA genießen, bislang nicht endgültig geklärt worden ist (vgl. etwa Ziff. 1 und 3 der Resolution Nr. 66/72 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 2011; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 54).

26 (2) Die Einschlussklausel dient der Vermeidung von Schutzlücken. Dementsprechend ist für den grundsätzlichen Ausschluss von der Anerkennung als Konventionsflüchtling in der Europäischen Union dann kein Raum mehr, wenn das UNRWA der Person, die internationalen Schutz in der Union beantragt, keinen Schutz oder Beistand mehr gewährt. Hiervon ist auszugehen, wenn sich auf der Grundlage einer individuellen Prüfung aller maßgeblichen Umstände herausstellt, dass sich der betreffende staatenlose Palästinenser in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA, um dessen Beistand er ersucht hat, unmöglich ist, ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der Aufgabe des UNRWA im Einklang stehen, so dass sich dieser Palästinenser aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, dazu gezwungen sieht, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen. In diesem Fall genießt er, sofern er nicht einem der weiteren Ausschlussgründe in Art. 12 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 oder 3 RL 2011/95/EU unterfällt, ipso facto den Schutz der Richtlinie, ohne notwendigerweise nachweisen zu müssen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er in der Lage ist, in das Gebiet zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU hat (EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 49 bis 51, 58 bis 65, 75 bis 77 und 81 und vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 86).

27 Für die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie 2011/95/EU tatsächlich nicht länger gewährt wird, haben die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen, ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den von dem UNRWA gewährten Beistand zu genießen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 61).

28 2.2 Nach dem Vorstehenden bedürfen die Vorlagefragen einer Klärung durch den Gerichtshof.

29 Im Rahmen der Prüfung, ob ein solcher Schutz oder Beistand im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt wird, ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts zwischen dem Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebiets des UNRWA und dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt zu differenzieren. Es unterscheidet desweiteren zwischen dem Operationsgebiet, in dem der staatenlose Palästinenser bei Verlassen des Mandatsgebietes des UNRWA seinen tatsächlichen Aufenthalt bzw. seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und sonstigen Operationsgebieten, zu denen der Betroffene einen substantiellen, nicht notwendig durch einen früheren Aufenthalt begründeten Bezug hat. Begrifflich unterscheidet das vorlegende Gericht zwischen einerseits dem Mandatsgebiet des UNRWA (Area of Operations, vgl. UNRWA, CERI VII.C.) als der Gesamtheit der Operationsgebiete und andererseits den einzelnen Operationsgebieten (Fields of Operation, vgl. UNRWA, CERI VII.E.), mithin dem Gazastreifen, dem Westjordanland (Westbank), Jordanien, dem Libanon und Syrien.

30 a) Mit der Vorlagefrage zu 1. möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU - wie auch derjenigen des Art. 1 Abschn. D Satz 2 GK und des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG - im Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebiets des UNRWA in räumlicher Hinsicht allein das Operationsgebiet des letzten tatsächlichen Aufenthalts des betroffenen Staatenlosen maßgeblich ist oder ob insoweit auch weitere Operationsgebiete in die Betrachtung einzubeziehen sind.

31 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist für die Beurteilung der Frage, ob einem staatenlosen Palästinenser Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, nicht allein auf das jeweilige Operationsgebiet, in dem der Staatenlose bei Verlassen des Mandatsgebietes des UNRWA seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte, sondern darüber hinaus je nach den Gesamtumständen des Einzelfalles auch auf weitere dem Mandatsgebiet des UNRWA angehörende Operationsgebiete abzustellen.

32 Die Schutz- und Beistandsgewährung im Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebiets des UNRWA wird sich in aller Regel vorrangig anhand der Lebensverhältnisse in dem Operationsgebiet des letzten tatsächlichen Aufenthalts des Staatenlosen beurteilen.

33 b) Die Vorlagefragen zu 2. zielen für den Fall, dass der Gerichtshof die Vorlagefrage zu 1. im Sinne deren zweiter Alternative beantwortet, auf die Klärung, unter welchen Voraussetzungen weitere Operationsgebiete in die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU einzubeziehen sind, soweit nicht ohnehin generell auf das gesamte Mandatsgebiet abzustellen ist.

34 Nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die Vorlagefragen zu 2. dahingehend zu beantworten, dass neben dem Operationsgebiet des letzten tatsächlichen Aufenthalts diejenigen Operationsgebiete zu berücksichtigen sind, zu denen der Staatenlose vor dem Verlassen des Mandatsgebiets des UNRWA einen substantiellen Bezug hatte.

