Beschluss vom 29.02.2024 -
BVerwG 2 B 33.23ECLI:DE:BVerwG:2024:290224B2B33.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.02.2024 - 2 B 33.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:290224B2B33.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 33.23

  • VG München - 22.08.2018 - AZ: M 21 K 17.4816
  • VGH München - 03.05.2023 - AZ: 14 B 22.154

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 46 510,53 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Rechtsstreit betrifft das Ruhen von Versorgungsbezügen wegen eines Kapitalbetrages, den ein Soldat der Bundeswehr für seinen Dienst bei einer NATO-Einrichtung erhalten hat.

2 1. Der im Jahr 1951 geborene Kläger war Berufssoldat und ist mit Ablauf des Juli 2004 in den Ruhestand getreten. Die Beklagte brachte im August 2004 die für den Kläger festgesetzten Versorgungsbezüge im Hinblick auf den von der NATO gezahlten Kapitalbetrag in Höhe von umgerechnet rund 62 000 € für vom Kläger in einer NATO-Einrichtung in den Jahren 1990 bis 1996 absolvierte Dienstzeiten teilweise zum Ruhen. Dabei wurde der Ruhensbetrag rein zeitbezogen nach den bei der NATO absolvierten Zeiträumen errechnet, ohne die Höhe der Abfindung zu berücksichtigen. Der Ruhensbescheid wurde nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens im Jahr 2005 bestandskräftig.

3 Im August 2012 beantragte der Kläger die Überprüfung des Ruhensbescheids im Hinblick auf zwischenzeitlich veränderte Verrentungsbestimmungen und Sterbetafeln. Die Beklagte lehnte im September 2012 die Änderung des Ruhensbescheids ab; ein dagegen eingelegter Widerspruch wurde im September 2017 zurückgewiesen. Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

4 Nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Wiederaufgreifen bestandskräftiger Ruhensbescheide im Zusammenhang mit Kapitalabfindungen aus zwischenstaatlichen Verwendungen (BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 2020 - 2 C 1.19 , 2 C 18.19 , 2 C 19.19 , 2 C 5.20 und 2 C 7.20 -) verringerte die Beklagte während des - zunächst zum Ruhen gebrachten - Berufungszulassungsverfahrens mit Änderungsbescheid vom 21. Oktober 2021 den Ruhensbetrag. Nach Zulassung der Berufung verringerte die Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 19. Mai 2022 die Ruhensbeträge ab August 2004, dem Zeitpunkt des Ruhestandseintritts. Bei dieser Neuberechnung wurde keine Dynamisierung mehr vorgenommen und bei der Verrentungsrechnung auf den Verrentungsdivisor für Frauen zurückgegriffen.

5 Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, als durch den letzten Änderungsbescheid dem klägerischen Begehren auf Neuverbescheidung abgeholfen worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat - soweit der Rechtsstreit noch anhängig war - die Berufung zurückgewiesen, weil dem Kläger kein weitergehender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme des bestandskräftigen Ruhensbescheids zustehe. Er hat zur Begründung insbesondere ausgeführt:

6 Der Ablehnungsbescheid vom September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom September 2017 sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen; so seien die Kapitalbeträge bis zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts dynamisiert worden, obwohl dafür für den bereits im Jahr 2004 in den Ruhestand getretenen Kläger keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Auch sei hinsichtlich der Verrentung nicht der Vervielfältiger für Frauen zugrunde gelegt worden. Die Beklagte habe jedoch mit dem Änderungsbescheid vom 19. Mai 2022 sämtliche klägerischen Korrekturansprüche erfüllt.

7 2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

8 a) Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

9 Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründende "Abweichung" liegt nur vor, wenn zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht. Die Divergenzrüge setzt deshalb die Darlegung eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes voraus. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m. w. N. und vom 14. Dezember 2023 - 2 B 45.22 - juris Rn. 16).

