Beschluss vom 27.04.2005 -
BVerwG 5 B 107.04ECLI:DE:BVerwG:2005:270405B5B107.04.0

Beschluss

BVerwG 5 B 107.04

  • Bayerischer VGH München - 26.07.2004 - AZ: VGH 12 B 03.2723

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. April 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag des Klägers, ihm unter Beiordnung eines (anderen) Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist erfolglos. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Revisionszulassung nicht.
1. Die Beschwerde macht geltend, der Kläger habe einen Anspruch auf (rückwirkende) Übernahme der Betriebskosten (Betriebskostenpauschale, Kfz-Haftpflichtversicherung und Kfz-Steuer) seines Kraftfahrzeugs Opel Vectra, das er im Juli 2002 als Ersatzfahrzeug für sein bis dahin genutztes Kraftfahrzeug Marke Fiat Panda gebraucht erworben hat. Der Beklagte hat die bis einschließlich Mai 2003 für den Fiat Panda im Wege der Eingliederungshilfe gewährte Leistung einer Betriebskostenpauschale in Höhe von 50 € monatlich mit Bescheid vom 28. Mai 2003 eingestellt und die Kosten der Haftpflichtversicherung und Kraftfahrzeugsteuer für den Opel Vectra ab 1. Juni 2003 mit der Begründung nicht mehr übernommen, dem Kläger seien Unterhaltskosten für das Fahrzeug Fiat Panda und nicht für das mittlerweile beschaffte Ersatzfahrzeug gewährt worden und der Kläger sei auch nicht auf die Benutzung des Fahrzeugs angewiesen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Juli 2004 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger sei nicht wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Nutzung des Kraftfahrzeugs als Hilfsmittel angewiesen (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 6 der Eingliederungshilfe-Verordnung). Nach der Rechtsprechung zu § 8 der EingliederungshilfeV müsse die Notwendigkeit der Kfz-Benutzung nicht nur vereinzelt und gelegentlich, sondern ständig bestehen; die Gründe müssten der Eingliederung ins Arbeitsleben mindestens vergleichbar gewichtig sein. Kfz-Hilfe dürfe danach nicht versagt werden, wenn im konkreten Einzelfall dem Betroffenen ohne diese Hilfe jegliche Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne von § 1 Satz 1 SGB IX verwehrt bliebe. In diesem Sinne sei der Kläger nicht ständig auf die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs angewiesen. Zum einen habe er hinsichtlich seiner Fahrten zu ambulanten ärztlichen oder ärztlich verordneten Behandlungen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten durch die Krankenkasse nach Maßgabe des § 60 SGB V, denn nach den einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 22. Januar 2004 (BAnz vom 22. Januar 2004) könnten für den Kläger, der nur einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" habe und nicht in die Pflegestufen 2 oder 3 nach dem SGB XI eingestuft sei, Krankenfahrten in zumutbarer Verfahrensweise von der Krankenkasse nach vorheriger ärztlicher Verordnung und Einholung der Kassengenehmigung übernommen werden. Die Voraussetzungen hierfür lägen beim Kläger, der nach dem Inhalt des vom Gericht eingeholten fachorthopädischen Gutachtens vom 7. Mai 2004 von einer den Kriterien der maßgeblichen Regelungen in § 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinien vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sei, vor. Daneben habe er in ausreichender Weise das Recht, den Behindertenfahrdienst in Anspruch zu nehmen. Das hierdurch ermöglichte Maß der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (§ 39 Abs. 3 Satz 2 BSHG) könne noch nicht als unzureichend bewertet werden. Die bloße Behauptung, eine Inanspruchnahme von Sozialdiensten und Taxiunternehmen scheitere an sozialen Schwierigkeiten, genüge nicht, um die Richtigkeit dieses Einwands zu belegen; vielmehr könne es dem Kläger nicht erspart bleiben, sich selbst um eine soziale Anpassung zu bemühen.
2. Die Revision kann nicht, wie von der Beschwerde geltend gemacht, nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz oder nach Nummer 1 dieser Bestimmung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
