Beschluss vom 28.10.2024 -
BVerwG 4 BN 15.24ECLI:DE:BVerwG:2024:281024B4BN15.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 28.10.2024 - 4 BN 15.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:281024B4BN15.24.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 15.24
- OVG Münster - 07.03.2024 - AZ: 10 D 132/22.NE
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Decker und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2024 wird verworfen.
- Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die der Sache nach auf sämtliche Revisionszulassungsgründe i. S. v. § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
2 1. Die von der Beschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht dargetan. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26).
3 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2021 - 7 CN 1.20 - (BVerwGE 172, 37 Rn. 10) den Rechtssatz, dass Personen, die nicht Normadressaten sind, im Normenkontrollverfahren antragsbefugt sind, wenn die Belange Dritter in einer von den Interessen der Allgemeinheit abgehobenen Weise in den Schutzbereich der der angegriffenen Norm zugrundeliegenden Rechtsvorschriften einbezogen sind und daraus auf ein subjektives Recht dieser Personen auf Berücksichtigung bei der Normgebung zu schließen ist. Die Beschwerde bezeichnet aber keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz diesem Rechtssatz widersprochen hat. Sie erschöpft sich vielmehr in der Behauptung, der Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts sei fehlerhaft oder gar nicht angewandt worden. Damit wird eine Divergenz nicht dargetan (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 23. August 2021 - 4 BN 10.21 - NVwZ 2021, 1702 Rn. 11).
4 Soweit die Beschwerde eine Abweichung der Vorinstanz von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 1999 - 4 CN 3.99 - (BVerwGE 110, 36) und dem Beschluss vom 28. Juni 2023 - 4 BN 27.22 - (BeckRS 2023, 19972) rügt, fehlt es schon an der Benennung von abstrakten Rechtssätzen dieser Entscheidungen, die Gegenstand einer Divergenz sein könnten.
5 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht überspannt und den Antrag deshalb zu Unrecht als unzulässig abgelehnt.
6 Einen Normenkontrollantrag kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO u. a. jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Darlegungspflichtig ist der Antragsteller. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Überprüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Diese Anforderungen dürfen nicht in der Weise überspannt werden, dass der gesamte Prozessstoff ausgewertet und die Begründetheitsprüfung der Sache nach vorgezogen wird. Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag - auch unter Würdigung widerstreitenden Vorbringens des Antragsgegners - auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit hin zu prüfen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2022 - 4 CN 3.21 - Buchholz 406.27 § 58 BBergG Nr. 2 Rn. 10 und vom 7. Dezember 2023 - 4 CN 6.22 - NVwZ 2024, 917 Rn. 14 sowie Beschlüsse vom 1. Juli 2020 - 4 BN 49.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 221 Rn. 7 und vom 14. Oktober 2021 - 4 BN 3.21 - ZfBR 2022, 70 Rn. 4).
7 Gegen diese Maßgaben hat das Oberverwaltungsgericht nicht verstoßen. Die Antragsteller haben sich im Normenkontrollverfahren schriftsätzlich auf ihr Eigentum an verschiedenen Grundstücken bzw. die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten im Geltungsbereich der Satzung berufen, der sich auf das gesamte Gemeindegebiet der Antragsgegnerin erstreckt. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht eine mögliche Rechtsverletzung verneint, weil die im Eigentum der Antragsteller stehenden Grundstücke zwar im Geltungsbereich der Satzung, aber außerhalb der Schutzzonen lägen. Für diesen Bereich treffe die Satzung keine eigenständige, die Adressaten belastende Regelung, sondern verweise in § 9 Abs. 1 deklaratorisch auf die Vorschriften der Landesbauordnung. Eine gewerbliche Tätigkeit in den Schutzzonen sei nicht schlüssig vorgetragen. Dass die Vorinstanz die Darlegungsanforderungen damit überspannt hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Ihr Vorbringen zur gewerblichen Nutzung in der O.straße ... beschränkt sich (ungeachtet der Frage, ob dieses Grundstück überhaupt im Geltungsbereich der Schutzzone D liegt) auf die Behauptung, die Antragstellerin zu 1 sei "unabhängig von der erst im letzten Moment" in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumentation der Antragsgegnerin, "sie nutze dort nur einen Briefkasten" betroffen. Der Verweis auf rechtliche Mängel der Satzung berührt nicht die Antragsbefugnis, sondern die Begründetheit des Normenkontrollantrags.