35 Ein staatenloser Palästinenser darf auf die Gewährleistung von Schutz oder Beistand in einem anderen Operationsgebiet als demjenigen des letzten tatsächlichen Aufenthalts nur verwiesen werden, wenn er zu diesem Gebiet einen solchen substantiellen Bezug hat. Ein solcher kann nach dem Standpunkt des vorlegenden Gerichts auf einem eigenen früheren Aufenthalt in diesem Gebiet beruhen, aber auch an andere Umstände wie etwa den dortigen Aufenthalt enger Verwandter anknüpfen. Zudem muss es dem staatenlosen Palästinenser möglich und zumutbar sein, in dieses Operationsgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten. Die Genehmigung der Einreise unterliegt dem Recht des jeweiligen Operationsgebiets. Zwar ist der Status "Palästina-Flüchtling im Nahen Osten" nicht speziell mit einem Operationsgebiet verknüpft und ist ein in einem Operationsgebiet registrierter staatenloser Palästinenser berechtigt, das UNRWA auch in einem anderen Operationsgebiet um Schutz und Beistand zu ersuchen; es ist indes nicht erkennbar, dass die verantwortlichen Stellen der jeweiligen Staats- und Autonomiegebiete völkerrechtlich verpflichtet wären oder sich selbst verpflichtet sähen, jedem in einem anderen Operationsgebiet des UNRWA aufhältigen bei UNRWA registrierten staatenlosen Palästinenser die Einreise und den Aufenthalt in ihr bzw. in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten. Die von dem UNRWA an berechtigte Personen ausgestellte "registration card" berechtigt allein zum Erhalt von UNRWA-Leistungen, trifft hingegen keine Aussage zu dem aufenthaltsrechtlichen Status des Inhabers der Karte. Sie berechtigt diesen nicht, von einem Operationsgebiet in ein anderes Operationsgebiet des UNRWA einzureisen. Zur Einreise in ein anderes Operationsgebiet bedarf es vielmehr grundsätzlich entsprechend allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen eines Reisedokuments und der Einreiseerlaubnis der verantwortlichen Stellen des aufnehmenden Staates bzw. Autonomiegebiets (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <265>). Deren Genehmigung unterliegt auch die sich anschließende Aufenthaltnahme (vgl. zum Vorstehenden auch UNRWA, CERI Nr. IV.F.3.). Bei Gebieten, zu denen der Betroffene zu keinem Zeitpunkt einen persönlichen Bezug gehabt hat, dürften diese Voraussetzungen hinsichtlich Einreise und Aufenthalt so fernliegend sein, dass derartige Gebiete nach Auffassung des vorlegenden Gerichts von vornherein nicht in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs könnte allerdings auch dahin deuten, dass es stets und unabhängig von gesicherter tatsächlicher Zugangsmöglichkeit auf das gesamte Mandatsgebiet ankommt, weil eine tatsächliche Gewährung von Schutz oder Beistand in dem Einsatzgebiet des UNRWA danach ausreicht und der Begriff des Einsatzgebiets - jedenfalls im Urteil "Alheto" - im Sinne des gesamten staatenübergreifenden Mandatsgebiets verwendet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 7, 131 ff., begrifflich weniger klar dagegen EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77). Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob seine Auslegung der Richtlinie zutreffend ist. In diesem Zusammenhang ist gegebenenfalls auch zu klären, ob ein zuletzt bestehender oder vormaliger gewöhnlicher Aufenthalt in dem (weiteren) Operationsgebiet Voraussetzung dafür ist, dass ein staatenloser Palästinenser darauf verwiesen werden kann, den Schutz oder Beistand des UNRWA dort in Anspruch zu nehmen. Einreise und Aufenthaltnahme in das bzw. in dem Bezugsgebiet sind dem Betroffenen zuzumuten, sofern er erstens die Garantie hat, in dem Operationsgebiet aufgenommen zu werden, zweitens ihm das UNRWA dort tatsächlich einen von den verantwortlichen Stellen zumindest anerkannten Schutz oder Beistand gewährt und drittens er erwarten darf, sich in diesem Operationsgebiet in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen so lange aufhalten zu dürfen, wie es die in dem Operationsgebiet des letzten tatsächlichen Aufenthalts bestehenden Gefahren erfordern (vgl. - dort zu den Voraussetzungen des Art. 35 RL 2013/32/EU - EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 140).

36 c) Die Vorlagefrage zu 3. dient der Klärung, ob die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU bei Ortswechseln zwischen den verschiedenen Operationsgebieten Einschränkungen unterworfen ist.

37 In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass die bloße Abwesenheit von dem Mandatsgebiet des UNRWA oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, nicht als Wegfall des Schutzes oder des Beistands einzustufen ist (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 49 ff. und 59).

38 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist die Vorlagefrage zu 3. dahingehend zu beantworten, dass sich der in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 RL 2011/95/EU statuierte Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling auch auf einen Staatenlosen erstreckt, der das Mandatsgebiet des UNRWA verlässt, weil er sich in dem Operationsgebiet seines tatsächlichen Aufenthalts in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA dort unmöglich ist, ihm Schutz oder Beistand zu gewähren, sofern er sich ohne zwingenden Grund in dieses Operationsgebiet begeben hat, obwohl er sich in dem Operationsgebiet seines vorherigen Aufenthalts nicht in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Übertritts auch nicht damit rechnen konnte, in dem aufnehmenden Operationsgebiet durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren und in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet seines vormaligen Aufenthalts zurückkehren zu dürfen.

39 Wer sich ohne Not gleichsam sehenden Auges aus einem Operationsgebiet, in dem er sich in Sicherheit aufhalten darf und in dem das UNRWA ausreichenden Schutz oder Beistand gewährt, in ein anderes Operationsgebiet begibt, in dem die Schutz- oder Beistandsgewährung nicht sichergestellt ist und aus dem eine Rückkehr in absehbarer Zeit nicht möglich ist, dürfte wie eine Person zu behandeln sein, die sich des Schutzes oder Beistands des UNRWA freiwillig begibt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 51). In einer solchen Konstellation kann der in Art. 1 Abschn. D Satz 1 GK, Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 RL 2011/95/EU und § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehene Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling nicht enden, da die Entscheidung, das Mandatsgebiet zu verlassen, nicht durch eine Zwangslage begründet ist, die vom Willen des Betroffenen unabhängig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 59).

