Urteil vom 27.11.2003 -
BVerwG 2 WD 6.03ECLI:DE:BVerwG:2003:271103U2WD6.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.11.2003 - 2 WD 6.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:271103U2WD6.03.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 6.03

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 27. November 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Sollfrank,
Stabsfeldwebel Plachta
als ehrenamtliche Richter,
Bundeswehrdisziplinaranwalt Gebken,
Rechtsanwalt Arlt, Leipzig,
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der . Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 12. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

Der 25 Jahre alte Soldat wurde nach dem Erwerb der mittleren Reife sowie dem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann zur Ableistung seines Grundwehrdienstes am 2. März 1998 zur Bundeswehr einberufen und aufgrund einer entsprechenden Verpflichtungserklärung am 17. Mai 1999 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde stufenweise verlängert, zuletzt auf zwölf Jahre bis zum 28. Februar 2010.

Der Soldat wurde regelmäßig befördert. Die Beförderung zum Feldwebel erfolgte mit Wirkung vom 1. März 2002.

Nach seiner Grundausbildung wurde er zunächst bei der .../gemischtes Lazarettregiment (gemLazRgt) ... als Truppenfernmeldesoldat ausgebildet und in dieser Funktion verwendet. Den Unteroffizierlehrgang Teil 1 bestand er am 1. Oktober 1999 mit der Note „befriedigend“ und den Unteroffizierlehrgang Teil 2 am 31. August 2000, wobei eine Benotung nicht erfolgte. Am 22. Juni 2001 absolvierte er den Feldwebellehrgang - Militärfachlicher Teil/Rechnungsführer - mit Erfolg ohne Abschlussnote. Mit Wirkung ab 1. Juli 2001 wurde er auf den Dienstposten eines Rechnungsführerfeldwebels im Standort F. versetzt. Hierbei war er unter anderem mit dem Erstellen von zahlungsreifen Belegen für Wehrsold, Verpflegungsgeld und Zulagen betraut. Aufgrund des Sachverhaltes, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wurde er von seiner Funktion als Rechnungsführer am 19. März 2002 abgelöst. Seit dem 20. März 2002 wird er in der .../gemLazRgt ... (jetzt .../Sanitätsregiment ...) in F. als Betriebsstofffeldwebel in der Munitions- und Betriebsstoffgruppe sowie bei der Grundausbildung von Rekruten verwendet.

In dem am Ende des Unteroffizierlehrgangs Teil 1 erstellten Beurteilungsvermerk wird ausgeführt, der Soldat sei lebhaft, pflichtbewusst und leistungswillig. Im Ausbilderverhalten sei er sicher und zeige eine „befriedigende Praxisumsetzung“; auch unter Belastung lasse er einen deutlichen Führungswillen erkennen. Er sei physisch und psychisch sehr hoch belastbar und sei besonders förderungswürdig.

In dem Beurteilungsvermerk vom 30. August 2000, der anlässlich seiner Teilnahme am Unteroffizierlehrgang Teil 2 an der Fernmeldeschule und Fachschule des Heeres für Elektrotechnik in P. erstellt wurde, heißt es, der Soldat sei ein besonders förderungswürdiger Lehrgangsteilnehmer, der aufgrund seines Engagements und seiner Leistungsbereitschaft zur Spitzengruppe dieses Durchganges gehört habe. Er sei ein ruhiger und gereifter Soldat, der selbst in kritischen Situationen besonnen gehandelt habe. Während des gesamten Lehrganges habe er durch sein ruhiges und äußerst zielstrebiges Auftreten sowie seine Zuverlässigkeit überzeugt. Er sei ein pflicht- und verantwortungsbewusster Soldat und zum Unteroffizier der Fernmeldetruppen uneingeschränkt geeignet.

Der Kompaniechef des Soldaten, Major D., hat als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht am 12. Dezember 2002 bekundet, der Soldat zeige großes Engagement und verfüge über eine sehr hohe Leistungsbereitschaft. In der Materialgruppe habe er sich „in kürzester Zeit eingebracht“ und gute Leistungen gezeigt, ebenso als Ausbilder. Wenn man seine angeschuldigte Tat und die Vorbereitung derselben ausgrenze, könne er, der Zeuge, nur sagen, dass der Soldat von seinen Leistungen her als ein vielversprechender Unteroffizier mit Portepee zu den Leistungsträgern der Kompanie gehöre.

In der gemäß Nr. 406 b ZDv 20/6 erstellten Sonderbeurteilung vom 24. März 2003 hat derselbe Vorgesetzte die Leistungen des Soldaten achtmal mit der Stufe „5“, sechsmal mit der Stufe „4“ sowie zweimal („Eigenständigkeit“, „Urteils- und Entscheidungsfindung“) mit der Stufe „3“ bewertet. Zur „Eignung und Befähigung“ des Soldaten wird ausgeführt, der Soldat habe als Ausbilder und als Materialverantwortlicher ein besonderes Maß an Verantwortungsbewusstsein und eine hohe Einsatzbereitschaft gezeigt. Eigenständiges Handeln, gute Auffassungsgabe und präzise Auftragsauswertung machten ihn in diesen Verwendungen zu einem verlässlichen Untergebenen. Als Rechnungsführer habe er jedoch nicht durch solche Leistungen überzeugt. Er habe in mehreren Fällen das notwendige Verantwortungsbewusstsein völlig vermissen lassen und dabei gegen Gesetze und Dienstvorschriften verstoßen. In der Beurteilung der „Eignung und Befähigung“ erhielt er für „Verantwortungsbewusstsein“ die Wertung „B“, für „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ die Wertung „C“ sowie für „Geistige Befähigung“ und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ jeweils die Wertung „D“. Zu „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:

„Feldwebel ... war bis zu seiner Entbindung von der Tätigkeit als Rechnungsführer eingesetzt. Zu Beginn erbrachte er gute Leistungen, zeigte jedoch durch die zur Entbindung führenden Vorfälle, dass er dem in ihn gesetzten Vertrauen nicht gerecht werden konnte. Feldwebel Biermann hat sich nach der Entbindung von den Tätigkeiten als Rechnungsführer Fürstenau jederzeit in die ihm übertragenen Aufgaben mit viel Engagement und Elan eingebracht. Zu keinem Zeitpunkt war fehlende Motivation oder Resignation zu spüren. Er hat trotz seines Fehlverhaltens in den neuen Aufgabenbereichen das Vertrauen der Vorgesetzten nicht enttäuscht. Trotz der schwierigen Situation hat er sich weiterhin in das Unteroffizierkorps der Kompanie eingebracht, auch dann, wenn er die teilweise ablehnende Haltung bzw. Distanz deutlich spüren konnte. Insgesamt hat er versucht, das Beste aus der Situation zu machen, ohne dabei für sich selbst die Schwere seines Vorgehens zu verdrängen oder zu verharmlosen.“

Für Führungsverwendungen in der Truppe und allgemeine Führungsverwendungen wird der Soldat als „geeignet“ bezeichnet; dagegen sei eine Eignung für Stabsverwendungen sowie für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung „nicht erkennbar“; die Eignung für Fachverwendungen und Lehrverwendungen sind nicht bewertet worden.

Der nächsthöhere Vorgesetzte, der Regimentskommandeur, stimmte der Beurteilung des Kompaniechefs zu und führte ergänzend aus, der Soldat habe „im Hinblick auf die schwerwiegenden Dienstvergehen als Rechnungsführer glaubwürdig Reue“ gezeigt und „sich in überzeugender Weise trotz widriger Umstände mit Biss, Geradlinigkeit und Einsatzwillen um einen Neuanfang“ bemüht; er sei „auf gutem Weg, die Chance einer Bewährung zu nutzen“.

Die Förderungswürdigkeit des Soldaten beurteilte er mit der Wertung „C“.

Abgesehen vom sachgleichen Strafverfahren ist der Soldat ausweislich des Zentralregisterauszugs vom 4. April 2003 und des Disziplinarbuchauszugs vom 6. März 2003 bislang weder disziplinar noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Der ledige Soldat erhält nach der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung ... - Gebührniswesen - vom 7. März 2003 Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 7, Dienstaltersstufe 2, in Höhe von brutto 1.588,59 € und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge einen Nettobetrag in Höhe von 1.334,08 €. Nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung zahlt er zur Begleichung der vom Amtsgericht B. verhängten Geldstrafe monatliche Raten in Höhe von 150 €, zur Abzahlung eines für den PKW-Kauf aufgenommenen Kredits monatlich 188 €. Er wohnt bei seinen Eltern und leistet dafür an sie einen Kostenbeitrag in Höhe von 150 €.

II

III