8 Das Oberverwaltungsgericht hat weiter angenommen, es sei nicht offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass der räumliche Geltungsbereich der Schutzzone D durch die Regelung zur Sichtbarkeit von Werbeanlagen vom öffentlichen Verkehrsraum aus (§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Satzung) erweitert werde. Eine Sichtbarkeit von etwaigen Werbeanlagen auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 1 "A..." vom öffentlichen Verkehrsraum der zur Zone D gehörigen K.straße aus könne aufgrund der topographischen Verhältnisse aber ausgeschlossen werden. Dies habe eine Inaugenscheinnahme der entsprechenden, im Internet verfügbaren (topographischen) Karten und Fotos in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe insoweit "ohne vorherigen diesbezüglichen Vortrag" (gemeint ist wohl der Antragsgegnerin) in der mündlichen Verhandlung keine Ermittlungen durch Inaugenscheinnahme im Internet verfügbarer Unterlagen anstellen dürfen. Das führt nicht auf einen Verfahrensfehler, sondern verkennt die oben genannte Darlegungslast der Antragsteller für die Tatsachen, die eine Betroffenheit in eigenen Rechten zumindest möglich erscheinen lassen. Die Beschwerde führt schon nicht aus, dass die darlegungspflichtigen Antragsteller sich bereits vor der mündlichen Verhandlung auf die Sichtbarkeit von Werbeanlagen vom öffentlichen Verkehrsraum der Schutzzone D aus berufen und hierzu substantiiert Tatsachen vorgetragen haben, zu denen die Antragsgegnerin Stellung nehmen und deren Schlüssigkeit das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage des wechselseitigen Vortrags prüfen konnte. Nach den unbestrittenen Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung ist die Sichtbarkeit von Werbeanlagen auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 1 (A...) vom öffentlichen Verkehrsraum der K.straße aus in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden. Die Antragsgegnerin habe geltend gemacht, dass eine Sichtbarkeit aufgrund der topographischen Verhältnisse ausscheide. Diesem Einwand ist das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden Schlüssigkeitsprüfung, ob eine Betroffenheit durch die Satzungsregelungen nach den örtlichen Verhältnissen jedenfalls möglich erscheint, in zulässiger Weise durch Einsicht in topographische Karten nachgegangen. Die Beschwerde kritisiert die - vom Prozessbevollmächtigten der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung offenbar nicht in Frage gestellten - Erkenntnisse zur Topographie zwar als "schlichtweg falsch". Ihre Ausführungen betreffen aber nicht das Objekt 'A...', sondern die 'C-Straße', die von der L 561 aus, von der E. Straße "nahezu auch von oben" sowie aus dem Luftraum und "bei entsprechendem Wasser mit einem muskelbetriebenen Wasserfahrzeug" von der Else aus gut sichtbar sei. Sie legt indes weder dar, dass die Antragsteller sich schon im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht - und nicht erst im Beschwerdeverfahren - auf eine Sichtbarkeit von Werbeanlagen auf dem Grundstück C-Straße berufen haben, noch, dass Werbeanlagen auf diesem Grundstück vom öffentlichen Verkehrsraum eines zur Schutzzone D gehörenden Straßenzugs aus sichtbar wären. Namentlich ist nicht dargetan, dass die Schutzzone D nach der in § 8 Abs. 1 Satz 5 in Bezug genommenen Anlage 2 zur Satzung, in der die Schutzzonen dargestellt sind, bereits in Höhe des bzw. Sichtentfernung zum Grundstück C-Straße beginnt. Das Beschwerdevorbringen zur Sichtbarkeit aus der Luft und vom Wasser aus liegt neben der Sache.
9 3. Die Beschwerde legt auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dar. Der Beschwerdebegründung kann selbst bei wohlwollender Auslegung nicht entnommen werden, welche entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts der Fall aufwerfen soll (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.1 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).
10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.