40 d) Die Vorlagefragen zu 4. sind der Klärung der Frage zu dienen bestimmt, ob für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU - wie auch derjenigen des Art. 1 Abschn. D Satz 2 GK, und des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG - im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in räumlicher Hinsicht allein auf das Operationsgebiet des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des betroffenen Staatenlosen abzustellen ist oder ob insoweit weitere Operationsgebiete in die Betrachtung einzubeziehen sind. Gegebenenfalls stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien sich die Einbeziehung solcher weiteren Operationsgebiete bestimmt.

41 Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU reicht nicht schon aus, dass dem Betroffenen im Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebietes der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wurde. Zusätzlich muss es ihm auch in dem nach § 77 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts unmöglich sein, in das Einsatzgebiet zurückzukehren und sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA erneut zu unterstellen. Denn nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 14 Abs. 1 RL 2011/95/EU erlischt die Flüchtlingseigenschaft und ist abzuerkennen bzw. zu widerrufen, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Einsatzgebiet des UNRWA zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77). Daraus folgt, dass die Möglichkeit, in das UNRWA-Einsatzgebiet zurückzukehren, bereits bei der Entscheidung über die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus berücksichtigt werden muss, weil es sinnlos wäre, einen Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, wenn dieser sofort wieder aberkannt werden müsste (vgl. Kraft, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D III, Article 12 MN 24; siehe auch EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 110 ff.).

42 Nach Art. 2 Buchst. n RL 2011/95/EU ist "Herkunftsland" im Sinne dieser Richtlinie bei Staatenlosen das Land des früheren gewöhnlichen Aufenthalts. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts geklärt, dass für die Beurteilung des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung auf das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 30 unter anderem zu Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes).

43 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist auch in Bezug auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt weiterhin vorliegen, in räumlicher Hinsicht zuvörderst auf das Operationsgebiet des letzten gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77).

44 Das vorlegende Gericht neigt ferner zu der Annahme, dass in die Prüfung des Fortbestehens der Voraussetzungen der Einschlussklauseln neben dem Operationsgebiet des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auch diejenigen Operationsgebiete einzubeziehen sind, zu denen der betroffene Staatenlose einen substantiellen Bezug hat. Ein solcher kann möglicherweise schon durch einen tatsächlichen, aber (noch) nicht gewöhnlichen Aufenthalt hergestellt sein. Er kann indes auch auf anderen Umständen wie etwa dem Aufenthalt enger Verwandter in diesem Operationsgebiet gründen. Die dortige Aufenthaltnahme muss dem Betroffenen jeweils möglich und zumutbar sein. Auf die vorstehenden Ausführungen zu b) wird insoweit verwiesen.

45 e) Mit den Vorlagefragen zu 5. soll die Bedeutung des bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Einschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU je nach der Beantwortung der vorstehenden Vorlagefragen möglicherweise erheblichen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts geklärt werden.

46 Das vorlegende Gericht neigt dazu, im Zusammenhang mit den Vorlagefragen zu 5. davon auszugehen, dass die Annahme eines (letzten) gewöhnlichen Aufenthalts auch in diesem Kontext allein voraussetzt, dass der Staatenlose in dem betreffenden Operationsgebiet tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, und die zuständigen Behörden keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen ihn eingeleitet haben. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt auch rechtmäßig ist (in diesem Sinne zu § 3 Abs. 1 AsylVfG BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 31 ff.).

47 Der unter anderem in Art. 1 Abschn. A Nr. 2 Halbs. 2 GK und Art. 2 Buchst. d und n RL 2011/95/EU verwendete Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (habitual residence/résidence habituelle) setzt nach der nationalen Rechtsprechung voraus, dass die Person in dem betreffenden Land nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit lebt und eine Beendigung des Aufenthalts daher ungewiss ist (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <123 f.>). Die objektiven Gegebenheiten des Aufenthalts müssen auf eine gewisse Stetigkeit und Regelhaftigkeit schließen lassen, wobei eine lückenlose Kontinuität nicht erforderlich ist. Die Person muss an dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts indes das Zentrum ihres Daseins haben.

48 Die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthalts setzt nicht zwingend die förmliche Genehmigung des Aufenthalts durch die hierfür zuständige verantwortliche Stelle voraus. Anders als der hiervon zu unterscheidende rechtmäßige Aufenthalt liegt ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Ansicht des vorliegenden Gerichts schon dann vor, wenn die für den Staatenlosen zuständige verantwortliche Stelle unbeschadet ihrer rechtlichen Möglichkeiten davon Abstand nimmt, dessen Aufenthalt zu beenden (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <125> und vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 32 f.).

49 Das vorlegende Gericht sieht jedoch Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob seine u.a. dem nationalen Recht entnommene Definition des Landes des gewöhnlichen Aufenthalts auch dem unionsrechtlichen Begriff der Richtlinie (vgl. Art. 2 Buchst. d und n RL 2011/95/EU) entspricht und inwieweit es danach auf die weiteren in den Vorlagefragen angesprochenen Gesichtspunkte ankommt.

