Beschluss vom 27.05.2009 -
BVerwG 1 WB 62.08ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB62.08.0

Leitsatz:

Eine Beschwerde gegen eine dienstliche Beurteilung erstreckt sich auf Änderungen in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, die der stellungnehmende Vorgesetzte während des Beschwerdeverfahrens vornimmt.

  • Rechtsquellen
    SLV § 2
    WBO § 17 Abs. 3

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.05.2009 - 1 WB 62.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB62.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 62.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Reiner und
den ehrenamtlichen Richter Major Holz
am 27. Mai 2009 beschlossen:

  1. Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 und die Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom 21. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 28. Mai 2008 werden aufgehoben.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine planmäßige Beurteilung. Er sieht sich unter anderem durch die Anwendung der Richtwertvorgaben, die durch die im Januar 2007 in Kraft getretenen neuen Beurteilungsbestimmungen eingeführt wurden, in seinen Rechten verletzt.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich am 28. Februar 2015. Zum Oberstleutnant wurde er am 18. April 1997 ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2003 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Der Antragsteller wurde im Beurteilungszeitraum der hier strittigen Beurteilung auf dem Dienstposten eines Datenverarbeitungsorganisationsstabsoffiziers und Referenten beim ...amt ... (...-Amt) in K. verwendet.

3 Seine letzte planmäßige Beurteilung nach den „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldaten der Bundeswehr“ vom 13. Mai 1998 (ZDv 20/6 a.F.) hatte der Antragsteller zum Vorlagetermin 30. September 2005 erhalten. In der Beurteilung vom 27. Juli 2005 bewertete der Bereichsleiter ... beim ...-Amt nach der damaligen siebenstufigen Skala die Leistungen des Antragstellers im Beurteilungszeitraum (Vordruck A, Abschnitt F) bei acht Einzelmerkmalen mit der Wertungsstufe „6“ (Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen) und bei weiteren acht Einzelmerkmalen mit der Wertungsstufe „7“ (Leistungen überragen in außergewöhnlichem Maß die Anforderungen <Spitzenleistung>); hieraus ergab sich ein Durchschnittswert von „6,50“. Der Vizepräsident des ...-Amts und Dienstälteste Offizier beim ...-Amt erklärte in der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 29. Juli 2005, die vorzügliche Beurteilung in allen Punkten zu stützen.

4 Unter dem 17. Januar 2007 erließ das Bundesministerium der Verteidigung neue „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ (ZDv 20/6), die die bisherigen Bestimmungen vom Mai 1998 ersetzten. Der Hauptteil der planmäßigen Beurteilung gliedert sich danach in die drei Abschnitte „Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“, „Persönlichkeitsprofil“ und „Verwendung“.

5 Eine wesentliche Neuerung gegenüber den bisherigen Beurteilungsbestimmungen stellt die Einführung verbindlicher Richtwertvorgaben für die Bewertung der „Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ dar. Für die Bewertung der erbrachten Leistungen sind nunmehr zehn Einzelmerkmale vorgegeben (Nr. 608, 609 Buchst. a ZDv 20/6). Alle Einzelmerkmale sind gleichwertig und unabhängig voneinander anhand einer jetzt neunstufigen Skala - von „1“ (die Leistungserwartungen wurden nicht erfüllt) bis „9“ (die Leistungserwartungen wurden ständig in außergewöhnlichem Maße übertroffen) - im Leistungsvergleich der jeweiligen Vergleichsgruppe zu bewerten (Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6). Zu den Vergleichsgruppen bestimmt Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6:
„203.
a. Planmäßige Beurteilungen sind unter Beachtung der Sonderregelungen gemäß Nr. 204 a. zu folgenden Terminen vorzulegen:
Beurteilungsjahr
Vorlagetermin
Vergleichsgruppen zu beurteilender Soldatinnen/Soldaten
In Jahren mit gerader Endziffer
zum 31. März
- StArzt/StVet/StAp und
OStArzt/OStVet/OStAp
zum 31. März
- Hptm/KptLt
(OffzTrDst - A 11 und A 12
zum 31. März
- Hptm/KpLt
(OffzMilFD - A 11 und A 12)
zum 30. September
- HptFw/HptBtsm und
StFw/StBtsm
In Jahren mit ungerader Endziffer
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzTrDst)
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzMilFD)
zum 30. September
- BrigGen/FltlAdm
zum 30. September
- GenArzt/GenAp
zum 30. September
- Oberste/Kapitäne zur See
(A 16 und B 3)
zum 30. September
- Oberstärzte/OberstVet/OberstAp
(A 16 und B 3)
zum 30. September
- Oberstlt (A 15)/FKpt (A 15)
zum 30. September
- OFArzt/OFVet/OFAp
zum 30. September
- Maj/KKpt und Oberstlt (A 14)/
FKpt (A 14)
zum 30. September
- Fw/Btsm und OFw/OBtsm
Für die Bewertung im Leistungsvergleich sieht Nr. 610, 611 ZDv 20/6 das folgende Richtwertesystem vor:
„610.
a. Mit dem Ziel, die Beurteilungsgerechtigkeit zu erhöhen, wird ein annähernd gleicher Bewertungsmaßstab aller Beurteilenden angestrebt. Zur Schaffung einheitlicher Richtwertvorstellungen als Ausgangspunkt eines differenzierten und transparenten Beurteilungssystems wird für die Beurteilung der Aufgabenerfüllung auf dem oder den Dienstposten ein Richtwertkorridor festgelegt. Demzufolge muss sich der von 80 % der Durchschnittswerte der Aufgabenerfüllung einer definierten Vergleichsgruppe gebildete Mittelwert innerhalb eines Richtwertintervalls von 4,5 und 5,5 bewegen. Um die Vergabe von Spitzenwerten zu begrenzen, darf der Mittelwert aus den verbleibenden 20 % der Durchschnittswerte 7,5 nicht überschreiten. Dieses gilt jeweils sowohl für den Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung als auch für den nachgeordneten Bereich.
b. Die Inspekteurinnen oder Inspekteure gewährleisten im Rahmen ihrer truppendienstlichen Verantwortung die Einhaltung der Richtwertvorgaben. Hierzu können sie in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich ablauforganisatorische Weisungen erteilen.
c. Die beurteilenden Vorgesetzten haben sich bezüglich der Wahl ihres Beurteilungsmaßstabes an dem vorgegebenen Richtwertkorridor zu orientieren und tragen dadurch zur Einhaltung der Vorgaben in jeder Vergleichsgruppe bei. Hierzu stimmen sie sich mit den Stellung nehmenden Vorgesetzten im Vorfeld der Beurteilungserstellung ab. Die Unabhängigkeit der beurteilenden Vorgesetzten wird durch die Abstimmungsgespräche nicht angetastet. Die Beurteilenden treffen ihre Bewertung in eigener Verantwortung. Grundsätzlich ist durch die Stellung nehmenden Vorgesetzten die Einhaltung der Richtwertvorgaben zu gewährleisten. Können diese den Richtwert nicht einhalten, müssen sie eine geplante Über- oder Unterschreitung begründen und mit ihrer bzw. ihrem weiteren höheren Vorgesetzten abstimmen. Dieses schließt z.B. das Recht auf Vorlage anonymisierter Beurteilungsübersichten bereits vor Eröffnung der Beurteilungen ein.
d. Das Anlegen differierender Bewertungsmaßstäbe zwischen unterschiedlichen Statusgruppen einer Vergleichsgruppe ist nicht zulässig.
e. Eine Übersicht über die festgelegten Vergleichsgruppen enthalten Nr. 203 a. und Nr. 204 a.
f. Bewertungen aus bisherigen Beurteilungen sind z.B. nach Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten bzw. der Beförderung in einen höheren Dienstgrad aufgrund der Zugehörigkeit zu einer neuen Vergleichsgruppe nicht mehr uneingeschränkt mit denen nachfolgender Beurteilungen zu vergleichen. Die oder der Beurteilte muss sich im Rahmen der neuen Vergleichsgruppe bewähren und regelmäßig mit auf entsprechenden Dienstposten erfahreneren Soldatinnen und Soldaten vergleichen lassen. Ein Anspruch auf Fortschreibung der Wertungen aus früheren Beurteilungen vor dem Hintergrund konstanter Leistungen existiert somit nicht.
611.
a. Der Durchschnittswert der individuellen Aufgabenerfüllung berechnet sich wie folgt:
Summe der Wertungen (Einzelmerkmale)
=
Durchschnittswert
Aufgabenerfüllung
Anzahl der bewerteten Einzelmerkmale
b. Der Mittelwert der 80 % einer Vergleichsgruppe berechnet sich wie folgt:
Summe aus 80 % der Durchschnittswerte Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 80 %
einer Vergleichsgruppe
80 % Umfang Vergleichsgruppe
c. Der Mittelwert der 20 % einer Vergleichsgruppe berechnet sich wie folgt:
Summe aus 20 % der Durchschnittswerte Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 20 %
einer Vergleichsgruppe
20 % Umfang Vergleichsgruppe

6 Für die Durchführung der Abstimmungsgespräche bestimmt Nr. 509 ZDv 20/6:
„509.
a. Vor Erstellung der Beurteilungen, jedoch nicht früher als acht Monate vor dem jeweiligen Vorlagetermin der Beurteilung, sind auf den truppendienstlichen Ebenen Abstimmungsgespräche zur einheitlichen Anwendung der Beurteilungsbestimmungen und zur Gewinnung eines umfassenden Bildes durchzuführen. Ein gründlicher Abstimmungsprozess vor Erstellung und Eröffnung der Beurteilung reduziert die Notwendigkeit nachsteuernder Änderungen durch die Stellung nehmenden Vorgesetzten mit den damit verbundenen Folgen. Sofern für Soldatinnen und Soldaten fachliche Beurteilungsbeiträge (Nr. 506) erstellt werden, wirken die zuständigen Fachvorgesetzten beim Abstimmungsprozess mit.
b. Bei Anlassbeurteilungen (Nr. 204 a.) sind die Abstimmungsgespräche (Nr. 509 a.) nicht früher als drei Monate vor dem jeweiligen Vorlagetermin der Beurteilung zu führen.
c. Die Unabhängigkeit der beurteilenden Vorgesetzten wird durch die Abstimmungsgespräche nicht berührt.“

7 Zum Vorlagetermin 30. September 2007 erstellte der Bereichsleiter ... beim ...-Amt - derselbe Dienstposteninhaber wie bei der Beurteilung zum 30. September 2005 - unter dem 27. Juli 2007 eine am selben Tag eröffnete planmäßige Beurteilung für den Antragsteller nach den neuen Beurteilungsbestimmungen. Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde bei fünf Einzelmerkmalen mit der Notenstufe „5“ (die Leistungserwartungen wurden erfüllt, überwiegend übertroffen) und bei zwei Einzelmerkmalen mit der Notenstufe „6“ (die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen) bewertet; drei Einzelmerkmale wurden nicht bewertet. Als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung ergab sich hieraus ein Wert von „5,29“.

8 Der Vizepräsident des ...-Amts und Dienstälteste Offizier beim ...-Amt - ebenfalls derselbe Dienstposteninhaber wie bei der Beurteilung zum 30. September 2005 - gab unter dem 1. Oktober 2007 eine Stellungnahme zu der Beurteilung des Antragstellers ab. Dabei änderte er in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten die Wertung für zwei Einzelmerkmale (Eigenständigkeit, Belastbarkeit) von „6“ auf „5“ ab; als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung ergab sich hierdurch ein Wert von „5,00“. Zur Begründung verwies der Vizepräsident und Dienstälteste Offizier darauf, dass die Korrektur aufgrund der Einordnung des Antragstellers in die weit überdurchschnittlich leistungsstarke Vergleichsgruppe beim ...-Amt erfolgt sei.

9 Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. August 2007 legte der Antragsteller Beschwerde gegen die Beurteilung ein. Die Beurteilung sei abzuändern, weil die textlichen Festlegungen nicht mit den vergebenen Punkten übereinstimmten. Auch seien etwaige Quotenvorgaben nicht zu berücksichtigen.

10 Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 wies der Amtschef ... die Beschwerde zurück. Es bestehe kein Widerspruch zwischen der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten und der Beschreibung des Persönlichkeitsprofils. Die freie Beschreibung charakterisiere den Antragsteller als einen Stabsoffizier, dessen Profil zu den hohen Ansprüchen eines Dienstpostens der Dotierungshöhe A 15 passe. Zur Schaffung einheitlicher Vorstellungen als Ausgangspunkt eines differenzierten und transparenten Beurteilungssystems seien im Übrigen für die Beurteilung der Aufgabenerfüllung auf den Dienstposten Richtwerte festgelegt. Die zur Einhaltung dieser Vorgaben vorgesehenen Abstimmungsgespräche führten dazu, dass am Ende des Abstimmungsprozesses für jede einzelne Beurteilung ein Abstimmungsergebnis stehe, an das sich die beurteilenden Vorgesetzten grundsätzlich zu halten hätten, wenn sie die Einhaltung der Richtwertvorgaben nicht gefährden wollten. Auf dem Weg dahin hätten alle beurteilenden Vorgesetzten die Möglichkeit, die Leistungen der zu Beurteilenden individuell zu berücksichtigen. Es sei nicht zu erkennen, dass der Antragsteller durch diese Verfahrensweise benachteiligt worden sei.

