Verfahrensinformation



Die Klägerin, ein einhundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, betreibt das größte Schienennetz in Deutschland. In der Betriebsstelle Stendal Hbf weist sie mehrere Gleise als Serviceeinrichtung aus, die vorwiegend zur Abstellung dienen. Mehrfach lehnte sie dort Nutzungsanmeldungen von Zugangsberechtigten ab, weil die verfügbaren Kapazitäten erschöpft waren. Daraufhin verpflichtete die Bundesnetzagentur die Klägerin mit Beschluss vom 19. Juli 2023, für im Einzelnen genannte Gleise der Betriebsstelle Stendal Hbf Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu entsprechen. Ferner verpflichtete sie die Klägerin, der Beschlusskammer mitzuteilen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der genannten Verpflichtung zu ergreifen gedenke, und die Beschlusskammer innerhalb von drei Monaten nach Eingang dieser Mitteilung darüber zu informieren, dass sie die mitgeteilten Maßnahmen ergriffen habe.


Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss der Beklagten vom 19. Juli 2023 aufgehoben. Die Anordnung, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu den genannten Gleisen zu entsprechen, finde in der von der Beschlusskammer herangezogenen Regelung des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Zudem sei die Anordnung auch mangels Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit rechtswidrig. Für die verfügte Mitteilungs- bzw. Informationspflicht fehle es ebenfalls an einer Ermächtigungsgrundlage.


Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision.


Urteil vom 28.05.2025 -
BVerwG 6 C 3.24ECLI:DE:BVerwG:2025:280525U6C3.24.0

Regulierungsbehördliche Anordnung zur besseren Ausnutzung der Kapazität einer Serviceeinrichtung

Leitsatz:

Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 ermächtigt die Regulierungsstelle zur Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber dem Betreiber einer Serviceeinrichtung zur besseren Ausnutzung der Kapazität dieser Einrichtung.

  • Rechtsquellen
    AEUV Art. 291
    Richtlinie 2012/34/EU Art. 4, 13, 26, 29, 39, 57, Anhang II
    DVO (EU) 2017/2177 Art. 10
    VwVfG § 37 Abs. 1, § 43 Abs. 2
    ERegG § 58

  • VG Köln - 22.03.2024 - AZ: 18 K 4166/23

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 28.05.2025 - 6 C 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:280525U6C3.24.0]

Urteil

BVerwG 6 C 3.24

  • VG Köln - 22.03.2024 - AZ: 18 K 4166/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. März 2024 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft eine regulierungsbehördliche Anordnung zur besseren Ausnutzung der Kapazität einer Serviceeinrichtung.

2 Die Klägerin, die bis Ende des Jahres 2023 als DB Netz AG firmierte, ist ein einhundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG. Sie betreibt das größte deutsche Schienennetz sowie diverse Serviceeinrichtungen. In der Betriebsstelle Stendal Hauptbahnhof (Hbf) weist die Klägerin verschiedene Gleise, die vorwiegend zur Abstellung dienen, als Serviceeinrichtung aus. Wegen Erschöpfung der verfügbaren Kapazitäten lehnte sie mehrfach Nutzungsanmeldungen ab. Die Bundesnetzagentur leitete daraufhin im November 2022 von Amts wegen ein Verfahren zur Klärung der Frage ein, ob die Serviceeinrichtung in Stendal Hbf die Auslastungsgrenze erreicht habe und die Klägerin auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 5 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 der Kommission vom 22. November 2017 (DVO <EU> 2017/2177) über den Zugang zu Serviceeinrichtungen und schienenverkehrsbezogenen Leistungen zu Abhilfemaßnahmen zu verpflichten sei. Sie gab der Klägerin sowie den hinzugezogenen Unternehmen und Personenvereinigungen Gelegenheit zur Stellungnahme. Im März 2023 führte sie einen Ortstermin und im April 2023 einen Erörterungstermin durch.

3 Mit Beschluss vom 19. Juli 2023 (Az.: BK10-22-0425_Z) verpflichtete die Bundesnetzagentur die Klägerin unter Ziffer 1, für die Gleise 30 bis 34 sowie 331 bis 333 der Betriebsstelle Stendal Hbf Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu diesen Gleisen zu entsprechen. Unter Ziffer 2 des Beschlusses gab sie der Klägerin auf, der Beschlusskammer mitzuteilen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der Verpflichtung aus Tenorziffer 1 zu ergreifen gedenke. Mit Ziffer 3 des Beschlusses wurde die Klägerin verpflichtet, die Beschlusskammer innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Tenorziffer 2 darüber zu informieren, dass sie die mitgeteilten Maßnahmen ergriffen habe. Für den Fall, dass sie ihrer Verpflichtung aus Tenorziffer 2 nicht bis zum 19. Januar 2024 nachkomme, wurde der Klägerin unter Ziffer 4 des Beschlusses ein Zwangsgeld in Höhe von 20 000 € angedroht.

4 Zur Begründung führte die Beschlusskammer im Wesentlichen aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 seien im Hinblick auf die genannten Gleise erfüllt. Sie übe ihr Entschließungsermessen dahingehend aus, gegenüber der Klägerin hoheitlich tätig zu werden. Das Beschlusskammerverfahren habe gezeigt, dass die Zugangsberechtigten ein Interesse an einer optimierten Kapazitätsvergabe hätten. Gründe dafür, einzelne Gleise auszunehmen, seien nicht ersichtlich. Der Regulierungsbehörde stehe im Fall des Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 nur ein eingeschränktes Auswahlermessen zu. Die Auswahl der konkret zu ergreifenden Maßnahmen obliege dem Betreiber der Serviceeinrichtung. Die ausgesprochene Verpflichtung beschränke sich im Wesentlichen auf den Wortlaut des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177. Diese Beschränkung, die letztlich in einem liberalen Verständnis der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der regulierten Unternehmen wurzele, werde aus dem 17. Erwägungsgrund der DVO (EU) 2017/2177 deutlich. Es liege nahe, dem Ergreifen von Maßnahmen eine Explorations- und Konzeptionsphase nach dem Vorbild der in § 58 ERegG für überlastete Schienenwege vorgesehenen Kapazitätsanalyse vorzuschalten. Auf der eigentlichen Maßnahmenstufe müssten in der Analyse als tauglich identifizierte Einzelmaßnahmen ergriffen und die Regulierungsbehörde hierüber informiert werden. Sollten keine Maßnahmen ergriffen werden, obwohl eine Analyse entsprechendes Potenzial ausgemacht habe, könnten diese zu einem späteren Zeitpunkt mit gesonderten Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden. Sollte sich dagegen aus der Mitteilung nach Ziffer 2 überzeugend ergeben, dass trotz umfassender und tiefgründiger Analyse keine oder keine verhältnismäßigen Maßnahmen im Sinne von Ziffer 1 zu identifizieren seien, sei ein Widerruf der unter den Ziffern 1 und 3 tenorierten Verpflichtungen nach den allgemeinen Bestimmungen zu erwägen. Die derart eingerahmte Verpflichtung nach Ziffer 1 sei geeignet, das angestrebte Optimierungsziel zu erreichen. Sie sei auch erforderlich. Es sei weder ersichtlich, dass die Nachfrage nach Abstellkapazitäten in der Betriebsstelle Stendal Hbf absehbar zurückgehen werde, noch, dass realisierte oder geplante Infrastrukturausbauten den Nachfrageüberhang vor Ort auflösen könnten oder dass in tatsächlicher Hinsicht kein Potenzial für eine Optimierung der Infrastrukturnutzung bestehe. Die Klägerin habe bisher keine Überlegungen angestellt, wie weiteren Zugangsanträgen entsprochen werden könnte. Da die Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen bei der Klägerin liege und sich die Maßnahmen als vergleichsweise geringfügige Belastung darstellten, sei die Verpflichtung verhältnismäßig. Die in den Ziffern 2 und 3 ausgesprochenen Verpflichtungen seien auf Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 beruhende Folgeverpflichtungen. Als Ausprägung des Transparenzgebots sollten sie sicherstellen, dass die Bundesnetzagentur über die ergriffenen Maßnahmen informiert werde und so in der Lage sei, deren Umsetzung auf die Einhaltung des Eisenbahnrechts zu überprüfen. Für die in Tenorziffer 4 gesetzte Frist sei ausschlaggebend gewesen, dass § 58 Abs. 3 ERegG für die Kapazitätsanalyse überlasteter Schienenwege eine Frist von sechs Monaten vorsehe.

5 Auf die Anfechtungsklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Ziffern 1 bis 4 des Beschlusses der Beklagten vom 19. Juli 2023 aufgehoben. Die in Ziffer 1 ausgesprochene Anordnung, für die Gleise 30 bis 34 sowie 331 bis 333 der Betriebsstelle Stendal Hbf Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu diesen Gleisen zu entsprechen, finde in Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Schon der Wortlaut der Vorschrift lasse Zweifel aufkommen, ob es sich um eine abschließende, aus sich heraus vollziehbare Befugnisnorm handele. Das im Verordnungstext gebrauchte Wort "auffordern" sei nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit "verpflichten". Jedenfalls zeige die Systematik, dass die Norm womöglich nur ein Recht zur unverbindlichen Aufforderung regele. Denn die Rechtsfolge werde gänzlich in das Belieben des Betreibers gestellt. Hinreichend konkrete, vollstreckbare Verhaltenspflichten könnten vor dem Hintergrund des im Erwägungsgrund 17 erwähnten Bestimmungsrechts des Betreibers nicht ausgesprochen werden. Die Behörde werde nicht in die Lage versetzt, die vom Betreiber getroffene Auswahl eines Mittels zu überprüfen, geschweige denn, hiervon abweichende Maßnahmen durchzusetzen, wenn sie von der Geeignetheit nicht überzeugt sei. Es fehle eine Aussage zu den Rechtsfolgen für den Fall, dass die Prüfung des Betreibers der Serviceeinrichtung ergebe, dass gar keine geeignete Maßnahme in Betracht komme. Die Regulierungsstelle bleibe vielmehr darauf beschränkt, eventuell vom Betreiber ergriffene Maßnahmen auf ihre von Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DVO (EU) 2017/2177 geforderte Transparenz und Nichtdiskriminierung zu überprüfen. Es seien auch keine nationalen Rechtsinstrumente zur Durchsetzung des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 ersichtlich. Das allgemeine Vollstreckungsrecht setze erst ein, wenn bereits hinreichend konkrete, vollstreckbare Verhaltenspflichten ausgesprochen worden seien. Da dies auf der Grundlage der Durchführungsverordnung nicht möglich sei, sei jedenfalls die konkrete Rechtsanwendung der Beklagten zu beanstanden.

6 Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses sei - selbstständig tragend - mangels Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit rechtswidrig. Es sei schon zweifelhaft, ob die Klägerin anhand der gewählten Formulierung erkennen könne, was von ihr verlangt werde. Jedenfalls könne die ausgesprochene Verpflichtung in dieser Form nicht Grundlage für Maßnahmen zu ihrer zwangsweisen Durchsetzung sein. Da die Beklagte in Ziffer 1 keine konkrete Verhaltenspflicht formuliert habe, fehle ein Anknüpfungspunkt für das Vollstreckungsrecht. Auch die Ziffern 2 bis 4 des angegriffenen Beschlusses könnten das Ergreifen geeigneter Maßnahmen nicht absichern. Denn selbst wenn die Klägerin mitteile, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der Verpflichtung aus Tenorziffer 1 zu ergreifen gedenke, und innerhalb von drei Monaten darüber informiere, die mitgeteilten Maßnahmen ergriffen zu haben, stehe der Beklagten kein Mittel zur Verfügung, die Geeignetheit dieser Maßnahmen zu überprüfen. Das Ziel, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu der betroffenen Einrichtung zu entsprechen, hänge trotz der Mitteilungspflichten gänzlich von der Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin ab.

7 Die Ziffern 2 und 3 des angegriffenen Beschlusses seien auch für sich genommen rechtswidrig. Eine Ermächtigungsgrundlage für die jeweils verfügte Mitteilungs- bzw. Informationspflicht des Betreibers der Serviceeinrichtung gegenüber der Regulierungsstelle sei der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 nicht zu entnehmen. Ein Rückgriff auf § 67 Abs. 1 Satz 1 ERegG scheide aus, weil die getroffene Regelung bei Austausch der Rechtsgrundlage eine Wesensänderung erfahren und die Klägerin, der kein eisenbahnrechtswidriges Verhalten vorgehalten worden sei, dadurch in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt würde.

8 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 stelle zwar das "Wie", nicht aber das "Ob" in das Belieben des Betreibers der Serviceeinrichtung. Sei das von der Durchführungsverordnung vorgegebene Ziel der Kapazitätsoptimierung nur mit unverhältnismäßigen Mitteln oder überhaupt nicht erreichbar, stünden §§ 48, 49 VwVfG zur Verfügung. Dies setze die Kenntnis des Betreibers von den tatsächlichen Gegebenheiten in der Serviceeinrichtung und der tatsächlichen Inanspruchnahme gewährter Zugangsrechte voraus. Das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an die Bestimmtheit der Anordnung. Wegen der Freiheit des Betreibers der Serviceeinrichtung bei der Bestimmung der in Betracht kommenden Maßnahmen sowie der im Regelfall allein bei ihm vorliegenden Sachkunde bzw. Kenntnis von den vor Ort gegebenen Umständen der Kapazitätsnutzung sei eine weitere Konkretisierung nicht erforderlich. Die Auferlegung von Mitteilungs- und Informationspflichten diene der Überprüfbarkeit der in Ziffer 1 getroffenen Anordnung und sei der Ermächtigung nach Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 als "Minus" immanent. Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2024 ihre Überlegungen mitgeteilt habe, ob und wie dem Beschluss vom 19. Juli 2023 entsprochen werden könne, und dabei zu dem Ergebnis gelangt sei, dass sich keine verhältnismäßigen Maßnahmen identifizieren ließen, sei dies unsubstantiiert. Es fehle bereits an einer hinreichenden Ermittlung der tatsächlichen Gleisbelegung.

9 Die Klägerin tritt der Revision der Beklagten entgegen. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses sei die Revision bereits unzulässig, weil sich der Beschluss der Beklagten durch Umsetzung bzw. Erfüllung erledigt habe. Jedenfalls sei die Revision unbegründet. Ergänzend zu den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen sei zu berücksichtigen, dass Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 unzulässig über den Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/34/EU hinausgehe und deshalb unanwendbar sei.

II

10 Die Revision der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zulässig (1.) und begründet (2.).

11 1. Mit Blick auf den Ausschluss der Berufung gemäß § 132 Abs. 1, § 135 VwGO i. V. m. § 77a Abs. 3 Satz 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082) in der Fassung des Gesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1737) ist die Revision statthaft. Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht etwa mangels Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick darauf unzulässig, dass sich der angegriffene Beschluss der Beklagten durch Umsetzung bzw. Erfüllung nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt habe.

12 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass das Rechtsschutzinteresse keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels darstellt. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist im Allgemeinen gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Eine vorliegende Beschwer reicht grundsätzlich für das Rechtsschutzinteresse in der Rechtsmittelinstanz aus. Allenfalls kann bei ganz besonderer Sachlage eine Prüfung angezeigt sein, ob trotz Vorliegens der Beschwer eine unnötige, zweckwidrige oder missbräuchliche Beschreitung des vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelzugs anzunehmen ist. Das gilt etwa dann, wenn das Rechtsmittel nicht zur Beseitigung der Beschwer eingelegt wird. Erfasst werden damit vor allem die Fälle, in denen ein Rechtsmittel allein deshalb eingelegt wird, um im Rechtsmittelverfahren unter Aufgabe des bisherigen Anspruchs die Klage mit einem geänderten Streitgegenstand fortzuführen. Ein Ausnahmefall ist hingegen nicht gegeben, wenn ein Rechtsmittel eingelegt und fortgeführt wird, obwohl sich die Hauptsache nach der vorinstanzlichen Entscheidung erledigt hat. Allein der Eintritt eines erledigenden Ereignisses lässt die erforderliche Beschwer nicht entfallen. Wer als Beteiligter durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, kann ein Rechtsmittel allein zu dem Zweck einlegen und fortführen, damit in dem Rechtsmittel die prozessualen Folgerungen aus einer inzwischen eingetretenen Erledigung der Hauptsache gezogen werden können. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass eine gegen ihn ergangene ungünstige Entscheidung aufgehoben oder für unwirksam erklärt wird (BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 6 B 1.14 - NVwZ 2014, 1594 Rn. 14 ff.).

13 Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte durch das angefochtene Urteil beschwert, weil der von ihr erlassene Verwaltungsakt - soweit beantragt - aufgehoben worden und das Urteil somit materiell zu ihren Lasten ergangen ist. Die Fortführung des Revisionsverfahrens durch die Beklagte dient der Beseitigung der nach wie vor vorhandenen Beschwer. Für ein missbräuchliches Beschreiten des Rechtsmittelzugs ist nichts ersichtlich.

14 2. Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

15 Zwar hat die Revision nicht bereits deshalb Erfolg, weil die Klage unzulässig geworden wäre (a)). Soweit das Verwaltungsgericht die Klage für begründet gehalten hat, erweisen sich jedoch sowohl die Erwägung, Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 stelle keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung unter Ziffer 1 des Beschlusses vom 19. Juli 2023 dar (b)), als auch die selbstständig tragende Begründung, diese Anordnung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, als rechtsfehlerhaft (c)). Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ist auch aus keinem anderen Grund rechtswidrig (d)). Die Ziffern 2 und 3 des Beschlusses sind ebenfalls weder aus dem vom Verwaltungsgericht genannten noch aus einem anderen Grund rechtlich zu beanstanden (e)). Schließlich bestehen auch gegen die in Ziffer 4 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Zwangsgeldandrohung keine rechtlichen Bedenken (f)).

16 a) Die Revision ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Klage unzulässig geworden wäre. Zwar wäre das Rechtsschutzinteresse für die Klage entfallen, wenn sich der Beschluss der Beklagten tatsächlich - wie von der Klägerin selbst geltend gemacht - durch Umsetzung erledigt hätte. Es wäre dann Sache der Klägerin gewesen, entweder den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären oder nach Maßgabe der hierfür geltenden Voraussetzungen einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen. Entgegen ihrer Auffassung liegt jedoch kein Fall der Erledigung vor.

17 Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt mit dem Wegfall der beschwerenden Regelung ein, also soweit der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG unwirksam wird. Da das Gesetz den Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts bei den übrigen in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Varianten entweder - wie in den Fällen der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung - an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder - wie im Fall des Zeitablaufs - an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand knüpft, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Annahme einer Erledigung "auf andere Weise" im Sinne der letzten Variante des § 43 Abs. 2 VwVfG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt ist. Als Fallgruppen kommen etwa der Wegfall des Regelungsobjekts, die inhaltliche Überholung, der einseitige Verzicht bzw. die Antragsrücknahme oder der Umstand in Betracht, dass der Verwaltungsakt auf Grund geänderter Sach- und Rechtslage gegenstandslos geworden ist. Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt mit der Folge, dass eine Anfechtungsklage wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig wird und nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehrt werden kann, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 6 B 26.14 - NVwZ-RR 2015, 254 Rn. 3 f.).

18 Hiervon ausgehend ist keine Erledigung des angegriffenen Beschlusses mit der Folge des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage eingetreten. Zwar hat die Klägerin der Beklagten mit außergerichtlichem Schreiben vom 28. Mai 2024 mitgeteilt, sie habe ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Überlegungen angestellt, ob und wie dem Beschluss vom 19. Juli 2023 entsprochen werden könne, und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich trotz umfassender und tiefgründiger Analyse keine oder keine verhältnismäßigen Maßnahmen im Sinne von Ziffer 1 des Beschlusses identifizieren ließen. Einzelne der geprüften Maßnahmen werden in dem Schreiben näher dargestellt. Bei zutreffender Auslegung des Beschlusses vom 19. Juli 2023 hätte die Klägerin jedoch - wie im Folgenden näher auszuführen ist - in einem ersten Schritt zunächst eine Analyse der Kapazitätsengpässe vornehmen müssen. Dafür, dass dies geschehen ist, bestehen keine Anhaltspunkte.

19 b) Gegen revisibles Recht verstößt jedoch die Annahme des Verwaltungsgerichts, Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 stelle keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung unter Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses dar. Die genannte Regelung ermächtigt die Regulierungsstelle zur Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber dem Betreiber einer Serviceeinrichtung (aa)). Diesem Verständnis stehen weder der Gesichtspunkt mangelnder Bestimmtheit (bb)) noch die Grenzen eines Durchführungsrechtsakts nach Art. 291 AEUV entgegen (cc)). Einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bedarf es insoweit nicht (dd)).

20 aa) Nach Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 kann die Regulierungsstelle den Betreiber der Serviceeinrichtung auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu seiner Einrichtung zu entsprechen, wenn einem Antrag auf Zugang zu einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprochen werden konnte und die Einrichtung ihre Auslastungsgrenze erreicht hat. Diese Bestimmung ermächtigt die Regulierungsstelle nicht nur - wie das Verwaltungsgericht annimmt - zur Äußerung unverbindlicher Bitten, sondern zur Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber dem Betreiber einer Serviceeinrichtung zur besseren Ausnutzung der Kapazität dieser Einrichtung.

