Beschluss vom 26.07.2021 -
BVerwG 20 F 3.21ECLI:DE:BVerwG:2021:260721B20F3.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.07.2021 - 20 F 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:260721B20F3.21.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 3.21

  • OVG Berlin-Brandenburg - 15.02.2021 - AZ: OVG 95 A 2/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 26. Juli 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren begehrt die Klägerin Auskunft über die bei der Berliner Verfassungsschutzbehörde zu ihrer Person gespeicherten Daten.

2 Mit Beweisbeschluss vom 25. Juli 2019 forderte das Verwaltungsgericht den Beklagten auf, die vollständigen und ungeschwärzten Vorgänge zur Klägerin vorzulegen. Daraufhin wurde ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung des Beklagten vom 9. Dezember 2019 verweigert.
Auf Antrag der Klägerin, die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung zu prüfen, legte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 16. März 2020 dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vor.

3 Mit Beschluss vom 15. Februar 2021 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Weigerung des Beklagten, die Vorgänge vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig ist, soweit sich die Sperrerklärung vom 9. Dezember 2019 auf die Blätter 3, 11, 13, 96 bis 99, 119 bis 121, 122 bis 125, 301 bis 304, 309 bis 312 sowie einzelne Sätze auf Blatt 134 bezieht. Im Übrigen lehnte es den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

4 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

5 1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts - zulässigen Antrag der Klägerin das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 9. Dezember 2019 differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft.

6 a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

7 Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen der Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 14).

8 b) Hiernach ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen.

9 Dies gilt insbesondere, soweit die Sperrerklärung sich auf Unterlagen bezieht, die der Beklagte von anderen Sicherheitsbehörden im Rahmen der Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund erhalten und deren Vorlage diese Behörden unter Hinweis auf den Quellenschutz widersprochen haben. Zwar ist nicht jeder Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden geheim und der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite für sich genommen kein Weigerungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2020 - 20 F 7.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 86 Rn. 11 f m.w.N.). Vorliegend war aber die Partnerbehörde nicht Empfänger einer Information, sondern Absender einer solchen und vertraute darauf, dass diese nicht preisgegeben wurde (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2020 - 20 F 7.20 - juris Rn. 13 m.w.N.). Die Einsichtnahme hat zudem ergeben, dass die für den Widerspruch gegen die Vorlage geltend gemachten Gründe tatsächlich bestehen und dass Teilschwärzungen nur zu inhaltsleeren Resten führen würden.

10 Auch im Übrigen umschreibt die Sperrerklärung den Inhalt der mit Schwärzungen oder nicht vorgelegten Unterlagen zutreffend. Die Einsichtnahme hat ergeben, dass die die geltend gemachten Weigerungsgründe rechtfertigenden Gefahren nachvollziehbar und plausibel dargelegt sind. Teilschwärzungen kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 und vom 29. November 2016 - 20 F 10.16 - juris Rn. 12).

11 Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen.

12 c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die einzelnen Aktenstücke abgewogen, dabei die Möglichkeit von Teilschwärzungen geprüft und so eine Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

13 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.