Beschluss vom 25.03.2019 -
BVerwG 4 BN 29.18ECLI:DE:BVerwG:2019:250319B4BN29.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.03.2019 - 4 BN 29.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:250319B4BN29.18.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 29.18

  • OVG Lüneburg - 10.04.2018 - AZ: OVG 1 KN 179/15

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. April 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf,
welche Anforderungen an die Ermittlung des Abwägungsmaterials zu stellen sind, wenn die Festsetzungen in dem fraglichen Planbereich lediglich den bisherigen Bestand festschreiben und sich insoweit keine Änderungen ergeben.

4 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.

5 a) Die Beschwerde geht davon aus, dass mit der Ausweisung eines Dorfgebiets gegenüber dem bisherigen Planungsstand keine Änderung vorgesehen sei. Würde der Bebauungsplan nicht aufgestellt, so würden sich für die Nachbarschaft zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben und den Gemeinbedarfseinrichtungen keine Änderungen ergeben. Das "Maß der jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten" ergebe sich vielmehr in der vom Oberverwaltungsgericht beschriebenen Weise aus dem Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme. Gegebenenfalls sei die "Mittelwertrechtsprechung" heranzuziehen. An dieser rechtlichen Situation ändere sich nichts, wenn der Bebauungsplan die vorhandenen Nutzungen festschreibe. Hierdurch werde auch der Umfang des zu ermittelnden Abwägungsmaterials begrenzt. Unerheblich sei, ob nicht alle Gemeinbedarfsnutzungen genehmigt seien. Denn das Oberverwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass nicht genehmigte Nutzungen von der Nachbarschaft noch mit Rechtsbehelfen angefochten werden könnten.

6 Diese Annahmen gehen an den Gründen des angegriffenen Urteils vorbei. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass sich durch die Planaufstellung für die Nachbarschaft zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben und den Gemeinbedarfseinrichtungen keine Änderungen ergeben. Es hat angenommen, dass der Plan nicht zuletzt dazu bestimmt sei, den "allenfalls teilweise genehmigten Nutzungen" Kindergarten, Schwimmbad, Dorftreff und Sportplatz eine planerische Grundlage zu verschaffen (UA S. 11). Bereits insoweit ergeben sich nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für die Nachbarschaft zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben und den Gemeinbedarfseinrichtungen Änderungen, die es aus seiner Sicht erforderlich machten, die voraussichtlich einwirkenden Gerüche zutreffend zu ermitteln. Denn erst auf dieser Grundlage lasse sich beurteilen, ob die zu erwartenden Gerüche am Ende doch so weit die für das in Aussicht genommene Gebiet geltende Geruchsdauer (nach GIRL) überschritten, dass die Geruchsfrachten im Wesentlichen eigentlich einem anderen, weniger schützenden Baugebiet entsprechen.

7 Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) zwar nicht in Abrede gestellt, dass die jedenfalls teilweise fehlende Genehmigung dieser Einrichtungen nicht ausschließe, auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen und deren Existenz der Abwägungsentscheidung zugrunde zu legen mit der Folge, dass sie nach den Grundsätzen einer bereits bestehenden Gemengelage behandelt werden dürften. In einem solchen Fall könne es nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts gerechtfertigt sein, die für die verschiedenen Bereiche geltenden Geruchsimmissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert zu erhöhen, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich sei. Aber auch für die Höhe des Zwischenwerts hat das Oberverwaltungsgericht die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets für maßgeblich gehalten. Wesentliche Kriterien hierfür seien unter anderem die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der landwirtschaftlichen Nutzung sowie die Ortsüblichkeit der Gerüche, unter Umständen auch, welche der vorderhand unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die nicht genehmigten Gemeinbedarfseinrichtungen von der Nachbarschaft noch mit Rechtsbehelfen angefochten werden könnten, kam es nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht an.

8 b) Hiervon unabhängig legt die Beschwerde nicht dar, inwiefern die von ihr formulierte Frage über den Einzelfall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte. In der Sache erschöpft sie sich in einer Urteilskritik im Stil der Begründung eines zulassungsfreien Rechtsmittels.

9 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

10 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Daran fehlt es hier.

11 a) Eine Abweichung vom Urteil des Senats vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - (BVerwGE 84, 322) ist nicht bezeichnet.

12 Die von der Beschwerde insoweit in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - a.a.O. S. 330 = juris Rn. 26 f.) sind auf die städtebauliche Vertretbarkeit der Weiterentwicklung eines bestehenden Betriebes nach § 34 Abs. 3 BauGB a.F. gemünzt, während sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 ff.) zu der nach § 2 Abs. 3 BauGB gebotenen Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials verhalten hat. Es fehlt also bereits an der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorausgesetzten Anwendung derselben Rechtsvorschrift. Im Übrigen übersieht die Beschwerde, dass die von ihr angeführten Ausführungen des Senatsurteils vom 15. Februar 1990 (a.a.O.) das Urteil nicht tragen, sondern "Segelanweisungen" an die Vorinstanz sind. Abweichungen von solchen Ausführungen können nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1996 - 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28).

13 b) Die angegriffene Entscheidung weicht nicht von dem Beschluss des Senats vom 6. Februar 2003 - 4 BN 5.03 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 116) ab. Die angeführten Aussagen aus dem Senatsbeschluss tragen den Beschluss nicht, weil sie für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich waren (a.a.O. S. 72).

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.