10 Eine Divergenz in dem beschriebenen Sinne legt die Beschwerde nicht dar. Sie benennt zwar einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 17: "Allerdings sind bei jeder Neuberechnung eines monatlichen Verrentungsbetrages von Kapitalbeträgen aufgrund gesetzlicher Änderungen diejenigen monatlichen Beträge in Abzug zu bringen, die bereits vor diesem Zeitpunkt wegen der Anrechnung auf die Versorgung einbehalten wurden. Die neue Ruhensberechnung ist auf der Grundlage eines Kapitalbetrages vorzunehmen, der um die Summe der bisherigen monatlichen Ruhensbeträge zu vermindern ist. Dieser Betrag stellt den neuen Gesamtruhensbetrag dar, der für den Zeitraum bis zum Erreichen der statistischen Lebenserwartung zu verrenten ist."). Allerdings benennt die Beschwerde keinen dem entgegenstehenden Rechtssatz des Berufungsgerichts. Sie führt lediglich aus, dass die streitgegenständlichen Ruhensbescheide diese Vorgabe nicht beachtet hätten und dass das Berufungsurteil diesen Fehler nicht beanstandet habe und damit seinerseits von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sei. Damit ist aber lediglich eine unterbliebene Anwendung eines Rechtssatzes, nicht aber das Vorhandensein eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines Rechtssatzes dargelegt. Das dürfte sich im Übrigen auch dadurch erklären, dass das Berufungsgericht den Rechtssatz im Streitfall nicht für einschlägig gehalten hat. Ging das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Rechtssatz von einer Neuberechnung "aufgrund gesetzlicher Änderungen" aus, war im vorliegenden Fall über den Umfang der rechtlich gebotenen Änderung eines Ruhensbescheids nach dem Wiederaufgreifen des Verfahrens infolge von nach Erlass des Ruhensbescheids ergangener Rechtsprechung zu entscheiden.

11 b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

12 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom 14. Februar 2023 - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

13 Die Frage,
"ob das Abrücken des Bundesverwaltungsgerichts [in seinen Urteilen vom 7. Oktober 2020, insbesondere im Verfahren - 2 C 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 29 ff.] von den Rechtsgrundsätzen seiner Entscheidung vom 5. September 2013 [- 2 C 47.11 - (Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 17)] lediglich die Problematik der 'Endzeitbegrenzung', nicht aber die angesprochene 'Abzugsberechnung' betroffen hat",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

14 Bei den Vorschriften zur Ruhensberechnung im vorliegenden Fall, insbesondere bei denjenigen zur Vergleichsberechnung nach § 55b SVG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung bzw. nach § 55b SVG in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung, handelt es sich um ausgelaufenes Recht und Übergangsrecht; die nunmehr das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Alterssicherungsleistungen aus zwischen- oder überstaatlicher Verwendung regelnden § 20a und § 55b SVG enthalten gänzlich andere Ruhensvorschriften als die im Streitfall maßgeblichen Gesetzesfassungen des § 55b SVG. Die Frage des Anrechnungsverfahrens zur versorgungsrechtlichen Berücksichtigung von Dienstzeiten in zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen sowie von im Rahmen solcher Tätigkeiten zugewandter einmaliger Kapitalabfindungen stellt sich mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Art. 13 Nr. 4 und Nr. 16 des Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz - BesStMG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053) nicht mehr. Der neu eingefügte § 20a SVG knüpft die Ruhegehaltfähigkeit der Verwendungszeit und damit die vollumfängliche Unterstellung des Soldaten unter das deutsche System der Soldatenversorgung an die Abführung des einmaligen Kapitalbetrages an den Dienstherrn. § 20a Abs. 1 SVG sieht vor, dass die Zeit der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung nur noch auf Antrag ruhegehaltfähig ist. Besteht ein Anspruch des Beamten gegen die zwischenstaatliche oder überstaatliche Einrichtung auf eine einmalige Alterssicherungsleistung für die dort zurückgelegte Zeit - weil kein Anspruch auf eine laufende Alterssicherungsleistung besteht oder die einmalige Leistung anstelle einer laufenden Alterssicherungsleistung in Anspruch genommen wird –, darf dem Antrag gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 SVG nur dann stattgegeben werden, wenn der Beamte den von der Einrichtung erhaltenen Betrag innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung an den Dienstherrn abführt. Demgemäß enthält die Neuregelung des § 55b SVG nur noch ein Anrechnungsverfahren, um den Ruhensbetrag zu bestimmen, wenn der Beamte eine laufende Alterssicherungsleistung von Seiten der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung für die dort zurückgelegte Zeit erhält und die Zeit seiner dortigen Verwendung nach § 20a Abs. 1 SVG ruhegehaltfähig ist (vgl. BT-Drs. 19/13396 S. 164 ff., 171 f.).

15 Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2004 - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11, vom 7. Oktober 2004 - 1 B 139.04 - Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 S. 6 und vom 30. September 2015 - 2 B 74.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 423 Rn. 9, jeweils m. w. N.). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Beantwortung der Fragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2015 - 2 B 74.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 423 Rn. 9) oder wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Oktober 2010 - 2 B 35.10 - juris Rn. 5 und vom 22. Oktober 2012 - 8 B 40.12 - juris Rn. 5).

16 Diese besonderen Voraussetzungen - wobei hier nur erstere in Betracht kommt - müssen in der Beschwerdebegründung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden. An dieser Darlegung fehlt es; die Beschwerde enthält hierzu keinerlei Ausführungen.

17 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.