Beschluss vom 28.03.2012 -
BVerwG 1 WB 29.11ECLI:DE:BVerwG:2012:280312B1WB29.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.03.2012 - 1 WB 29.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:280312B1WB29.11.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 29.11

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Steil und
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsveterinär Henseler
am 28. März 2012 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt seine nachträgliche Beteiligung an einem Erlass des Führungsstabs der Streitkräfte, mit dem das Amt für Militärkunde hinsichtlich bestimmter Dienstposten Fliegenden Verbänden zulagenrechtlich gleichgestellt wurde.

2 Mit dem Erlass „Stellenzulage und Erschwerniszulage für fliegendes Personal - Fliegende Verbände, fliegerische Ausbildungseinrichtungen oder den fliegenden Verbänden gleichgestellte Einrichtungen, Einheiten und Dienststellen -“ vom 18. Juni 2008 (VMBl. 2008 S. 141) hat das Bundesministerium der Verteidigung geregelt, bei welchen Einheiten, Einrichtungen und Dienststellen zulagenberechtigende fliegerische Verwendungen wahrzunehmen sind. Über die hierfür definierten Fliegenden Verbände und Fliegerischen Ausbildungseinrichtungen hinaus sieht Nr. 4 des Erlasses vor, dass die Führungsstäbe und die Hauptabteilung Rüstung im Erlassweg Einrichtungen, Einheiten und Dienststellen festlegen, die nach Auftrag und Dienstpostenausstattung den Fliegenden Verbänden gleichgestellt sind. Dabei sind die identifizierten Dienstposten in dem jeweiligen Erlass aufzuführen.

3 Mit dem „Gleichstellungserlass der Streitkräftebasis“ vom 22. September 2010 bestimmte der Führungsstab der Streitkräfte, dass das Amt für Militärkunde mit allen Dienstposten, die die Voraussetzungen des Erlasses erfüllen, gleichgestellt werde. Nach Veröffentlichung dieses Gleichstellungserlasses im Intranet forderte der Bereichssprecher Streitkräftebasis im Gesamtvertrauenspersonenausschuss mit E-Mail vom 29. November 2010 den Führungsstab auf, die Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses nachträglich einzuleiten.

4 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 teilte der Führungsstab der Streitkräfte dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss mit, der Gleichstellungserlass sei keine Grundsatzregelung, sondern lediglich eine Konkretisierung des Basiserlasses im Rahmen einer Einzelfallregelung. Einer Anhörung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bedürfe es daher nicht.

5 In seiner 127. Sitzung am 26. Januar 2011 beauftragte der Gesamtvertrauenspersonenausschuss seinen Sprecher, Wehrbeschwerde einzulegen. Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 wandte sich der Sprecher des Gesamtvertrauenspersonenausschusses an den Bundesminister der Verteidigung und beantragte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Er führte aus, der Gesamtvertrauenspersonenausschuss sehe sich in der Ausübung seiner Befugnisse behindert. Ihm stehe ein Anhörungsrecht zu, da es sich um eine Grundsatzregelung des Bundesministeriums der Verteidigung handele. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2011 dem Senat vorgelegt.

6 Der Antragsteller trägt weiter vor, entgegen der Auffassung des Bundesministers der Verteidigung handele es sich bei einer Entscheidung nach Nr. 4 des Erlasses vom 18. Juni 2008 um eine Grundsatzregelung. Mit dem Gleichstellungserlass seien Regelungen beschlossen worden, die sich personell, sozial und organisatorisch auf Soldatinnen und Soldaten auswirkten. Aus dem Umstand, dass der Gleichstellungserlass lediglich eine Dienststelle benenne, folge keine Einzelfallregelung. Das Soldatenbeteiligungsgesetz sehe die Gruppenbeteiligung in den Organisationsbereichen vor. Es handele sich um eine Grundsatzregelung für den Organisationsbereich Streitkräftebasis, da die Zulagenberechtigung aller Dienststellen der Streitkräftebasis zu prüfen gewesen sei, worin die Grundsatzregelung bestehe. Schon die Anzahl der betroffenen Soldatinnen und Soldaten lasse erkennen, dass es sich nicht um einen Einzelfall handele.

7 Darüber hinaus weist der Antragsteller darauf hin, in einer Entwurfsfassung des Erlasses vom 18. Juni 2008 sei eine Anlage geplant gewesen, die diejenigen Dienststellen habe benennen sollen, für die der Erlass außerhalb des in seiner Nr. 1 geregelten Anwendungsbereiches grundsätzlich habe gelten sollen. Von diesem Konzept sei man abgerückt, um zu vermeiden, dass bei Änderungen jeweils eine Neuveröffentlichung des Erlasses im Verordnungs- und Mitteilungsblatt erforderlich werde. Aus der ursprünglich geplanten Anlage habe sich aber ergeben, dass im Bereich der Streitkräftebasis (weitere) Einheiten bei dem Gleichstellungserlass hätten begünstigt werden können. Nachdem ein gestuftes Verfahren eingeführt worden sei, folge hieraus ein ebenfalls gestuftes Beteiligungsverfahren, weshalb der Antragsteller bei jedem weiteren Gleichstellungserlass zu beteiligen sei.

