Beschluss vom 25.09.2025 -
BVerwG 1 WB 39.25ECLI:DE:BVerwG:2025:250925B1WB39.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 25.09.2025 - 1 WB 39.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:250925B1WB39.25.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 39.25
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk, den ehrenamtlichen Richter Brigadegeneral Kuhn und den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Plieske am 25. September 2025 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Das Verfahren betrifft die Auswahl für den Dienstposten des Dienststellenleiters der Deutschen Delegation ...
2 Der Antragsteller ist Oberst (Besoldungsgruppe A 16) und wurde nach eigenen Angaben für die Nachbesetzung dieses Dienstpostens zum 1. April 2025 angefragt. Da seine Dienstzeit voraussichtlich im Januar 2026 endet, war er dazu nach seiner Schilderung nur unter Zusicherung einer Dienstzeitverlängerung bereit.
3 Der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr wählte am 24. Januar 2025 daraufhin den Beigeladenen für den Dienstposten aus. Als Organisationsgrundmodell ist "Querversetzung" vermerkt. Der Beigeladene erfülle neben allen zwingenden auch alle wünschenswerten Anforderungen des Dienstpostens.
4 Gegen diese Auswahlentscheidung wandte sich der Antragsteller mit Beschwerde vom 3. Februar 2025. Er sieht eine Diskriminierung darin, dass dem Beigeladenen, der auch nur eine Restdienstzeit von rund einem Jahr ab Dienstantritt gehabt habe, eine Dienstzeitverlängerung in nicht bekanntem Umfang gewährt worden sei, ihm hingegen nicht. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG. Nachdem binnen eines Monats keine Entscheidung über die Beschwerde erging, erhob der Antragsteller am 12. März 2025 weitere Beschwerde, die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
5 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor, dass eine Auswahlentscheidung entlang den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG geboten gewesen sei. Auslandsverwendungen seien stets als förderlich anzusehen. Bei einer Auswahlentscheidung nach dem Leistungsprinzip hätte er berücksichtigt und ausgewählt werden müssen. Er habe in der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine besondere Expertise als Abteilungsleiter im Stab "Rapid Reaction Corps France" von 2021 bis 2025 erworben. Außerdem sei er zweimal als militärischer Führer mit der Disziplinarbefugnis eines Bataillonskommandeurs verwendet worden. Auf den nur nachrangig geforderten Kompetenzbereich Militärpolitik könne es nicht entscheidend ankommen, weil der Dienstposten dem Kompetenzbereich Einsatz und Führung zuzuordnen sei.
6
Der Antragsteller beantragt,
die getroffene Auswahlentscheidung für die Besetzung des Dienstpostens "Leiter Deutsche Delegation ..." mit Dienstort ... zu seinen Gunsten zu korrigieren und seine Dienstzeit im selben Umfang wie bei seinem Konkurrenten zu verlängern,
hilfsweise, über die Besetzung des oben genannten Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des 1. Wehrdienstsenats neu zu entscheiden.
7
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
8 Es betont, dass aufgrund der gewählten Organisationsgrundentscheidung die Auswahl für den Dienstposten allein unter militärischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten getroffen werden konnte. Eine Auswahl nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG sei nicht erfolgt und nicht notwendig. Der Beigeladene erfülle alle wünschenswerten und zwingenden Anforderungen des Dienstpostens und grenze sich dadurch vom Antragsteller positiv ab. Die Dienstzeitverlängerung sei entgegen der Auffassung des Antragstellers kein maßgebliches Auswahlkriterium gewesen, sondern nur eine Folge der Auswahlentscheidung, die auch dem Antragsteller im Falle seiner Auswahl zuteilgeworden wäre.
9 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesministerium der Verteidigung aufgefordert, eine dienstliche Erklärung des Personalführers vorzulegen, ob der Antragsteller ursprünglich für den Dienstposten vorgesehen war und aus welchen Gründen ihm keine Dienstzeitverlängerung angeboten wurde. In der vorgelegten dienstlichen Erklärung vom 15. August 2025 heißt es, der Beigeladene sei ausgewählt worden, weil er alle zwingenden und wünschenswerten Kriterien erfüllt habe. Im Gegensatz dazu habe Oberst i.G. ... die zwingend geforderte binationale Verwendung nicht vorweisen können. Das voraussichtliche Dienstzeitende sei kein abgrenzendes Kriterium gewesen, weil beide Kandidaten im Falle der Auswahl eine Dienstzeitverlängerung benötigt hätten. Die Verlängerungsentscheidung hätte erst nach der Auswahlentscheidung getroffen werden können. Der Antragsteller hat dazu angemerkt, die Stellungnahme sei wenig erhellend und weiche in einem zentralen Punkt von der vom Bundesministerium der Verteidigung eingeräumten Tatsache ab, dass er die zwingende Bedarfsträgerforderung der binationalen Verwendung erfülle. In gleicher Weise bringe er auch die erforderliche militärpolitische Kompetenz mit. Ob das nachgeschobene wünschenswerte Kriterium des Besuchs des französischen Generalstabslehrgangs entscheidend sei, müsse bezweifelt werden, weil dies schon mehr als ein Vierteljahrhundert zurückliege.
10 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakten des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
11 Der Antrag hat keinen Erfolg.
12 1. Der Hauptantrag des Antragstellers ist schon mangels Antragsbefugnis zurückzuweisen, weil dem Antragsteller kein Rechtsanspruch auf die Versetzung auf den begehrten Dienstposten zustehen kann. Ein Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten. Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom 1. März 2018 - 1 WB 40.17 - NVwZ 2018, 1573 Rn. 27).
13 Selbst wenn die Auswahlentscheidung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 33 Abs. 1 GG verstoßen hätte, ergäbe sich daraus grundsätzlich nur ein Anspruch des Antragstellers auf Aufhebung der Auswahlentscheidung und erneute Verbescheidung. Hingegen folgt daraus kein subjektiv-öffentliches Recht auf Versetzung auf den begehrten Dienstposten. Für eine Reduzierung des Versetzungsermessens auf Null ist hier nichts ersichtlich. Da kein Rechtsanspruch auf Versetzung des Antragstellers besteht, ist für eine gerichtliche Prüfung der nur unter dieser Bedingung begehrten Dienstzeitverlängerung ebenfalls kein Raum.
14 2. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Entscheidung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 24. Januar 2025, den Dienstposten des Leiters Deutsche Delegation ... mit dem Beigeladenen zu besetzen, verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG oder aus Art. 3 Abs. 1 GG.
15 a) Der Bewerberverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 6 SG ist nicht berührt. Jedem Deutschen steht zwar nach Art. 33 Abs. 2 GG ein verfassungsmäßiges Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern zu. Er kann beanspruchen, dass die Auswahl dafür nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgt. Dieses Recht besteht nicht nur bei der erstmaligen Übertragung eines öffentlichen Amtes im Rahmen der Einstellung in den öffentlichen Dienst, sondern auch bei der Vergabe status- und besoldungsrechtlich höherwertiger Ämter im Wege der Beförderung. Nach § 3 Abs. 1 SG gilt der Grundsatz der Bestenauslese auch bei Verwendungsentscheidungen im militärischen Bereich, weil dort eine Beförderung üblicherweise durch die truppendienstliche Maßnahme einer Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten vorbereitet wird. Der Grundsatz der Bestenauslese beschränkt sich aber auf Entscheidungen über höherwertige, die Beförderung in den höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägenden Verwendungen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2018 - 1 WB 40.17 - NVwZ 2018, 1573 Rn. 21).
16 Nach diesen Maßstäben musste die Vergabe des im Streit stehenden Dienstpostens nicht auf der Grundlage eines Eignungs- und Leistungsvergleichs im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG erfolgen. Denn das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hatte sich - wie sich aus der Eintragung "Querversetzung" in der Rubrik Organisationsgrundentscheidung des Planungsbogens ergibt - von vornherein dafür entschieden, die Stelle des Leiters Deutsche Delegation ... nicht als Beförderungsdienstposten zu vergeben. Vielmehr sollte die Stelle an einen Soldaten vergeben werden, der bereits das Amt eines Obersts innehatte. Für eine solche Querversetzung gelten die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG regelmäßig nicht. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass hervorgehobene Auslandsverwendungen in ständiger Verwaltungspraxis als förderlich angesehen werden und deshalb in anderen Fällen regelmäßig ein Eignungs- und Leistungsvergleich stattfindet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 1 WB 52.08 - BVerwGE 136, 36 Rn. 26), ergibt sich daraus kein Automatismus. Vielmehr kann die Personalverwaltung auch bei Bedarf von dieser Verwaltungspraxis abweichen und eine reine Querversetzung vornehmen, insbesondere wenn - wie hier - mehrere Oberste für eine letzte Verwendung ohne weitere Beförderungsperspektive zur Verfügung stehen.
17 b) Der Antragsteller wird durch die Auswahl des Beigeladenen im vorliegenden Versetzungsverfahren auch nicht in seinen Rechten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Recht vorgetragen, dass für die Auswahl des Beigeladenen nachvollziehbare sachliche Gründe vorliegen. Er erfüllt im Gegensatz zum Antragsteller nicht nur alle zwingenden, sondern auch alle wünschenswerten Anforderungen des Dienstpostens. Dazu gehören insbesondere mehrfache Verwendungen im Kompetenzbereich Militärpolitik und der Abschluss der französischen Generalstabsausbildung.
18 Beide wünschenswerten Kriterien haben einen ausreichenden sachlichen Bezug zum Dienstposten des Leiters Deutsche Delegation ... Denn diese Delegation ist insbesondere für den bilateralen Personalaustausch mit den französischen Streitkräften, für die wechselseitige Teilnahme an der Offizier- und Stabsoffizierausbildung, für Kooperationen bei ausgewählten Rüstungsprojekten und in Abstimmung mit dem Militärattaché-Stab an der Botschaft in ... für die Repräsentation der Bundeswehr in den verschiedenen Regionen ... zuständig.
19 Soweit der Antragsteller ausführt, dass der Dienstposten primär dem Kompetenzbereich Führung und Einsatz zugeordnet ist, ändert dies nichts daran, dass der Dienstherr angesichts der Repräsentationsaufgaben des Dienstpostens berechtigt war, den Kompetenzbereich Militärpolitik bzw. die Vorverwendung in diesem Kompetenzbereich als wünschenswertes Kriterium aufzunehmen und dem Antragsteller dessen mangelnde Vorverwendung in diesem Bereich entgegenzuhalten. Die Vorverwendung des Antragstellers als Abteilungsleiter im Stab "Rapid Reaction Corps France" von 2021 bis 2025 zählt zwar zum Bereich der deutsch-französischen militärischen Zusammenarbeit, hat aber anders als etwa die Tätigkeit des Beigeladenen als Verbindungsstabsoffizier zum französischen Verteidigungsministerium keine spezifisch militärpolitische Ausrichtung. Auch fehlt dem Antragsteller der französische Generalstabslehrgang, dessen Abschluss es dem Leiter Deutsche Delegation ... erleichtert, den Koordinationsaufgaben bei der (wechselseitigen) Offizier- und Stabsoffizierausbildung gerecht zu werden.
20 c) Die Auswahl des Beigeladenen ist auch nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil der Antragsteller gleichheitswidrig aufgrund seiner kurzen Restverwendungszeit nicht in Betracht gezogen worden ist. In der Stellungnahme des Personalführers vom 15. August 2025 wird bestätigt, dass die dem Antragsteller verbleibende relativ kurze Restdienstzeit bis zum Erreichen der besonderen Dienstaltersgrenze - entgegen dessen Vermutungen - nicht das entscheidende Kriterium für seine mangelnde Berücksichtigung bei der Auswahlentscheidung war. Auch wenn der Personalführer in der dienstlichen Erklärung die beim Antragsteller fehlenden Kriterien in der Erinnerung fehlerhaft beschrieben oder sich schon bei dem Vorschlag darüber geirrt hat, ist für die Annahme einer sachwidrigen Benachteiligung kein Raum. Die letztlich vom Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr gezeichnete Auswahlentscheidung hat hinreichende sachliche Gründe.
21 3. Dem Antragsteller sind nach § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO keine Kosten aufzuerlegen, weil sein Antrag nicht offensichtlich unbegründet gewesen ist. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, sind ihm seine Kosten gleichfalls nicht zu erstatten (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO).