Beschluss vom 25.04.2023 -
BVerwG 1 WB 47.21ECLI:DE:BVerwG:2023:250423B1WB47.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.04.2023 - 1 WB 47.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:250423B1WB47.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 47.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Angermeyer und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Fischer
am 25. April 2023 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen seine Wegversetzung vom Planungsamt der Bundeswehr.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich am 30. September ... Er ist Oberstleutnant der Besoldungsgruppe A 15. Seit September ... wurde er im ... der Bundeswehr in ..., zuletzt als Einsatzstabsoffizier (Referent) im Referat ..., verwendet.

3 Am 28. April 2020 händigte der Disziplinarvorgesetzte, der Leiter des ..., dem Antragsteller den Entwurf eines Antrags auf dessen vorzeitige Versetzung von seinem Dienstposten aus. Es lägen andauernde erhebliche Störungen und unauflösbare schwere Spannungen vor, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten und denen nur mit der Versetzung des Antragstellers begegnet werden könne. Betroffen sei sowohl das Verhältnis des Antragstellers zu seinen Vorgesetzten als auch zu seinen Kameraden und Kollegen in der Dienststelle. Eine Wiederaufnahme eines spannungs- und störungsfreien Dienstbetriebs werde für ausgeschlossen gehalten.

4 Mit einem 69 Seiten umfassenden Schreiben vom 4. Mai 2020 nahm der Antragsteller hierzu im Einzelnen Stellung.

5 Mit Schreiben vom 6. Mai 2020 beantragte der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die vorzeitige Versetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten. Unter dem 14. Mai 2020 erklärte der ... des ..., dass er diesen Antrag mit allem Nachdruck unterstütze.

6 Auf Anforderung des Bundesamts für das Personalmanagement gab der Disziplinarvorgesetzte eine Ergänzung zum Antrag auf vorzeitige Versetzung ab, die der Antragsteller im Entwurf am 27. Juli 2020 erhalten hat. Der Ergänzung beigefügt sind Stellungnahmen des Referatsleiters ... vom 8. Juli 2020, des Unterabteilungsleiters ... vom 8. Juli 2020 und des Abteilungsleiters ... vom 6. Juli 2020, die sich zum dienstlichen Verhalten des Antragstellers äußern und allesamt bekräftigen, dass dieses den Dienstbetrieb erheblich belaste.

7 Die Verfahrensakte enthält zwei Formblätter zur Anhörung gemäß § 24 SBG. Auf dem einen hat der Antragsteller mit Datum vom 28. April 2020 das Feld "Hiermit lehne ich die Anhörung des Beteiligungsorgans ab" nicht angekreuzt, auf dem anderen hat er mit Datum vom 27. Juli 2020 dieses Feld angekreuzt.

8 Mit Verfügung Nr. ... vom 16. Februar 2021 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 1. März 2021 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim Kommando ..., in ...

9 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. Februar 2021 Beschwerde und beantragte, die Vollziehung der Versetzungsverfügung gemäß § 3 Abs. 2 WBO bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen. Zur Begründung verwies er auf die in seinen Schreiben vom 4. Mai und 30. Juli 2020 angeführten Einwände. Ergänzend führte er aus, dass in keinem Fall nachgewiesen worden sei, dass er Vorschriften, Weisungen oder Befehle missachtet habe. In Konflikten wie dem vorliegenden sei regelmäßig eine Mediation oder Supervision eine geeignete Lösungsmöglichkeit, die in seinem Falle nicht in Betracht gezogen worden sei. Da sein Dienstvorgesetzter Teil der Störungen und Spannungen sei, habe nicht er, sondern nur ein höherer Vorgesetzter den Antrag auf vorzeitige Versetzung stellen dürfen. Auch sei die Anhörung des Beteiligungsorgans unterblieben. Im Übrigen hätten statt seiner die Vorgesetzten, die die Spannungen herbeigeführt hätten oder die Herbeiführung duldeten, wegversetzt werden können.

10 Mit Entscheidung vom 30. März 2021 lehnte das Bundesministerium der Verteidigung den Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO ab. Zur Begründung führte es aus, dass keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versetzung bestünden. Ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung liege gemäß Nr. 205 Buchst. g der Zentralen Dienstvorschrift A-1420/37 regelmäßig vor, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten, nur durch die Versetzung des Soldaten behoben werden könnten. Ein solcher Zustand bestehe nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag des Antragstellers und seiner Vorgesetzten. Auf die Frage, wer für die negativen Rahmenbedingungen verantwortlich sei, komme es nicht an. Gleiches gelte für ein mögliches Verschulden. Der Antragsteller habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu der vorzeitigen Versetzung zu äußern. Die Anhörung eines Beteiligungsorgans habe er ausdrücklich abgelehnt. Die Versetzung an einen etwas weiter entfernten Dienstort innerhalb ... sei nicht zu beanstanden. Auf das Mandat des Antragstellers als Bürgerdeputierter sei ebenso wie auf seine familiären Belange Rücksicht genommen worden. Sofern im Einzelfall zur Ausübung des Mandats ein früheres Verlassen der Dienststelle erforderlich werden sollte, sei dies im Rahmen der Gleitzeit gewährleistet.

11 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. April 2021 hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde vom 23. Februar 2021 gegen die Versetzungsverfügung vom 16. Februar 2021 anzuordnen. Der Senat hat diesen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 9. Juli 2021 - 1 W-VR 6.21 - abgelehnt.

12 Mit Verfügung Nr. ... vom 17. Mai 2021 setzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 1. Juli 2021 innerhalb des Kommandos ... auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim Referat ... um.

13 Mit Bescheid vom 5. August 2021 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde des Antragstellers gegen seine Wegversetzung vom ... zurück. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 9. Juli 2021.

14 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. August 2021 hat der Antragsteller daraufhin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Hauptsache beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 8. November 2021 dem Senat vorgelegt.

15 Zur Begründung führt der Antragsteller, unter Einbezug seines Vortrags im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, insbesondere aus:
Es sei nicht unerheblich, wer die Spannungen und Störungen verursacht habe. Seien Unstimmigkeiten, die das Vertrauensverhältnis in einer den Dienstbetrieb beeinträchtigenden Weise zerstört hätten, von einer Person allein verursacht worden, so sei es ermessensfehlerhaft, das Opfer dieses schuldhaften Verhaltens wegzuversetzen. Andernfalls hätte es der Dienstherr in der Hand, den Grund für eine Spannungsversetzung selbst zu schaffen. Ihm, dem Antragsteller, würden unkonkrete und pauschale Vorwürfe entgegengehalten, die er in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2020 widerlegt habe. Pflichtverletzungen oder Schlechtleistungen seien nicht nachgewiesen. Auch Vorwürfe wegen fehlender Dienst- und Verwendungsfähigkeit hätten sich als haltlos erwiesen. An einer Beseitigung der Störungen im Dienstbetrieb habe sich die Antragsgegnerin nicht interessiert gezeigt; andernfalls hätte sie versuchen müssen, über eine Mediation oder Supervision zu einer Lösung zu kommen. Eine Lösung hätte auch darin bestanden, nicht ihn, sondern seinen Disziplinarvorgesetzten wegzuversetzen.

16 Ein in seiner neuen Dienststelle unter dem 29. April 2021 erstellter Beurteilungsbeitrag äußere sich außerordentlich positiv zu seinen Leistungen und zu seiner Umgangsart. Allerdings sei inzwischen auch sein früherer Disziplinarvorgesetzter vom ... zum Kommando ... versetzt worden, wenn auch in einem Referat einer anderen Abteilung (...); gleichwohl ergäben sich Schnittmengen und Berührungspunkte in der Aufgabenwahrnehmung, etwa anlässlich eines Vortrags bei einem Truppenbesuch von Bundestagsabgeordneten. Er beanstande ferner, dass sein Disziplinarvorgesetzter den Antrag auf vorzeitige Versetzung gestellt habe. Da dieser selbst Teil der Störungen sei, wäre der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte zuständig gewesen. Weiterhin fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der Vertrauensperson sowohl im Ausgangs- als auch im Beschwerdeverfahren. Auf seine persönlichen Belange sei nicht angemessen Rücksicht genommen worden. So habe sich sein Arbeitsweg (hin und zurück) von rund 80 Minuten auf 180 Minuten mit dem öffentlichen Personennahverkehr verlängert. Auch sei der Anteil der Arbeit im Homeoffice beim Kommando ... wesentlich geringer als in der bisherigen Dienststelle. Die zeitlichen Belastungen wirkten sich zudem auf seine Tätigkeit als Bürgerdeputierter in einem Ausschuss der Bezirksverordnetenversammlung ... aus.

17 Der Antragsteller beantragt,
die Versetzungsverfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 16. Februar 2021 und den Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 5. August 2021 aufzuheben.

18 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

19 Zur Begründung werden im Wesentlichen dieselben Gesichtspunkte wie in der Entscheidung vom 30. März 2021 angeführt. Unverkennbar hätten im ... erhebliche Störungen, Spannungen und Vertrauensverluste bestanden. Dies zeige sich allein schon an dem außergewöhnlichen Umfang der Darlegungen der Beteiligten. Für die Spannungsversetzung komme es nur auf die Störung des Dienstbetriebs an, nicht auf ein Verschulden oder auf das Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen. Ausschlaggebend sei allein, dass die vorhandenen Probleme durch die Versetzung des Soldaten gelöst werden könnten. Das sei hier der Fall. Nach dem glaubwürdigen Vortrag des ... entzünde sich die missliche Situation immer wieder an der Person des Antragstellers und dessen Verhalten. Die Tatsache, dass der Antragsteller zahlreiche Beschwerden erhoben und Eingaben gestellt habe, bilde dabei nicht den Versetzungsgrund. Zwischen dem Antragsteller und seinem inzwischen ebenfalls zum Kommando ... versetzten früheren Disziplinarvorgesetzten bestehe dort kein direktes Unterstellungsverhältnis und lägen auch keine Berührungspunkte im Aufgabenbereich vor. Die Anhörung eines Beteiligungsorgans habe der Antragsteller im Ausgangsverfahren abgelehnt. Im Beschwerdeverfahren habe er die Beteiligung der Vertrauensperson, trotz entsprechender Belehrung, bis zum Erlass des Beschwerdebescheids nicht beantragt; im Übrigen habe sich die Vertrauensperson unter dem 25. Oktober 2021 noch nachträglich geäußert. Auf das Mandat des Antragstellers und seine familiären Belange sei hinreichend Rücksicht genommen worden. Dass in verschiedenen Dienststellen unterschiedliche Vorgaben zum ortsungebundenen Arbeiten bestünden, müsse er hinnehmen.

20 Mit 1. Korrektur vom 22. Februar 2022 zur Verfügung Nr. ... wurde die voraussichtliche Verwendungsdauer des Antragstellers beim Kommando ..., Referat ..., bis 31. März 2023 verlängert. Nach Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung besteht dies aktuell unverändert fort.

21 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung, die Akte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 W-VR 6.21 und die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem Senat bei der Entscheidung vor.

II

22 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

23 1. Der Antrag ist mit der folgenden Maßgabe zulässig.

24 Der Antragsteller wendet sich gegen seine Versetzung zum 1. März 2021 vom ... der Bundeswehr in ... zum Kommando ... in ... Die von ihm angefochtene Verfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 16. Februar 2021 wurde noch vor Erlass des Beschwerdebescheids durch die Verfügung Nr. ... vom 17. Mai 2021 dahingehend modifiziert, dass der Antragsteller innerhalb des Kommandos ... von einem dienstpostenähnlichen Konstrukt beim Referat ... auf ein ebensolches beim Referat ... umgesetzt wurde. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb sachdienlich um die Anfechtung auch der Verfügung Nr. ... zu ergänzen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO).

25 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

26 Die Verfügungen des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr Nr. ... vom 16. Februar 2021 und Nr. ... vom 17. Mai 2021 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 5. August 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

27 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßgaben und Verfahrensregeln eingehalten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27>), wie sie sich hier insbesondere aus der Zentralen Dienstvorschrift A-1420/37 zu "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten" (in der hier anzuwendenden Version 1, gültig ab 15. Juni 202o) ergeben.

28 Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung ist im Falle der Anfechtung einer Personalmaßnahme der Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung an den Senat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juli 1980 - 1 WB 57.78 - BVerwGE 73, 48 <49 f.>, vom 28. Oktober 2008 - 1 WB 49.07 - BVerwGE 132, 234 Rn. 51 und vom 30. Juni 2016 - 1 WB 28.15 - juris Rn. 27 m. w. N.). Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Vorlageschreibens des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. November 2021.

29 b) Für die Versetzung des Antragstellers bestand ein dienstliches Erfordernis (Nr. 204 Buchst. a ZDv A-1420/37).

30 aa) Gemäß Nr. 205 Buchst. g ZDv A-1420/37 liegt ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung regelmäßig vor, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung der Soldatin bzw. des Soldaten behoben werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es im Falle einer solchen sog. Spannungsversetzung nicht darauf an, wer an der Entstehung der Störungen, Spannungen oder des Vertrauensverlusts "schuld" ist bzw. ob einem der Beteiligten überhaupt eine "Schuld" im Rechtssinne zugewiesen werden kann; für eine Wegversetzung genügt es vielmehr, dass der von der Maßnahme betroffene Soldat an den entstandenen Störungen, Spannungen und Vertrauensverlusten beteiligt war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2012 - 1 WDS-VR 6.12 und 7.12 - juris Rn. 40 m. w. N.).

31 Soweit der Antragsteller auf die Rechtsprechung des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Revisionssenats verweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2004 - 2 B 72.04 - Buchholz 235 § 9 BDO Nr. 41 Rn. 13 m. w. N.), ergeben sich daraus für den vorliegenden Fall keine anderen Maßstäbe. Denn auch danach ist eine Störung der reibungslosen Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes durch innere Spannung und durch Trübung des Vertrauensverhältnisses regelmäßig als Beeinträchtigung des täglichen Dienstbetriebs zu werten, um deren Abstellung der Dienstherr zu sorgen hat. Wenn dafür nach Lage des Falles die Versetzung eines der Streitbeteiligten geboten erscheint, so sei ein dienstliches Bedürfnis für die Versetzung grundsätzlich bereits aufgrund der objektiven Beteiligung an dem Spannungsverhältnis zu bejahen, also - wie nach der Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats - von der Verschuldensfrage unabhängig. Soweit der 2. Revisionssenat hinzufügt, dass es sich im Einzelfall nicht ausschließen lasse, dass das Verschulden eines der Streitbeteiligten für die Rechtmäßigkeit des behördlichen Ermessens bedeutsam sein könne, ist dabei ersichtlich an besonders gelagerte Konstellationen gedacht. Eine solche liegt, wie sich aus dem Folgenden ergibt, hier jedoch nicht vor.

32 bb) Die Einschätzung, dass beim ... der Bundeswehr Störungen, Spannungen und Vertrauensverluste bestanden, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten und die Versetzung des Antragstellers erforderten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

33 (1) Nach der Darstellung des Leiters des Leitungsbüros und des ... des ... war das Verhalten des Antragstellers durch permanente Beschwerden, Eingaben, Auskunftsbegehren, Fragenkataloge und Meldungen, ein kompromissloses Insistieren auf Positionen, die von anderen nicht geteilt werden, sowie die Übertonung von Aspekten jenseits der fachlich-inhaltlichen Schwerpunktsetzung - alles in einem zunehmenden und eskalierenden Umfang - gekennzeichnet. Der Antragsteller habe sich sowohl im Verhältnis zu Vorgesetzten als auch zu gleichgestellten Kameraden als nicht kritik- und reflektionsfähig erwiesen; Eigen- und Fremdwahrnehmung hätten eklatant auseinandergeklafft. Sein Verhalten sei als egozentrisch, unkameradschaftlich/unkollegial, unkooperativ, pedantisch und unprofessionell, phasenweise auch als aggressiv und übergriffig empfunden worden. Fachvorgesetzte hätten mittlerweile ein Vermeidungsverhalten gezeigt, weil sie befürchteten, dass dem Antragsteller nicht genehme Entscheidungen mindestens zu unverhältnismäßigem Mehraufwand, schlimmstenfalls sogar zu einer Strafanzeige führten. Der Dienstbetrieb und der Betriebsfrieden seien hierdurch massiv und irreparabel gestört worden. Darunter hätten Effizienz und Qualität der Arbeit gelitten, was inzwischen auch außerhalb des ... wahrgenommen worden sei. Die Wiederaufnahme eines spannungs- und störungsfreien Dienstbetriebs habe die Versetzung des Antragstellers erfordert.

34 Der Antragsteller sieht sich hingegen nicht als Verursacher dieser Situation. Er sei ein stets korrekter und vorbildlicher Soldat. Pflichtverletzungen oder Fehl- bzw. Schlechtleistungen seien ihm nie nachgewiesen worden. Er habe sich dafür eingesetzt, dass Vorschriften, Befehle und Direktiven in seinem Verantwortungsbereich eingehalten und umgesetzt würden. Diesem Engagement sei von Seiten der Dienststelle, namentlich seines nächsten Disziplinarvorgesetzten, mit Mobbing begegnet worden, das von der Amtsleitung zumindest geduldet worden sei. Der Antragsteller sieht die Dienststelle in der Pflicht, die bestehenden Spannungen durch ein Vermittlungsverfahren aufzulösen. Jedenfalls sei nicht er als das Opfer des Mobbings, sondern seine Vorgesetzten wegzuversetzen.

35 (2) Diese Schilderungen und Positionierungen belegen eindrücklich, dass zwischen den Beteiligten eine tiefgreifende und verhärtete Konfrontation bestand. Insofern ist der Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung zu folgen, dass alle Beteiligten von dem Vorliegen einer Spannungslage im Sinne von Nr. 205 Buchst. g ZDv A-1420/37 ausgehen und sich lediglich in der Deutung und Bewertung der Ursachenzusammenhänge unterscheiden. Auf diese wie auch auf Fragen des Verschuldens kommt es nach dem oben Gesagten jedoch grundsätzlich nicht an.

36 Es liegt ersichtlich auch nicht die vom Antragsteller geltend gemachte besondere Situation vor, wonach er sich in einer einseitigen Opferrolle befunden habe. Sein Verhalten stieß bei unterschiedlichen Anlässen und gegenüber zahlreichen Vorgesetzten, Kameraden und Kollegen auf Unverständnis und Ablehnung. Auch ohne eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts in allen Einzelpunkten lässt sich jedenfalls eine derartig einseitige Zuschreibung nicht vornehmen. Erkennbar ist allerdings, dass der Antragsteller den Dreh- und Angelpunkt der in seinem dienstlichen Umfeld bestehenden Querelen bildet. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass zur Behebung der Belastung des Dienstbetriebs an seiner Person angesetzt wurde. Angesichts der eingetretenen Verfestigung der Spannungslage war auch von einem - vom Antragsteller angemahnten - vermittelnden oder mediatisierenden Verfahren keine Wiederherstellung eines reibungslosen Dienstbetriebs in angemessener Zeit zu erwarten.

37 (3) Die Behebung der Spannungslage durch Wegversetzung des Antragstellers verstößt schließlich nicht gegen das Verbot des § 2 WBO, wonach niemand dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden darf, weil er (u. a.) eine unbegründete Beschwerde erhoben hat. Zwar hat der Antragsteller im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Sachverhalt zahlreiche - nach Darstellung des ... der Bundeswehr durchweg erfolglose - Beschwerden nach der Wehrbeschwerdeordnung gegen verschiedene Personen erhoben. Grundlage und Auslöser der Versetzung sind jedoch, wie das Bundesministerium der Verteidigung klargestellt hat, das sonstige dienstliche Verhalten des Antragstellers und die dadurch ausgelösten Störungen des Dienstbetriebs. Maßnahmen zur Wiederherstellung und Gewährleistung eines geordneten Dienstbetriebs stellen keine Maßregelung oder Benachteiligung im Sinne des § 2 WBO dar, sofern diese Zwecksetzung nicht lediglich vorgeschoben ist, was hier erkennbar nicht der Fall ist. Andernfalls wäre im Übrigen das Instrument der Spannungsversetzung der Gefahr ausgesetzt, leerzulaufen, weil in Konfliktsituationen nicht selten eine Beschwerde des betroffenen Soldaten inmitten steht oder ggf. gezielt erhoben werden könnte.

38 cc) Nicht durchdringen kann der Antragsteller schließlich, soweit er sich auf Umstände beruft, die nach seiner Versetzung zum Kommando ... eingetreten sind.

39 (1) Dies gilt zunächst für den an der neuen Dienststelle erstellten Beurteilungsbeitrag über die dortige Tätigkeit des Antragstellers. Soweit darin der Antragsteller positiv beschrieben und bewertet wird, zeugt dies dafür, dass er sich beim Kommando ... gut eingefügt hat, bedeutet aber nicht, dass beim ... keine Spannungen und Störungen des Dienstbetriebs vorgelegen hätten.

