Beschluss vom 29.05.2007 -
BVerwG 3 B 91.06ECLI:DE:BVerwG:2007:290507B3B91.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.05.2007 - 3 B 91.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:290507B3B91.06.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 91.06

  • VG Berlin - 18.05.2006 - AZ: VG 9 A 286.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin beansprucht für sich und ihren verstorbenen Ehemann berufliche Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) wegen des verfolgungsbedingten Abbruchs des Studiums an der Außenstelle P. der Fachschule für Werbung und Gestaltung B. für die Zeit vom 9. März 1971 bis 30. September 1975. Sie und ihr verstorbener Ehemann hätten das Studium kurz vor dem Abschluss stehend keineswegs freiwillig beendet, sondern sie seien unter Androhung von Haft dazu gedrängt worden. Die politische Verfolgung habe mit ihrem Rücktritt als zweite FDJ-Sekretärin und dem Austritt ihres Ehemannes aus einer bei der SED gebildeten Arbeitsgruppe begonnen. Durch Bescheide vom 7. März 2001 hat der Beklagte die Anträge abgelehnt, da die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann ihr Studium aus eigenem Beschluss beendet hätten und keinerlei politische Verfolgung ersichtlich sei. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klagen abgewiesen, weil im Zusammenhang mit der Beendigung des Studiums eine politische Verfolgung nicht habe festgestellt werden können.

2 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel können die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.

3 Die Beschwerde rügt als Verfahrensmängel einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht habe wesentlichen Sachvortrag einschließlich Beweisangebote der Klägerin nicht berücksichtigt und sei daher von einem teils unvollständigen, teils unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Dadurch wird ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt. Ein Verfahrensmangel im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine Norm, die den äußeren Verfahrensablauf, also den Weg zum Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses, nicht jedoch dessen Inhalt und den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung betrifft (Beschluss vom 11. Januar 2001 - BVerwG 9 B 40.01 - m.w.N.). In der Sache wendet sich die Klägerin nicht gegen eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts. Mit der Behauptung unrichtiger Sachverhaltswürdigung ist nämlich in aller Regel kein Verfahrensmangel dargetan. Allerdings kommt eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) als Verfahrensfehler in Betracht, wenn die tatsächliche Würdigung von Indizien auf einem Verstoß gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225). Das ist freilich nur der Fall, wenn eine andere als die angegriffene Einschätzung denk- oder erfahrungsgesetzlich zwingend geboten ist. Das belegt die Beschwerde jedoch nicht. Zunächst verkennt die Beschwerde, dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch ein Tatsachengericht regelmäßig dem sachlichen Recht (und nicht dem gerichtlichen Verfahrensrecht) zuzurechnen ist. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht in seinen Urteilsgründen im Einzelnen dargelegt, warum seines Erachtens eine politische Verfolgung nicht vorliegt. In Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Klägerin hat es sich anhand von tatsächlichen Gegebenheiten und nachvollziehbaren Überlegungen eine Überzeugungsgewissheit verschafft, ohne dass ihm dabei Verstöße gegen die Denkgesetze unterlaufen wären. Es hat die gegenteiligen Äußerungen der Klägerin zur Kenntnis genommen, aber anders gewürdigt als diese; darin liegt kein verfahrensrechtlich beachtlicher Verstoß.

4 Auch soweit der Beschwerde die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung zu entnehmen ist, geht sie fehl. Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - seine Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO), nicht dadurch verletzt, dass es trotz einer entsprechenden Anregung im Schriftsatz vom 24. November 2005 keine Zeugen vernommen hat. Das Gericht erforscht zwar nach § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO), läge eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Verwaltungsgericht jedoch nur vor, wenn sich ihm die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht der Fall. Die in der Beschwerdebegründung angestellte Vermutung, die Vernehmung der D. N., der Ehefrau des verstorbenen Direktors der Fachschule, hätte ergeben, dass es „durchaus möglich war, dass Herr N. der Klägerin ihren Rücktritt vom Amt der Sekretärin der FDJ übel genommen hat und sie daher zwecks politischer Erziehung der übrigen Studenten aus politischen Gründen von der Schule eliminieren wollte,“ belegt das nicht. Das gleiche gilt für die als mögliche Zeugen angeführten A. K., R. M. und J. G., deren Vernehmung Aufschluss über die mutmaßlichen Folgen für Mitstudenten bei Kontakt zu den Eheleuten K. oder bei Hinterfragen von Maßnahmen der Schulleitung gehabt hätte.

5 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.