Beschluss vom 21.05.2019 -
BVerwG 1 B 42.19ECLI:DE:BVerwG:2019:210519B1B42.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.05.2019 - 1 B 42.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:210519B1B42.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 42.19

  • VG Ansbach - 11.05.2017 - AZ: AN 1 K 17.30356
  • VGH München - 25.02.2019 - AZ: VGH 14 B 17.31462

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Mai 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 1. Die auf mehrere Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1.1 Die mit der Beschwerde geltend gemachten Verstöße gegen das Recht auf rechtliches Gehör liegen nicht vor. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 10).

3 a) Die von der Beschwerde behauptete Nichtberücksichtigung von wesentlichem Tatsachenvortrag des Klägers zu der von ihm behaupteten Konversion zum Christentum und den von ihm unter Beweis gestellten Behauptungen liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich - und so auch hier - davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 1 B 10.14 - unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> juris Rn. 9). Solche Umstände liegen entgegen der Auffassung der Beschwerde hier nicht vor.

4 Ausweislich der Urteilsgründe konnte das Berufungsgericht hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der vom Kläger behaupteten Konversion nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen. Dies hat es damit begründet, dass er selbst in Kernpunkten, insbesondere was den Grund für seine Hinwendung zum Christentum betreffe, auf sein unglaubhaftes Vorbringen zu seiner Vorverfolgung bekräftigend Bezug genommen und keinen neuen, das Vorfluchtvorbringen überlagernden Strang zu einem identitätsprägenden inneren Einstellungswandel geschildert habe. Zwar sei der Kläger in die evangelische Gemeinde in F. eingebunden und bei ihm eine Entwicklung feststellbar, insbesondere im Hinblick auf seine Kenntnisse und Aktivitäten. Von einer inneren Hinwendung des Klägers zum Christentum habe der Kläger den Senat aber nicht überzeugen können. Insoweit lägen keine hinreichend schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben vor, und es überwiege die Unglaubhaftigkeit der Schilderung der klägerischen Kontakte mit dem Christentum im Iran, die der Kläger auch zum Inhalt seines Nachfluchtvorbringens gemacht habe.

5 Dem ist zu entnehmen, dass sich das Berufungsgericht mit dem Vorbringen des Klägers zu der von ihm behaupteten inneren Hinwendung zum Christentum und den für ihn hierbei maßgeblichen Beweggründen auseinandergesetzt hat. Allein der Umstand, dass es trotz Einbindung des Klägers in eine Kirchengemeinde in Deutschland und feststellbarer (religiöser) Entwicklung wegen der nicht glaubhaften Schilderungen des Klägers zu den von ihm angeblich bereits im Iran geknüpften Kontakten zum Christentum (auch) Zweifel an einer in Deutschland aus innerer Überzeugung erfolgten Konversion gehabt hat, steht dem nicht entgegen, zumal der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht angegeben hat, er habe sich bereits im Iran der christlichen Religion zugewandt.

6 b) Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen rügt.

7 Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet es, dass das Gericht einem Beweisangebot nachgeht, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach seinem Rechtsstandpunkt erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Januar 2001 - 1 BvR 2075/98 - NJW-RR 2001, 1006 m.w.N.). Lehnt das Berufungsgericht - wie hier - einen Beweisantrag ab, weil es die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt, muss es diese Tatsachen seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung uneingeschränkt als nachgewiesen zugrunde legen (BVerwG, Beschluss vom 10. September 2018 - 6 B 134.18 - juris Rn. 8 m.w.N).

8 In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei nicht den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nachgegangen. Es hat die den Beweisanträgen zugrundeliegenden Beweistatsachen, die die Aktivitäten des Klägers innerhalb der Kirchengemeinde betrafen, zugunsten des Klägers als wahr unterstellt und in den Gründen seiner Entscheidung dargelegt, warum dies in der vorliegenden Konstellation prozessrechtlich zulässig war. Außerdem hat es im Urteil dargelegt, dass und warum die unter Beweis gestellten Tatsachen - unabhängig davon - von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht entscheidungserheblich waren. Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat es die als wahr unterstellten Tatsachen in seiner Entscheidung nicht als unglaubhaftes Nachfluchtvorbringen des Klägers behandelt. Es ist vielmehr ausdrücklich von einer Einbindung des Klägers in die Kirchengemeinde und einer feststellbaren Entwicklung ausgegangen. Soweit es "das Nachfluchtvorbringen des Klägers zu seiner angeblichen Konversion zum Christentum im Bundesgebiet" (UA Rn. 57) für nicht glaubhaft hält, bezieht sich dies ersichtlich nur auf die innere Tatsache einer ernsthaften und nachhaltigen Glaubensentscheidung und nicht auf die Aktivitäten des Klägers innerhalb der Kirchengemeinde. Allein der Umstand, dass das Berufungsgericht aus den hierzu unter Beweis gestellten (äußeren) Tatsachen nicht die von der Beschwerde erwarteten Schlussfolgerungen in Bezug auf die vom Kläger behauptete Konversion gezogen hat, begründet keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Denn eine Wahrunterstellung erstreckt sich immer nur auf die als wahr unterstellten Tatsachen.

9 1.2. Soweit die Beschwerde eine Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) im Zusammenhang mit den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen rügt, genügt das Vorbringen schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Wahrunterstellung entfaltet keine Bindungswirkung für die Würdigung des betreffenden Lebenssachverhalts und verbietet nicht, aus diesem Sachverhalt unter Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes bestimmte Schlüsse zu ziehen, solange die als wahr unterstellten Tatsachen zugrunde gelegt werden (BVerwG, Beschluss vom 10. September 2018 - 6 B 134.18 - juris Rn. 8). Allein der Umstand, dass das Berufungsgericht aus den als wahr unterstellten Tatsachen nicht die von der Beschwerde erwarteten Schlussfolgerungen gezogen hat, vermag daher keinen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht zu begründen. Dass sich dem Berufungsgericht aus anderen Gründen eine Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

10 1.3. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen die Regeln richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vor.

11 Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 23). Auch hierfür ist nach den vorstehenden Ausführungen nichts ersichtlich.

12 2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.