40 (2) Ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Versetzung ist auch die Tatsache, dass der frühere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers beim ... zum 30. August 2021 ebenfalls zum Kommando ... versetzt wurde. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem früheren Disziplinarvorgesetzten zwar ein wesentliches Element der Spannungen und Störungen des Dienstbetriebs beim ... darstellten, diese sich jedoch darüber hinaus auf weitere Vorgesetzte und Fachvorgesetzte mehrerer Hierarchieebenen und auf Kameraden und Kollegen erstreckten. Dass die Versetzung des früheren Disziplinarvorgesetzten, wie der Antragsteller vermutet, schon im Zeitpunkt seiner eigenen (seit 28. April 2020 formal betriebenen und zum 1. März 2021 erfolgten) Wegversetzung so geplant war, ist letztlich Spekulation. Die personalbearbeitende Stelle verhielt sich jedenfalls nicht widersprüchlich oder schikanös, weil der frühere Disziplinarvorgesetzte und der Antragsteller beim Kommando ... in unterschiedlichen Referaten ohne Überschneidungen des Aufgabenbereichs und ohne unmittelbares Über- und Unterordnungsverhältnis eingesetzt sind. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es in Sondersituationen - wie der vom Antragsteller genannten Präsentation bei einem Truppenbesuch von Abgeordneten beim Kommando ... – zu vereinzelten (und zudem vermeidbaren) Berührungspunkten kommen kann.

41 c) Auch sonst liegen keine Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Versetzung vor.

42 aa) Den persönlichen und familiären Belangen des Antragstellers ist hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass er an eine andere Dienststelle innerhalb von ... versetzt und er damit zu keinem Umzug genötigt wurde. Die Verlängerung der Fahrtzeit zwischen Wohnung und Dienststelle und die entsprechende Verkürzung der Freizeit gehen nicht über das hinaus, was auch von anderen Soldaten zumutbar erwartet wird und sind daher von ihm hinzunehmen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihm, zumal als Soldaten, auch unter den im Versetzungszeitpunkt herrschenden Pandemiebedingungen wie jedem anderen Bürger zuzumuten. Einen Anspruch darauf, dass an der neuen Dienststelle dieselben Bedingungen zum ortsungebundenen Arbeiten bestehen wie an seiner bisherigen Dienststelle, hat der Antragsteller nicht.

43 bb) Es ist vom Antragsteller weder dargelegt noch sonst ersichtlich, inwiefern es ihm durch die Versetzung nicht möglich sein sollte, sein Mandat als Bürgerdeputierter in einem Ausschuss der Bezirksverordnetenversammlung ... weiterhin wahrzunehmen (Nr. 222 Buchst. c Satz 3 ZDv A-1420/37).

44 d) Es führen auch keine Verfahrensfehler zur Rechtswidrigkeit der Versetzung.

45 aa) Der Antragsteller hatte ausreichend Gelegenheit, sich zu den Gründen für den Antrag auf vorzeitige (Weg-)Versetzung zu äußern (Nr. 211 ZDv A-1420/37), und hat hiervon insbesondere durch sein Schreiben vom 4. Mai 2020 Gebrauch gemacht. Soweit eine Anhörung hinsichtlich der (Zu-)Versetzung zum Kommando ... nicht erfolgt sein sollte, wäre diese durch die Beschwerde vom 23. Februar 2021 nachgeholt (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG).

46 bb) Es liegen auch keine Fehler bei der Anhörung nach dem Soldatenbeteiligungsrecht vor.

47 (1) Einer Anhörung des Beteiligungsorgans beim Erlass der Versetzungsverfügung, die stattzufinden hat, wenn der Betroffene diese nicht ausdrücklich ablehnt (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 SBG), hat der Antragsteller ausdrücklich widersprochen. Er hat zwar auf dem entsprechenden Formblatt unter dem 28. April 2020 das Feld "Hiermit lehne ich die Anhörung des Beteiligungsorgans ab" offengelassen, dieses Feld jedoch auf einem weiteren Formblatt unter dem 27. Juli 2020 angekreuzt. Das Bundesamt für das Personalmanagement war berechtigt, sich an die zeitlich jüngere und im Zeitpunkt der Entscheidung über die Versetzung aktuelle Erklärung des Antragstellers zu halten.

