Urteil vom 28.10.2003 -
BVerwG 2 WD 10.03ECLI:DE:BVerwG:2003:281003U2WD10.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 28.10.2003 - 2 WD 10.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:281003U2WD10.03.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 10.03

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 28. Oktober 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Stahl,
Oberstabsfeldwebel Kröger
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Thürasch, Soltau,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 15. Oktober 2002 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Der Soldat wird in den Dienstgrad eines Gefreiten herabgesetzt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 33 Jahre alte Soldat besuchte nach dem Erwerb der Mittleren Reife die höhere Handelsschule, die er 1989 ohne Abschluss verließ. Eine Lehre zum Verlagskaufmann im Zeitraum vom 1. August 1989 bis 31. Dezember 1992 absolvierte er ohne Abschluss. Am 18. Dezember 1997 bestand er im Ausbildungsberuf Bürokaufmann die Abschlussprüfung.

Zum 4. Januar 1993 wurde er zur Ableistung des Grundwehrdienstes zur ..../Panzeraufklärungsbataillon ... in L. einberufen und aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr am 2. Juli 1993 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf ein Jahr und sechs Monate, zuletzt auf zwölf Jahre bis zum 31. Dezember 2004 festgesetzt.

Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde der Soldat mit Wirkung vom 1. April 1999 zum Oberfeldwebel befördert.

Nach der Grundausbildung wurde er als Geschäftszimmersoldat ab 1. April 1993 in der Panzeraufklärungsausbildungskompanie ... und ab 1. Juni 1994 in der Panzeraufklärungskompanie ... eingesetzt. In der Zeit vom 26. Juli bis 22. September 1994 nahm er am Unteroffiziergrundlehrgang - Allgemeinmilitärischer Teil - bei der .../Panzerbataillon ... in B. teil und vom 20. März bis 9. Juni 1995 besuchte er den Unteroffiziergrundlehrgang Nachschubdienst - Militärfachlicher Teil - bei der Nachschubschule des Heeres in O. Ab 12. Juni 1995 wurde er als Geräte- und ABC Abwehr-/Selbstschutz-Unteroffizier eingesetzt und zum 1. April 1997 zur Panzeraufklärungskompanie ... in L. als Versorgungsfeldwebel und Gruppenführer versetzt. Nach seiner Ausbildung zum Feldwebel vom 7. Januar bis 1. April 1998 an der Nachschubschule des Heeres wurde er ab dem 22. Mai 2000 zunächst zur .../Panzerbataillon ... in L., später zur Stabskompanie der Panzerlehrbrigade ... in M. kommandiert und zum 1. April 2001 zur .../Panzerbataillon ... in L. als Versorgungsfeldwebel versetzt. Nach Bekanntwerden des zu Nr. 3 angeschuldigten Sachverhalts wurde er in dieser Funktion abgelöst und bis zur vorläufigen Dienstenthebung am 14. Februar 2002 als Leiter der Kfz-Gruppe verwendet.

In der letzten planmäßigen Beurteilung durch den Kompaniechef der Panzeraufklärungskompanie ... vom 23. Juli 1999 wurden die Leistungen des Soldaten im Beurteilungszeitraum in den Einzelmerkmalen einmal mit der Stufe „2”, dreimal mit der Stufe „3”, sechsmal mit der Stufe „4”, viermal mit der Stufe „5” und einmal mit der Stufe „6” bewertet. In der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung erhielt er für das Merkmal „Verantwortungsbewusstsein” die Wertung „b”, für seine „geistige Befähigung“ die Wertung „d” und im Übrigen für „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung” sowie „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung” jeweils die Wertung „c”.