8 Der Antragsteller beantragt
den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, das Beteiligungsverfahren zu dem „Gleichstellungserlass der Streitkräftebasis“ vom 22. September 2010 durch Anhörung des Antragstellers nachträglich durchzuführen.

9 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

10 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Verfahrensakte des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - .../11 - hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

11 Der Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist unzulässig.

12 Mit dem allein vom Sprecher des Gesamtvertrauenspersonenausschusses unterschriebenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Gesamtvertrauenspersonenausschuss gegen die ihm versagte Beteiligung an dem Gleichstellungserlass der Streitkräftebasis nicht wirksam die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Mit Ablauf der hierbei zu beachtenden Monatsfrist ist damit zugleich die Versagung der Beteiligung unanfechtbar geworden.

13 Sieht sich der Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung in der Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte behindert, so ist ihm hiergegen Rechtsschutz nach der Wehrbeschwerdeordnung gegeben. Gemäß § 16 SBG ist der Beschwerdeweg und nach erfolglos durchgeführtem Beschwerdeverfahren der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet, wenn eine Vertrauensperson geltend macht, sie sei in der Ausübung der ihr nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz eingeräumten Befugnisse behindert worden (stRspr, vgl. Beschluss vom 18. August 2009 - BVerwG 1 WB 51.09 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 75 = NZWehrr 2010, 40 m.w.N.). Ist vorgesehen, dass für die Soldatenbeteiligung Gremien der Vertrauenspersonen gebildet werden, so gilt dies für diese in gleicher Weise (§ 36 Abs. 5, § 32 Abs. 7 i.V.m. § 16 SBG, vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 17.08 - Buchholz 449.7 § 36 SBG Nr. 1). Macht der Gesamtvertrauenspersonenausschuss die Behinderung der ihm nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz eingeräumten Beteiligungsrechte geltend, so ist er hierzu als Gremium berufen. Das Verbot gemeinschaftlicher Beschwerden gemäß § 1 Abs. 4 WBO steht dem nicht entgegen (Beschlüsse vom 27. August 1996 - BVerwG 1 WB 28.96 - BVerwGE 103, 383 = Buchholz 252.1 § 19 GVPAV Nr. 1 = NZWehrr 1997, 39 und vom 9. März 2006 - BVerwG 1 WB 14.05 -). Er kann unmittelbar die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragen, denn seine Rechte beziehen sich auf Grundsatzregelungen des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 21 Abs. 1 WBO). Eine Behinderung in der Wahrnehmung dieser Rechte ist dem Bundesminister der Verteidigung zuzurechnen (vgl. Beschlüsse vom 27. August 1996 a.a.O. m.w.N. und vom 9. März 2006 - BVerwG 1 WB 14.05 -).

14 Möchte der Gesamtvertrauenspersonenausschuss den Rechtsweg beschreiten, so bedarf es der Beschlussfassung durch die hierzu berufenen Mitglieder. Das war hier die Gruppe der Mitglieder des Organisationsbereichs der Streitkräftebasis, weil nur sie bei einer alleine ihren Bereich betreffenden Angelegenheit - hier der Gleichstellungserlass der Streitkräftebasis - an der Beschlussfassung mitwirken (§ 43 Abs. 3 SBG). Den auf diese Weise gebildeten Willen vertritt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 3 SBG der Sprecher gemeinsam mit dem Bereichssprecher des Organisationsbereichs der Streitkräftebasis. Erst mit ihrer gemeinsamen Erklärung gegenüber der zuständigen Stelle wird der Beschluss des Gesamtvertrauenspersonenausschusses nach außen wirksam.

15 Die mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Soldatenbeteiligungsgesetzes vom 20. Februar 1997 (BGBl I S. 298) eingeführte spezielle Vertretungsregelung des § 40 Abs. 2 Satz 3 SBG lehnt sich an die Vorschrift des § 32 Abs. 3 BPersVG an. In Angelegenheiten, in denen nur ein Organisationsbereich betroffen ist, ist der Sprecher allerdings selbst dann nur gemeinsam mit dem jeweiligen Bereichssprecher zur Vertretung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses berufen, wenn er selbst dem betroffenen Organisationsbereich angehört. Damit hat der Gesetzgeber das Prinzip der Gruppenvertretung stärker als im Bundespersonalvertretungsgesetz ausgestaltet. Die Vertretungsregelung stellt nicht nur die Übereinstimmung der Erklärung mit der Beschlussfassung sicher, sondern dokumentiert gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung als Erklärungsempfänger, dass der Gesamtvertrauenspersonenausschuss bei seiner Beschlussfassung das Vorliegen einer nur einen Organisationsbereich betreffenden Angelegenheit erkannt hat. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Bereichssprecher zugleich, dass der Beschluss des Gesamtvertrauenspersonenausschusses von den Mitgliedern des betroffenen Organisationsbereichs getroffen worden ist. Fehlt es an der Unterschrift des Bereichssprechers, so ist der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nicht vorschriftsgemäß vertreten und die Erklärung des Sprechers unwirksam (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 20.07 - Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 5 und vom 14. Juli 1986 - BVerwG 6 P 12.84 - Buchholz 238.36 § 40 NdsPersVG Nr. 2 S. 3 f. je m.w.N.).