11 Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 1. Februar 2008 weitere Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass Richtwerte nur als Konkretisierung der Leistungsbewertung zulässig seien, wobei eine hinreichend große Zahl an Vergleichspersonen vorhanden sein müsse. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei in seinem Fall zumindest zu hinterfragen.

12 Mit Bescheid vom 28. Mai 2008 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die weitere Beschwerde zurück. Im ...-Amt sei mit 21 Offizieren eine hinreichend große Vergleichsgruppe der Oberstleutnante (A 15) gegeben gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich der Dienstälteste Offizier mit dem Amtschef ... abgestimmt habe; insoweit habe die Vergleichsgruppe sogar 289 Offiziere umfasst. Erst auf dieser Ebene seien die Leistungsbewertungen mit dem Ziel eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes abschließend abgestimmt worden.

13 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. Juni 2008 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 4. August 2008 dem Senat vorgelegt.

14 Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die Anwendung von Richtwerten setze voraus, dass eine hinreichend große Zahl der zu Beurteilenden als Vergleichsgruppe bestehe, im Großen und Ganzen vergleichbare Aufgaben- und Personalstrukturen hinsichtlich Laufbahn und Besoldungsgruppe vorlägen und geringfügige Über- und Unterschreitungen der Prozentsätze möglich sein müssten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht eingehalten. So verschweige der Beschwerdebescheid, dass der unmittelbare Vorgesetzte, der die Beurteilung erstellt habe, außer ihm, dem Antragsteller, keine weiteren Soldaten der Besoldungsgruppe A 15 habe beurteilen müssen. Der Hinweis, dass im Bereich des ... 289 Offiziere der Besoldungsgruppe A 15 zu beurteilen gewesen seien, sei unbehelflich, da diese nicht einmal dem nächsthöheren Vorgesetzten unterstellt gewesen seien. Die Beurteilung sei ferner deshalb aufzuheben, weil sie nicht schlüssig sei. Die freie textliche Bewertung beschreibe das Leistungsbild eines weit über dem Durchschnitt liegenden Offiziers. Dies decke sich auch mit den vorangegangenen Beurteilungen, nicht aber mit den Punktwertungen der Einzelmerkmale bei der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten. Eine Beurteilung unter Berücksichtigung von Richtwerten scheitere ferner daran, dass der Dienstposten, den er, der Antragsteller, besetze, von seiner Aufgabenstellung her einzigartig sei, so dass eine Vergleichbarkeit mit anderen Soldaten nicht gegeben sei.

15 Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

16 Es liege im Ermessen des Dienstherrn, Richtwerte für die Leistungsbewertung als Konkretisierung der von ihm gewollten Beurteilungsmaßstäbe festzulegen. Mit 21 Personen in der Vergleichsgruppe der Oberstleutnante und Fregattenkapitäne der Besoldungsgruppe A 15 sei eine hinreichende Vergleichsgruppengröße gegeben gewesen. Die Abstimmungsgespräche hätten unter Leitung des Dienstältesten Offiziers beim ...-Amt im Februar 2007 stattgefunden. Anders als in den Beurteilungssystemen der Beamten sei bei der Beurteilung von Soldaten kein Gesamturteil vorgesehen; die Richtwertvorgaben der ZDv 20/6 würden sich allein auf die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten beziehen. Ebenfalls anders als in den Beurteilungssystemen der Beamten würden mit den Richtwerten keine ganzzahligen Wertungen quotiert; durch die Ausgestaltung der Leistungsbewertung könne daher schon bei kleineren Gruppengrößen eine bessere Differenzierung erreicht werden. Das Verfahren zur Einhaltung der Richtwertvorgaben sei ferner so gestaltet, dass sich die beurteilenden Vorgesetzten bei einer zu geringen Zahl von zu vergleichenden Soldaten zwar zunächst an den Richtwertvorgaben zu orientieren hätten. Die Richtwerte als solche kämen jedoch erst zum Tragen, wenn auf der jeweils nächsthöheren Ebene Soldaten in eine hinreichend große Vergleichsgruppe zusammengefasst werden könnten; dann sei für die Einhaltung des Richtwerts diese nächsthöhere Ebene zuständig. Dies sei im vorliegenden Fall auf der Ebene des Dienstältesten Offiziers beim ...-Amt geschehen.

17 Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des ... - Az.: B 77/07 und B 03/08 - und des Inspekteurs der Streitkräftebasis - Az.: 25-05-11/19.08 und 39.08 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

19 1. Der Antragsteller hat keinen bestimmten Sachantrag gestellt. Sein Rechtsschutzbegehren ist so auszulegen, dass er beantragt, die planmäßige Beurteilung vom 27. Juli 2007 sowie die Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom 21. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 28. Mai 2008 aufzuheben.

20 Gegenstand des Antrags ist die Beurteilung vom 27. Juli 2007 einschließlich der Änderungen in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten (Herabsetzung der Wertung von zwei Einzelmerkmalen von „6“ auf „5“ mit der Konsequenz einer Verschlechterung des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung von „5,29“ auf „5,00“), die der Vizepräsident des ...amts ...(...-Amt) und Dienstälteste Offizier beim ...-Amt mit seiner Stellungnahme vom 1. Oktober 2007 vorgenommen hat. Zwar richtete sich die Beschwerde des Antragstellers vom 7. August 2007, schon aus Gründen der zeitlichen Abfolge, zunächst (nur) gegen die planmäßige Beurteilung, so wie sie der Bereichsleiter ... beim ...-Amt als beurteilender Vorgesetzter unter dem 27. Juli 2007 erstellt hat. Sie erfasst jedoch auch die Änderungen der Beurteilung, die der stellungnehmende Vorgesetzte während des anhängigen Beschwerdeverfahrens vorgenommen hat, ohne dass es hierfür einer gesonderten Beschwerde oder Erklärung durch den Antragsteller bedurfte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Schreiben vom 2. Oktober 2007, mit dem der Antragsteller innerhalb der laufenden Beschwerdefrist Einwände gegen die ihm am 1. Oktober 2007 ausgehändigte Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten erhoben hat und das von den beteiligten Vorgesetzten (nur) als Gegenvorstellung behandelt wurde, richtigerweise als eine zusätzliche Beschwerde gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu bewerten ist. Dahingestellt bleiben kann auch, welche Konsequenzen zu ziehen wären, wenn der Antragsteller entgegen Nr. 1001 Buchst. b Satz 2 ZDv 20/6 nicht darauf hingewiesen worden sein sollte, dass durch eine bloße Gegenvorstellung kein Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung eröffnet wird.

21 Änderungen einer Beurteilung während eines laufenden Beschwerdeverfahrens sind nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie für den beurteilten Soldaten günstig sind und insofern seiner Beschwerde ganz oder teilweise abhelfen. Dasselbe gilt vielmehr auch für Änderungen der Beurteilung zum Nachteil des Soldaten jedenfalls dann, wenn diese - wie hier - durch den stellungnehmenden Vorgesetzten erfolgt sind. Die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten ist - ungeachtet ihres Charakters als selbstständig anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 WBO (vgl. zuletzt Beschluss vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 29.08 - m.w.N.) - ein integraler Bestandteil der regelmäßigen bzw. planmäßigen Beurteilung in dem weiteren Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV und Nr. 201 Buchst. a (1) der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6). Die Stellungnahme eröffnet dem nächsthöheren Vorgesetzten die Möglichkeit, vor dem Abschluss des gesamten Beurteilungsverfahrens (Nr. 912 Buchst. a ZDv 20/6) in alle Abschnitte (Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten, Persönlichkeitsprofil, Verwendung) und alle dort getroffenen Wertungen und Einstufungen unmittelbar ändernd einzugreifen (vgl. im Einzelnen Nr. 906 Buchst. a und c ZDv 20/6). Für die hier vorliegende Änderung der Wertung von Einzelmerkmalen der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten kommt diese „Verzahnung“ der Stellungnahme mit der zugrunde liegenden Beurteilung noch verstärkt dadurch zum Ausdruck, dass die eigentliche Änderung in die Beurteilung eingetragen (Vordruck A, Abschnitt 3.1) und sie in der Stellungnahme lediglich begründet und ihre rechnerische Konsequenz gezogen wird (Vordruck A, Abschnitte 8.2 und 8.3 ).

