Beschluss vom 22.11.2024 -
BVerwG 10 B 11.24ECLI:DE:BVerwG:2024:221124B10B11.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 22.11.2024 - 10 B 11.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:221124B10B11.24.0]
Beschluss
BVerwG 10 B 11.24
- VG Frankfurt am Main - 23.11.2017 - AZ: 7 K 2515/16.F
- VGH Kassel - 07.12.2023 - AZ: 9 A 574/18
In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. November 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Kläger begehren nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz Zugang zu Unterlagen des Konsortialausschusses des Beklagten und der Beigeladenen, welcher zum Zwecke der Vorbereitung der Sitzungen des Aufsichtsrats der Fraport AG gebildet worden ist. Der Beklagte und die Beigeladene sind Anteilseigner dieser den Verkehrsflughafen Frankfurt am Main betreibenden Aktiengesellschaft. Die noch streitgegenständlichen Informationen betreffen im Wesentlichen Vereinbarungen über die Errichtung eines Terminals des Flughafens.
2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage wegen des von ihm angenommenen Vorrangs aktienrechtlicher Verschwiegenheitspflichten abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil teilweise geändert und den Beklagten zur Neubescheidung hinsichtlich bestimmter Informationen betreffend die Errichtung des Terminals verpflichtet. Im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen.
3 Hiergegen wenden sich der Beklagte und die Beigeladene mit ihrer Beschwerde.
II
4 Die ausschließlich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die ihr von den Beschwerdeführern zugemessene Grundsatzbedeutung ist nicht gegeben.
5 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 26. März 2024 - 10 B 53.23 - juris Rn. 4). Daran fehlt es hier.
6
Die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Rechtsfrage,
ob ein in Umsetzung einer europäischen Richtlinie erlassenes formelles Landesgesetz einem älteren, formellen Bundesgesetz im Kollisionsfall vorgeht, wenn die zum Kollisionsfall führende Abweichung des Landesrechts inhaltlich auf dem entsprechenden unionalen Richtlinienrecht beruht, das letztlich nur noch durch den Landesgesetzgeber zu übernehmen war,
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat, soweit er den Beklagten zur Neubescheidung des Informationszugangsantrages der Kläger verpflichtet hat, keine Kollision des Hessischen Umweltinformationsgesetzes (HUIG) mit den von der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen aktienrechtlichen Vorschriften über Verschwiegenheitspflichten angenommen. Vielmehr hat er den teilstattgebenden Ausspruch seines Berufungsurteils entscheidungstragend darauf gestützt, dass einem Informationszugangsanspruch der Kläger entgegenstehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht abschließend festgestellt werden könnten. Ob durch eine Preisgabe der Informationen solche gegenwärtig noch bedeutsamen Geheimnisse betroffen wären, habe der Beklagte in einem erneuten Verwaltungsverfahren unter erstmaliger Anhörung der Fraport AG zu klären. Das Berufungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass sich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Hessischen Umweltinformationsgesetzes und aktienrechtlicher Verschwiegenheitspflichten aus § 93 Abs. 1 Satz 3, § 116 Satz 1 und 2, §§ 394, 395 Abs. 1 AktG für das Vorliegen solcher Geheimnisse entsprechen (UA S. 34). Der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 HUIG nehme die aktienrechtlichen Normen insoweit vollständig in Bezug und inkorporiere sie in das Landesrecht.
7 Die von den Beschwerdeführern formulierte Rechtsfrage, die eine Abweichung des Landesrechts von Bundesrecht und eine daraus folgende Normenkollision voraussetzt, könnte deshalb allenfalls für die nicht entscheidungstragende Erwägung des Verwaltungsgerichtshofes Bedeutung gewinnen, wonach der Landesgesetzgeber durch Übernahme des Erfordernisses einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe aus Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26; Umweltinformationsrichtlinie) in § 8 Abs. 1 Satz 1 HUIG für den Bereich der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eine abschließende Spezialregelung geschaffen habe, welche die ohne Abwägungserfordernis normierten aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten für diesen Fall verdränge. Auf eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe auf der Rechtsfolgenseite von § 8 Abs. 1 Satz 1 HUIG kam es für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich an, weil es schon die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes nicht feststellen konnte.
8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG.