Urteil vom 26.05.2009 -
BVerwG 3 C 5.09ECLI:DE:BVerwG:2009:260509U3C5.09.0

Leitsatz:

Die Einordnung als Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG erfordert ungeachtet der Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie den wissenschaftlichen Nachweis, dass die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung des Produkts wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden. Dieser Nachweis kann nicht durch die weiteren, in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Bestimmung eines Funktionsarzneimittels ersetzt werden.

Urteil

BVerwG 3 C 5.09

  • OVG Lüneburg - 23.03.2006 - AZ: OVG 11 LC 180/05 -
  • Niedersächsisches OVG - 23.03.2006 - AZ: OVG 11 LC 180/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert und Buchheister
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. März 2006 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Klägerin betreibt einen pharmazeutischen Großhandel. Sie brachte im September 2002 ein in Österreich hergestelltes Produkt mit dem Namen „Red Rice 330 mg GPH Kapseln“ als Nahrungsergänzungsmittel in den deutschen Handel. Es enthält den Wirkstoff Monacolin K, der identisch ist mit Lovastatin, einem Wirkstoff, der in Deutschland als verschreibungspflichtiges Arzneimittel zur Senkung des Cholesterinspiegels (CSE-Hemmer) im Verkehr ist. Laut Etikettierung enthält eine Kapsel 330 mg rot fermentierten Reis entsprechend 1,33 mg Monacolin K. Die Verwendungsempfehlung lautet: „Als Nahrungsergänzungsmittel 1 - 3 x täglich 1 Kapsel.“

2 Unter dem 4. Dezember 2002 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einer Pressemitteilung vor dem Verzehr von Red Rice-Produkten. Durch die gleichzeitige Einnahme von rotem Reis und Arzneimitteln zur Senkung erhöhter Cholesterinwerte sei das gehäufte Auftreten von Nebenwirkungen, insbesondere von Muskelschädigungen zu befürchten. Auf Anfrage des Beklagten erklärte das Bundesinstitut, dass es sich bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt aufgrund seiner überwiegenden Zweckbestimmung um ein Arzneimittel handele. Die enthaltenen Stoffe seien geeignet, den Körper oder dessen Zustand zu beeinflussen. Allerdings sei die Tagesdosis an Monacolin K angesichts des deklarierten Gehalts und einer Verzehrempfehlung von ein bis drei Kapseln täglich im Vergleich zu der zur Cholesterinsenkung empfohlenen täglichen Dosis von 10 bis 80 mg Lovastatin niedrig. Das ebenfalls befragte Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kam zu dem Ergebnis, dass die Einstufung des Produkts als Lebensmittel nicht gerechtfertigt sei, weil der Hauptinhaltsstoff Monacolin K kein Nährstoff, sondern ein therapeutischer Wirkstoff sei. Rot fermentierter Reis werde mit Hilfe von Schimmelpilzen gewonnen und im asiatischen Raum seit Jahrhunderten traditionell zur Geschmacksgebung und Färbung von Lebensmitteln sowie als Arzneimittel verwendet. Die pharmakologische Bedeutung der Wirkstoffmenge könne allerdings nicht beurteilt werden.

3 Mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 untersagte der Beklagte, gestützt auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG), der Klägerin das Inverkehrbringen des Produkts in Deutschland. Zur Begründung führte er aus, es handele sich um ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel. Maßgeblich für die Einordnung sei die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung des Produkts. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

4 Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, eine Einstufung als Arzneimittel komme nur in Betracht, wenn das Produkt aufgrund seiner Dosierung und Verzehrempfehlung eine pharmakologische Wirkung entfalte. Diese müsse von der Behörde nachgewiesen werden. Daran fehle es hier. Das Produkt habe wegen der niedrigen Dosierung keine pharmakologische Bedeutung. Der behaupteten Gefahr bei einer zu hohen Dosierung hätte allenfalls lebensmittelrechtlich durch die Verpflichtung zu entsprechenden Verpackungshinweisen begegnet werden dürfen.

5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. April 2005 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 23. März 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Untersagungsverfügung sei rechtmäßig. Zwar falle das streitige Produkt an sich unter den Lebensmittelbegriff im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Allerdings bestehe ein gemeinschaftsrechtlicher Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften. Dieser Vorrang umfasse auch die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Das Produkt der Klägerin werde von dieser Zweifelsregelung erfasst. Dabei könne offen bleiben, ob es als Präsentationsarzneimittel einzuordnen sei. Jedenfalls sei es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Funktionsarzneimittel. Der Wirkstoff Monacolin K entspreche einem bekannten Hemmstoff der Cholesterinsynthese, der als arzneilich wirksamer Bestandteil in verschiedenen Arzneimitteln enthalten sei. Er erfülle damit einen therapeutischen Zweck. Dies spreche für das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels. Die Verzehrempfehlung führe zwar nur zu einer Tagesdosis von 1,33 bis 4 mg Monacolin K. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Präparate in der Regel unkontrolliert und in höherer als der empfohlenen Menge eingenommen würden. Ab welcher Dosis mit Gesundheitsgefahren gerechnet werden müsse, sei wissenschaftlich nicht belegt. Die potenziellen Gesundheitsgefahren stellten aber ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium dar. Damit sei ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung erfüllt. Da der Nachweis einer solchen Wirkung nicht mit letzter Sicherheit erbracht sei, greife die Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG.

6 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Zweifelsregelung der Richtlinie 2001/83/EG gestützt. Diese solle lediglich den Vorrang des Arzneimittelrechts vor anderen Regelungen sicherstellen, wenn feststehe, dass es sich um ein Arzneimittel handele. Das sei hier nicht der Fall. Bei Beachtung der Verzehrempfehlung liege die aufgenommene Tagesdosis an Monacolin K deutlich unter der Menge, die zur Erzielung einer pharmakologischen Wirkung notwendig sei. Erst recht gebe es keinerlei Beleg dafür, dass bei einer solchen Dosis Nebenwirkungen wie Muskelschädigungen auftreten könnten.

7 Mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 hat der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 15. Januar 2009 (Rs. C-140/07) hat der Europäische Gerichtshof die Fragen des Senats beantwortet. Die Klägerin und der Beklagte haben hierzu Stellung genommen und auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

II

8 Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das Berufungsurteil verletzt Gemeinschaftsrecht. Die abschließende Entscheidung erfordert zusätzliche Tatsachenfeststellungen, die der Senat nicht selbst treffen kann.

9 Grundlage der ergangenen Verbotsverfügung ist § 69 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl I S. 3394). Nach dieser Vorschrift treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt.

10 1. Das Berufungsgericht hat die Untersagungsverfügung als rechtmäßig angesehen, weil das von der Klägerin vertriebene Produkt ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl EG Nr. L 311 S. 67) in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 (ABl EG Nr. L 136 S. 34) sei. Diese Feststellung ist unzutreffend. Das Produkt ist kein Funktionsarzneimittel.

11 a) Richtig ist allerdings, dass sich die Abgrenzung der Lebensmittel von den Arzneimitteln nach der gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG richtet. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches in der Fassung vom 26. April 2006 (BGBl I S. 945) und der Verweisung in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 (ABl EG Nr.  L 31 S. 1) auf den gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff (stRspr des Senats, vgl. Urteil vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 40.05 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 2 = LRE 54, 267; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 38.06 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 3 = LRE 54, 275; Urteile vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 21.06 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 4 = LRE 55, 121, vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 22.06 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 5 = LRE 55, 142 und vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 23.06 - LRE 55, 137; Beschluss vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 3 C 42.06 - LRE 55, 329; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 61/05 - NVwZ 2008, 1266; Doepner, ZLR 2009, 201 <218 f.>; Rehmann, A&R 2009, 58 <62>; Rennert, NVwZ 2008, 1179 <1180 f.>).

12 b) Das streitige Produkt erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung eines Funktionsarzneimittels nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG. Dazu zählen alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels nach der Funktion fällt, von Fall zu Fall zu treffen; dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine pharmakologischen Eigenschaften. Das Produkt muss die physiologischen Funktionen nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Darin liegt das wesentliche Kriterium, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob ein Funktionsarzneimittel vorliegt (EuGH, Urteile vom 15. November 2007 - Rs. C-319/05 - Slg. 2007, I - 9811 Rn. 55 und 59, vom 15. Januar 2009 - Rs. C-140/07 - Rn. 39 ff. und vom 30. April 2009 - Rs. C-27/08 - Rn. 18 ff.; vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17 m.w.N.; s. zur Rechtsprechung des Senats im Übrigen Rennert, a.a.O. S. 1183).

14 Das Berufungsgericht hat es zu Unrecht ausreichen lassen, dass das in Rede stehende Produkt aller Wahrscheinlichkeit nach ein Funktionsarzneimittel sei. Es stützt sich dafür auf zwei Prämissen, nämlich erstens auf die Annahme, dass sich die zur Bejahung eines Funktionsarzneimittels nötige pharmakologische Wirkung aus einer empfehlungswidrigen Höherdosierung ergeben könne, und zweitens darauf, dass die Wahrscheinlichkeit einer pharmakologischen Wirkung für die Anwendung der Zweifelsregelung nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG ausreiche.

15 Beide Prämissen stehen mit dem Gemeinschaftsrecht nicht in Einklang. Ein Produkt kann nicht als Funktionsarzneimittel angesehen werden, wenn es aufgrund seiner Zusammensetzung einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe und bei bestimmungsgemäßer Anwendung die physiologischen Funktionen nicht in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - Rs. C-140/07 -.Rn. 38 bis 45). Maßgeblich für die Beurteilung ist demnach die normale Anwendungsweise (so bereits EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - Rs. C-150/00 - Rn.75; noch einmal bestätigt mit Urteil vom 30. April 2009 - Rs. C-27/08 - Rn. 22). Weiter hat der Europäische Gerichtshof geklärt, dass die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG nicht auf ein Produkt anzuwenden ist, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - Rs. C-140/07 - Rn. 26 und 29; ähnlich bereits Urteil vom 15. November 2007 a.a.O. Rn. 61).

16 Dieser Nachweis ist für das von der Klägerin vertriebene Produkt bisher nicht erbracht worden. Die vom Beklagten angeführten gutachterlichen Stellungnahmen geben dazu nichts her. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Insbesondere ist die therapeutische Wirksamkeit einer Tagesdosis von 1,33 bis 3,99 mg Monacolin K - was im Wege eines Erst-Recht-Schlusses zur Annahme einer pharmakologischen Wirkung berechtigen würde (vgl. Urteil vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 21.06 - a.a.O. Rn. 26) - nicht belegt. Für die entsprechenden verschreibungspflichtigen Arzneimittel gilt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine empfohlene Tagesdosis von 10 bis 80 mg Lovastatin.

17 Weitere Sachverhaltsermittlungen zur Frage der pharmakologischen Wirkung des Produkts kommen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass sonstige wissenschaftliche Daten, die Aufschluss über die Wirkung der hier in Rede stehenden Tagesdosis geben könnten, nicht ersichtlich seien. In einer solchen Situation ist es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, weitere Ermittlungen anzustellen, was hier nach Lage des Falles auf die Durchführung einer klinischen Studie hinauslaufen würde. Den plausiblen Nachweis einer pharmakologischen Wirkung schuldet der Beklagte, wenn er die Behauptung eines (Funktions-)Arzneimittels aufstellt. Das Verwaltungsgericht prüft, ob der Nachweis gelungen ist. Es muss ihn aber nicht selbst führen.