21 (1) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lässt der Wortlaut des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 keinen Zweifel daran, dass es sich um eine abschließende, aus sich heraus vollziehbare Befugnisnorm handelt. Insbesondere ist das vom Verwaltungsgericht hierbei zugrunde gelegte Verständnis des Wortes "auffordern" als Äußerung einer bloß unverbindlichen Bitte nicht nachvollziehbar. Zwar hat das Verb "auffordern" in bestimmtem Kontext die Bedeutung von "bitten, einladen etwas zu tun". Daneben bedeutet "auffordern" jedoch auch "von jemandem verlangen, ihn nachdrücklich ersuchen, etwas zu tun". Im normativen Kontext ist regelmäßig von der zuletzt genannten Wortbedeutung auszugehen. Dass im Rahmen des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 ein Verständnis als bloß unverbindliche Bitte oder Einladung ausgeschlossen ist, wird durch den Blick auf andere Sprachfassungen bestätigt. Ebenso wie in der deutschen Fassung können zwar - worauf das Verwaltungsgericht hinweist - sowohl das Verb "request" in der englischen Fassung als auch "demander" in der französischen Fassung je nach Kontext sowohl - unverbindlich – "bitten" oder "ersuchen" als auch - verbindlich – "verlangen" oder "anfordern" bedeuten. Gleiches gilt beispielsweise auch für "chiedere" in der italienischen sowie "pedir" in der spanischen Fassung. Dagegen haben etwa das Verb "verplichten" in der niederländischen oder "zażądać" in der polnischen Fassung ausschließlich die Bedeutung von "verpflichten" bzw. "fordern, verlangen" (vgl. Pons-Online-Wörterbücher Niederländisch-Deutsch und Polnisch-Deutsch; Langenscheidt-Online-Wörterbuch Polnisch-Deutsch). Ein Verständnis als bloß unverbindliche Bitte ist bei diesen Sprachfassungen ausgeschlossen. Dem Erfordernis einer unionsweit einheitlichen Auslegung folgend (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2024 - C-76/23 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​253], Cobult - Rn. 25 m. w. N.), kann somit auch bei denjenigen Sprachfassungen, in denen das entsprechende Wort ein weiteres Bedeutungsspektrum aufweist, nur die Bedeutung als verbindliche Aufforderung maßgeblich sein.

22 (2) Gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 enthalte keine Ermächtigung, auf deren Grundlage die Regulierungsstelle den Betreiber der Serviceeinrichtung zu Maßnahmen verpflichten könne, spricht weiter die im Wortlaut zum Ausdruck kommende Normstruktur. Die Bestimmung enthält mit dem Vorliegen eines Antrags auf Zugang zu einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung, dem nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprochen werden konnte, sowie der Erreichung der Auslastungsgrenze der Einrichtung zwei Tatbestandsmerkmale. Hieran knüpft als Rechtsfolge die Befugnis der Regulierungsstelle an, den Betreiber der Serviceeinrichtung aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu seiner Einrichtung zu entsprechen. Diese Normstruktur lässt nur das Verständnis als konditional ausgestaltete Ermächtigungsgrundlage für verbindliche Anordnungen zu, die im Rechtsfolgeermessen der Regulierungsstelle stehen.

23 (3) Dass die Rechtsfolge des Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht "gänzlich in das Belieben" des Betreibers gestellt wird, bestätigt Satz 3 des Erwägungsgrundes 17. Danach sollten die Regulierungsstellen von den Betreibern der Serviceeinrichtungen Maßnahmen "verlangen" können, um die Nutzung der Einrichtung zu optimieren, wenn konkurrierende Anträge nach dem Koordinierungsverfahren nicht miteinander in Einklang gebracht werden können und die Einrichtung ihre Auslastungsgrenze erreicht hat. Das an dieser Stelle verwendete Wort "verlangen" schließt das Verständnis als bloß unverbindliche Bitte aus. Insoweit besteht auch kein Widerspruch zu dem vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Satz 4 des Erwägungsgrundes 17 der DVO (EU) 2017/2177, wonach der Betreiber der Serviceeinrichtung geeignete Maßnahmen zur Erreichung des Ziels der Optimierung der Nutzung der Einrichtung bestimmen soll. Denn selbst wenn die Entscheidungskompetenz der Regulierungsstelle nach Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 auf das "Ob" der Auferlegung einer Verpflichtung zum Ergreifen von Maßnahmen beschränkt sein sollte, während das "Wie" von dem betroffenen Betreiber der Serviceeinrichtung zu bestimmen wäre, würde dies nichts an der Verbindlichkeit einer entsprechenden Anordnung ändern.

24 (4) Das Verständnis des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 als konditional ausgestaltete Ermächtigungsgrundlage für verbindliche Anordnungen wird durch Art. 10 Abs. 3 DVO (EU) 2017/2177 bestätigt. Nach Satz 1 dieser Bestimmung prüfen die Betreiber von Serviceeinrichtungen verschiedene Optionen, um konkurrierende Anträge auf Zugang zur Serviceeinrichtung oder auf dortige Erbringung einer Leistung miteinander abzustimmen. Hieran anknüpfend bestimmt Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DVO (EU) 2017/2177, dass diese Optionen, falls notwendig, auch Maßnahmen zur Maximierung der in der Einrichtung verfügbaren Kapazität einschließen, soweit dies keine zusätzlichen Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen erfordert. Würde Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 nur unverbindliche Bitten der Regulierungsstelle zulassen, könnte sich der Betreiber der Serviceeinrichtung seiner Verpflichtung, Maßnahmen zur Maximierung der in der Einrichtung verfügbaren Kapazität zu prüfen, im Ergebnis sanktionslos entziehen. Dies entspricht erkennbar nicht dem Regelungsziel des Verordnungsgebers.

25 bb) Dem Verständnis des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass verbindlicher Regelungen steht unter dem Gesichtspunkt hinreichender Normbestimmtheit nicht entgegen, dass auf der Rechtsfolgenseite keine nähere inhaltliche Eingrenzung der von dem Betreiber der Serviceeinrichtung gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen erfolgt.

26 In Bezug auf das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass der Gesetzgeber gehalten ist, Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314, 1630/12, 1694, 1874/13 - BVerfGE 145, 20 Rn. 125). Für das Unionsrecht gilt nichts grundsätzlich Anderes. Hiernach können im Bereich des Regulierungsrechts mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit generell nicht die Bestimmtheitsanforderungen der klassischen ordnungsrechtlichen Eingriffsverwaltung maßgeblich sein. So hat der Senat beispielsweise als Frequenznutzungsbestimmung gemäß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG a. F. (vgl. jetzt § 100 Abs. 4 Nr. 4 TKG) festgelegte Verhandlungspflichten über die Mitnutzung von Funkkapazitäten auch deshalb als mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots vereinbar angesehen, weil sie den Freiraum des Gebotsadressaten nicht mehr als notwendig einengen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 6 C 8.20 - BVerwGE 174, 1 Rn. 57 ff. mit Verweis auf die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung; vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. November 1994 - KVR 29/93 - BGHZ 128, 17 <24 f.> <Gasdurchleitung> und vom 11. Dezember 2012 - KVR 7/12 - NJW 2013, 1095 Rn. 30 <Puttgarden II>). Diesem Gesichtspunkt trägt die Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 19. Juli 2023 mit dem Hinweis Rechnung, der Wortlaut des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 und die Umsetzung der Vorschrift durch den Beschluss wurzelten in einem liberalen Verständnis der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des regulierten Unternehmens.