Zu dem Merkmal „Verantwortungsbewusstsein” führte der beurteilende Vorgesetzte aus:

„OFw ... ist seinen vielfältigen Aufgaben und Pflichten zunächst in erfreulich selbständiger, umfassender und gewissenhafter Weise nachgekommen. Er hat im Sinne der Kompanie mitgedacht, seinen persönlichen Einsatzbedarf oder den seiner Teileinheit klar erkannt und konsequent in entsprechendes Handeln umgesetzt. Diese positive Eigenschaft hat er jedoch gerade im Zeitraum der letzten Monate zu wenig konstant erbracht. Woran es ihm daher letztlich mangelt, ist Beständigkeit und damit auch ein Stück weit an Zuverlässigkeit in der Sache”.

Die herausragenden „charakterlichen Merkmale” wurden wie folgt dargestellt:

„In den zurückliegenden Monaten hat OFw ... in seinem Eignungs- und Leistungsbild in weiten Teilen deutlich nachgelassen. Dies ist mit Sicherheit im Wesentlichen auch auf Probleme in seinem privaten Umfeld zurückzuführen und damit einerseits verständlich und nachvollziehbar. Andererseits jedoch hat er diese Dinge über einen zu langen Zeitraum einfach nur hingenommen und bei weitem nicht entschieden genug versucht, aktiv dagegen anzugehen und zu lösen. Dies hat zu nicht unerheblichen Führungsproblemen und deutlich nachlassender Arbeitsleistung in seiner Teileinheit geführt, mit Auswirkungen, die die ganze Einheit betroffen haben.

OFw ... hat jetzt wieder begonnen, die Zügel aufzunehmen, Versäumtes nachzuarbeiten und zu früherer Leistung zurückzufinden. Zu welchen Leistungen er fähig ist, hat er in der Anfangszeit in der Kompanie bereits eindrucksvoll unter Beweis stellen können. Von daher gehe ich davon aus, dass er jetzt, da seine privaten Probleme wohl überwunden scheinen, wieder zur alten Frische zurückfinden wird.

Der positive Abschluss dieser Entwicklung sollte jedoch abgewartet werden, bevor über einen erneuten Antrag zur Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten entschieden wird.”

Vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Hauptmann S. als Beauftragter des Disziplinarvorgesetzten des Soldaten bekundet, in der Zeit, in der er den Soldaten als stellvertretender Kompaniechef geführt habe (Juni 2001 bis Januar 2002), sei ihm der Soldat nie negativ aufgefallen. Er habe sich spürbar von seiner positiven Seite zeigen wollen, was ihm auch gelungen sei. Der Soldat sei in dieser Zeit als Leiter der Kfz-Gruppe eingesetzt gewesen und habe diese Aufgabe gut wahrgenommen. Es sei aber auffällig gewesen, dass er sich aus dem Kameradenkreis zurückgezogen und Gemeinschaftsräume gemieden habe. Nach seiner Einschätzung habe er dadurch Sticheleien von Kameraden ausweichen wollen, die über sein Handeln Kenntnis gehabt hätten.

Ausweislich des Auszugs aus dem Disziplinarbuch und der Auskunft aus dem Zentralregister ist der Soldat, abgesehen von den zu Nrn. 2 und 3 angeschuldigten Sachverhalten, disziplinar und strafgerichtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

Der verheiratete Soldat erhält Dienstbezüge aus der Dienstaltersstufe 6 der Besoldungsgruppe A 7 mit Zulage des Bundesbesoldungsgesetzes in Höhe von brutto 2.044,95 €. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ergibt sich hieraus ein Nettobetrag in Höhe von 1.670,08 €. Aufgrund einer Anordnung der Einleitungsbehörde vom 12. Februar 2002 wurden hiervon seit dem 1. März 2002 gemäß § 126 Abs. 2 WDO ein Zehntel einbehalten. Die finanziellen Verhältnisse des Soldaten sind angespannt. Für einen Umzug nach Berlin hat er mit seiner Frau, die bisher als Verkäuferin ein monatliches Einkommen von 1.050 € brutto erzielte, jedoch seit Mitte September 2003 arbeitslos ist, zwei Darlehen über insgesamt 25.000 € aufgenommen, die er mit monatlich 670 € tilgt. Daneben hat er eine monatliche Miete in Höhe von 980 € zu zahlen.

II

III