Beschluss vom 23.07.2024 -
BVerwG 4 BN 1.24ECLI:DE:BVerwG:2024:230724B4BN1.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.07.2024 - 4 BN 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:230724B4BN1.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 1.24

  • VGH Mannheim - 13.10.2023 - AZ: 14 S 237/22

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Seidel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2023 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2024 - 4 BN 20.23 - juris Rn. 5).

3 Die Beschwerdeführerin - eine Gemeinde, die sich mit einem Normenkontrollantrag erfolglos gegen die im Rahmen der Gesamtfortschreibung des Regionalplans Südlicher Oberrhein (2017) erfolgte Festlegung eines Vorranggebiets für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe gewandt hatte - wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig auf,
ob bei der zielförmigen Festlegung eines Vorranggebiets für den Rohstoffabbau als reines Vorranggebiet nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG 2009 (gemeint: 2008) (§ 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ROG 2017) die Interessen eines an dem Abbau interessierten Unternehmens als privater Belang abwägungserheblich sind, obwohl dem privaten Abbauvorhaben ohne die Festlegung des Vorranggebiets bzw. außerhalb des Vorranggebiets nicht die Ausschlusswirkung nach § 8 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 ROG 2009 (gemeint: 2008) (§ 7 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ROG 2017) oder § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstünde.

4 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist nicht entscheidungserheblich und folglich in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

5 Die Antragstellerin will verallgemeinernd geklärt wissen, ob bei einer zielförmigen regionalplanerischen Festlegung eines reinen Vorranggebiets für den Rohstoffabbau (hier: Kies) das Interesse eines die Kiesgewinnung anstrebenden Unternehmers als privater Belang in die Abwägung einzustellen ist. Ausweislich der Begründung bezieht sich die Fragestellung nicht allein auf die hier gegebene Fallkonstellation, dass das Unternehmen gerade im ausgewiesenen Vorranggebiet Kies abbauen will, sondern auch - wie die Ausführungen unter Ziffer 2.2 des Begründungsschriftsatzes zur Klärungsbedürftigkeit zeigen - auf die Situation, dass im Planaufstellungsverfahren von privater Seite andere Abbaustandorte im gesamten Planungsraum geltend gemacht werden.

6 Über die letztgenannte Fallgestaltung ist hier indessen nicht zu entscheiden; die Frage, ob ein privates Interesse, das sich im örtlichen Bezug nicht mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Rohstoffversorgung deckt, abwägungserheblich ist, stellt sich hier nicht. Damit muss auch die von der Antragstellerin als weitere Konsequenz aufgeworfene Frage, ob für den übergangenen Unternehmer eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht, unbeantwortet bleiben.

7 Auch soweit die Fragestellung davon ausgeht, dass das öffentliche und das private Interesse insoweit gleichgerichtet sind und - mit den Worten des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 27) – "wie zwei Seiten einer Medaille in einem gegenseitigen Wechselwirkungsverhältnis" stehen, als sie sich auf die Kiesgewinnung im selben Gebiet beziehen, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit. In dieser Situation ist der Unternehmer durch den Regionalplan und die hierauf bezogene Raumordnungsklausel für Außenbereichsvorhaben (§ 35 Abs. 3 BauGB) weder durch die Verbotswirkung (§ 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB) noch durch eine Ausschlusswirkung (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) negativ betroffen; vielmehr ist er nicht nur mittelbar durch die eine entgegenstehende Nutzung unterbindende innergebietliche Verbotswirkung (§ 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB), sondern darüber hinaus auch grundsätzlich durch die Positivwirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB begünstigt. Ob bereits deswegen von einem auf der Raumordnungsebene bedeutsamen Belang auszugehen ist, der mehr als geringwertig und als schutzwürdig einzustufen sowie nicht mit einem Mangel behaftet und für den Planer erkennbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2016 - 4 BN 37.15 - ZfBR 2016, 376 Rn. 9), kann in einem Revisionsverfahren gleichfalls nicht geklärt werden.

8 Denn der Verwaltungsgerichtshof hat die Abwägungsrelevanz des privaten Interesses eines am Abbau interessierten Unternehmens - in Wechselwirkung mit dem aus seiner Sicht ebenso abwägungsrelevanten öffentlichen Belang der Verlässlichkeit staatlicher Planung (Plankonstanz) – mit besonderen fallspezifischen Erwägungen zum Vertrauensschutz begründet (vgl. UA S. 26 ff.). Schon der bisherige Regionalplan habe im betroffenen Bereich eine vergleichbare Vorrangfläche festgelegt, wobei nach den zugrundeliegenden Regelungen im Interesse der Planungssicherheit u. a. für Abbauunternehmer lange Festlegungszeiträume für die Rohstoffsicherung vorgesehen gewesen seien. Abbauwillige Unternehmen hätten sich für einen Zeitraum von mindestens 30 (2 x 15) Jahren daher darauf einstellen können, dass in den betroffenen Gebieten der Rohstoffabbau Vorrang vor anderen Nutzungen habe bzw. durch andere Nutzungen nicht verhindert werden dürfe. Das besondere, auch als privater Belang abwägungsrelevante ("gehobene") Vertrauensschutzinteresse des in der Abwägung berücksichtigten Rohstoffunternehmens folge daraus, dass sich dessen konkretes Interesse an dem Abbaugebiet auch vor dem Hintergrund der bisherigen raumordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen durch die Beantragung eines Abbaus bzw. die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens bereits manifestiert habe (UA S. 30 f.). In Bezug auf diese entscheidungstragenden Ausführungen zur Abwägungsrelevanz aufgrund Vertrauensschutzes und Plankonstanz werden rechtsgrundsätzlich bedeutsame Fragen nicht aufgeworfen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.