27 Im Eisenbahnregulierungsrecht kommt sektorspezifisch hinzu, dass nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. L 343 S. 32) der Infrastrukturbetreiber unter Beachtung der Rahmenbedingungen betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung und der von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelvorschriften für seine eigene Geschäftsführung, Verwaltung und interne Kontrolle verantwortlich ist. In Bezug auf die Überprüfung eisenbahnrechtlicher Entgelte gemäß Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU hat der EuGH hervorgehoben, dass der Betreiber der Infrastruktur zur Gewährleistung der von der Richtlinie geforderten Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen muss, um hiervon als Geschäftsführungsinstrument Gebrauch machen zu können (vgl. EuGH, Urteile vom 9. November 2017 - C-489/15 [ECLI:​​EU:​​C:​​2017:​​834], CTL Logistics - Rn. 38 ff. und vom 9. September 2021 - C-144/20 [ECLI:​​EU:​​C:​​2021:​​717], LatRailNet - ‌Rn. 41 ff.; sowie ferner BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 2022 - 6 C 10.20 - ‌BVerwGE 176, 342 Rn. 34 ff. und vom 6. November 2024 - 6 C 2.23 -‌ NVwZ 2025, 417 Rn. 21). Das Prinzip der Unabhängigkeit der Betreiber von Eisenbahninfrastruktur gilt indes nicht nur in Bezug auf die Entgelterhebung, sondern gemäß Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Art. 39 der Richtlinie 2012/34/EU auch im Rahmen der Zuweisung von Fahrwegkapazität durch einen Infrastrukturbetreiber. Es ist darüber hinaus auch bei der im vorliegenden Fall betroffenen Zuweisung der Kapazitäten in Serviceeinrichtungen zu beachten, obwohl diese - anders als die Fahrwege - nach der Richtlinie 2012/34/EU nicht unmittelbar zur Eisenbahninfrastruktur zählen. Denn wenn das Unabhängigkeitsprinzip für die Fahrwege gilt, auf die die Eisenbahnunternehmen in erster Linie angewiesen sind, muss es erst recht in Bezug auf die von dem Verkehrsgeschehen typischerweise weiter entfernten Serviceeinrichtungen beachtet werden.

28 cc) Dass es sich bei Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 um eine Ermächtigung handelt, auf deren Grundlage die Regulierungsstelle dem Betreiber der Serviceeinrichtung Verpflichtungen auferlegen kann, wird schließlich auch nicht durch die Erwägung der Klägerin in Frage gestellt, die Regelung überschreite bei einem solchen Verständnis die einem Durchführungsrechtsakt nach Art. 291 AEUV gezogenen Grenzen des betreffenden Basisrechtsakts, hier der Richtlinie 2012/34/EU.

29 Nach Art. 291 Abs. 1 AEUV ist die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union Sache der Mitgliedstaaten. Bedarf es jedoch einheitlicher Bedingungen für die Durchführung, werden nach Art. 291 Abs. 2 AEUV mit diesen Rechtsakten der Kommission oder, in Sonderfällen, dem Rat, Durchführungsbefugnisse übertragen. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen Bestimmungen, die die wesentlichen Aspekte einer Grundregelung festlegen und deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen, nicht in Durchführungsrechtsakten erlassen werden (EuGH, Urteile vom 10. September 2015 - C-363/14 [ECLI:​​EU:​​C:​​2015:​​579], Parlament/​Rat - Rn. 46 und vom 28. Februar 2023 - C-695/20 [ECLI:​​EU:​​C:​​2023:​​127], Fenix International - Rn. 41). Die Bestimmungen eines von der Kommission erlassenen Durchführungsrechtsakts müssen zum einen die wesentlichen allgemeinen Ziele beachten, die mit dem Gesetzgebungsakt, den diese Bestimmungen präzisieren sollen, verfolgt werden, und zum anderen für die einheitliche Durchführung des Gesetzgebungsakts erforderlich oder zweckmäßig sein; dabei dürfen sie ihn nicht ergänzen oder ändern, auch nicht in seinen nicht wesentlichen Teilen (EuGH, Urteile vom 15. Oktober 2014 - C-65/13 [ECLI:​​EU:​​C:​​2014:​​2289], Parlament/​Kommission - Rn. 43 bis 46 und vom 28. Februar 2023 - C-695/20 - Rn. 44). Diese Anforderungen sind bei Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 erfüllt.

30 (1) Die Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 beachtet die wesentlichen allgemeinen Ziele der Richtlinie 2012/34/EU, auf deren Art. 13 Abs. 9 sie gestützt ist. Danach kann die Kommission Maßnahmen mit den Einzelheiten des Verfahrens und den Kriterien für den Zugang zu den Leistungen erlassen, die in den in Anhang II Nummern 2 bis 4 aufgeführten Serviceeinrichtungen zu erbringen sind. Diese Ermächtigung ist weit gefasst und lässt insbesondere auch die Normierung einer Befugnis der Regulierungsstelle zu, Betreiber von Serviceeinrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um Eisenbahnunternehmen - wie durch Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34/EU gefordert - diskriminierungsfreien Zugang zu den Serviceeinrichtungen sowie zu den darin erbrachten Leistungen zu ermöglichen. Zwar ist der Betreiber der Serviceeinrichtung nicht verpflichtet, Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen zu tätigen, um allen Anträgen von Eisenbahnunternehmen entsprechen zu können (Art. 13 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2012/34/EU). Stellt er jedoch gemäß Anhang II Nummer 2 Konflikte zwischen verschiedenen Anträgen fest, so fordert Art. 13 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2012/34/EU, dass er sich bemüht, allen Anträgen weitestmöglich zu entsprechen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bezweckt die Richtlinie 2012/34/EU einen nicht diskriminierenden Zugang zur Eisenbahninfrastruktur u. a. dadurch sicherzustellen, dass - wie aus ihrem 42. Erwägungsgrund hervorgeht - die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten einen fairen Wettbewerb ermöglichen (EuGH, Urteil vom 7. März 2024 - C-582/22 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​213], Die Länderbahn u. a. - Rn. 42 sowie - in Bezug auf die Richtlinie 2001/14/EG - Urteile vom 9. November 2017 - C-489/15 - Rn. 36 f. und vom 27. Oktober 2022 - C-721/20 [ECLI:​​EU:​​C:​​2022:​​823], DB Station & Service - Rn. 59). Der Betreiber der Serviceeinrichtung darf sich nicht ohne Weiteres darauf zurückziehen, dass vertragliche oder betriebliche Gegebenheiten der Stattgabe weiterer Zugangsanträge entgegenstünden, sondern hat gegebenenfalls Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Auslastung der vorhandenen physischen Kapazität - etwa durch die Gestaltung seiner Nutzungsbedingungen oder die Modifizierung betrieblicher Abläufe - zu optimieren. Hierauf hat die Regulierungsstelle im Rahmen ihrer Aufgaben hinzuwirken.

31 (2) Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 ist für die einheitliche Durchführung von Art. 13 der Richtlinie 2012/34/EU jedenfalls zweckmäßig. Ohne eine Anordnungsbefugnis der jeweiligen nationalen Regulierungsstelle in Bezug auf Maßnahmen, die der Optimierung des Zugangs zu Serviceeinrichtungen dienen, bestünde die Gefahr, dass sich die Modalitäten der Zugangsgewährung zu vergleichbaren Serviceeinrichtungen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Art. 57 der Richtlinie 2012/34/EU eine detailliert geregelte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsstellen vorsieht, an der gegebenenfalls auch die Kommission zu beteiligen ist. Hierdurch wird gewährleistet, dass sich die Verwaltungspraxis der durch Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 ermächtigten Regulierungsstellen weitgehend angleicht.

