Beschluss vom 24.03.2023 -
BVerwG 20 F 21.22ECLI:DE:BVerwG:2023:240323B20F21.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.03.2023 - 20 F 21.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240323B20F21.22.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 21.22

  • VG Berlin - 14.04.2021 - AZ: 1 K 245.19
  • OVG Berlin-Brandenburg - 21.09.2022 - AZ: 95 A 2/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 24. März 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
Prof. Dr. Burmeister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. September 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 Gegenstand des dem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahrens ist das Begehren des Klägers, Auskunft über die zu seiner Person bei einer Landesverfassungsschutzbehörde gespeicherten Daten zu erhalten.

2 1. Nachdem der seit 2012 als Redakteur bei der Tageszeitung "..." tätige Kläger bei dem Beklagten Auskunft über die zu seiner Person dort gespeicherten Daten beantragt hatte, teilte dieser ihm im Juli 2019 mit, dass von ihm personenbezogene Daten und 19 Sacherkenntnisse im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen erfasst seien. Der Mitteilung weiterer Erkenntnisse stünden nach Abwägung aller Einzelfallumstände die mangelnde Verfügungsberechtigung, Quellenschutz, Geheimhaltungsinteressen Dritter, die Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörde, der Schutz des Erkenntnisstandes und der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes sowie Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes entgegen.

3 2. Nachdem der Kläger im dagegen betriebenen Klageverfahren (VG 1 K 245.19 ) Akteneinsicht beantragt hatte, erließ das Verwaltungsgericht unter dem 15. Oktober 2020 einen Beweisbeschluss, demzufolge der Beklagte die vollständigen und ungeschwärzten, für die Entscheidung über den Auskunftsanspruch erheblichen Vorgänge der Landesverfassungsschutzbehörde zu den von der Person des Klägers gespeicherten Informationen vorlegen solle.

4 3. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport (nun Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport) des Beklagten erließ unter dem 27. Januar 2021 eine Sperrerklärung, mit der sie zwar einige Blätter des Verwaltungsvorgangs im Original, im Übrigen aber Dokumente geschwärzt oder weitgehend nicht vorlegte.

5 4. Nachdem der Kläger unter dem 13. April 2021 beantragt hatte, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festzustellen, hat das Verwaltungsgericht dem Oberverwaltungsgericht den Antrag mit begründetem Vorlagebeschluss vom 14. April 2021 übermittelt .

6 5. Mit Beschluss vom 21. September 2022 hat das Oberverwaltungsgericht den Antrag nahezu vollständig abgelehnt.

7 6. Mit seiner am 12. Oktober 2022 eingelegten Beschwerde wendet sich der Kläger gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, soweit er ablehnenden Inhalts ist.

8 Soweit das Oberverwaltungsgericht die Offenlegung der Unterlagen der ersten Untergruppe mit der Begründung ablehne, eine Quellengefährdung ergebe sich aus einer "umfangreichen Zusammenschau" der im Quellenmaterial enthaltenen Informationen, rechtfertige dies nicht die vollständige Zurückhaltung sämtlicher Dokumente. Vielmehr sei der Beklagte gehalten gewesen, eine Auswahl dergestalt zu treffen, dass Rückschlüsse aus einer umfangreichen Gesamtschau nicht mehr möglich seien.

9 Im Übrigen leide die Sperrerklärung an einem Ermessensfehler, weil der Beklagte - wie das Oberverwaltungsgericht - unberücksichtigt gelassen habe, dass er beruflich als Journalist tätig und somit das Grundrecht der Pressefreiheit betroffen sei. Soweit behauptet werde, dass ein Geheimhaltungsgrund deswegen bestehen könne, weil weitere einschlägige Kontakte des Klägers zu der linksextremen Szene bestehen könnten, unterschreite dies den gesetzlichen Maßstab. Kontakte dieser Art seien von dem Beklagten weder vorgetragen worden noch ergäben sie sich aus der Akte.

II

10 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

11 1. Das Oberverwaltungsgericht hat auf den nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen zulässigen Antrag des Klägers das Vorliegen der mit der Sperrerklärung differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO unter Anlegung rechtlich zutreffender Maßstäbe geprüft.

12 a) Gegenstand der Sperrerklärung sind dabei die Verwaltungsvorgänge in der Form, die sie zu diesem Zeitpunkt aufwiesen. Nachfolgende Ergänzungen oder Veränderungen - wie sie etwa auf Blatt 15, 188, 318, 378, 383, 388, 405, 420, 453, 474 durch neue Registraturstempelaufdrucke vorgenommen wurden - werden von ihr nicht erfasst und könnten gegebenenfalls mit einer ergänzenden Sperrerklärung versehen werden, ohne dass dem die Rechtskraft dieser oder der angefochtenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts entgegensteht (BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 20 F 1.21 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 99 Rn. 8 ff.).

13 b) Das Oberverwaltungsgericht hat die von dem Beklagten behaupteten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO im vorliegenden Fall auch zutreffend bejaht. Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 20 F 1.21 - NVwZ 2022, 90 Rn. 13).

14 aa) Soweit der Kläger dem entgegenhält, wenn nur bei einer Gesamtschau eine Quellengefährdung zu besorgen sei, sei der Beklagte gehalten gewesen, eine Auswahl dergestalt zu treffen, dass Rückschlüsse aus einer "umfangreichen Gesamtschau" nicht mehr möglich seien, verkennt er, dass dies im Ergebnis zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würde (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2022 - 20 F 10.21 - juris Rn. 11), wie dies bereits durch die ihm teilgeschwärzt zugänglich gemachten Akten - so etwa Blatt 194 - 209, 214 - 226, 464 - 466 oder 482 - 486 - deutlich geworden ist (vgl. auch Seite 15/16 der Sperrerklärung).

15 bb) Die Sperrerklärung leidet auch nicht deshalb an einem Ermessensfehler, weil sie sich nicht dezidiert zur journalistischen Tätigkeit des Klägers verhält. Sie ist abgegeben worden im Hinblick auf ein Klageverfahren, in dem der Kläger ausdrücklich und dem Beklagten auch bekannt eine Beeinträchtigung auch seiner Tätigkeit als Journalist behauptet hat. Deshalb liegt die Annahme fern, die von dem Beklagten im Rahmen der Ermessensabwägung ausdrücklich und mehrfach betonten privaten Interessen des Klägers an einer Offenbarung der über ihn vorhandenen Daten und an einer Aufklärung des Sachverhalts (Seite 3, 4, 5, 6, 8, 12) würden seine grundrechtlich geschützten beruflichen Interessen nicht mit eingeschlossen haben. Dies gilt umso mehr, als auf Seite 16 die Thematik "Akkreditierung von Journalisten" ausdrücklich erwähnt wird. Die Entscheidung des Senats selbstständig tragend kommt hinzu, dass der Kläger im Hauptsacheverfahren kein journalistisches, von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasstes Projekt behauptet hat, zu dessen Verwirklichung er auf die Information über von ihm gespeicherte Daten angewiesen wäre.

16 cc) Inwieweit die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Informationen im Einzelnen sachlich zutreffen, mag zwar im Hauptsacheverfahren Bedeutung erlangen, nicht aber im vorliegenden Zwischenverfahren. Es beschränkt sich ausschließlich auf die Prüfung, ob unabhängig von der Richtigkeit der begehrten Informationen Gründe dafür vorliegen, ihre Offenlegung zu verweigern.

17 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.