50 Die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthalts dürfte eine auf Tatsachen gestützte Prognose erfordern, bei der im Rahmen einer umfassenden Gesamtbetrachtung neben den Vorstellungen des Betroffenen maßgeblich die objektiven Umstände des Aufenthalts zu würdigen sind, die auf einen Zustand längeren Verweilens schließen lassen.

51 3. Der Senat sieht mit Blick auf die Gründe des dem Verfahren C-272/19 zugrunde liegenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 28. März 2019 - 6 K 1016/15 - keine Veranlassung, an seiner Berechtigung zu einer Vorlage nach Art. 267 AEUV zu zweifeln.

Urteil vom 27.04.2021 -
BVerwG 1 C 2.21ECLI:DE:BVerwG:2021:270421U1C2.21.0

Voraussetzungen der Zuerkennung der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling

Leitsätze:

1. Einem Staatenlosen palästinensischer Herkunft wird im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG Schutz oder Beistand im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht länger gewährt, wenn sich auf der Grundlage einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände herausstellt, dass er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA, um dessen Beistand er ersucht hat, unmöglich ist, ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der Aufgabe des UNRWA im Einklang stehen, so dass er sich aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, dazu gezwungen sieht, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verlassen des Einsatzgebiets des UNRWA unfreiwillig erfolgt ist, ist in räumlicher Hinsicht auf das gesamte - die fünf Operationsgebiete Gazastreifen, Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), Jordanien, Libanon und Syrien umfassende - Einsatzgebiet des UNRWA abzustellen.

3. Einem freiwilligen Verzicht auf den von dem UNRWA gewährten Beistand kommt die Entscheidung eines Staatenlosen palästinensischer Herkunft gleich, ein Operationsgebiet des UNRWA, in dem er sich nicht in einer sehr unsicheren Lage befindet und in dem er den Schutz oder Beistand des Hilfswerks in Anspruch nehmen könnte, zu verlassen, um sich in ein anderes Operationsgebiet des Einsatzgebiets zu begeben, in dem er auf der Grundlage konkreter Informationen, über die er hinsichtlich dieses Operationsgebiets verfügt, vernünftigerweise weder damit rechnen kann, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren, noch in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet, aus dem er ausgereist ist, zurückkehren zu können.

4. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG setzt - jedenfalls nach nationalem Asylverfahrensrecht - voraus, dass es dem Betroffenen auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung nicht möglich oder zumutbar ist, sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA durch Rückkehr in eines der fünf Operationsgebiete des Einsatzgebiets dieser Organisation erneut zu unterstellen.

  • Rechtsquellen
    GK Art. 1 Abschn. A und D
    RL 2011/95/EU Art. 2 Buchst. d, Art. 11 Abs. 1 Buchst. f, Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2, Art. 14 Abs. 1
    RL 2013/32/EU Art. 46 Abs. 3
    AsylG § 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 und 2, § 77 Abs. 1 Satz 1

  • VG Saarlouis - 24.11.2016 - AZ: VG 3 K 1529/16
    OVG Saarlouis - 18.12.2017 - AZ: OVG 2 A 541/17

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.04.2021 - 1 C 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:270421U1C2.21.0]

Urteil

BVerwG 1 C 2.21

  • VG Saarlouis - 24.11.2016 - AZ: VG 3 K 1529/16
  • OVG Saarlouis - 18.12.2017 - AZ: OVG 2 A 541/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. April 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. Dezember 2017 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hier insbesondere als-Flüchtling gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG.

2 Der eigenen Angaben zufolge im Oktober 1991 in Damaskus geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser. Nach seinem Bekunden reiste er im Dezember 2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein. Anfang Februar 2016 stellte er einen Asylantrag. Im Rahmen seiner Anhörung führte er unter anderem aus, er habe sich im Oktober 2013 aus der Syrischen Arabischen Republik in die Libanesische Republik begeben und dort bis zum 20. November 2015 Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Da er dort keine Aufenthaltsberechtigung erhalten habe und die libanesischen Sicherheitskräfte begonnen hätten, "sie" nach Syrien zurückzuschieben, sei er dorthin zurückgekehrt. Er habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen; die dortigen Lebensverhältnisse seien sehr schlecht. Für den Fall einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, verhaftet zu werden. Im August 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu; im Übrigen lehnte es dessen Asylantrag ab.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Im Berufungsverfahren hat dieser neuerlich die bereits anlässlich seiner Anhörung bei dem Bundesamt vorgelegte Ablichtung eines Registrierungsnachweises des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, im Folgenden: UNRWA) eingereicht. Ausweislich der "Family Registration Card" wurde er als Familienangehöriger für (das im südlichen Teil von Damaskus belegene Lager) Jarmuk registriert.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bedürfe keiner Klärung, ob der Kläger aufgrund seines individuellen Vorbringens die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG beanspruchen könne. Denn als staatenloser palästinensischer Volkszugehöriger sei er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG. Er habe sich bei seiner Ausreise aus Syrien in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden. Seine Ausreise sei durch von seinem Willen unabhängige Zwänge veranlasst gewesen und daher nicht freiwillig erfolgt. Dies indiziere auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Im Zeitpunkt seiner Ausreise habe ihm auch keine Möglichkeit offengestanden, den Schutz des UNRWA in anderen Teilen des Einsatzgebiets in Anspruch zu nehmen. Jordanien und der Libanon hätten bereits vor seiner Ausreise ihre Grenzen für in Syrien aufhältige palästinensische Flüchtlinge geschlossen.

