Verfahrensinformation

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserverbandsbeitrag.


Mit Bescheid vom 23. Oktober 2015 setzte der Beklagte für den Grundbesitz der Klägerin einen Beitrag für die Deichunterhaltung in Höhe von 376,50 € im Jahr 2015 fest. Die Klage gegen den Beitragsbescheid hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg.


Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Verbandssatzung des Beklagten aus dem Jahr 2004, der aus dem Zusammenschluss des 1998 gegründeten Neuhauser Deichverbandes (NDV) mit dem Unterhaltungsverband Krainke entstanden sei, sei nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig. Insbesondere seien Aufgabe und Verbandsgebiet in der Satzung hinreichend bestimmt. Eine etwa unwirksame Festlegung des Verbandsgebiets des NDV habe nicht die Gesamtnichtigkeit der Satzung von 1998 zur Folge und insbesondere keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Verbandes durch seine Verbandsorgane und den Mitgliederbestand des NDV. Die Mitgliedschaft in einem Deichverband ergebe sich bereits unmittelbar aus dem Niedersächsischen Deichgesetz, das die Errichtung der Deichverbände durch Zusammenschluss der Deichpflichtigen durch besonderes Gesetz im Sinne des § 80 Wasserverbandsgesetz umfassend und abschließend regele. Schließlich habe die Klägerin einen Vorteil daraus, die Leistungen des Verbands in Anspruch nehmen zu können.


Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Klägerin.


Mit Änderung des Geschäftsverteilungsplanes trägt das Verfahren nunmehr das Aktenzeichen BVerwG 10 C 1.23.


Urteil vom 27.04.2023 -
BVerwG 10 C 1.23ECLI:DE:BVerwG:2023:270423U10C1.23.0

Wirksamkeit der Satzung eines nach dem Wasserverbandsgesetz errichteten Verbandes

Leitsätze:

1. § 80 WVG setzt die Errichtung eines Wasser- und Bodenverbandes unmittelbar durch (Landes-)Gesetz voraus.

2. Die unwirksame Festlegung des Verbandsgebiets in der Satzung eines nach dem Wasserverbandsgesetz gegründeten Verbandes führt zur Gesamtnichtigkeit der Verbandssatzung (Abgrenzung zu BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 16 f.).

  • Rechtsquellen
    GG Art. 20 Abs. 3
    WVG § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Nr. 3, § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 31 Abs. 1, §§ 79, 80
    NDG a. F. § 7 Abs. 2 und 5 Satz 1
    NDG n. F. § 7 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 8 Halbs. 1
    NVwVfG § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1

  • VG Lüneburg - 06.06.2016 - AZ: 6 A 477/15
    OVG Lüneburg - 17.11.2021 - AZ: 10 LB 260/20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.04.2023 - 10 C 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:270423U10C1.23.0]

Urteil

BVerwG 10 C 1.23

  • VG Lüneburg - 06.06.2016 - AZ: 6 A 477/15
  • OVG Lüneburg - 17.11.2021 - AZ: 10 LB 260/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2023
durch
die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. November 2021 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 6. Juni 2016 werden geändert.
  2. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2015 wird aufgehoben.
  3. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
  4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserverbandsbeitrag.

2 Mit Bescheid vom 23. Oktober 2015 setzte der Beklagte für das Grundeigentum der Klägerin einen Beitrag für die Deichunterhaltung im Jahr 2015 in Höhe von 376,50 € fest.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Eine etwa unwirksame Festlegung des Verbandsgebiets in der Satzung eines der Rechtsvorgänger des Beklagten, des N. Deichverbandes (NDV), aus dem Jahr 1998 habe jedenfalls nicht die Gesamtnichtigkeit dieser Satzung zur Folge und insbesondere keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des NDV durch seine Verbandsorgane gehabt. Der Zusammenschluss des NDV mit dem Unterhaltungsverband K. zum beklagten Deich- und Unterhaltungsverband sei wirksam erfolgt.

4 Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Der Beklagte sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht zur Entstehung gelangt, so dass sein Beitragsbescheid nichtig, jedenfalls aber rechtswidrig sei.

5 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. November 2021 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 6. Juni 2016 zu ändern und festzustellen, dass der Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2015 nichtig ist,
hilfsweise, den Beitragsbescheid aufzuheben,
höchst hilfsweise, den Beitragsbescheid der Höhe nach aufzuheben.