22 Angesichts dieser Zusammenhänge wäre es gegenüber einem Soldaten, der bereits gegen die Beurteilung Beschwerde erhoben hat, ein - auch unter dem Blickwinkel der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - nicht zu rechtfertigender Formalismus, wenn er, um sein Rechtsschutzbegehren auf eine vor dem Abschluss des gesamten Beurteilungsverfahrens erfolgte verschlechternde Änderung der angefochtenen Beurteilung zu erstrecken, gezwungen wäre, ein zweites, letztlich sachgleiches oder jedenfalls weitgehend paralleles Beschwerdeverfahren zu eröffnen. Anders verhält es sich, wenn der Soldat originäre Bestandteile der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten, wie insbesondere die Aussagen zum Potenzial und die Entwicklungsprognose (Vordruck A, Abschnitte 8.4 und 8.5 ), anfechten möchte; in diesem Fall ist eine zusätzliche Beschwerde gegen die Stellungnahme unerlässlich. Dem Antragsteller geht es jedoch nicht um diese letzteren Aspekte, sondern nur um die Bewertung seiner Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten.

23 Für die Einbeziehung von Änderungen der Beurteilung durch den stellungnehmenden Vorgesetzten in das laufende Beschwerdeverfahren spricht im Übrigen auch, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Beurteilung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 WBO) von dem an sich zuständigen stellungnehmenden Vorgesetzten auf den ersten Disziplinarvorgesetzten übergeht, der zur Beurteilung noch nicht Stellung genommen hat (Nr. 1103 Buchst. b ZDv 20/6). Ganz im Sinne der vorstehend dargelegten Grundsätze haben deshalb auch der - danach für die Beschwerdeentscheidung zuständige - Amtschef ... und der Inspekteur der Streitkräftebasis in ihren Beschwerdebescheiden die Änderung der angefochtenen Beurteilung durch die Stellungnahme teils explizit (z.B. Beschwerdebescheid vom 21. Januar 2008, S. 2: „Die in Nr. 3 vorgenommene Leistungsbewertung bezieht sich auf die Leistungen in der Funktion. Hier wurden Ihnen mit der Wertung 5 durchweg gute Leistungen bestätigt.“), teils der Sache nach berücksichtigt und in die Prüfung mit einbezogen.

24 2. Der Antrag ist zulässig.

25 Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 201 ZDv 20/6, die von einem militärischen Vorgesetzten erstellt worden sind (zu dieser Voraussetzung vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - juris <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>), stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Zwar findet gemäß § 1 Abs. 3 WBO (in der insoweit maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung) sowie Nr. 1101 ZDv 20/6 eine Beschwerde gegen die in dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen und Wertungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung des Beurteilten nicht statt; derartige Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (vgl. zum Ganzen Beschlüsse vom 22. Februar 1978 - BVerwG 1 WB 74.77 - BVerwGE 63, 3 <5>, vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 <81> = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15 und vom 6. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 45.06 - m.w.N.). Nr. 1102 Buchst. b ZDv 20/6 weist in diesem Sinne klarstellend darauf hin, dass sich Soldatinnen und Soldaten beschweren können, wenn sie glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung, einschließlich der Stellungnahmen, solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind. Hiernach ist eine Beschwerde - unter anderem - dann statthaft, wenn der Beurteilte einen Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze nach Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6 geltend macht. Das ist hier durch den Antragsteller geschehen.

26 3. Der Antrag ist auch begründet.

27 Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Die Beurteilung und die Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom 21. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 28. Mai 2008 sind deshalb aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).

28 Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an der sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis vgl. Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44), kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang stehen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 2001 a.a.O. S. 82, vom 3. Juli 2001 - BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16 und vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 5).

29 Nach diesen Maßstäben ist die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 rechtswidrig, weil sie auf der Anwendung eines Richtwertesystems beruht, für das eine - durch den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gebotene - normative Grundlage fehlt. Die durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6) eingeführten Richtwertvorgaben und die ihrer Umsetzung dienenden Verfahrensregelungen (insbesondere über Abstimmungsgespräche) konnten nicht allein auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften eingeführt werden (vgl. wegen aller Einzelheiten Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - <zur Veröffentlichung in BVerwGE und in Buchholz sowie auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen>).

30 a) Der vor allem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelte Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Von der Wesentlichkeit der Entscheidung hängt auch ab, inwieweit die Regelung unmittelbar in einem Parlamentsgesetz erfolgen muss (Parlamentsvorbehalt) oder die Regelung in einer Rechtsverordnung, die ihrerseits einer gesetzlichen Grundlage bedarf, genügt. Die gegenwärtige normative Regelung der dienstlichen Beurteilung der Soldaten besteht in materiellrechtlicher Hinsicht allein in der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV, wonach Eignung, Befähigung und Leistung der Soldatinnen und Soldaten regelmäßig, oder wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern, zu beurteilen sind. Dieses geringe Maß an normativer Steuerung genügt den aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgenden Anforderungen nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Ermächtigung an das Bundesministerium der Verteidigung, das Nähere durch Erlass zu regeln (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SLV), als Ermächtigung (nur) zum Erlass von Beurteilungsbestimmungen verstanden wird, die sich an dem herkömmlichen Bild der dienstlichen Beurteilung orientieren.

31 Das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 eingeführte Richtwertesystem weicht grundlegend von der herkömmlichen Konzeption der dienstlichen Beurteilung ab. Die einzelnen Bestandteile des Systems - Richtwertvorgaben in Form einzuhaltender Mittelwerte, Vergleichsgruppenbildung, Durchsetzung der Richtwerte in einem alle militärischen Ebenen übergreifenden Abstimmungsprozess - führen in ihrem Zusammenwirken zu einer strukturellen Koppelung aller Beurteilungen innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe, zu einer damit einhergehenden Beweglichkeit des Beurteilungsmaßstabs, zu einer Verlagerung des Gewichts von der individuellen Bewertung zum relativen „Leistungsranking“ und zu einer tendenziellen Umformung der originären Zuständigkeit des Beurteilenden zum Mitwirkungsrecht an einem Abstimmungsprozess. Eine solche grundlegende Umgestaltung des Beurteilungssystems ist nicht mehr von der bestehenden Ermächtigung an das Bundesministerium der Verteidigung, das Nähere durch Erlass zu regeln, gedeckt und bedurfte deshalb einer normativen, zumindest verordnungsrechtlichen Grundlage, aus der sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergeben.

32 b) Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil sie tragend auf der Anwendung des Richtwertesystems beruht.

33 Wegen der Größe, Struktur und Verteilung des ...-Amts auf mehrere Standorte ist hinsichtlich der Zuständigkeit für die Erstellung der Beurteilungen und Stellungnahmen von der Delegationsbefugnis gemäß Nr. 303 Buchst. a ZDv 20/6 Gebrauch gemacht worden (vgl. im Einzelnen die „Regelung der Beurteilungszuständigkeit für Soldaten ...-AmtBw“, Anlage 1 zum Schreiben DO/MilA ...-AmtBw vom 29. Juni 2007). Der danach für die Beurteilung der in seinem Bereich eingesetzten Offiziere zuständige Bereichsleiter ... beim ...-Amt hatte nur den Antragsteller als den einzigen ihm unterstellten Stabsoffizier der Besoldungsgruppe A 15 zu beurteilen. Auf der Ebene des für die Stellungnahme zu der Beurteilung zuständigen Dienstältesten Offiziers beim ...-Amt, dessen Funktion der Vizepräsident des ...-Amts innehatte, umfasste die für den Antragsteller maßgebliche Vergleichsgruppe der Oberstleutnante/Fregattenkapitäne (A 15) (Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6) 21 Soldaten. Einzelheiten der Bewertung ergeben sich aus einer anonymisierten Übersicht über die Beurteilungen in der Vergleichsgruppe des Antragstellers, die der Inspekteur der Streitkräftebasis vorgelegt hat.

34 Zum Ablauf des Abstimmungsverfahrens hat der Inspekteur der Streitkräftebasis mitgeteilt (Schreiben vom 19. Mai 2009), dass der Dienstälteste Offizier am 5. Februar 2007 alle beurteilenden Vorgesetzten des ...-Amts in die neuen Beurteilungsbestimmungen eingewiesen habe; die beurteilenden Vorgesetzten hätten dabei die Vorgabe erhalten, zum ersten Abstimmungsgespräch die Spitzenleute der Vergleichsgruppe zu identifizieren; ferner seien die Abteilungsleiter und der Leiter des ...-Zentrums um eine abteilungsinterne bzw. zentrumsinterne Festlegung von Reihenfolgen gebeten worden. Der beurteilende Vorgesetzte des Antragstellers habe an der Einweisung am 5. Februar 2007 und an den abteilungsinternen Abstimmungsgesprächen teilgenommen. Am 14. und am 21. Februar 2007 hätten dann die Abstimmungsgespräche auf der Ebene der Abteilungsleiter und des Leiters des ...-Zentrums stattgefunden. Der Dienstälteste Offizier habe angewiesen, dass die jeweiligen Teilergebnisse über die Abteilungsleiter bzw. den Leiter des ...-Zentrums in deren Zuständigkeitsbereich mit den jeweiligen beurteilenden Vorgesetzten abgestimmt werden sollten, was auch geschehen sei. Im Rahmen des Abstimmungsprozesses sei keine Veränderung der vorgesehenen Leistungsbewertung des Antragstellers erfolgt. Der Antragsteller sei von Beginn an der Gruppe zugeordnet worden, deren Durchschnittswert nach der „80 %-Regelung“ bei maximal „5,5“ habe liegen dürfen. Die Reihenfolge der insoweit 17 Offiziere habe nach dem ersten Abstimmungsgespräch weitgehend festgestanden. Da allerdings nach Vorlage aller Beurteilungen der maximale Durchschnittswert noch überschritten worden sei, habe der Dienstälteste Offizier Anpassungen vorgenommen. So habe er sich als stellungnehmender Vorgesetzter im Rahmen der vergleichenden Betrachtung entschlossen, den Leistungswert des Antragstellers in zwei Einzelmerkmalen zu verändern und von „5,29“ auf „5,00“ nach unten zu korrigieren.

35 Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist damit unter Anwendung der Richtwertvorgaben zustande gekommen. Nach der Darstellung des Inspekteurs der Streitkräftebasis beruht die Beurteilung bereits deshalb auf dem Richtwertesystem, weil davon auszugehen ist, dass sich der Bereichsleiter ... als beurteilender Vorgesetzter bei der Zuordnung des Antragstellers zum „80 %-Bereich“ und dessen Einordnung in die Reihenfolge der 17 Offiziere im Rahmen der abteilungsinternen Abstimmung von den Richtwertvorgaben hat leiten lassen. Es lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass der Bereichsleiter ... die Leistungen des Antragstellers ohne die Verpflichtung, sich bezüglich der Wahl des Beurteilungsmaßstabs an dem vorgegebenen Richtwertkorridor zu orientieren (Nr. 610 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6), besser bewertet hätte. Dass die Festlegung der Leistungswerte in den eigentlichen Abstimmungsgesprächen auf Abteilungsleiterebene, an denen der Bereichsleiter ... im Übrigen nicht teilnahm, einvernehmlich erfolgte, ändert hieran nichts. Der beurteilende Vorgesetzte ist zwar kraft seiner Unabhängigkeit formal nicht gezwungen, die Ergebnisse der Abstimmungsgespräche zu übernehmen, wenn er diese nicht mitträgt (vgl. Nr. 509 Buchst. c, Nr. 610 Buchst. c Satz 3 ZDv 20/6); praktisch hat das Beharren auf einer eigenen, vom Abstimmungsergebnis abweichenden Bewertung in der Regel jedoch nur geringe Erfolgsaussichten, weil es lediglich die „Notwendigkeit nachsteuernder Änderungen ... mit den damit verbundenen Folgen“ (Nr. 509 Buchst. a Satz 2 ZDv 20/6) - also insbesondere die Ausübung des Rechts des stellungnehmenden Vorgesetzten, Beurteilungen Einzelner und solche ganzer unterstellter Bereiche mit dem Hinweis auf die Einhaltung der Richtwertvorgaben im Sinne eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes aufzuheben (Nr. 902 Satz 2 ZDv 20/6) - provoziert.

36 Dass die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 auf der Anwendung des Richtwertesystems beruht, ist schließlich offenkundig, soweit es die Änderung der Bewertung von zwei Einzelmerkmalen (Eigenständigkeit, Belastbarkeit) von „6“ auf „5“ und die hieraus resultierende Herabsetzung des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung von „5,29“ auf „5,00“ durch die Stellungnahme des Dienstältesten Offiziers betrifft. Denn diese Herabsetzung ist ausdrücklich damit begründet worden, dass nach Vorlage aller Beurteilungen der nach den Richtwertvorgaben maximal zulässige Durchschnittswert noch überschritten worden sei.

37 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl I S. 81).