5 Zur Begründung ihrer Revision hat die Beklagte geltend gemacht, das Berufungsgericht habe den Regelungsbereich des § 3 Abs. 3 AsylG fehlerhaft bestimmt sowie seine Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO und den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.

6 Auf den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019 hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - entschieden, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU dahin auszulegen ist, dass 1. zur Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, im Rahmen einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhalts alle Operationsgebiete des Einsatzgebiets des UNRWA zu berücksichtigen sind, in deren Gebiete ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, der dieses Einsatzgebiet verlassen hat, eine konkrete Möglichkeit hat, einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten, und 2. nicht angenommen werden kann, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, wenn ein Staatenloser palästinensischer Herkunft das Einsatzgebiet des UNRWA ausgehend von einem Operationsgebiet dieses Einsatzgebiets, in dem er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden hat und in dem das UNRWA nicht imstande war, ihm seinen Schutz oder Beistand zu gewähren, verlassen hat, sofern er sich zum einen aus einem anderen Operationsgebiet dieses Einsatzgebiets, in dem er sich nicht in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden hatte und in dem er den Schutz oder Beistand des UNRWA hatte in Anspruch nehmen können, freiwillig in dieses Operationsgebiet begeben hat und sofern er zum anderen auf der Grundlage ihm vorliegender konkreter Informationen vernünftigerweise nicht damit rechnen konnte, in dem Operationsgebiet, in das er eingereist ist, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren oder in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet, aus dem er ausgereist ist, zurückkehren zu können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

7 Die Beklagte trägt im fortgesetzten Revisionsverfahren vor, weder sei evident, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner geschilderten Ausreise aus dem Libanon tatsächlich gezwungen gewesen sei, diesen zu verlassen, noch sei offenkundig, dass Gleiches in Bezug auf das gesamte Einsatzgebiet des UNRWA anzunehmen gewesen sei. Ebenso wenig liege es nahe, dass dem Kläger vor der geschilderten Rückkehr nach Syrien nicht bewusst gewesen sei, dass er weder dort durch das UNRWA Schutz oder Beistand erfahren noch berechtigt sein würde, in absehbarer Zeit in den Libanon zurückzukehren.

8 Der Kläger trägt vor, unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände werde davon auszugehen sein, dass er im Zeitpunkt des Verlassens des Einsatzgebiets des UNRWA keinen Schutz oder Beistand in einem anderen Operationsgebiet des Hilfswerks gehabt habe. Im Libanon sei sein Aufenthalt im Herbst 2013 für eine Woche gestattet worden. Hiernach habe er sich dort illegal aufgehalten. Im April 2014 sei es ihm gelungen, erneut eine auf die Dauer von drei Monaten befristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Sein hiernach gestellter Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis sei abgelehnt und ihm sei die Abschiebung angedroht worden. Fortan habe er sich wieder rechtswidrig und stetig in der Sorge, abgeschoben zu werden, im Libanon aufgehalten. Schließlich sei er nach Syrien zurückgekehrt, um von dort aus das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen.

9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat mitgeteilt, sich an dem Verfahren nicht zu beteiligen.

II

10 Die Revision, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat Erfolg. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im Revisionsverfahren ist allein die Entscheidung zur Stellung als-Flüchtling zu überprüfen (1.). Das Berufungsgericht hat hier zwar zutreffend auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG erkannt mit der Folge, dass er von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (unmittelbar) nach § 3 Abs. 1 AsylG ausgeschlossen ist und sein Begehren nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG Erfolg haben könnte (2.). Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht indes die Bejahung der Voraussetzungen auch der Einschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG (3.). Das Bundesverwaltungsgericht kann über den Rechtsstreit in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (4.).

11 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz (AsylG) in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 <BGBl. I S. 1798>, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 1 des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Neunundfünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen - vom 9. Oktober 2020 <BGBl. I S. 2075>). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz eintreten, sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Fassung des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts oder vorrangigen Unionsrechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12).

12 1. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Art. 1 Abschn. D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (im Folgenden: GK) genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, ist § 3 Abs. 1 und 2 AsylG gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anwendbar. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen, die Art. 1 Abschn. D GK sowie Art. 12 Abs. 1 Buchst. a RL 2011/95/EU aufgreifen bzw. umsetzen und die gerade im Hinblick auf die besondere Lage der - regelmäßig staatenlosen - Palästinaflüchtlinge geschaffen worden sind, die den Beistand oder Schutz des UNRWA genießen (vgl. EuGH, Urteile vom 17. Juni 2010 - C-31/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​351], Bolbol - Rn. 44 und vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​826], El Kott u.a. - Rn. 48). Sein gegenwärtiges Mandat endet am 30. Juni 2023 (Ziff. 7 der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2019 - A/RES/74/83 S. 3). Die Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, der an Satz 1 der Vorschrift anknüpft und mit diesem eine Einheit bildet, setzt nicht die Erfüllung der allgemeinen Flüchtlingsmerkmale (§ 3 Abs. 1 AsylG, Art. 1 Abschn. A GK, Art. 2 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU) voraus; er enthält vielmehr eine gegenüber § 3 Abs. 1 AsylG/Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK selbstständige Umschreibung der Flüchtlingseigenschaft (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <258 f.>). Liegen die Voraussetzungen dieser Regelung vor, ist einem Antragsteller auf seinen Antragdie Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass dieser nachweisen muss, dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung hat (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​584], Alheto - Rn. 86).