6 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7 Er verteidigt das angefochtene Urteil.

8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

II

9 Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (1.), und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Bundesverwaltungsgericht kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des angegriffenen Beitragsbescheides (2.).

10 1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der beklagte Deich- und Unterhaltungsverband sei durch den Zusammenschluss des NDV mit dem Unterhaltungsverband K. zum 1. Januar 2004 wirksam gegründet worden, verstößt gegen Bundesrecht. Der NDV wurde im Jahr 1998 nicht durch ein besonderes Gesetz im Sinne des § 80 des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz - WVG) vom 12. Februar 1991 (BGBl. I S. 405), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15. Mai 2002 (BGBl. I S. 1578), errichtet (a). Die Umschreibung des Verbandsgebiets in § 1 Abs. 4 der Satzung 1998 entsprach nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG und ist nichtig (b). Daraus folgen die Gesamtnichtigkeit der Satzung des NDV sowie die Unwirksamkeit von diesem Zusammenschluss mit dem Unterhaltungsverband K. zum beklagten Verband (c).

11 a) Die Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes kommen hier unmittelbar als Bundesrecht und nicht erst deswegen zur Anwendung, weil Landesrecht hierauf verweist. Die landesrechtliche Verweisung in § 9 Abs. 8 Halbs. 1 des Niedersächsischen Deichgesetzes (NDG) in der zum Erlasszeitpunkt des Beitragsbescheides geltenden Fassung vom 23. Februar 2004 (Nds. GVBl. S. 83) ist für die Anwendung des Wasserverbandsgesetzes nicht maßgeblich, weil ein Fall des § 80 WVG hier nicht vorliegt. Danach findet auf Verbände, die durch besonderes Gesetz errichtet worden sind oder errichtet werden, das Wasserverbandsgesetz nur Anwendung, wenn dies durch Rechtsvorschriften ausdrücklich angeordnet oder zugelassen worden ist.

12 Der NDV wurde nicht unmittelbar durch Gesetz, sondern aufgrund eines Gesetzes errichtet. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 NDG in der zum Zeitpunkt der Errichtung des NDV maßgeblichen Fassung vom 16. Juli 1974 (Nds. GVBl. S. 387), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Oktober 1993 (Nds. GVBl. S. 443), wortgleich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 NDG n. F., obliegt die Erhaltung der Hochwasserdeiche den Wasser- und Bodenverbänden, die mit dieser Aufgabe entweder am 1. April 1963 bereits bestanden oder seither gegründet worden sind. Die Vorschrift ermächtigt nach ihrem Wortlaut die Deichbehörde zur Gründung von Wasser- und Bodenverbänden, regelt deren Errichtung aber nicht selbst. Dies bestätigen im Übrigen auch die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in der angegriffenen Entscheidung, wonach der NDV auf Initiative der Deichbehörde gegründet worden ist. Der Unterschied zwischen der Errichtung eines Wasser- und Bodenverbandes durch Gesetz und aufgrund Gesetzes wird hier zudem aus der Systematik des § 7 NDG a. F. deutlich. In § 7 Abs. 2 NDG a. F. war geregelt, dass die in Abschnitt 1 der Anlage genannten Deichverbände "durch dieses Gesetz" gegründet werden. Der NDV war dort nicht genannt.

13 b) Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG gehört die Bestimmung des Verbandsgebiets zum Mindestinhalt der Verbandssatzung. Damit hat der Gesetzgeber der bereits zur Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände (WVVO) vom 3. September 1937 (RGBl. I S. 933) ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen, wonach das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde Bestimmtheitsgebot verlangt, dass die Umgrenzung des Verbandsgebiets in der Satzung vorgenommen wird und eindeutig erkennen lässt, welche Grundstücke zum Verband gehören (vgl. BT-Drs. 11/6764, S. 25 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1964 - 4 C 143.62 - BVerwGE 18, 318 <322>). Sollte sich die Umgrenzung des Verbandsgebiets in Worten (ausnahmsweise) nicht klar ausdrücken lassen, besteht die Möglichkeit, der Satzung als mit zu verkündenden Bestandteil eine Landkarte anzufügen, in der die Grenzen eingezeichnet sind, und in der Satzung auf diese Landkarte zu verweisen (BVerwG, Urteile vom 29. Mai 1964 - 4 C 143.62 - BVerwGE 18, 318 <322> und vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 10). Für den Satzungsgeber besteht ferner die Möglichkeit, bei bloß grober Umschreibung des Geltungsbereichs der Satzung im Wortlaut, durch Verweisung auf eine an der zu benennenden Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für jedermann einsehbare Landkarte, deren archivmäßige Verwahrung zu sichern ist, die Gebietsabgrenzung anzugeben (BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1967 - 4 C 105.65 - BVerwGE 26, 130 f. und vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 10).

