Beschluss vom 29.01.2004 -
BVerwG 8 B 132.03ECLI:DE:BVerwG:2004:290104B8B132.03.0

Beschluss

BVerwG 8 B 132.03

  • VG Gera - 15.04.2003 - AZ: VG 6 K 203/02 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 15. April 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 157 648 € festgesetzt.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu (1.), noch beruht das Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die Beschwerde bezeichnet sinngemäß die Frage als klärungsbedürftig,
ob der Anspruch auf Restitution eines Grundstücks auch dann gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG untergegangen ist, wenn das Grundstück den wesentlichen Teil des Nachlasses bildet und ein Mitglied der Erbengemeinschaft seinen Erbanteil veräußert hat.
Diese Frage kann auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verneint werden. Nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG geht der Restitutionsanspruch unter und wandelt sich in einen Anspruch auf Erlösauskehr, wenn über das Eigentum an einem restitutionsbefangenen Vermögensgegenstand wirksam verfügt worden ist (vgl. Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 63.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20 S. 25 <27>). Ebenso wie nach dem restitutionsrechtlichen Konnexitätsgrundsatz die Gleichartigkeit von Schädigungsgegenstand und Restitutionsgegenstand gegeben sein muss (vgl. dazu Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154 <160> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 S. 26 <30 f.>, vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <94> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 25 S. 46 <47 f.> und vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 3.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 4 S. 9 <11>), setzt auch die Vorschrift des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG voraus, dass derselbe Vermögenswert, über den durch Veräußerung verfügt worden ist, zugleich auch Gegenstand des Restitutionsanspruchs ist. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 28. August 1995 - BVerwG 7 B 214.95 - (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 13 S. 23 <24>) entschieden, dass bei Veräußerung eines Unternehmens im Wege des Anteilsverkaufs ein Restitutionsanspruch nicht bereits deswegen erlischt, weil er sich auf einen Vermögensgegenstand bezieht, der zu dem veräußerten Unternehmen gehört. Vielmehr ist bei der Veräußerung eines Unternehmens nur ein unternehmensbezogener Restitutionsanspruch betroffen. Nichts anderes gilt für den Verkauf eines Erbanteils. Da sich im vorliegenden Fall der Restitutionsanspruch nicht auf den Nachlass, sondern auf einen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstand bezog, fehlt es an der erforderlichen Identität zwischen veräußertem und restitutionsbelastetem Vermögenswert.
b) Auch die weitere von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
ob sich derjenige Eigentümer auf einen redlichen Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG berufen kann, der nach dem Krieg sein Eigentum teilweise an die jüdischen Alteigentümer zurückübertragen hat,
lässt sich ebenfalls ohne weiteres verneinen. Bei einer teilweisen Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück an die Verfolgten ist "Erwerber" ausschließlich der Verfolgte bzw. sein Rechtsnachfolger, nicht aber derjenige, der einen Miteigentumsanteil zurücküberträgt; denn er hat durch den Vertrag nichts "erworben". Im Übrigen ist hinsichtlich des hier streitigen Miteigentumsanteils gerade eine Rückübertragung nicht erfolgt.
2. Die von der Beschwerde weiter erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Nach der insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es auf die Frage der Angemessenheit des Kaufpreises nicht an, weil das Verwaltungsgericht ersichtlich davon ausging, es sei jedenfalls nicht bewiesen, dass das Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre (Art. 3 Abs. 3 Buchst. a REAO).
b) Auch der weiter von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt nicht vor, weil das Verwaltungsgericht knapp aber nachvollziehbar dargelegt hat (S. 12 des Urteilsabdrucks), dass es sich bei dem am 4. Oktober 1938 abgeschlossenen Kaufvertrag um einen Zwangsverkauf im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 REAO gehandelt hat. Jedenfalls in Verbindung mit den Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG (S. 10 des Urteilsabdrucks) ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragfähig begründet.
c) Die Beschwerde legt auch nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgericht die Frage hätte aufdrängen müssen, die damaligen Erwerber hätten im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Buchst. b REAO in besonderer Weise mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Verfolgten wahrgenommen. Allein der Umstand, dass Erwerber und Verfolgter freundschaftliche Beziehungen gepflegt haben sollen, reicht dafür nicht aus (vgl. zu familiären Beziehungen, Beschluss vom 26. Mai 2003 - BVerwG 8 B 76.03 -). Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das erst einige Monate nach Verkündung des angefochtenen Urteils geführt wurde, vorträgt, der Erwerber habe den Verfolgten die Überfahrt nach Australien bezahlt, wird nicht dargetan, warum sich dem Verwaltungsgericht ein solcher Sachverhalt hätte aufdrängen müssen. Im Übrigen ist auch dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um Leistungen des Erwerbers gehandelt haben soll, die über den vereinbarten Kaufpreis hinausgingen (vgl. zu diesem Erfordernis, Urteile vom 24. Januar 2002 - BVerwG 8 C 12.01 - BVerwGE 115, 360 <362 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 14 S. 62 <66> und vom 23. Oktober 2003 - BVerwG 7 C 64.02 - juris).
d) Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde auch gegen die Auslegung des Vergleichs aus dem Jahre 1948 durch das Verwaltungsgericht. Grundsätzlich ist die Würdigung des Sachverhalts dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein. Zwar gilt dies ausnahmsweise dann nicht, wenn die Verletzung von Denkgesetzen, allgemeinen Erfahrungssätzen oder anerkannten Auslegungsregeln geltend gemacht wird. Diese, von der Beschwerde erhobene Rüge ist aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Inhalt des Vergleichs und die Umstände, die zu seinem Abschluss geführt haben, einer umfassenden Würdigung unterzogen. Warum dies gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze verstoßen sollte, ist nicht ersichtlich. Von einem Verstoß gegen die Denkgesetze kann ohnehin keine Rede sein. Ein Tatsachengericht hat nämlich nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>, Beschlüsse vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 <32 f.> und vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 S. 3 <4 f.>). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht aber nicht gezogen hat.
In Wahrheit setzt die Beschwerde die eigene Würdigung des Sachverhalts an die Stelle der Würdigung durch das Verwaltungsgericht. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erfolgreich geltend gemacht werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde war der Streitwert nicht abweichend von der Festsetzung des Verwaltungsgerichts auf lediglich 14 202,57 € festzusetzen. Es trifft zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der im Übrigen auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten, mit denen einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft Rückerstattungsansprüche an die Erbengemeinschaft geltend machen, der Streitwert nur entsprechend dem Erbanteil festzusetzen ist (Beschluss vom 2. August 1999 - BVerwG 8 KSt 12.99 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 105). Dabei ist aber von dem Verkehrswert auszugehen und nicht von dem in § 13 Abs. 3 GKG geregelten Höchstbetrag des Streitwerts der vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Diese Vorschrift findet vielmehr nur dann Anwendung, wenn der auf den jeweiligen Miterben entfallende Erbanteil den Höchstbetrag überschreiten sollte. Das ist hier aber nicht der Fall.
Gegen die Ermittlung des anteiligen Verkehrswertes durch das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde keine Einwendungen erhoben.