13 2. Im Einklang mit § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger die Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfüllt. Er genoss Schutz und Beistand des UNRWA.

14 Die konkrete Bedeutung der alternativen Betreuungsformen "Schutz" und "Beistand" bestimmt sich nach der im Rahmen seines Auftrags wahrgenommenen Tätigkeit des UNRWA. Maßgebend ist, ob der Betroffene der Personengruppe angehört, deren Betreuung das UNRWA entsprechend seinem Mandat übernommen hat. Das ist jedenfalls bei denjenigen Personen der Fall, die - wie hier der Kläger - als Palästina-Flüchtlinge bei dem UNRWA (weiterhin) registriert sind. Dieses Verständnis entspricht Sinn und Zweck der Ausschlussklausel, die gewährleisten soll, dass sich in erster Linie das UNRWA und nicht die Vertragsstaaten, insbesondere nicht die arabischen Staaten, der palästinensischen Flüchtlinge annehmen. Die palästinensischen Flüchtlinge, deren Lage bislang nicht endgültig geklärt worden ist, wie insbesondere aus den Ziff. 1 und 3 der Resolution Nr. 66/72 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 2011 hervorgeht (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 54), sind danach gehalten, vorrangig den Schutz oder Beistand des UNRWA in Anspruch zu nehmen (BVerwG, Urteile vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <261> und vom 21. Januar 1992 - 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 <305>). Von der Ausschlussklausel sind indes nur diejenigen Personen erfasst, die die Hilfe des UNRWA tatsächlich in Anspruch nehmen. Die betreffenden Bestimmungen sind eng auszulegen und erfassen daher nicht auch Personen, die lediglich berechtigt sind oder waren, den Schutz oder Beistand dieses Hilfswerks in Anspruch zu nehmen, ohne jedoch von diesem Recht Gebrauch zu machen. Als ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands ist die Registrierung bei dem UNRWA anzusehen (EuGH, Urteile vom 17. Juni 2010 - C-31/09 - Rn. 51 f. und vom 13. Januar 2021 - C-507/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​3], XT - Rn. 48). Der Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling liegt nicht nur bei Personen vor, die zurzeit den Beistand des UNRWA genießen, sondern auch bei solchen, die diesen Beistand kurz vor Einreichung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat tatsächlich in Anspruch genommen haben (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 52).

15 Nach diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den Schutz oder Beistand des UNRWA kurz vor Einreichung seines Asylantrags grundsätzlich genoss, da er sich nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen im Einsatzgebiet des UNRWA aufhielt und als Familienangehöriger für das Lager Jarmuk registriert war.

16 3. Bundesrecht verletzt der die angegriffene Entscheidung tragende Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, staatenlose Palästinenser aus Syrien, die von dem UNRWA als Flüchtlinge registriert seien, seien schon dann als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anzuerkennen, wenn sie Syrien infolge des Bürgerkriegsgeschehens verlassen mussten und ihnen im Zeitpunkt ihrer Ausreise keine Möglichkeit offenstand, in anderen Teilen des Mandatsgebiets des UNRWA Schutz zu finden (UA S. 5 f.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 -) kann der Feststellung eines unfreiwilligen Verlassens des Einsatzgebiets auch eine kurz vor dem endgültigen Verlassen dieses Gebiets erfolgte Aufenthaltsverlagerung von einem Operationsgebiet in ein anderes entgegenstehen, wenn und soweit dies als freiwillige Aufgabe des bislang durch den UNRWA gewährten Schutzes oder Beistands zu werten ist (3.1). Zudem genügt - jedenfalls nach nationalem Asylverfahrensrecht - für die Erfüllung der Voraussetzungen der Einschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG nicht bereits der Umstand, dass dem Betroffenen im Zeitpunkt des Verlassens des Einsatzgebiets keine zumutbare Möglichkeit offenstand, im Einsatzgebiet des UNRWA Schutz oder Beistand zu finden; vielmehr darf eine Möglichkeit, sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA durch Rückkehr in dessen Einsatzgebiet erneut zu unterstellen, auch im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 AsylG) nicht bestehen (3.2).

17 3.1 Einem Staatenlosen palästinensischer Herkunft wird im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG Schutz oder Beistand im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht länger gewährt, wenn sich auf der Grundlage einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände herausstellt, dass er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA, um dessen Beistand er ersucht hat, unmöglich ist, ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der Aufgabe des UNRWA im Einklang stehen, sodass er sich aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, dazu gezwungen sieht, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen.

