Beschluss vom 28.01.2003 -
BVerwG 7 B 73.02ECLI:DE:BVerwG:2003:280103B7B73.02.0

Beschluss

BVerwG 7 B 73.02

  • VG Dresden - 06.12.2001 - AZ: VG 7 K 873/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6. Dezember 2001 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

I


Der Kläger begehrt im Wege der Restitutionsklage die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahrens. Gegenstand jenes Verfahrens war die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Unternehmens, der S-GmbH, bzw. die Begründung von Bruchteilseigentum an Grundstücken, die dem Unternehmen gehört hatten (§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG).
Der Kläger ist der Enkel und Rechtsnachfolger des jüdischen Bankiers Dr. S. F., der im Juli 1942 in Gestapo-Haft verstorben ist. Der Kläger hat im Ausgangsverfahren behauptet, Dr. F. sei mit einem Anteil von 165/250 Mehrheitsgesellschafter der S-GmbH gewesen; der andere Gesellschafter, A. G. R., habe den Anteil im Zuge einer Arisierung des Unternehmens zum 1. Januar 1937 erworben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 28. Oktober 1999 (unter anderem) mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht nachgewiesen, dass Dr. F. als Gesellschafter an der S-GmbH beteiligt gewesen sei. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig verworfen, weil der Kläger die Frist zu ihrer Einlegung schuldhaft versäumt habe (Beschluss vom 8. September 2000 - BVerwG 7 B 88.00 -).
Bereits vor Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts hatte der Sohn des Klägers Anfang März 2000 im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden die beglaubigte Abschrift eines notariellen Kaufvertrages vom 16. Dezember 1936 gefunden. In ihm veräußert Dr. F. sämtliche ihm gehörenden Geschäftsanteile an der S-GmbH im Gesamtnennwert von 165 000 RM zu einem Kaufpreis von 46 000 RM an A. G. R.
Noch vor Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Ausgangsverfahren hat der Kläger unter Hinweis auf die aufgefundene Urkunde Restitutionsklage erhoben (§ 153 VwGO, § 578 Abs. 1, § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO). Das Verwaltungsgericht hat zunächst über die Echtheit der aufgefundenen Urkunde Beweis erhoben. Sodann hat es die Restitutionsklage durch das angefochtene Urteil als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden außerstande gewesen, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 153 VwGO, § 582 ZPO). Er hätte zum einen die Urkunde fristgemäß in das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde einführen müssen. Zum anderen habe er sich nicht zeitig genug - nachweislich - nachhaltig darum bemüht, den Kaufvertrag vom 16. Dezember 1936 aufzufinden. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II


Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers ist begründet. Soweit das Verwaltungsgericht die Abweisung der Klage darauf gestützt hat, der Kläger hätte die aufgefundene Urkunde in das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde einführen müssen, hat die Rechtssache zwar nicht die vom Kläger dargelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.). Soweit das Verwaltungsgericht die Abweisung der Klage selbstständig tragend darauf gestützt hat, der Kläger habe sich nicht zeitig und nachhaltig genug bemüht, den Kaufvertrag vom 16. Dezember 1936 aufzufinden, liegt die geltend gemachte Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
ebenso wenig vor (2. a) wie der ferner gerügte Verfahrensfehler einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts (2. b). Die Ausführungen des Klägers zur Grundsatzrüge und zur Divergenzrüge ergeben aber sinngemäß einen Verfahrensfehler, auf dem das angefochtene Urteil beruht. Das Verwaltungsgericht hat § 153 VwGO, § 582 ZPO fehlerhaft angewandt. Bei richtiger Anwendung dieser Vorschriften hätte es die Klage nicht ohne Sachprüfung als unzulässig abweisen dürfen (3.). Hat das Gericht eine Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen und nicht zur Sache entschieden, liegt darin ein Verstoß gegen Vorschriften über das gerichtliche Verfahren und damit ein Verfahrensfehler (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1994 - BVerwG 5 B 79.94 - NJW 1995, 2121; Beschluss vom 16. Februar 1998 - BVerwG 1 B 12.98 - juris).
1. Der Kläger sieht als grundsätzlich bedeutsam die Frage an,
ob eine ein Restitutionsverfahren begründende Urkunde auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 132 VwGO zu berücksichtigen ist.