16 Danach hat der Antragsteller mit dem an den Bundesminister der Verteidigung gerichteten Schreiben seines Sprechers vom 2. Februar 2011 keinen wirksamen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, weil hierfür gemäß § 40 Abs. 2 Satz 3 SBG eine gemeinsame Erklärung des Sprechers und des Bereichssprechers erforderlich gewesen wäre.

17 Dieser Mangel ist auch nicht mehr heilbar. Für den gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung unmittelbar zulässigen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gelten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO die §§ 17 bis 20 WBO entsprechend. Der Antrag ist daher gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO innerhalb eines Monats zu stellen, wobei die Frist in Anlehnung an § 6 Abs. 1 WBO mit der Kenntnis vom Beschwerdeanlass beginnt (stRspr, vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 59.08 - Rn. 23 <nicht veröffentlicht in BVerwGE 133, 20> m.w.N.). Diese Frist ist verstrichen, ohne dass vor Ablauf von einem Monat gemeinsam die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt worden ist. Ungeachtet der bereits mit der E-Mail des Bereichssprechers vom 29. November 2010 zum Ausdruck kommenden Kenntnis des Gleichstellungserlasses vom 22. September 2010 ergibt sich aus dem Schreiben des Sprechers des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vom 2. Februar 2011, dass der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nicht nur diese Kenntnis, sondern auch das Schreiben des Führungsstabs der Streitkräfte vom 22. Dezember 2010 mit der ausdrücklichen Ablehnung einer Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses erhalten hatte. Entsprechend ist die Frist von einem Monat lange verstrichen.

18 Ungeachtet der hier zu beachtenden gesetzlichen Vertretungsbestimmungen, die eine gemeinsame Vertretung erfordern, besteht auch nach den rechtsgeschäftlichen Grundsätzen über die Vertretung ohne Vertretungsmacht schon deshalb die Möglichkeit einer rückwirkenden Genehmigung des Antrags auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Bereichssprecher Streitkräftebasis nicht, weil der Sprecher den Antrag nicht zugleich in dessen Namen gestellt hat. An der versäumten Antragsfrist vermag auch nichts zu ändern, dass der Bundesminister der Verteidigung keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hat. Bei seinen Entscheidungen und Maßnahmen, für die als Rechtsbehelf nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegeben ist, ist er jedenfalls bei truppendienstlichen Maßnahmen gegenüber Soldaten verpflichtet, eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen (stRspr, vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 59.08 - Rn. 26 <nicht veröffentlicht in BVerwGE 133, 20> m.w.N.). Wird eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung nicht erteilt, so gilt dies als unabwendbarer Zufall mit der Folge, dass die Antragsfrist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses der Fristwahrung abläuft (§ 7 WBO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung ursächlich dafür war, dass der Soldat an der Einhaltung der Frist gehindert war (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 59.08 - Rn. 27 <nicht veröffentlicht in BVerwGE 133, 20> m.w.N.). So ist es nicht erheblich, ob ihm etwa trotz fehlender Belehrung die Antragsfrist bekannt war. Beantragt allerdings der Gesamtvertrauenspersonenausschuss die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, so kann er sich auf die unwiderlegliche Vermutung, durch eine vorgeschriebene, aber unterbliebene oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung an der Einhaltung der Antragsfrist gehindert gewesen zu sein, dann nicht berufen, wenn der von ihm gestellte Antrag mangels wirksamer, notwendig gemeinsamer Erklärung seines Sprechers und eines Bereichssprechers - hier des Bereichs Streitkräftebasis - unzulässig ist. Dieser Fall wird vom Schutzzweck der Vorschrift nicht erfasst. Mit der Rechtsbehelfsbelehrung ist zwar insbesondere über den gegebenen Rechtsbehelf, die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und über einzuhaltende Fristen zu belehren. Hingegen besteht keine Belehrungspflicht darüber, wie der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nach außen vertreten wird. Beachtet der Gesamtvertrauenspersonenausschuss die hierzu für ihn bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht, so kann er nach Einlegung des zutreffenden Rechtsbehelfs nicht geltend machen, keine Rechtsbehelfsbelehrung erhalten zu haben, um nach Ablauf der regulären Rechtsbehelfsfrist eine wirksame Antragstellung nachzuholen.