18 a) Die Feststellung eines Schutzwegfalls im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG setzt voraus, dass sich der Staatenlose bei Verlassen des Einsatzgebiets in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA unmöglich ist, ihm Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der Aufgabe des UNRWA in Einklang stehen. Die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG verfolgt im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 RL 2011/95/EU und Art. 1 Abschn. D Satz 1 GK das Ziel, alle diejenigen von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auszuschließen, die den Beistand des UNRWA genießen. Im Lichte dieser Zielsetzung genügen weder die bloße Abwesenheit von dem Einsatzgebiet des UNRWA noch das freiwillige Verlassen dieses Einsatzgebiets oder der freiwillige Verzicht auf Schutz und Beistand des Hilfswerks, um den in § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgesehenen Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling gemäß Satz 2 der Vorschrift zu beenden (EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 49 ff. und vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 69 ff.). Die Entscheidung, das Einsatzgebiet zu verlassen, muss vielmehr durch Zwänge begründet sein, die von dem Willen des Betroffenen unabhängig sind (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 59 und vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 51, 69 ff.).

19 b) Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verlassen in diesem Sinne unfreiwillig erfolgt ist, ist in räumlicher Hinsicht auf das gesamte - die fünf Operationsgebiete Gazastreifen, Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), Jordanien, Libanon und Syrien umfassende - Einsatzgebiet des UNRWA abzustellen. Dies hat der Gerichtshof durch seine im vorliegenden Verfahren ergangene Vorabentscheidung geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 47, 53 f., 64-67). Hiervon ist auch das Berufungsgericht bereits im Ansatz zutreffend ausgegangen. Die Feststellung, Schutz oder Beistand des UNRWA würden im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG nicht länger gewährt, ist daher nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sich der Staatenlose palästinensischer Herkunft aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, gezwungen sieht, ein bestimmtes Operationsgebiet des UNRWA zu verlassen. In diesem Fall bedarf es vielmehr zusätzlich der Feststellung, dass der Staatenlose auch in kein anderes Operationsgebiet einreisen kann, um den Schutz oder Beistand des UNRWA konkret in Anspruch zu nehmen; andernfalls ist seine Entscheidung, das Einsatzgebiet (insgesamt) zu verlassen, nicht unfreiwillig (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 72). Diese Feststellung ist auf der Grundlage einer individuellen Beurteilung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles zu treffen (EuGH, Urteile vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 134 f. und vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 63 und 67).

20 Ob ein Staatenloser palästinensischer Herkunft Zugang zu Schutz oder Beistand des UNRWA hat, hängt zum einen von der konkreten Möglichkeit dieses Staatenlosen ab, in ein Operationsgebiet des UNRWA einzureisen. Allein der Status "Palästina-Flüchtling im Nahen Osten" berechtigt die Inhaber nicht zur Einreise in andere Operationsgebiete ohne vorherige Einreiseerlaubnis des betreffenden Zielstaates. Schutz und Beistand des UNRWA setzen vielmehr notwendig voraus, dass die Aufnahmegebietskörperschaft nicht nur die Tätigkeit des UNRWA zulässt, sondern auch den von diesem betreuten Personen die Einreise und den Aufenthalt auf ihrem Territorium gestattet (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1992 - 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 <304>). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der betroffene Staatenlose in einem Staat oder autonomen Gebiet, zu dem ein Operationsgebiet des UNRWA gehört, Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Besteht ein solcher Anspruch nicht, so können das Unterhalten familiärer Beziehungen oder das vormalige Bestehen eines tatsächlichen oder gewöhnlichen Aufenthalts in einem bestimmten Operationsgebiet des Einsatzgebiets des UNRWA eine entsprechende Einreisemöglichkeit nahelegen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 60 f.). Zu berücksichtigen sind im Übrigen sämtliche Umstände, die - wie Erklärungen oder Praktiken der Behörden der genannten Staaten oder Gebiete - Aufschluss über die Haltung gegenüber Staatenlosen palästinensischer Herkunft geben, insbesondere, wenn durch diese Erklärungen und Praktiken die Absicht zum Ausdruck gebracht wird, die Anwesenheit dieser Staatenlosen in ihrem Gebiet nicht länger zu dulden, sofern diese über kein Aufenthaltsrecht verfügen (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 62).

21 Zum anderen muss es dem Staatenlosen möglich sein, sich in dem betreffenden Gebiet in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen aufzuhalten (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 134, 140 und vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 54 ff., 67; BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​250419U1C28.18.0] - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 7 Rn. 28).

22 c) Für die Freiwilligkeit des Verlassens ist nicht allein auf die Umstände im Operationsgebiet des letzten Aufenthalts abzustellen. Das Verlassen des Einsatzgebiets erfolgt auch dann nicht unfreiwillig, wenn sich der Betroffene durch eine kurz zuvor erfolgte Verlagerung seines Aufenthalts von einem Operationsgebiet in ein anderes der Sache nach freiwillig und vorhersehbar des Schutzes und Beistands durch das UNRWA begeben hat. Diesen - erst durch die Vorabentscheidung des Gerichtshofs geklärten - Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht unter Verletzung von Bundesrecht nicht berücksichtigt und folgerichtig nicht die zur Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen.