48 (2) Die Anhörung der Vertrauensperson im Beschwerdeverfahren wurde jedenfalls wirksam nachgeholt.

49 Bei Beschwerden in Personalangelegenheiten im Sinne des § 24 Abs. 1 und 2 SBG ist die Vertrauensperson nur auf Antrag des Beschwerdeführers, der darauf hinzuweisen ist, anzuhören (§ 31 Abs. 2 Satz 2 SBG). Einen solchen Hinweis hat der Antragsteller aktenkundig am 19. März 2021 erhalten. Außerdem wurde er mit E-Mails vom 28. Juli und 29. Juli 2021 aufgefordert, binnen einer Woche zu erklären, ob er eine Beteiligung im Beschwerdeverfahren wünscht. Einen entsprechenden Antrag hat der Antragsteller bis zum Erlass bzw. zur Zustellung des Beschwerdebescheids am 5. bzw. 11. August 2021 nicht gestellt.

50 Es kann offenbleiben, ob der vom Antragsteller danach, nämlich mit E-Mail vom 23. August 2021, gestellte Antrag auf Beteiligung gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 SBG vom Bundesministerium der Verteidigung noch zu berücksichtigen war. Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe den Hinweis erstmalig durch die E-Mails vom 28. Juli und 29. Juli 2021 erhalten, trifft dies nicht zu. Soweit er sich darauf beruft, dass er die E-Mails erst nach Rückkehr aus dem Erholungsurlaub am 23. August 2021 habe beantworten können, enthält seine Erklärung nichts dazu, wann dieser Urlaub begonnen hat; das Bundesministerium der Verteidigung hat insoweit ausgeführt, auf seine E-Mails hin keine - sonst üblicherweise aktivierte - Abwesenheitsanzeige erhalten zu haben.

51 Eine - einen beachtlichen Antrag unterstellt - erforderliche Anhörung wurde jedenfalls wirksam dadurch nachgeholt, dass sich der Soldatenvertreter der Offiziere im Personalrat der Dienststelle des Antragstellers (§ 63 Abs. 2 SBG) mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 zu dessen Beschwerde geäußert hat. Die Nachholung einer Anhörung der Soldatenvertreter im Personalrat ist rechtlich möglich, solange die zuständige Stelle bei der Entscheidung über die Personalmaßnahme ihr Ermessen noch ausüben und dabei das Ergebnis einer nachgeholten ordnungsgemäßen Anhörung noch in diese Entscheidung einbeziehen kann (vgl. insbesondere BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 WB 60.04 - Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 LS 4 und S. 3 f.). Das gilt auch für den Zeitraum zwischen dem Erlass der Beschwerdeentscheidung (5. August 2021) und der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung an den Senat (Schreiben vom 8. November 2021), weil das Vorlageverfahren (§ 21 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 WBO) gerade auch die nochmalige Möglichkeit einer Abhilfeprüfung eröffnen soll.

52 cc) Auch die Tatsache, dass der nächste Disziplinarvorgesetzte (Leiter des Leitungsbüros) den Antrag auf vorzeitige Versetzung gestellt hat, obwohl dieser selbst Teil der Störungen war und deshalb der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte (...) zuständig gewesen wäre (Nr. 213 Satz 1 und 2 ZDv A-1420/37), macht die Versetzung nicht rechtswidrig. Zum einen kann die - mit einer eigenständigen Begründung des dienstlichen Erfordernisses versehene - Stellungnahme des ... des ... vom 14. Mai 2020 als eigener Vorschlag, den Antragsteller wegzuversetzen, verstanden werden. Zum anderen erfolgt die Entscheidung über die Versetzung durch das hierfür zuständige Bundesamt für das Personalmanagement grundsätzlich von Amts wegen (Nr. 209 Satz 1 ZDv A-1420/37). Soweit eine Versetzung auch ("zudem") von Vorgesetzten vorgeschlagen werden kann (Nr. 209 Satz 2 ZDv A-1420/37), ist dieser Vorschlag einem notwendigen Antrag (§ 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG) nicht vergleichbar, sodass bereits kein heilungsbedürftiger Fehler (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) vorliegt.