Beschluss vom 21.05.2014 -
BVerwG 10 B 31.14ECLI:DE:BVerwG:2014:210514B10B31.14.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 21.05.2014 - 10 B 31.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:210514B10B31.14.0]
Beschluss
BVerwG 10 B 31.14
- VG Trier - 22.05.2013 - AZ: VG 5 K 204/13.TR
- OVG Koblenz - 21.02.2014 - AZ: OVG 10 A 10656/13.OVG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Mai 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde wirft zunächst als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
ob die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO analog auch auf Wiederaufnahmeanträge nach Art. 20 Abs. 1 Dublin-ll-VO anzuwenden ist und, wenn ja, der Betroffene bei einem Antrag nach Ablauf der Frist ein subjektives Recht darauf hat, dass sein Antrag in Deutschland geprüft wird.
3 Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidung des „EGMR“ vom 14. November „2014“ und den Umstand, dass die Dublin-III-Verordnung inzwischen auch für einen Wiederaufnahmeantrag Fristen vorsehe, die sogar kürzer seien als diejenigen für einen Aufnahmeantrag.
4 Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzfrage gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Selbst wenn man unterstellt, dass die Beschwerde mit der von ihr zitierten Entscheidung das Urteil des „EuGH“ vom 14. November „2013“ (Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, dort insbesondere Rn. 35) im Blick hat, fehlt es jedenfalls an näheren Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Die Beschwerde setzt sich insbesondere nicht mit dem Umstand auseinander, dass die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt haben. In diesem Zusammenhang geht sie nicht darauf ein, dass nach einer neueren Entscheidung des EuGH (Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60) nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Die Beschwerde verhält sich nicht zu der Frage, ob diese Grundsätze - was nahe liegt - auch in Wiederaufnahmefällen gelten (vgl. Beschlüsse vom 15. April 2014 - BVerwG 10 B 16.14 und 10 B 17.14 - jeweils Rn. 12).
5 Im Übrigen rechtfertigt die aufgeworfene Frage mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn sie lässt sich ohne weiteres und frei von unionsrechtlichem Klärungsbedarf aus der Systematik der Dublin-II-Verordnung in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne beantworten. Dass die in Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO bestimmte Frist für die Unterbreitung des Aufnahmeersuchens an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat nicht auf die in sich geschlossene Regelung zu den Modalitäten der Wiederaufnahme in Art. 20 Dublin-II-VO übertragen werden kann, ergibt sich bereits aus der Überschrift des Kapitel V sowie Art. 16 Abs. 1 Dublin-II-VO, die zwischen der Aufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. a: „... nach Maßgabe der Artikel 17 bis 19 ...“) und der Wiederaufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c bis e: „... nach Maßgabe des Art. 20 ...“) von Asylbewerbern unterscheiden. Art. 20 Abs. 1 Dublin-II-VO enthält in Buchst. b und c eine Frist- und Fiktionsregelung nur für den um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Einen Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat sieht Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO erst im Anschluss an die Wiederaufnahmeentscheidung und nur für den Fall vor, dass die Überstellung nicht innerhalb der dort genannten Frist durchgeführt wird. Diese Regelungen lassen keine Lücke erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zu schließen wäre (Beschlüsse vom 15. April 2014 a.a.O. jeweils Rn. 13). Allein der Umstand, dass der Verordnungsgeber inzwischen auch für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs nach erneuter Antragstellung Fristen eingeführt hat (Art. 23 Dublin-III-VO), ändert daran nichts.
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2. Auch die weiteren Ausführungen, mit denen die Beschwerde geklärt haben möchte,
ob sich aus menschen- und europarechtlichen Schutzvorschriften die Verpflichtung ergibt, Ausländern, denen, wie dem Kläger, ein asylrechtlicher oder humanitärer Schutzstatus zuerkannt wurde, solange unterzubringen und mit Existenz sichernden Sozialleitungen zu versorgen, bis die Betroffenen in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen oder ob diese Verpflichtung dann nicht besteht, wenn, wie im Fall Italiens, auch für Bürger des Landes kein entsprechendes Sozialhilfesystem vorhanden ist,
ob die Verpflichtung eines Staates, hier Italien, Schutzberechtigte unterzubringen und ihnen eine Grundversorgung zu gewähren, entfällt, wenn die Versorgung von in Not geratenen eigenen Landsleuten so unzureichend ist, dass deren Überleben ohne Unterstützung von arbeitenden
oder wohlhabenden Familienangehörigen - die Schutzberechtigte und Flüchtlinge in der Regel nicht haben - ebenfalls nicht gesichert ist,
und ob ein systemischer Mangel im Aufnahmeverfahren dann gegeben ist, wenn mit Zuerkennung eines Schutzstatus jedweder Anspruch auf staatliche Unterstützung verloren geht und ob die EU-Flüchtlingsschutz-Richtlinie unter Umständen einen Mitgliedstaat verpflichtet, Schutzberechtigten unter Umständen auch dann staatliche Hilfen zu gewähren, wenn diese für Bürger des Staates nicht vorgesehen sind,
rechtfertigen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Soweit sich die aufgeworfenen Fragen auf die Verpflichtungen des Mitgliedstaats beziehen, der einem Asylbewerber einen Schutzstatus zuerkannt hat, fehlt es bereits an näheren Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Verfahren, in dem sich der Kläger dagegen wendet, dass das Bundesamt wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats seinen in Deutschland gestellten Antrag für unzulässig erklärt und ihm die Abschiebung in diesen anderen Mitgliedstaat angedroht hat. Soweit die Beschwerde auf die Anforderungen an das Vorliegen eines systemischen Mangels im Aufnahmeverfahren des nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaats zielt, setzt sie sich nicht mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zu den rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines derartigen Mangels auseinander. Zudem unterstellt sie, dass in Italien mit der Zuerkennung des Schutzstatus jedweder Anspruch auf staatliche Unterstützung verlorengehe, ohne sich näher mit den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Italien, insbesondere den für Schutzberechtigte bestehenden (staatlichen und nichtstaatlichen) Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen auseinanderzusetzen.
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3. Soweit die Beschwerde schließlich für grundsätzlich bedeutsam hält,
ob die in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils genannten Leistungen kommunaler Träger den Mindestbedarf decken können und ob der Kläger hierauf Anspruch hat,
weist sie selbst darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts handelt. Denn ihr Vorbringen zielt der Sache nach nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatrichter vorbehaltene prognostische Würdigung, ob dem Kläger infolge der angeordneten Abschiebung nach Italien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Soweit sie darauf hinweist, dass das Berufungsurteil insoweit nach unzureichender Sachaufklärung ergangen sei und deshalb in einem Revisionsverfahren eine Zurückverweisung erfolgen müsste, kann sie mit diesem Vorbringen weder eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erreichen noch ist dieser Behauptung die schlüssige Darlegung eines die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensfehlers zu entnehmen.
8 4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
9 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.