Beschluss vom 20.02.2024 -
BVerwG 11 A 19.23ECLI:DE:BVerwG:2024:200224B11A19.23.0

Leitsatz:

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht sachlich zuständig für eine Streitigkeit über einen Gebührenbescheid nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 3a Satz 3 NABEG.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.02.2024 - 11 A 19.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:200224B11A19.23.0]

Beschluss

BVerwG 11 A 19.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Februar 2024
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wiedmann
beschlossen:

  1. Das Bundesverwaltungsgericht erklärt sich für unzuständig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das sachlich zuständige Verwaltungsgericht Köln verwiesen.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen einen auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 3a Satz 3 NABEG ergangenen Gebührenbescheid für den Erlass einer Duldungsanordnung.

2 Die T. GmbH (Vorhabenträgerin) hatte dem Kläger gegenüber unter Hinweis auf die Duldungspflicht nach § 44 Abs. 1 EnWG die Absicht angekündigt, auf zwei seiner Grundstücke Baugrunduntersuchungen für Vorarbeiten zur Planung der Bundesbedarfsplanvorhaben Nr. 3 und 4 ("Suedlink") durchzuführen. Nachdem der Kläger Betretungsverbote für seine Grundstücke ausgesprochen hatte, erließ die Beklagte auf Antrag der Vorhabenträgerin unter dem 28. März 2023 eine Duldungsanordnung. Der streitgegenständliche Gebührenbescheid ist am 11. Juli 2023 ergangen, der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 30. August 2023 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 29. September 2023 entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Klage zum Bundesverwaltungsgericht erhoben.

II

3 Der Rechtsstreit ist an das Verwaltungsgericht Köln zu verweisen, da das Bundesverwaltungsgericht für ihn nicht zuständig ist (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

4 Die einzig in Betracht kommende Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO besteht nicht. Hiernach entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für Vorhaben betreffen, die im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) bezeichnet sind. Die Höchstspannungsleitungen Brunsbüttel - Großgartach und Wilster - Bergrheinfeld/​West sind in § 1 Abs. 1 des Bundesbedarfsplangesetzes i. V. m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Bundesbedarfsplans unter Nr. 3 und 4 genannt.

5 Im Hinblick auf den Zweck der Zuständigkeitsregelung, die Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen, werden von dieser Vorschrift alle Verfahren erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO haben (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 - ‌NVwZ 2013, 78 und vom 9. Mai 2019 - 4 VR 1.19 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 17 Rn. 13) und damit Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgehen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Verfahrens dienen oder einen Ausschnitt der Probleme darstellen, die in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 ‌- 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 9. Oktober 2012 ‌- 7 VR 10.12 - NVwZ 2013, 78 Rn. 5 m. w. N.). Dazu gehören auch Duldungsanordnungen gemäß § 18 Abs. 5 NABEG i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 2020 - 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 und vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 4.20 - juris Rn. 6).

6 Der unmittelbare Bezug zur beschleunigungsbedürftigen Planung und Verwirklichung eines Vorhabens fehlt aber, wenn es - wie hier - um die isolierte Anfechtung einer behördlichen Gebührenentscheidung für den Erlass einer Duldungsanordnung geht. Ein solcher Gebührenbescheid ist nicht unmittelbarer Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 1995 - 11 VR 42.95 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 5 S. 17 f.; in diesem Sinne auch VGH Kassel, Beschluss vom 30. August 2023 - 5 C 1093/23 - NVwZ-RR 2023, 1055; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Juni 2022 - 12 KS 71/22 - NVwZ-RR 2022, 612; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 50 Rn. 19), sondern steht selbständig daneben.

7 Diese Sichtweise wird bestätigt durch § 6 des Bundesbedarfsplangesetzes. Hiernach besteht die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts auch für auf Bedarfsplanvorhaben bezogene Veränderungssperren, Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Stromrichteranlagen, die dem Betrieb von Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplan dienen. Der Gesetzgeber betont hierdurch den Beschleunigungsgedanken für alle Streitgegenstände, die der genehmigungsrechtlichen Bewältigung der Bedarfsplanvorhaben dienen. Gebührenbescheide zählen nicht dazu.

8 Örtlich zuständig ist gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO das Verwaltungsgericht Köln. Eine Zuständigkeit nach § 52 Nr. 1 VwGO scheidet aus, weil die Streitigkeit sich nicht auf ein Grundstück bezieht, sondern eine Gebühr betrifft.