Die Revision kann zwar auch wegen einer grundsätzlich bedeutsamen Frage des Prozessrechts zugelassen werden. Es liegt aber auf der Hand und bedarf deshalb nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass § 153 VwGO in Verbindung mit § 582 ZPO jedenfalls nicht uneingeschränkt verlangt, der Beteiligte müsse einen Restitutionsgrund noch im Ausgangsverfahren durch Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat. Eine solche Pflicht besteht allenfalls dann, wenn mit Hilfe des Restitutionsgrundes ein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt werden kann.
Nach § 582 ZPO ist die Restitutionsklage nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Als Möglichkeiten, die insoweit in Betracht kommen, nennt die Vorschrift neben dem nur für den Zivilprozess bedeutsamen Einspruch ausdrücklich lediglich die Berufung und die Anschlussberufung, nicht hingegen die Revision. Dass die Revision nicht erwähnt wird, ist kein Zufall. Mit dem Restitutionsgrund wird regelmäßig eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel in den Prozess eingeführt. Das ist im Revisionsverfahren nicht zulässig (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Allerdings lässt das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren den Vortrag neuer Tatsachen aus Gründen der Prozessökonomie ausnahmsweise dann zu, wenn die neuen Tatsachen nicht weiter beweisbedürftig sind, ihre Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient und ihre Berücksichtigung schützenswerte Interessen der Beteiligten nicht berührt (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - NVwZ 1993, 781 <782>). Diese Voraussetzungen können dann erfüllt sein, wenn der neue Umstand eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 153 VwGO in Verbindung mit § 580 ZPO begründet hätte (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1960 - BVerwG III C 301.58 - BVerwGE 10, 357 <358>; Urteil vom 20. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 12.87 - NJW 1990, 925 <927>).
Offen bleiben kann, ob aus dieser Rechtsprechung gefolgert werden kann, dass eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens begründen könnten, im Revisionsverfahren geltend zu machen sind, mit der Folge, dass ein Wiederaufnahmeverfahren wegen dessen Subsidiarität nach § 582 ZPO unzulässig ist. Zwingend ist ein solcher Schluss nicht. Der Bundesgerichtshof lehnt ihn ausdrücklich ab. Auch wenn das Revisionsgericht das neue tatsächliche Vorbringen in der Revisionsinstanz hätte berücksichtigen können, gereicht es danach der Partei nicht zum Verschulden im Sinne des § 582 ZPO, wenn sie dieses Vorbringen im Revisionsverfahren unterlassen hat (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96 - NJW 1998, 2972 <2975>).
Die dargestellte Rechtsprechung ist jedenfalls auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht übertragbar. Dessen Unterschiede zu einem Revisionsverfahren stehen einer solchen Übertragung entgegen (vgl. auch Beschluss vom 7. Juli 1999 - BVerwG 8 B 66.99 - NVwZ 1999, 1335).
Die Restitutionsgründe des § 580 ZPO betreffen die Entscheidungsgrundlage des Ausgangsverfahrens. Mit ihnen wird geltend gemacht, dass die dort ergangene Entscheidung unrichtig ist, im Falle des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO deshalb, weil der Beteiligte eine Urkunde aufgefunden hat oder zu benutzen in den Stand gesetzt worden ist, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Revisionsverfahren geht es ebenfalls um die richtige Entscheidung des Rechtsstreits. Eine Urkunde mit den in § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO umschriebenen Eigenschaften ist deshalb für die im Revisionsverfahren zu treffende Entscheidung erheblich. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es hingegen nicht (unmittelbar) um die richtige Entscheidung des Rechtsstreits, sondern darum, ob die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegen. Zu ihnen gehört die (bloße) Unrichtigkeit der ergangenen Entscheidung nicht. Dass eine nachträglich aufgefundene Urkunde das angefochtene Urteil als unrichtig erscheinen lässt, weil sie eine dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidung herbeiführen kann, nützt diesem im Beschwerdeverfahren nichts. Er kann allein damit nicht das Vorliegen eines Zulassungsgrundes darlegen. Dass die Vorinstanz von der nachträglich aufgefundenen Urkunde keinen Gebrauch gemacht hat, stellt regelmäßig auch keinen Verfahrensfehler dar, etwa eine mangelnde Aufklärung des Sachverhalts. Der Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO setzt gerade voraus, dass die Urkunde bisher unauffindbar oder sonst nicht benutzbar war. In Betracht kommen dürfte allenfalls der Fall, dass der Beschwerdeführer eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage aber nicht schon auf der von der Vorinstanz festgestellten und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen Tatsachengrundlage stellt, sondern erst auf einer Tatsachengrundlage, die um die Umstände erweitert ist, die der Beschwerdeführer mit Hilfe des Wiederaufnahmegrundes in den Rechtsstreit einführt.
