Beschluss vom 28.11.2024 -
BVerwG 1 WB 45.24ECLI:DE:BVerwG:2024:281124B1WB45.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.11.2024 - 1 WB 45.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:281124B1WB45.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 45.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch, den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i. G. Santüns und den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Friede am 28. November 2024 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft einen Stabsbefehl zur Umsetzung der Pflicht zur Duldung der COVID-19-Impfpflicht im Kommando ...

2 Der 1969 geborene Antragsteller trat 1992 in die Bundeswehr ein und ist seit 1999 Berufssoldat. Er wurde zuletzt im Jahre 2016 zum Oberstabsfeldwebel befördert und wird derzeit auf einen Dienstposten bei der Abteilung ... des Kommandos ... in ... verwendet. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 30. März 2026 enden.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den COVID-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen.

4 Zur Umsetzung dieser Änderung im Stab des Kommandos ... erließ der Chef des Stabes am 10. März 2022 den Befehl 019/2022 als 1. Änderung des am 20. Oktober 2014 ergangenen Stabsbefehls über die Umsetzung von Impfmaßnahmen im Kommando ... für die Einsatzoption "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland".

5 Unter dem 10. Februar 2022 beschwerte sich der Antragsteller, der sich am 18. Januar 2022 einer COVID-19-Schutzimpfung unterzogen hatte, gegen die Änderung der AR A1-840/8-4000. In dem Beschwerdeschreiben führte er aus, dass er der Befehlsgebung selbstverständlich gefolgt sei.

6 Vom Bundesministerium der Verteidigung ist diese Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und am 10. März 2022 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt worden. In diesem Verfahren, das unter dem Aktenzeichen 1 WB 25.24 geführt worden ist, teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers auf Nachfrage des Senats mit, dass Gegenstand des Antrages auf gerichtliche Entscheidung auch die der erfolgten COVID-19-Schutzimpfung vorausgegangene "Individualbefehlsgebung" sei.

7 Mit Beschluss vom 5. September 2024 hat der Senat den Rechtsstreit in dem Verfahren 1 WB 25.24 , soweit der Antragsteller sich gegen den ihm erteilten Befehl wendet, die am 18. Januar 2022 an ihm vorgenommene COVID-19-Schutzimpfung zu dulden, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und unter dem hiesigen Aktenzeichen weitergeführt sowie den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Übrigen zurückgewiesen.

8 Auf Bitte des Senats, den der COVID-19-Schutzimpfung zugrunde liegenden Befehl zu übersenden, hat der Antragsteller die am 19. September 2022 erlassene 2. Änderung zu dem Befehl 019/2022 des Chefs des Stabes des Kommandos ... vorgelegt. Vom Bundesministerium der Verteidigung ist dem Senat darüber hinaus der Stabsbefehl vom 20. Oktober 2014 sowie die 1. Änderung des Befehls 019/2022 vom 10. März 2022 übermittelt worden.

9 Der Antragsteller macht geltend, der Befehl sei rechtswidrig und insbesondere im Hinblick auf die mit ihm bewirkte wesentliche Grundrechtsverletzung unverhältnismäßig.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

12 Der Antrag ist bereits unzulässig.

13 1. Da der Antragsteller keinen konkreten Antrag gestellt hat, bedarf sein Begehren der Auslegung unter Berücksichtigung seines Sachvortrages. Entgegen der Ansicht des Bundesministeriums der Verteidigung geht der Senat nicht davon aus, dass Gegenstand des Antrags die Änderung der AR A1-840/8-4000 ist, die bereits Gegenstand des Verfahrens 1 WB 25.24 gewesen ist. Vielmehr wendet sich der anwaltlich vertretene Antragsteller gegen den Stabsbefehl 019/2022 vom 10. März 2022. Dessen Vorlage kann aus Sicht des Senats nur in diesem Sinne verstanden werden, weil sie auf die ausdrückliche Bitte des Senats erfolgt ist, den der Impfung zugrunde liegenden Befehl zu übermitteln. Einen der Impfung unmittelbar vorausgehenden - ihn individuell betreffenden - Befehl seines Disziplinarvorgesetzten hat der Antragsteller jedenfalls nicht vorgelegt.

14 2. Der so zu verstehende Antrag auf gerichtliche Entscheidung erweist sich bereits deshalb als unzulässig, weil er eine unzulässige Antragsänderung beinhaltet. Denn im Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung am 10. Februar 2022 war der besagte Stabsbefehl noch nicht erlassen worden. Vor diesem Hintergrund stellt sich das gegen den Stabsbefehl gerichtete Begehren als neuer Sachantrag dar, der wegen der Nichtanwendbarkeit des § 91 VwGO im gerichtlichen Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung (stRspr, vgl. dazu ausführlich BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - NZWehrr 2014, 255 <258>) nicht zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht werden kann. Ungeachtet dessen ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil ihm kein vorheriges, erfolglos durchgeführtes Verfahren über eine (weitere) Beschwerde vorangegangen ist, in dem der hier angefochtene Stabsbefehl Gegenstand gewesen ist (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).