18 c) Der fehlende Nachweis einer pharmakologischen Wirkung kann durch andere Kriterien zur Bestimmung eines Funktionsarzneimittels nicht ersetzt werden. Zwar hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien der Modalitäten des Gebrauchs eines Produkts, des Umfangs seiner Verbreitung, der Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen, für die Entscheidung, ob ein Produkt unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, weiterhin relevant sind (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - Rs. C-140/07 - Rn. 31 bis 37). Damit ist aber nur gemeint, dass sie ergänzend - gleichsam als Korrektiv - heranzuziehen sind, wenn eine pharmakologische Wirkung positiv festgestellt worden ist. Wenn eine solche Wirkung ausgeschlossen ist, kann die Arzneimitteleigenschaft nicht allein aufgrund dieser weiteren Kriterien bejaht werden (vgl. - bezogen auf das Kriterium der Gesundheitsgefährdung - EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - Rs. C-27/08 - Rn. 23 bis 27). Sie haben keine für ein Arzneimittel nach der Funktion konstitutive Wirkung.

19 Nichts anderes gilt für den Fall, dass eine pharmakologische Wirkung weder positiv feststeht noch sicher ausgeschlossen werden kann. Um einen solchen Fall geht es hier. Die pharmakologische Wirkung einer Tagesdosis von bis zu 3,99 mg Monacolin K ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen, aber auch nicht mit Gewissheit zu verneinen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt ein Rückgriff auf die ergänzenden Kriterien auch in solchen Grenzfällen nicht in Betracht; denn danach ist die Richtlinie 2001/83/EG nicht auf ein Produkt anwendbar, dessen Eigenschaft als Funktionsarzneimittel wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, ohne dass sie ausgeschlossen werden kann (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - Rs. C-140/07 - Rn. 26 und 29). Es verbietet sich deshalb, ein Produkt bei dem bloßen Verdacht einer pharmakologischen Wirkung anhand dieser Kriterien als Funktionsarzneimittel einzuordnen.

20 2. Die Sache ist jedoch zurückzuverweisen, um die bislang vom Berufungsgericht offen gelassene Frage zu klären, ob das Produkt als Präsentationsarzneimittel nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2001/83/EG einzuordnen ist. Ohne weitere Sachverhaltsaufklärung und -würdigung ist eine Beantwortung nicht möglich.

21 Nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a) der Richtlinie 2001/83/EG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (sog. Präsentationsarzneimittel, vgl. Beschluss des Senats vom 25. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (EuGH, Urteil vom 15. November 2007 a.a.O. Rn. 46).

22 Zwar wird das Produkt der Klägerin als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet; und der Senat hat wiederholt betont, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher im Allgemeinen nicht annehmen werde, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Produkt tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn es in der empfohlenen Dosis keine pharmakologische Wirkung habe (s. etwa Urteil vom 25. Juli 2007 - BVerwG 3 C 21.06 - a.a.O. Rn. 40). Trotz der Bezeichnung können aber andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (vgl. insbesondere - zur Internet-Werbung - Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 3 C 34.06 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 47 Rn. 24 = LRE 55, 311; dazu Rennert, a.a.O. S. 1182).

23 Ein solcher Fall kommt hier in Betracht. Der Beklagte hat auf Produktbeschreibungen im Internet hingewiesen, die rot fermentierten Reis als traditionelles Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten bezeichnen, ihm wegen der enthaltenen Monacoline eine physiologische Wirkung bescheinigen und dosisabhängig die Senkung des Cholesterinspiegels sowie eine Fettstoffwechselstabilisierung versprechen. Das Berufungsgericht wird dem nachzugehen und zu klären haben, ob durch die Werbung für das Produkt die Definition eines Präsentationsarzneimittels erfüllt ist. Der Einwand der Klägerin, nicht für beliebige Veröffentlichungen zu rot fermentiertem Reis in die Verantwortung genommen werden zu können, gilt jedenfalls nicht für die eigenen und die Produktbeschreibungen des Herstellers, dessen Internetadresse ebenfalls auf dem Packungsetikett angegeben ist.