2. a) Das Verwaltungsgericht ist nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, die der Kläger in seiner Beschwerde bezeichnet hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den bezeichneten Entscheidungen die Anforderungen, die an einen Beteiligten für die Beibringung von Urkunden zu stellen sind, nicht in einem abstrakten Rechtssatz umschrieben, dem das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen abweichenden abstrakten Rechtssatz entgegengestellt hätte.
aa) Im Urteil vom 22. Oktober 1969 - BVerwG V C 27, 78, 79.68 - (BVerwGE 34, 113 <121 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht zwar von dem Beteiligten verlangt, dass er den Prozessstoff liefern muss, der nur ihm bekannt war. Es hat aber nicht schlechthin ausgeschlossen, dass der Beteiligte gleichzeitig den Sachverhalt aufklären und dabei nach weiteren Urkunden suchen muss. Die Verwaltungsbehörde (als damalige Restitutionsklägerin) sei jedoch zu einer solchen Aufklärung nur verpflichtet, soweit es auf diese Umstände nach ihrer eigenen Rechtsauffassung entscheidungserheblich ankommt. In dem konkreten Fall kam es auf die später aufgefundene Urkunde nicht nach der Rechtsauffassung der Verwaltungsbehörde, sondern erst nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich also allenfalls der Rechtssatz entnehmen, dass der Restitutionskläger ohne sein Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO in dem früheren Verfahren geltend zu machen, wenn er Ermittlungen zu Tatsachen unterlassen hat, auf die es nach seiner Rechtsauffassung in dem früheren Verfahren nicht ankam (es sei denn, der Beteiligte habe mit seiner Rechtsauffassung die "wahre" Rechtslage schuldhaft verkannt). Damit stimmt im Ausgangspunkt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts überein.
bb) Im Beschluss vom 7. März 1975 - BVerwG III B 96.73 - (Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 14) hat das Bundesverwaltungsgericht einem Beteiligten als Verschulden im Sinne des § 582 ZPO angerechnet, wenn er es unterlassen hat, die dem Gericht vorgelegten Akten der Behörde einzusehen und deshalb keine Kenntnis von Urkunden hatte, die in diesen Akten enthalten waren. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entschieden, dass ein Beteiligter sich darauf beschränken dürfe, nur in den vorgelegten Behördenakten nach entscheidungsrelevanten Urkunden zu suchen.
b) Den geltend gemachten Verfahrensfehler einer mangelnden Aufklärung des Sachverhalts hat der Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt. Er meint, das Verwaltungsgericht hätte seinen - des Klägers - Sohn als Zeugen zu der Frage vernehmen müssen, ob und seit wann er in Archiven nach Unterlagen zur Beteiligung seines Rechtsvorgängers an der S-GmbH nachgeforscht habe.
Die Aufklärungsrüge scheitert schon daran, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat. Von einem anwaltlich vertretenen Beteiligten kann im Allgemeinen erwartet werden, dass er eine von ihm für notwendig erachtete Beweisaufnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt. Wenn der Anwalt einen solchen Antrag versäumt hat, kann sein Mandant eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen. In der Regel wird nämlich erst ein in der vorgeschriebenen Form zu Protokoll gestellter Antrag dem Tatsachengericht vor Augen führen, welche entscheidende Bedeutung der Anwalt einer weiteren Sachaufklärung beimisst (Beschluss vom 17. September 2001 - BVerwG 9 B 59.01 - juris). Einen Beweisantrag hat der Kläger nicht gestellt, wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt. Einen Antrag auf deren Berichtigung hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.
Dem Verwaltungsgericht musste sich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht ohne Beweisantrag von Amts wegen aufdrängen. Das Verwaltungsgericht hält dem Kläger vor, er oder sein Sohn habe erst beginnend im Oktober 1999 in den Akten des Sächsischen Hauptstaatsarchivs recherchiert, in denen die beglaubigte Abschrift des Kaufvertrags schließlich gefunden wurde. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger nicht vorgehalten, er habe vor dem Oktober 1999 im Sächsischen Hauptstaatsarchiv überhaupt nicht recherchiert; es hat nur intensive Nachforschungen vermisst. Gelegentliche Recherchen sind damit vom Verwaltungsgericht berücksichtigt, aber rechtlich als unzureichend bewertet. Für intensive Nachforschungen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv boten die Akten keinen Anhalt. Das Schreiben des Direktors K. vom 10. Juni 1936 an Dr. F., auf das der Kläger seine Annahme einer Beteiligung Dr. F. an der S-GmbH maßgeblich gestützt hat, hat er nicht im Sächsischen Hauptstaatsarchiv gefunden, sondern im Archiv der Staatsbank Berlin.
