Verfahrensinformation

In den Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines schon erstellten Blockhauses als Abstellraum für Gartengeräte und für Kinder- und Bollerwagen sowie Spielzeug als Nebengebäude zu einer Hotelnutzung auf einer im Bebauungsplan als nicht überbaubar festgesetzten Grundstücksfläche im Sondergebiet „Hotel“ sowie die Anordnung der Beseitigung dieses Blockhauses. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat beide Klagen abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Berufungen des Klägers zurückgewiesen. Mit seinen Revisionen verfolgt der Kläger sein Klageziel auf Legalisierung des von ihm errichteten Blockhauses weiter.


In den Verfahren stellt sich zunächst die Frage, ob für die Geltendmachung von Abwägungsfehlern § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1987 (über § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB) Anwendung findet und ob - bejahendenfalls - die Norm verfassungsgemäß ist. Darüber hinaus wird zu klären sein, ob der Ausschluss von Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen u.a. im Sondergebiet „Hotel“ mit Bundesrecht vereinbar ist. Dabei geht es vor allem um das Verhältnis von § 14 Abs. 1 und § 23 Abs. 5 BauNVO.


Urteil vom 21.03.2013 -
BVerwG 4 C 14.11ECLI:DE:BVerwG:2013:210313U4C14.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 21.03.2013 - 4 C 14.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:210313U4C14.11.0]

Urteil

BVerwG 4 C 14.11

  • VG Oldenburg - 18.05.2009 - AZ: VG 4 A 2072/07
  • Niedersächsisches OVG - 20.10.2011 - AZ: OVG 1 LC 115/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem von ihm betriebenen Hotel bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes C „Gartenstraße/Polderweg“ der beigeladenen Gemeinde. Der Bebauungsplan setzt für das klägerische Grundstück ein Sondergebiet Hotel fest und enthält unter den textlichen Festsetzungen folgende Regelungen:
„9. Gebäude als Nebenanlagen i.S. § 14 BauNVO:
9.1 Sondergebiete für Familienerholung/Sondergebiet Hotel
Gebäude als Nebenanlagen i.S. § 14 BauNVO sind auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen unzulässig.
9.2 Allgemeine Wohngebiete und Sondergebiete für Fremdenbeherbergung ...“.

2 Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt errichtete der Kläger auf seinem Grundstück an der südlichen Grundstücksgrenze eine Blockhütte mit einer Grundfläche von 4,76 m mal 4,90 m bei mehr als 40 m³ Brutto-(Raum-)Inhalt. Hierfür beantragte er die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung (Errichtung eines Blockhauses als Abstellraum). Den Bauantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2006 ab, weil das Vorhaben nicht den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans in Nr. 9.1 entspreche. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Die vom Kläger eingelegte Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom heutigen Tag - BVerwG 4 C 15.11 - zurückgewiesen.

3 Nachdem der Kläger angehört worden war, verpflichtete ihn der Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2006 zur Beseitigung der verfahrensgegenständlichen Blockhütte und drohte für den Fall der Nichtbefolgung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 000 € an. Mit Bescheid vom selben Tag setzte er gegenüber dem Kläger die Kosten auf 120 € fest. Die gegen die Bescheide erhobenen Widersprüche blieben erfolglos. Die daraufhin vom Kläger zum Verwaltungsgericht erhobene Klage blieb im Wesentlichen erfolglos. Der Einzelrichter hob zwar den Gebührenbescheid auf, soweit vom Kläger mehr als 54 € verlangt wurden; im Übrigen wies er die Klage jedoch ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

4 Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führte er aus, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, weil sein Vorhaben genehmigt werden könne. Wie der Hilfsbegründung im Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu entnehmen sei, sei es immerhin möglich, dass das Gebäude zumindest teilweise zugelassen werde. Der Beklagte hätte daher überlegen müssen, ob er nicht lediglich einen Teilabriss der Blockhütte verlange oder ob er dem Kläger wenigstens als Austauschmittel anheim stelle, seine Blockhütte auf 15 m² Grundfläche zu reduzieren bzw. insoweit von der Anordnung der Beseitigung absehe, falls er, der Kläger, dieses Austauschmittel anbiete.

5 Beklagter und Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

II

6 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2011 steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang.

7 1. Das Berufungsgericht hat die verfahrensgegenständliche Beseitigungsanordnung an § 89 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 4 der Niedersächsischen Bauordnung (BauO Nds., seit 1. November 2012: § 79 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 4 BauO Nds.) gemessen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Beseitigung von baulichen Anlagen oder von Teilen baulicher Anlagen anordnen, wenn diese dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Die Auslegung und Anwendung dieser Norm betrifft irrevisibles Landesrecht. Nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil kann die Beseitigung angeordnet werden, wenn das Blockhaus formell (Errichtung ohne die erforderliche Baugenehmigung) und materiell (das Vorhaben kann auch nicht genehmigt werden) baurechtswidrig ist.

8 Das vom Kläger errichtete Blockhaus ist formell illegal, weil der Kläger die erforderliche Baugenehmigung nicht inne hat. Ob eine bauliche Anlage einer Genehmigung bedarf, richtet sich nach Landesrecht, das gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 560 ZPO irrevisibel ist. Jedenfalls das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der Blockhütte auseinandergesetzt und diese in Hinblick auf § 68 Abs. 1 BauO Nds. (seit 1. November 2012: § 59 BauO Nds.) und § 69 Abs. 1 BauO Nds. i.V.m. Nr. 1.1 des Anhangs (seit 1. November 2012: § 60 Abs. 1 BauO Nds. i.V.m. Nr. 1.1 des Anhangs) bejaht, da das Gebäude einen Brutto-(Raum-)Inhalt von mehr als 40 m³ aufweise. Die Genehmigungspflichtigkeit der klägerischen Blockhütte ist im Übrigen unstreitig.

9 Die Blockhütte ist auch materiell illegal. Sie steht - seit ihrer Errichtung - zu dem Bebauungsplan C „Gartenstraße/Polderweg“ der beigeladenen Gemeinde in Widerspruch. Sie kann auch nicht im Wege einer Ausnahmeentscheidung nach § 23 Abs. 5 BauNVO zugelassen werden. Auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des Senats vom heutigen Tag - BVerwG 4 C 15.11 - wird verwiesen.

10 Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen von Ermessensfehlern verneint. Auch dies lässt einen Verstoß gegen Bundesrecht nicht erkennen, zumal dem Landesrecht zu entnehmen ist, wie bei Erlass einer Beseitigungsanordnung das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 24. Mai 1988 - BVerwG 4 B 93.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 80 und vom 11. Oktober 1994 - BVerwG 4 B 202.94 - juris Rn. 6). Entsprechende Rügen hat der Kläger zudem nicht erhoben.

11 2. Steht hiernach das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts bezüglich der Beseitigungsanordnung mit Bundesrecht im Einklang, dann erweist sich auch die Revision gegen die vorinstanzliche Bestätigung des Gebührenfestsetzungsbescheids, soweit er noch verfahrensgegenständlich ist, als unbegründet. Gründe für eine nur diesem Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit sind nicht ersichtlich und auch von Klägerseite nicht vorgetragen worden.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.