a) Die Beschwerde behauptet zwar eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtsgerichts vom 27. Oktober 1977 - BVerwG 5 C 15.77 - (BVerwGE 55, 31), hat aber nicht, wie es erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - <NVwZ-RR 1996, 712>), aufgezeigt, dass das Berufungsgericht mit einem tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der angeführten Entscheidung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf Leitsatz 2 und 3 des genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht, der Kläger sei (zu Unrecht) nur als Eingliederungsfall, nicht jedoch auch als Pflegebedürftiger nach § 68 Abs. 2 Satz 1 BSHG behandelt worden und es sei zu entscheiden gewesen, ob das Kraftfahrzeug als ein atypisches Hilfsmittel nach § 68 ff. BSHG zu bewerten sei, ist ein Abweichen im Rechtssatz nicht dargelegt, vielmehr wird lediglich geltend gemacht, der Fall des Klägers sei in rechtsfehlerhafter Weise nicht auch unter § 68 ff. BSHG subsumiert worden. Zur Stützung ihres Vorbringens bezieht die Beschwerde sich auf einen erst nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen Änderungsbescheid des Versorgungsamtes vom 16. August 2004, wonach dem Kläger ab dem 22. Juni 2004 die Merkzeichen B, G und aG zuerkannt seien, so dass er u.a. Anspruch auf eine Begleitperson habe. Diese erst nach Urteilserlass festgestellten Veränderungen können die behauptete Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1977 (a.a.O.) auch schon deshalb nicht begründen, weil der dem Berufungsurteil zu Grunde liegende Lebenssachverhalt in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beschränkt ist.
b) Auch eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung ist mit dem Vorbringen, Kraftfahrzeuge seien entgegen den Feststellungen der Vorinstanz im Leistungskatalog der Krankenkassen nicht enthalten und als atypisches Hilfsmittel nach § 68 ff. BSHG zu bewerten, während bloße Rollstühle, Gehwagen usw. als Hilfsmittel nicht genügten, nicht dargelegt. Die Beschwerde rügt insoweit eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, und zwar durch mangelnde Berücksichtigung des Änderungsbescheides des Versorgungsamtes Augsburg vom 16. August 2004 - der noch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein konnte - , durch fehlende Berücksichtigung der Pflegebedürftigkeit des Klägers nach Pflegestufe 1 bereits seit dem 12. Dezember 1999 (Schreiben der AOK vom 14. April 2000) und durch unterbliebene Befragung des Gutachters zu der Frage, ob die Behinderung des Klägers nur durch die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges ausgeglichen werden könne, wozu die ärztlichen Gutachten vom 18. November 1999 und 2. September 2000 sich verhielten. Auch ergebe sich bereits aus dem - im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergangenen - Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2000 (Az. 12 OE 00.12 2 ), dass die Behinderung des Klägers nur durch die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs ausgeglichen werden könne. Damit sind die Voraussetzungen einer Grundsatz - oder Divergenzrüge nicht dargetan.
3. Ein Verfahrensmangel liegt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die nach der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2004 (vgl. hierzu die Niederschrift, Bl. 152 f. der Gerichtsakte) bei Gericht eingegangenen persönlichen Schreiben des Klägers vom 22. und 23. Juli 2004 und das Anwaltsschreiben vom 26. Juli 2004 nicht berücksichtigt hat, wonach der Kläger seine Ansprüche auch rückwirkend geltend machte. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Schreiben zu Recht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Dies folgt - was die persönlichen Schreiben des Klägers betrifft - aus § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss mit der Folge, dass Erklärungen nicht postulationsfähiger Personen - hier die persönlichen Schreiben des Klägers vom 22. und 23. Juli 2004 - unbeachtlich sind. Was die Änderung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrages durch den Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2004 betrifft, weist die angefochtene Entscheidung zutreffend darauf hin (S. 7 des Urteils), dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung nur den Antrag zugrunde legen dürfe, zu dem sich auch die Gegenseite habe äußern können. Auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 26. Juli 2004 hin kam nicht mehr in Betracht, nachdem das Urteil - vor Eingang des genannten Schriftsatzes im Fax-wege bei Gericht am 26. Juli um 12.20 Uhr - bereits um 12 Uhr an die Geschäftsstelle übergeben und damit wirksam - im Sinne einer Unabänderbarkeit durch das Gericht - geworden war (vgl. BVerwGE 38, 220).
4. Aus den angeführten Gründen ergibt sich zugleich, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann. Es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Daran vermöchte auch die Beiordnung eines anderen Anwalts nichts zu ändern.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 BSHG nicht erhoben.