3. a) Bei zutreffender Anwendung des § 153 VwGO, § 582 ZPO hätte das Verwaltungsgericht aber die Zulässigkeit der Klage nicht daran scheitern lassen dürfen, dass der Kläger die nachträglich aufgefundene Urkunde nicht bereits mit der Nichtzulassungsbeschwerde in das Ausgangsverfahren eingeführt hat.
Das Verwaltungsgericht hat ohne jede Differenzierung von dem Kläger verlangt, er müsse mögliche Wiederaufnahmegründe im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen. In welcher Weise die hier aufgefundene Urkunde es dem Kläger ermöglicht hätte, einen Grund für die Zulassung der Revision darzutun, sagt das Verwaltungsgericht nicht. Eine solche Möglichkeit ist auch nicht erkennbar.
Abgesehen davon berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen im Revisionsverfahren nur aus Gründen der Prozessökonomie, wenn also die Berücksichtigung der neuen Tatsachen dem Revisionsgericht eine abschließende Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Echtheit der nachträglich aufgefundenen Urkunde bestritten ist. Wenn im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt eine Urkunde berücksichtigt werden kann, deren Auffinden sonst einen Restitutionsgrund im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO ergäbe, dann kommen hierfür nur Urkunden in Betracht, die unstreitig echt sind. Hier war hingegen die Echtheit der Urkunde in Zweifel gezogen worden. Das Verwaltungsgericht hat über die Echtheit der Urkunde Beweis erhoben.
Weil der Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht verpflichtet war, die nachträglich aufgefundene Urkunde noch in das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde einzuführen, schadet es ihm nicht, dass er die Frist zur Einlegung der Beschwerde schuldhaft versäumt hat. Diese schuldhafte Säumnis ist nicht ursächlich dafür geworden, dass er außerstande war, den Restitutionsgrund bereits in dem früheren Verfahren geltend zu machen.
b) Bei zutreffender Anwendung des § 153 VwGO, § 582 ZPO hätte das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Klage auch nicht daran scheitern lassen dürfen, dass der Kläger nicht rechtzeitig und nachhaltig genug in den Archiven nach dem später aufgefundenen Kaufvertrag vom 16. Dezember 1936 geforscht hat. Das Verwaltungsgericht hat zu hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Klägers gestellt.
An die Sorgfaltspflichten einer Prozesspartei sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Eine auch nur leicht fahrlässige Verletzung dieser Pflichten schließt die Zulässigkeit einer späteren Restitutionsklage aus (BGH, Urteil vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - WM 1974, 264). Dies trägt der grundlegenden Bedeutung Rechnung, welche die Rechtskraft für die Rechtssicherheit und die rasche Wiederherstellung des Rechtsfriedens hat. Der Gesetzgeber will nur in eng begrenzten Fällen dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnen, im Wege der Restitutionsklage die Rechtskraft einer Entscheidung zu beseitigen, die auf fehlerhafter Grundlage beruht und ihn ohne sein Verschulden unbillig belastet.
Vor diesem Hintergrund ist es dem Beteiligten zumutbar, sich durch geeignete Maßnahmen rechtzeitig in den Besitz einer beweiserheblichen Urkunde zu setzen und ihren Inhalt und Verbleib ausfindig zu machen.
Das betrifft in erster Linie solche Urkunden, die sich im Gewahrsam des Beteiligten befinden. Ein Verschulden des Beteiligten liegt regelmäßig dann vor, wenn er eine solche in seinem Gewahrsam befindliche Urkunde erst nachträglich vorlegt, weil sie infolge ungenügender Ordnung in seinen Unterlagen
oder infolge mangelhafter Nachforschungen unbemerkt geblieben ist. Darum geht es hier nicht. Der Kläger hat keine Unterlagen aus der Geschäftstätigkeit seines Rechtsvorgängers in seinem Besitz. Diese Unterlagen sind vielmehr sämtlich bereits von der Gestapo bei der Verhaftung seines Rechtsvorgängers im Jahre 1942 beschlagnahmt und weggeschafft worden.
Weiter ist der Beteiligte verpflichtet, in öffentlich zugängliche Register Einsicht zu nehmen. Auch das war hier nicht möglich. Das Handelsregister des Amtsgerichts Dresden ist bei dem Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 verbrannt. Bezogen auf die S-GmbH ist für das Handelsregister nach dem Krieg nur der letzte Stand der Eintragungen vor der Vernichtung rekonstruiert worden.
