Verfahrensinformation

Die Kläger sind Eltern von in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Flüchtlingen und begehren die Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung (Elternnachzug, § 36 AufenthG). Die Kinder waren als unbegleitete Minderjährige eingereist, ihnen wurde vor Erreichen der Volljährigkeit Flüchtlingsschutz zuerkannt, und sie erhielten Aufenthaltserlaubnisse.


Die deutschen Auslandsvertretungen lehnten die Visumerteilung ab, weil die Kinder vor der Entscheidung über die Visumanträge volljährig geworden sind. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zur Erteilung der Visa verpflichtet, weil die Kinder für den Elternnachzug als „minderjährig“ anzusehen seien. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16), die eine abweichende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt habe, komme es maßgeblich darauf an, dass das nach Deutschland geflüchtete Kind zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig gewesen sei. Dies gelte erst Recht, wenn noch vor Erreichen der Volljährigkeit die Flüchtlingsanerkennung erfolgt und der Visumantrag gestellt worden sei. Dagegen wenden sich die (Sprung-)Revisionen der Beklagten.


Das ebenfalls am 22. April 2020 mündlich zu verhandelnde Verfahren BVerwG 1 C 16.19 betrifft die umgekehrte Konstellation des Kindernachzugs einer nach Visumantragstellung volljährig gewordenen Minderjährigen zu ihrem in Deutschland lebenden und als Flüchtling anerkannten Vater.


Beschluss vom 23.04.2020 -
BVerwG 1 C 26.19ECLI:DE:BVerwG:2020:230420B1C26.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.04.2020 - 1 C 26.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:230420B1C26.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 C 26.19

  • VG Berlin - 15.03.2018 - AZ: VG 24 K 382.16 V
  • OVG Berlin-Brandenburg - 22.05.2019 - AZ: OVG 3 B 1.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. April 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

Der Rechtsstreit wird hinsichtlich der Revision des Klägers zu 2 gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Mai 2019 unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 25.20 abgetrennt.

Gründe

1 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers zu 2 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (betreffend die Versagung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs) zurückgewiesen. Der Kläger zu 2 hat gegen das Berufungsurteil form- und fristgerecht Revision eingelegt und eine Verfahrensrüge erhoben. Der Senat beabsichtigt, mit Blick auf seine Vorlagen an den Gerichtshof der Europäischen Union in den Verfahren BVerwG 1 C 9.19 und BVerwG 1 C 10.19 (Beschlüsse vom 23. April 2020), das Verfahren in Bezug auf die Revision der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, der Klägerin zu 1 ein Visum zum Zweck des Familiennachzugs zu erteilen, wegen der Vorgreiflichkeit der Klärung unionsrechtlicher Zweifelsfragen zur Auslegung der Familienzusammenführungsrichtlinie auszusetzen. In Bezug auf die Revision des Klägers zu 2 hängt die Vorgreiflichkeit von der Entscheidung über dessen Revision ab. Es ist daher sachgerecht (§ 93 Satz 2 VwGO), den Rechtsstreit insoweit abzutrennen.