32 (3) Schließlich führt Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 nicht zu einer Ergänzung oder Änderung der Richtlinie 2012/34/EU und insbesondere ihres Art. 13. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass in Bezug auf die Kapazitätszuweisung in Serviceeinrichtungen eine mit Art. 26 der Richtlinie 2012/34/EU vergleichbare Regelung fehlt. Dies rechtfertigt jedoch nicht den von der Klägerin gezogenen Umkehrschluss, dass die Richtlinie einer entsprechenden Verpflichtung der Betreiber von Serviceeinrichtungen zur effektiven Nutzung der Kapazität entgegenstünde. Wegen der Vielgestaltigkeit der in Anhang II Nr. 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtungen sind zwar gegebenenfalls modifizierte, auf die jeweilige Art der Serviceeinrichtungen zugeschnittene Vorgaben möglich. Der Zugang zu bestimmten Serviceeinrichtungen wie etwa Bahnhöfen und Abstellgleisen hat für die Erbringung der Eisenbahndienstleistungen jedoch regelmäßig ebenso wesentliche Bedeutung wie der Zugang zu den Fahrwegen. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme fern, das Ziel einer effektiven Nutzung der verfügbaren Kapazität solcher Serviceeinrichtungen sei in der Richtlinie 2012/34/EU nicht angelegt.

33 dd) Zwar hat der EuGH bisher weder entschieden, ob Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 die Regulierungsstelle dazu ermächtigt, den Betreiber einer Serviceeinrichtung zum Ergreifen von Maßnahmen zur besseren Ausnutzung der Kapazität in der Einrichtung zu verpflichten, noch geklärt, ob Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 bei einem derartigen Verständnis mit der Richtlinie 2012/34/EU vereinbar ist. Dass beide Fragen zu bejahen sind, folgt jedoch aus den dargelegten Erwägungen. Dieses Auslegungsergebnis ist im Sinne der "acte-clair-Doktrin" (vgl. hierzu allgemein: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 ‌- C-283/81 [ECLI:​​EU:​​C:​​1982:​​335], CILFIT - Rn. 16) sowie unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des EuGH zu der Richtlinie 2012/34/EU sowie zu den Anforderungen an Durchführungsrechtsakte gemäß Art. 291 Abs. 2 AEUV auch derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, sodass es keiner Klärung durch den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf.

34 c) Gegen revisibles Recht verstößt auch die selbstständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, die Anordnung unter Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses vom 19. Juli 2023 sei nicht gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt.

35 Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 6 C 8.20 - BVerwGE 174, 1 Rn. 58 m. w. N.). Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 Rn. 14). Bei der Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen kann auch Entscheidungsspielräumen Rechnung zu tragen sein, die sich aus den Grundrechten des Adressaten des Verwaltungsakts ergeben. Ferner kann es unter Bestimmtheitsaspekten zulässig sein, dass die Behörde im Verwaltungsakt zunächst nur das Ziel eines Gebots festlegt, von der Bestimmung des Mittels jedoch absieht bzw. dieses dem Betroffenen überlässt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 6 C 8.20 - ‌BVerwGE 174, 1 Rn. 58 m. w. N.).

36 Hiervon ausgehend bestehen an der hinreichenden Bestimmtheit des angegriffenen Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 19. Juli 2023 weder unter dem Gesichtspunkt der Erkennbarkeit des Regelungsgehalts (aa)) noch in Bezug auf die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung (bb)) Zweifel.

37 aa) Die Klägerin wird durch den Beschluss der Beklagten vom 19. Juli 2023 bei sachgerechter Auslegung in die Lage versetzt, zu erkennen, was von ihr gefordert wird.

38 Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe keine konkrete Verhaltenspflicht formuliert, verengt den Blick auf den Wortlaut der Ziffer 1 des Tenors des Beschlusses. Sie blendet damit wesentliche Teile der Begründung aus und übersieht den engen Zusammenhang der Tenorziffer 1 mit der in Ziffer 2 des Tenors auferlegten Pflicht, der Beschlusskammer mitzuteilen, welche Maßnahmen die Klägerin zur Umsetzung der Verpflichtung aus Tenorziffer 1 zu ergreifen gedenke, sowie der in Ziffer 3 des Tenors ausgesprochenen Verpflichtung, der Beschlusskammer mitzuteilen, dass die Klägerin die zuvor mitgeteilten Maßnahmen ergriffen habe. Die zu ergreifenden Maßnahmen werden in dem Beschluss vom 19. Juli 2023 mit Rücksicht auf den bereits erwähnten Spielraum des Betreibers der Serviceeinrichtung zwar nicht konkret genannt. Der Regelungsgehalt des Beschlusses besteht jedoch gerade darin, ein gestuftes Verfahren vorzusehen, in dem mögliche Maßnahmen konzipiert und umgesetzt werden. In einer ersten Phase hat die Klägerin danach zunächst die Gründe für den Kapazitätsengpass zu analysieren, der verhindert, dass allen Anträgen auf Zugang zu der Serviceeinrichtung stattgegeben werden kann. Auf der Grundlage dieser Analyse hat sie sodann mögliche Abhilfemaßnahmen zu ermitteln, unter diesen Maßnahmen eine Auswahl zu treffen und dies der Bundesnetzagentur innerhalb der sich aus der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 ergebenden Frist bis zum 19. Januar 2024 darzulegen. Erst in einem nachgelagerten zweiten Schritt, von der Beschlusskammer als "eigentliche Maßnahmenstufe" bezeichnet, schließt sich die Verpflichtung der Klägerin an, die von ihr zuvor mitgeteilten Maßnahmen zu ergreifen und die Bundesnetzagentur hierüber gemäß Ziffer 3 des Beschlusses innerhalb von drei Monaten nach der zuerst genannten Mitteilung zu informieren.

39 Dass der Schwerpunkt der in dem angegriffenen Beschluss getroffenen Regelungen in der Gesamtbetrachtung auf der ersten Stufe, d. h. der Analyse der Gründe für die Kapazitätsengpässe und der hierauf gestützten Konzipierung geeigneter Abhilfemaßnahmen liegt, zieht sich wie ein roter Faden durch die Begründung des Beschlusses. Die Beschlusskammer verweist darauf, die Klägerin müsse - in Anlehnung an die in § 58 ERegG für überlastete Schienenwege vorgesehene Kapazitätsanalyse - die Gründe für die Kapazitätsknappheit ermitteln und mögliche kurz- und mittelfristige Abhilfemaßnahmen in den Blick nehmen. Dazu müsse sie sich zunächst ein genaues Bild über die Nachfrage und die Marktbedürfnisse verschaffen. Weiter führt die Beschlusskammer aus, sie habe sich entschieden, den Schritt der Information über das Ergreifen als tauglich identifizierter Einzelmaßnahmen in einer weiteren Tenorziffer festzuhalten, weil der Fokus zunächst auf der Identifizierung von zu ergreifenden Maßnahmen liegen solle. Ein Abgleich der langfristigen planerischen Belegung mit der kurzfristigen Betriebsplanung und der tatsächlichen Belegung sei geeignet, Potential für weitere Nutzungen zu identifizieren. Die Beschlusskammer merkt insoweit an, dass die Klägerin diesen Fragen auf Grund ihrer betrieblichen Expertise und der vorhandenen Daten aus der Betriebsführung nachgehen müsse. Die Bedeutung dieser Ermittlungspflicht wird durch die Feststellung der Beschlusskammer unterstrichen, dass sich die Klägerin selbst keinen Überblick darüber verschafft habe, wie es um die aktuelle und die absehbare physische Auslastung von Abstellgleisen bestellt sei. Die Klägerin räume selbst ein, dass sie in der betrieblichen Praxis häufig keinen Überblick über die tatsächliche Belegung ihrer Serviceeinrichtungen habe.

40 bb) Bei zutreffender Auslegung des angegriffenen Beschlusses vom 19. Juli 2023 kann der Vorinstanz auch nicht in der Einschätzung gefolgt werden, dass diese Verpflichtung nicht Grundlage für Maßnahmen zu ihrer zwangsweisen Durchsetzung sein könne. Soweit das Verwaltungsgericht meint, es fehle ein Anknüpfungspunkt für das Vollstreckungsrecht, da die Beklagte in Ziffer 1 des Beschlusstenors keine konkrete Verhaltenspflicht formuliert habe, blendet es wiederum aus, dass der Klägerin mit dem angegriffenen Beschluss - wie ausgeführt - die Durchführung eines gestuften Verfahrens aufgegeben wird, dessen erste Stufe darin besteht, auf der Basis einer Analyse der Gründe für den Kapazitätsengpass mögliche Abhilfemaßnahmen zu ermitteln, unter diesen eine Auswahl zu treffen und das Ergebnis der Regulierungsbehörde mitzuteilen. Erst auf der zweiten Stufe sind dann konkrete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und der Behörde mitzuteilen.

41 Die Verpflichtung der Klägerin zur fristgemäßen Abgabe der die erste Stufe des Verfahrens abschließenden Mitteilung kann mit dem unter Ziffer 4 des Beschlusstenors angedrohten Zwangsgeld durchgesetzt werden, da es sich um eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 VwVG handelt. In Bezug auf die zweite Stufe hat die Beschlusskammer zwar keine Zwangsmittel angedroht. Jedoch kommt auch zur Durchsetzung der Verpflichtung der Klägerin, die Bundesnetzagentur darüber zu informieren, dass die zuvor mitgeteilten Maßnahmen ergriffen worden seien, ein Zwangsgeld in Betracht. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Beschlusskammer keine inhaltlichen Einwände gegen die Analyse oder das Konzept der Klägerin hat und es lediglich an der fristgemäßen Umsetzung fehlt. Dementsprechend wird in der Begründung des angegriffenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, dass dann, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, obwohl eine Analyse entsprechendes Potenzial ergeben habe, diese zu einem späteren Zeitpunkt nach erfolgter Androhung mittels gesonderter Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden könnten. Teilt die Klägerin auf der ersten Stufe mit, dass das Ziel einer Optimierung der Kapazitätsvergabe derzeit nicht bzw. nicht durch zumutbare Maßnahmen erreicht werden kann, entfällt die Grundlage für die Durchführung der zweiten Stufe, sofern die Beschlusskammer der Analyse der Klägerin folgt. Aus Gründen der Rechtsklarheit dürfte in diesem Fall - worauf die Beschlussbegründung der Sache nach hinweist - die Aufhebung der Anordnung nach Ziffer 1 sowie der die Umsetzung der Maßnahmen betreffenden Mitteilungspflicht nach Ziffer 3 des Tenors des angegriffenen Beschlusses geboten sein. Gelangt die Beschlusskammer hingegen zu dem Ergebnis, dass es an einer ausreichenden Analyse der Kapazitätsengpässe durch die Klägerin fehlt oder diese die Möglichkeit verhältnismäßiger Maßnahmen zu Unrecht verneint hat, gelangt das Verfahren ebenfalls nicht in die zweite Phase. Vielmehr verbleibt es in dieser Fallkonstellation auf der ersten Stufe. Denn die Verpflichtung der Klägerin, auf der Grundlage einer von ihr durchzuführenden Analyse der Kapazitätsengpässe geeignete Abhilfemaßnahmen zu entwickeln und der Beschlusskammer mitzuteilen, ist solange nicht erfüllt, wie die Kapazitätsanalyse oder die in den Blick genommenen Maßnahmen nicht den an sie gestellten Anforderungen genügen. Die Bundesnetzagentur kann die Klägerin daher im Wege des Verwaltungszwangs zu einer ergänzenden Mitteilung unter Berücksichtigung dieser Maßgaben anhalten.

42 Die Feststellung, unter welchen Voraussetzungen etwaige Maßnahmen das angestrebte Ziel, "zusätzlichen" Anträgen zu entsprechen, erreicht haben und damit der angestrebte Erfolg eingetreten ist, begegnet entgegen dem Vorbringen der Klägerin keinen unüberwindlichen Schwierigkeiten. Nach dem weit gefassten Wortlaut der Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ist die Klägerin nicht verpflichtet, eine in jeder Hinsicht optimale Auslastung der Gleise 30 bis 34 sowie 331 bis 333 der Betriebsstelle Stendal Hbf zu erreichen. Vielmehr reicht es aus, dass die von der Klägerin zu entwickelnden Maßnahmen geeignet sind, die tatsächliche Belegung der fraglichen Gleise zu erhöhen. Dies lässt sich ohne erheblichen Aufwand feststellen.

43 d) Da die Anordnung unter Ziffer 1 des Tenors des angegriffenen Beschlusses auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist, stellt sich das erstinstanzliche Urteil nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

44 aa) Die - vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig nicht geprüften - Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 sind erfüllt. Die Klägerin konnte Anträgen auf Zugang zu den Serviceeinrichtungen nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprechen ((1)), und die fragliche Einrichtung hatte ihre Auslastungsgrenze erreicht ((2)).

45 (1) Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 setzt voraus, dass einem Antrag auf Zugang zu einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprochen werden konnte. Dies ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Fall. Danach hat die Klägerin in der Betriebsstelle Stendal Hbf, in der sie verschiedene Gleise, die vorwiegend zur Abstellung dienen, als Serviceeinrichtung ausgewiesen hat, in den letzten Jahren mehrfach Nutzungsanmeldungen abgelehnt, weil die verfügbaren Kapazitäten erschöpft waren. Zudem hat die Klägerin bei der Kapazitätsvergabe zum Netzfahrplan im Falle von konfligierenden Anmeldungen eine Koordinierung durchgeführt, um die Nutzungswünsche unter Betrachtung der gesamten Betriebsstelle zu erfüllen.

46 (2) Das Tatbestandsmerkmal, dass die Serviceeinrichtung ihre Auslastungsgrenze erreicht hat, ist ebenfalls erfüllt.

47 Die Beschlusskammer hat zutreffend angenommen, dass für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 nicht die "physische" Kapazitätsgrenze der Serviceeinrichtung, sondern die "rechtliche" Auslastung in Form einer Bindung durch Nutzungsverträge maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass der Betreiber der Serviceeinrichtung nach Art. 13 Abs. 4 Satz 3 der Richtlinie 2012/34/EU nicht verpflichtet ist, Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen zu tätigen, um allen Anträgen von Eisenbahnunternehmen entsprechen zu können. Bei Erreichen der "physischen" Kapazitätsgrenze kommen jedoch andere Maßnahmen als die bauliche Erweiterung der Serviceeinrichtung nicht in Betracht, sodass für Anordnungen nach Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 mit dem in Satz 2 des Erwägungsgrundes 17 genannten Ziel der Optimierung der Nutzung der Einrichtung kein Anwendungsbereich verbliebe. Dass die "rechtliche" Auslastung in Form von Nutzungsverträgen maßgeblich ist, verdeutlichen auch die in Satz 5 des Erwägungsgrundes 17 beispielhaft genannten Maßnahmen. Denn sowohl Geldbußen für Antragsteller, die gewährte Zugangsrechte nicht in Anspruch nehmen, als auch Aufforderungen zum Verzicht auf Zugangsrechte, wenn Antragsteller diese Rechte wiederholt und vorsätzlich nicht wahrnehmen, betreffen jeweils die Konstellation, dass die tatsächliche Nutzung von den vereinbarten Nutzungsrechten abweicht.

48 Hiervon ausgehend hat die Beschlusskammer das Erreichen der Auslastungsgrenze hinsichtlich der Gleise 30 bis 34 sowie 331 bis 333 in der Betriebsstelle Stendal Hbf zu Recht bejaht. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts lehnte die Klägerin mehrfach Nutzungsanmeldungen wegen Erschöpfung der verfügbaren Kapazitäten ab. Ferner findet sich die tatsächliche Feststellung, dass bei der Vergabe von Kapazitäten in Serviceeinrichtungen zum Netzfahrplan 2022/2023 für die Gleise 30, 31, 32, 33 und 34 in der Betriebsstelle Stendal Hbf konfligierende Anmeldungen für eine ununterbrochene Nutzung vorlagen und die Klägerin im Mai 2023 alle Gleise in Serviceeinrichtungen in dieser Betriebsstelle (mit Ausnahme des Dispogleises 612 und des Zuführungsgleises 206) als vertraglich gebunden ("rot") ausgewiesen hatte. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anhalt dafür, dass die Ablehnung von Nutzungsanträgen aus anderen Gründen als dem Fehlen rechtlich verfügbarer Kapazitäten erfolgt ist.

49 bb) Der Wortlaut des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 lässt klar erkennen, dass der Regulierungsstelle bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Ermessen eingeräumt ist ("kann"). Die vom Verwaltungsgericht - wiederum auf der Grundlage seines rechtlichen Ansatzes - nicht überprüfte Ermessensausübung der Beschlusskammer ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind weder hinsichtlich des - weit gefassten - Entschließungsermessens ((1)) noch des - erheblich eingeschränkten - Auswahlermessens ((2)) ersichtlich.

50 (1) Die Erwägungen in der Begründung des angegriffenen Beschlusses sind geeignet, die Entscheidung für ein hoheitliches Tätigwerden zu tragen. Die Beschlusskammer hat auf die in den Jahren 2018 bis 2022 aufgetretenen Ablehnungen von Nutzungsanfragen in der Betriebsstelle Stendal Hbf verwiesen. Eine vergleichbare Häufung von Nutzungsablehnungen in anderen Betriebsstellen sei - abgesehen von derjenigen in Hamburg-Langenfelde - nicht ersichtlich gewesen. In die Betrachtung sei auch einzubeziehen gewesen, dass Marktteilnehmer zum Teil seit Jahren die Vergabe von Kapazitäten in Serviceeinrichtungen durch die Klägerin kritisierten und Verbesserungen forderten. Das Beschlusskammerverfahren habe gezeigt, dass die Zugangsberechtigten ein Interesse an einer optimierten Kapazitätsvergabe hätten. Es bestünden keine Gründe dafür, einzelne Gleise, bei denen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein regulierungsbehördliches Einschreiten nach Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 gegeben seien, von der Verpflichtung auszunehmen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sämtliche genannten Gleise durch eine stärkere Bewirtschaftung gewinnen würden. Zugleich werde die Klägerin in die Pflicht genommen, bei der Entwicklung von Maßnahmen auf das Zusammenspiel der einzelnen Gleise Bedacht zu nehmen.

51 (2) Ihr Auswahlermessen hat die Beschlusskammer ebenfalls fehlerfrei ausgeübt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Regulierungsbehörde im Fall des Art. 10 Abs. 5 DVO (EU) 2017/2177 ein derartiges Ermessen nur in eingeschränkter Form zusteht. Diese Einschränkung des Auswahlermessens findet ihren Grund vor allem in der - wie ausgeführt - gemäß Art. 4 der Richtlinie 2012/34/EU zu wahrenden Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Betreibers der Infrastruktur. Die Beschlusskammer hat sich auch nicht nur auf die Wiederholung des Wortlauts des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 beschränkt, sondern - wie dargelegt - ein gestuftes Verfahren vorgesehen und der Klägerin aufgegeben, auf der ersten Verfahrensstufe die Gründe für die Kapazitätsengpässe sowie mögliche Abhilfemaßnahmen zu ermitteln.

52 e) Ziffer 2 und 3 des Beschlusses vom 19. Juli 2023 sind ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Als Ermächtigungsgrundlage für die jeweils verfügte Mitteilungs- bzw. Informationspflicht kommt zwar entgegen der Annahme der Beschlusskammer nicht das in Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DVO (EU) 2017/2177 enthaltene Transparenzgebot in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses nicht im Verhältnis zu der Regulierungsbehörde, sondern ausschließlich im Verhältnis zu den Zugangsberechtigten Wirkung entfaltet. Die Auferlegung von Mitteilungs- bzw. Informationspflichten des Betreibers der Serviceeinrichtung gegenüber der Regulierungsstelle kann jedoch unmittelbar auf Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DVO (EU) 2017/2177 gestützt werden. Denn der Regulierungsbehörde wird hierdurch erst die Möglichkeit gegeben, die Umsetzung der dem Betreiber der Serviceeinrichtung auferlegten Verpflichtung zu überprüfen. Auch Ermessensfehler sind hinsichtlich der in den Ziffern 2 und 3 des angegriffenen Beschlusses angeordneten Informationspflichten nicht ersichtlich. Nach der Begründung des Beschlusses sollen die Verpflichtungen die Möglichkeit der Überprüfung durch die Bundesnetzagentur sicherstellen. Dies reicht zur Rechtfertigung aus. Die in Ziffer 3 vorgesehene Frist von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Ziffer 2 ist nicht unangemessen kurz.

53 f) Gegen die in Ziffer 4 des Tenors des angefochtenen Beschlusses enthaltene Zwangsgeldandrohung für den Fall, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung aus Tenorziffer 2 nicht nachkommt, bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Die in § 6 Abs. 1, §§ 9, 11 Abs. 1 und § 13 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) geregelten Voraussetzungen für die Zwangsgeldandrohung sind erfüllt. Die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG bestimmte Frist bis zum 19. Januar 2024 und damit von sechs Monaten nach Erlass des Beschlusses ist angemessen. Das angedrohte Zwangsgeld in der Höhe von 20 000 € steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck.

54 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.