14 Diesen rechtlichen Vorgaben wird die Regelung über das Verbandsgebiet in § 1 Abs. 4 der Satzung des NDV nicht gerecht.

15 Nach § 1 Abs. 4 der Satzung des NDV ergibt sich das Verbandsgebiet aus der in der Anlage zur Satzung beigefügten Karte (Anlage 1). Damit hat der Satzungsgeber zwar von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Satzung als mit zu verkündenden Bestandteil eine Karte beizufügen, in der die Grenzen des Verbandsgebietes eingezeichnet sind, und in der Satzung auf diese Karte zu verweisen. In der im Amtsblatt des Landkreises Lüneburg vom 31. August 1998 mitverkündeten Landkarte, im für eine erkennbar grundstücksgenaue Abgrenzung deutlich zu kleinen Maßstab 1:100.000, wird jedoch nicht klar und eindeutig festgelegt, wo die Grenzen des Verbandsgebiets im Westen verlaufen. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass aus der im Verwaltungsvorgang befindlichen Kartenkopie insbesondere nicht hinreichend genau erkennbar ist, ob die Verbandsgrenze mit den Hochwasserdeichen übereinstimmt. Auf die "Originalkarte", auf die das Berufungsgericht verweist, kommt es hier nicht an. Maßgebend ist allein die mit der Satzung im Amtsblatt verkündete Landkarte. Anhaltspunkte für ein Abweichen der Landkarte im Original des Amtsblatts von der Kopie im Verwaltungsvorgang bestehen nicht. Dass im Original des Amtsblatts die westliche Verbandsgrenze eindeutig erkennbar gewesen wäre, kann angesichts des ungenügenden Maßstabs und der nahezu identischen Zeichen für die Verbandsgrenze und die Hochwasserdeiche in der Legende der mitverkündeten Landkarte ausgeschlossen werden. Eine hinreichend bestimmte Festlegung des Verbandsgebiets in der Satzung des NDV ist nach allem nicht erfolgt.

16 c) Die Unwirksamkeit des § 1 Abs. 4 der Satzung des NDV zur Bestimmung des Verbandsgebiets führt zur Gesamtnichtigkeit der Satzung des im Jahr 1998 gegründeten Verbandes.

17 Die Voraussetzungen für die Annahme einer bloßen Teilunwirksamkeit der Satzung des NDV liegen nicht vor. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist von der Gesamtunwirksamkeit einer Norm auszugehen, wenn der fehlerbehaftete Teil mit dem übrigen Normgefüge so verflochten ist, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben kann. Das ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Rechtsordnung nicht entspricht, etwa weil er den gesetzlichen Regelungsauftrag verfehlt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 15).

18 Diesem Maßstab ist das Oberverwaltungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob die Unwirksamkeit der Umschreibung des Verbandsgebietes in § 1 Abs. 4 der Satzung des NDV die Nichtigkeit der Gesamtsatzung nach sich zieht, nicht gerecht geworden. Die Bestimmung des Verbandsgebiets betrifft nicht nur eine formelle Frage, sondern ist Grundlage dafür, dass ein Wasser- und Bodenverband seinen satzungsgemäßen Aufgaben, wie hier etwa dem Hochwasserschutz, dem Gewässerausbau oder der Abfallentsorgung im Zusammenhang mit den Verbandsaufgaben, nachkommen und zur Finanzierung dieser Aufgaben seine Mitglieder im Wege der Beitragserhebung heranziehen kann. Auch für das (sonstige) hoheitliche Handeln eines Wasser- und Bodenverbandes gegenüber den Verbandsmitgliedern und nicht dem Verband angehörenden Dritten stellt eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende klare und eindeutige Verbandsgebietsabgrenzung eine unabdingbare Voraussetzung dar. Ohne eine wirksame Bestimmung des Verbandsgebiets ist ein Wasser- und Bodenverband daher nicht in der Lage, seine Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 WVG) zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 16).