23 Einem freiwilligen Verzicht auf den von dem UNRWA gewährten Beistand kommt die Entscheidung eines Staatenlosen palästinensischer Herkunft gleich, ein Operationsgebiet des UNRWA, in dem er sich nicht in einer sehr unsicheren Lage befindet und in dem er den Schutz oder Beistand des Hilfswerks in Anspruch nehmen könnte, zu verlassen, um sich in ein anderes Operationsgebiet des Einsatzgebiets zu begeben, in dem er auf der Grundlage konkreter Informationen, über die er hinsichtlich dieses Operationsgebiets verfügt, vernünftigerweise weder damit rechnen kann, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren, noch in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet, aus dem er ausgereist ist, zurückkehren zu können. Eine solche freiwillige Ausreise aus dem ersten Operationsgebiet in das zweite Operationsgebiet lässt nicht die Annahme zu, dass dieser Staatenlose, wenn er später das zweite Operationsgebiet verlässt, um in das Unionsgebiet einzureisen, gezwungen war, das gesamte Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 74). Über das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen ist im Rahmen einer individuellen Beurteilung sämtlicher maßgeblicher Umstände des Einzelfalles zu befinden. Zu Letzteren zählen insbesondere in objektiver Hinsicht die schutz- und abschiebungsrelevante Lage in dem ersten wie auch in dem zweiten Operationsgebiet und in subjektiver Hinsicht die positive Kenntnis oder das Kennenmüssen von der schutz- und abschiebungsrelevanten Lage in dem zweiten Operationsgebiet (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 76 ff.).

24 3.2 Zusätzlich setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG - jedenfalls nach nationalem Asylverfahrensrecht - voraus, dass es dem Betroffenen auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung nicht möglich oder zumutbar ist, sich dem Schutz oder Beistand des UNRWA durch Rückkehr in eines der fünf Operationsgebiete des Einsatzgebiets dieser Organisation erneut zu unterstellen. Die Einbeziehung des in § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG bezeichneten Zeitpunkts trägt dem Umstand Rechnung, dass die Flüchtlingseigenschaft des Betroffenen nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 14 Abs. 1 RL 2011/95/EU erlischt und abzuerkennen ist, wenn dieser - nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, - in der Lage ist, in das Einsatzgebiet des UNRWA zurückzukehren (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77).

25 Diese Regelungen sind in der vorliegenden Fallkonstellation zwar nicht unmittelbar anwendbar, da sie eine bereits erfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft voraussetzen (siehe auch EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 42). Es machte aber keinen Sinn, den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, um ihn sogleich wieder abzuerkennen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77; Kraft, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D III, Art. 12 Rn. 24). Dies spricht dafür, dem Betroffenen nachteilige Veränderungen der tatsächlichen Voraussetzungen derFlüchtlingseigenschaft, die zwischen dem Verlassen des Einsatzgebiets und dem Zeitpunkt der Entscheidung eintreten, in Anwendung der allgemeinen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG bereits bei der Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu berücksichtigen (so bereits BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 - Buchholz 402.251 § 29 AsylG Nr. 7 Rn. 26).

26 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dies auch unionsrechtlich jedenfalls zulässig. Denn Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU eröffnet dem nationalen Gericht zumindest die Befugnis, die - wiederhergestellte - Möglichkeit, Schutz oder Beistand vom UNRWA gewährt zu bekommen, bereits im Rahmen der dort erwähnten umfassenden-Prüfung zum Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung über die Zuerkennung dieser Eigenschaft zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 40, 42 und 65). Ob dies unionsrechtlich auch geboten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Prüfung der Frage, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 RL 2011/95/EU auch in dem Zeitpunkt der gerichtlichen (oder behördlichen) Entscheidung ausgeschlossen ist, ist dabei nach denselben Kriterien vorzunehmen wie die auf den Verlassenszeitpunkt bezogene Prüfung (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 66).

27 4. Das Bundesverwaltungsgericht kann über den Rechtsstreit in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht abschließend entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

28 a) Das Oberverwaltungsgericht hat bislang keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Voraufenthalt des Klägers von Oktober 2013 bis November 2015 im Libanon nach den von dem Gerichtshof der Europäischen Union konkretisierten Maßstäben einem unfreiwilligen Verlassen des Einsatzgebiets des UNRWA entgegensteht. Dies wäre der Fall, wenn sich der Kläger - erstens - im Libanon zuvor nicht in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden hätte und dort den Schutz oder Beistand des UNRWA hätte in Anspruch nehmen können, und es - zweitens - für den Kläger bei der Verlegung seines Aufenthalts vom Libanon nach Syrien vernünftigerweise vorhersehbar gewesen wäre, dass er weder den Schutz oder Beistand des UNRWA in Syrien würde in Anspruch nehmen können noch in absehbarer Zeit in den Libanon würde zurückkehren können. Diese Fragen wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung unter Nachholung der erforderlichen Feststellungen zu prüfen haben. Dabei werden gegebenenfalls auch die vom Gerichtshof konkretisierten Kriterien zur Beurteilung der Vorhersehbarkeit zu berücksichtigen sein (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2021 - C-507/19 - Rn. 78).

29 b) Tatrichterliche Feststellungen fehlen zudem zu der Frage, ob der Kläger in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung in eines der fünf Operationsgebiete des UNRWA hätte einreisen, sich dort in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen aufhalten sowie dort Schutz oder Beistand des UNRWA hätte in Anspruch nehmen können. Diese Feststellungen werden nach Zurückverweisung in Bezug auf den dann maßgeblichen Zeitpunkt zu treffen sein.

30 5. Mit Blick auf die Aufhebung des angegriffenen Urteils bedarf es keiner Entscheidung über die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen.

31 6. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.