Die Geschäftsunterlagen der Sächsischen Hypothekenbank sind ebenfalls bei dem Bombenangriff auf Dresden vollständig verbrannt. Den Angriff überdauert hat nur eine Ausfertigung des ursprünglich (1907) abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages, der im Safe eines Bankhauses aufbewahrt wurde. Er gibt jedoch nichts für die Frage her, ob und in welchem Umfang der Rechtsvorgänger des Klägers zu der hier interessierenden Zeit an der Gesellschaft beteiligt war.
Weil die unmittelbar einschlägigen Unterlagen (Geschäftsunterlagen des Rechtsvorgängers, Geschäftsunterlagen der Gesellschaft, Handelsregister) nicht zur Verfügung standen, kam von vornherein nur die Möglichkeit in Betracht, dass die Beteiligung Dr. F.s an der S-GmbH und der Verlust dieser Beteiligung in anderen Zusammenhängen einen beweiskräftigen Niederschlag gefunden hatte. Wonach der Kläger dabei genau zu suchen hatte, war unklar. Er hatte keine eigene Kenntnis von den Geschäftsvorgängen in den dreißiger Jahren. So war bis zum Auffinden der beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages vom 16. Dezember 1936 der Abschluss eines solchen Vertrages unbekannt, eine gezielte Suche nach dieser Urkunde also nicht möglich, ohne dass diese Unkenntnis dem Kläger zum Verschulden gereicht. Dies erforderte gleichsam ein Nachforschen auf Verdacht, insbesondere in Unterlagen, die den Verbleib des Vermögens des mutmaßlichen Ariseurs A. G. R. dokumentieren konnten.
Aufgefunden hat der Sohn des Klägers die beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages vom 16. September 1936 in archivierten Akten des (Sächsischen) Ministeriums des Innern, welche die Aufsicht über Stiftungen betrafen, im konkreten Fall über Stiftungen der Sächsischen S.-Werk AG. An dieser Aktiengesellschaft war nach der Behauptung des Klägers Dr. F. ebenfalls beteiligt gewesen; diese Beteiligung soll ihm ebenfalls durch Arisierung entzogen worden sein. Auch insoweit hat der Kläger vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht, über die jedenfalls seinerzeit - bei Auffinden des Vertrages - noch nicht bestandskräftig entschieden war. Der Kaufvertrag vom 16. Dezember 1936 hatte keinen sachlichen Bezug zur Sächsischen S-Werk AG und der Aufsicht des Sächsischen Innenministeriums über Stiftungen, die der Aktiengesellschaft zuzuordnen waren. Der Kaufvertrag war mithin dem Archivstück, in dem er enthalten war, fehlerhaft zugeordnet. Das Archivstück war zwar für den Kläger wegen anderweit verfolgter vermögensrechtlicher Ansprüche von Interesse. Das Vorhandensein des Kaufvertrages in diesem Archivstück war aber auch bei sorgfältiger Überlegung nicht zu erwarten. Es gereicht dem Kläger nicht zum Verschulden im Sinne des § 582 ZPO, dass er seine Suche nicht von vornherein auf dieses Archivstück erstreckt hat. Anderenfalls würde von ihm verlangt, "auf gut Glück" zu suchen. Damit wären die Sorgfaltspflichten eines Beteiligten überspannt. Musste eine Nachschau in dieser Akte sich auch bei sorgfältiger Planung einer Suche nicht aufdrängen, liegt kein Verschulden darin, dass der Kläger dieses Archivstück erst so spät durchsucht hat, dass ein Fund nicht mehr in die Tatsacheninstanz eingeführt werden konnte. Die rein zeitliche Betrachtung, er wäre einige Monate früher fündig geworden, wenn er mit der konkreten Suche einige Monate früher begonnen hätte, ist unzulässig. Ein schuldhaftes Zögern könnte ihm nur bei Nachforschungen vorgeworfen werden, die von vornherein Erfolg versprochen und sich deshalb aufgedrängt hätten.
Die fehlerhafte Anwendung des § 153 VwGO, § 582 ZPO durch das Verwaltungsgericht ist in den Ausführungen des Klägers zur Grundsatzrüge und zur Divergenzrüge der Sache nach dargelegt. Unter dieser Voraussetzung können diese Rügen in eine Verfahrensrüge umgedeutet werden (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 7 B 252.98 - juris).
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.