19 Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass bei einer Beschränkung der Nichtigkeit auf einen Teil der Satzung vorliegend eine rechtmäßige Restregelung bestehen bleibt. Zwar weist die Satzung eines Wasser- und Bodenverbandes einen durch das Wasserverbandsgesetz vorgegebenen dualen Charakter auf. Sie enthält neben der Beschreibung des Aufgaben- und Wirkungskreises und der (Hoheits-)Befugnisse des Wasser- und Bodenverbandes auch Regelungen, die das Organisationsstatut und die verbandsinterne Willensbildung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft betreffen (vgl. den III. Abschnitt der Satzung des NDV). Die Vorschriften über die innere Verfasstheit des NDV, insbesondere die Aufgaben der verschiedenen Organe, hängen als solche nicht von der rechtmäßigen Umschreibung des Verbandsgebiets ab. Die Frage, ob die bei einer Teilnichtigkeit verbleibende Verbandsverfassung mit höherrangigem Recht vereinbar ist, ist jedoch anhand der die Verbandsverfassung betreffenden Vorgaben im Wasserverbandsgesetz zu beurteilen.

20 Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts lässt sich die Annahme der bloßen Teilnichtigkeit der Satzung eines Altverbandes nach § 79 WVG wegen einer unwirksamen Bestimmung des Verbandsgebiets (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 17) nicht auf Fehler im Errichtungsverfahren eines nach dem Wasserverbandsgesetz neu zu gründenden Verbandes übertragen. Altverbände nach § 79 WVG sind Verbände, die bei Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes am 1. Mai 1991 bereits bestanden haben. Deren Existenz ist gerade nicht von einem dem Wasserverbandsgesetz entsprechenden Errichtungsverfahren und einer den Anforderungen des Wasserverbandsgesetzes entsprechenden Gründungssatzung abhängig. Fehler in der Gründungssatzung eines nach dem Wasserverbandsgesetz neu gegründeten Verbandes sind daher rechtlich anders zu beurteilen, als die Nichtanpassung oder fehlerbehaftete Anpassung einer Satzung eines Altverbandes (§ 79 Abs. 2 Satz 1 WVG) an das neue Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 7 C 18.16 - Buchholz 445.20 WasserverbandsR Nr. 6 Rn. 18). Nachdem die Gründungssatzung des NDV aus dem Jahr 1998 gegen das Erfordernis der Bestimmtheit des Verbandsgebietes nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG verstößt, fehlt es an der öffentlichen Bekanntmachung einer den gesetzlichen Mindestanforderungen genügenden Gründungssatzung nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 WVG als Voraussetzung eines gesetzmäßigen Errichtungsverfahrens und somit der Entstehung des Verbandes als einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (vgl. HessVGH, Urteile vom 11. November 2011 - 7 A 2465/10 - juris Rn. 40 und - 7 A 203/11 - juris Rn. 46; sowie im Anschluss BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 2012 - 7 B 10.12 - juris Rn. 13 und - 7 B 9.12 - juris Rn. 12).

21 Ist nach allem der NDV als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht existent geworden, konnte er nicht wirksam im Rechtsverkehr auftreten. Der Zusammenschluss des NDV mit dem Unterhaltungsverband K. ist daher nicht zustande gekommen. Der Beklagte ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Befugnis, Verbandsbeiträge durch Beitragsbescheid zu erheben (§ 31 Abs. 1 WVG), nicht entstanden.

22 2. Dies führt zum Erfolg des ersten Hilfsantrags der Klägerin. Der angegriffene Beitragsbescheid ist zwar nicht nichtig (a), aber rechtswidrig (b).

23 a) Soweit die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz mit ihrem Hauptantrag die Feststellung der Nichtigkeit des Beitragsbescheides begehrt, ist der Antrag zwar nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässig, aber unbegründet.

24 Der Beitragsbescheid des Beklagten ist nicht nach § 44 Abs. 1 NVwVfG nichtig. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Es kann offenbleiben, ob der dem Beitragsbescheid anhaftende Fehler diesen schlechterdings unerträglich, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Denn jedenfalls war für einen verständigen Bürger nicht offensichtlich, dass der Beitragsbescheid an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2000 - 11 B 26.00 - NVwZ 2000, 1039 <1040>). Dies ist bei dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid nicht der Fall.

25 b) Der Beitragsbescheid des als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht entstandenen Beklagten ist mangels Befugnis, Verwaltungsakte zu erlassen, rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Er ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.