Beschluss vom 21.10.2020 -
BVerwG 4 BN 16.20ECLI:DE:BVerwG:2020:211020B4BN16.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.10.2020 - 4 BN 16.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:211020B4BN16.20.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 16.20

  • OVG Saarlouis - 04.02.2020 - AZ: OVG 2 C 273/18

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Oktober 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2020 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller zu je einem Drittel.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen.

3 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, gleichermaßen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

4 Eine solche Abweichung zeigt die Beschwerde nicht auf. Nach dem Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2006 - 4 BN 26.06 - (Buchholz 406.11 § 1a BauGB Nr. 6 Rn. 7) umschreibt die "Mahnung" an die Tatsachengerichte, sich nicht "gleichsam ungefragt" auf Fehlersuche zu begeben, eine Maxime richterlichen Handelns, welche die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht in Frage stellt. Davon weicht die angegriffene Entscheidung nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ab, wenn sie auf diese Maxime hinweist, aber sowohl die gesetzliche Antragstellung des Normenkontrollverfahrens als umfassende Gültigkeitskontrolle als auch die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) anerkennt (UA S. 14). Die Beschwerde wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall, wenn sie dem Oberverwaltungsgericht vorwirft, seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt zu haben. Dieser Vorwurf zeigt keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

5 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.

6 a) Sofern die Antragsteller der Auffassung sind, die Entscheidung sei widersprüchlich, verstoße gegen Denkgesetze und lasse willkürliche Erwägungen aufscheinen, fehlt es an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Darlegung, welche Verfahrensfehler damit bezeichnet sein sollen. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht sei hinsichtlich der Ausgleichsansprüche von unzutreffenden Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen. Sinn der Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln ist die Kontrolle des Verfahrensgangs, nicht der Rechtsfindung (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - juris Rn. 5). Inhaltliche Kritik an der Entscheidung vermag das Vorliegen von Verfahrensfehlern nicht darzulegen.

7 b) Sollten die Antragsteller mit ihren Hinweisen auf eine unzureichende und vermeintlich nicht nachvollziehbare Begründung geltend machen wollen, es läge eine Entscheidung nach § 138 Nr. 6 VwGO vor, die nicht mit Gründen versehen ist, führt auch dies nicht zur Zulassung der Revision. Der grobe Verfahrensmangel fehlender Entscheidungsgründe setzt voraus, dass diese rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den Urteilstenor tragen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 = juris Rn. 5 m.w.N. und vom 22. Juli 1999 - 9 B 429.99 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 214 = juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht dar. Sofern sie die Ausführungen zu den Umständen der Meldung des Gebiets an die EU-Kommission als unzureichend rügt, setzt sie sich zudem nicht damit auseinander, dass das Oberverwaltungsgericht diese Frage für nicht entscheidungserheblich gehalten hat.

8 c) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist ebenfalls nicht dargetan. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42). Solche Umstände fehlen. Das Gericht hat den Vortrag der Antragsteller zur Kenntnis genommen und sich mit ihm auseinandergesetzt. Es hat begründet, warum es die Frage der Meldung des Gebiets als besonderes Schutzgebiet an die EU-Kommission für nicht entscheidungserheblich hält (UA S. 14 f.) und dargestellt, welche rechtliche Bedeutung es Gesprächen außerhalb des formellen Verwaltungsverfahrens beimisst (UA S. 16). Außerdem hat es sich zu der Frage einer Störung des Mornellregenpfeifers durch Windkraftanlagen sowie zu den Auswirkungen der Bewirtschaftung der Flächen auf die Rast- und Ernährungsbedingungen der Art verhalten (UA S. 23 ff.).

9 d) Auch die Aufklärungsrüge führt auf keinen Zulassungsgrund. Sie kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Haben Beschwerdeführer - wie hier - nicht bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, muss dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2015 - 1 B 40.15 - Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 Rn. 16).

10 Sowohl die Frage der Entschädigungsansprüche als auch eine mögliche Störung des Mornellregenpfeifers durch bestehende Windkraftanlagen sind in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Dass sich gleichwohl eine weitere Tatsachenaufklärung aufgedrängt hätte, ist nicht substantiiert dargelegt.

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.