Verfahrensinformation

Die Kläger beanspruchen die Rückgabe eines Einfamilienhausgrundstücks. Das Grundstück hatte ihrem Vater gehört, der 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode und zur Einziehung des gesamten Vermögens verurteilt wurde. Das Urteil wurde 1995 vom Obersten Gerichtshof der Russischen Förderation im Wege der Rehabilitierung aufgehoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Grundstück mangels tatsächlichen Zugriffs nicht durch das Urteil des sowjetischen Militärtribunals eingezogen, sondern erst später auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sei. Im Revisionsverfahren wird zu entscheiden sein, ob das Einziehungsurteil des sowjetischen Militärtribunals unmittelbar den Rechtsverlust bewirkt hat oder ob es mangels tatsächlichen Zugriffs auf das Grundstück ins Leere ging.


Urteil vom 29.06.2006 -
BVerwG 7 C 18.05ECLI:DE:BVerwG:2006:290606U7C18.05.0

Leitsätze:

Eine Vermögenseinziehung durch Urteil eines sowjetischen Militärtribunals war nur unter der Voraussetzung wirksam, dass im Zusammenhang mit der Verurteilung auf den eingezogenen Vermögensgegenstand tatsächlich zugegriffen wurde.

Ein Rückübertragungsanspruch nach Rehabilitierung durch russische Stellen besteht nicht, wenn das aufgehobene Urteil eines sowjetischen Militärtribunals zwar die Einziehung des Vermögens angeordnet hatte, auf den eingezogenen Vermögensgegenstand aber erst auf der Grundlage einer nachfolgenden besatzungshoheitlichen Enteignung tatsächlich zugegriffen wurde.

Urteil

BVerwG 7 C 18.05

  • VG Berlin - 09.11.2005 - AZ: VG 25 A 37.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann und
Guttenberger
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. November 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I

1 Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Einfamilienhausgrundstücks, das seit 1939 ihrem Vater und Rechtsvorgänger H. W. gehörte. Dieser war Inhaber eines Großküchenbetriebs in Berlin und beschäftigte bis 1945 sowjetische Zwangsarbeiterinnen. Nach seiner Verhaftung durch die politische Polizei der sowjetischen Kommandantur verurteilte ihn ein sowjetisches Militärtribunal (SMT) der Garnison Berlin am 21. Februar 1946 zur Höchststrafe Tod durch Erschießen und, wie es in der Übersetzung aus dem Russischen heißt, „Beschlagnahme“ des gesamten Vermögens. Grundlage der Verurteilung war ein Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 über „Maßnahmen zur Bestrafung deutsch-faschistischer Straftäter, die sich der Ermordung und Misshandlung der sowjetischen Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen aus der Roten Armee schuldig gemacht haben“. Die Todesstrafe wurde am 3. April 1946 vollstreckt. Das Urteil wurde durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation vom 18. Oktober 1995 aufgehoben und das Verfahren wegen Fehlens eines Straftatbestands eingestellt.

2 Das in Rede stehende Grundstück wurde auf der Grundlage des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 enteignet. Die Enteignung entsprach dem an die sowjetische Kommandantur gerichteten Vorschlag der Deutschen Treuhandverwaltung. Darin war vermerkt, H. W. sei z. Zt. in Haft der Besatzungsmacht. Der Übergang des Grundstücks in Volkseigentum wurde am 23. Mai 1949 unter Hinweis auf das Einziehungsgesetz im Grundbuch eingetragen.

3 Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Rückübertragungsantrag der Kläger durch Bescheid vom 14. Dezember 1995 ab, weil die Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen worden sei. Zur Begründung ihres Widerspruchs reichten die Kläger den Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Russischen Förderation vom 18. Oktober 1995 ein. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2001 zurück; die besatzungshoheitliche Enteignung habe nicht auf der Verurteilung durch das sowjetische Militärtribunal beruht und sei durch den russischen Rehabilitierungsbeschluss auch nicht aufgehoben worden.

4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. November 2005 abgewiesen: Der Rehabilitierungsbeschluss begründe den Rückübertragungsanspruch nicht. Das Grundstückseigentum sei nicht durch das SMT-Urteil entzogen worden, da keine Maßnahmen zur Vollstreckung der Vermögensbeschlagnahme getroffen worden seien. Auch bei einer Vermögenseinziehung durch Urteil sei ein tatsächlicher Zugriff erforderlich, der hier nicht feststellbar sei. Die Vermögenskonfiskation durch ein SMT-Urteil sei nicht mit einer Legalenteignung vergleichbar. Auf das Eigentum sei auch nicht aufgrund des Urteils zugegriffen worden. Der Deutschen Treuhandverwaltung seien bei Einleitung und Durchführung der besatzungshoheitlichen Enteignung in den Jahren 1948/49 das bereits 1946 vollstreckte Todesurteil und die zugleich ausgesprochene Vermögenskonfiskation ebenso wenig wie der Mutter der Kläger bekannt gewesen.

5 Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, zu deren Begründung sie vortragen: Wenn ein SMT-Urteil auf Einziehung des Vermögens erkannt habe, sei der Rechtsverlust unmittelbar mit dessen Rechtskraft bewirkt worden. Der mit der Rehabilitierung begründete Rückübertragungsanspruch setze nur voraus, dass eine Vermögenseinziehung vorgelegen habe. Eines „Vollstreckungsbeweises“ bedürfe es in Fällen dieser Art nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Eine nachfolgende Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage sei gegenstandslos. Dem entspreche, dass Gegenstand einer russischen Rehabilitierungsentscheidung nur die von sowjetischen Stellen verfügte Vermögensentziehung sein könne. Würde bei einer russischen Rehabilitierung auf die Vollstreckung der Vermögenseinziehung durch das SMT-Urteil abgestellt, liefe § 1 Abs. 7 VermG weitgehend leer, weil der Vollstreckungsakt in der Regel durch deutsche Stellen vorgenommen worden sei.

6 Auch nach dem faktischen Enteignungsbegriff sei von einer durch das SMT-Urteil bewirkten Vermögenseinziehung auszugehen. Der Vater der Kläger habe sich mit seiner Verurteilung zum Tode und zur Einziehung seines gesamten Vermögens vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt sehen müssen. Übereinstimmend hiermit sei nach der Rechtsprechung für eine faktische Enteignung die Frage maßgeblich, ob sich der Eigentümer durch einen in der Rechtswirklichkeit erkennbaren Enteignungsakt als enteignet habe betrachten müssen. Auf den Vollstreckungsakt komme es dabei nicht an, wie sich am Beispiel der Enteignung sonstigen Vermögens nach Maßgabe der Richtlinien Nr. 3 zur Ausführung des SMAD-Befehls Nr. 64 zeige. Es wäre sachwidrig, wenn demgegenüber bei einer Enteignung durch SMT-Urteil auf den Vollstreckungsakt abgestellt würde. Dass es in Fällen dieser Art oft zu Zweitenteignungen durch deutsche Stellen gekommen sei, erkläre sich aus der Geheimhaltung der SMT-Urteile. An der Maßgeblichkeit der Erkennbarkeit einer faktischen Enteignung aus der Sicht des Eigentümers ändere dies nichts. Eine besatzungshoheitliche Zweitenteignung sei auch in Fällen des verfolgungsbedingten Vermögensverlusts unerheblich. Für Rehabilitierungsfälle gelte nichts anderes.

7 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Rechtsverlust unmittelbar mit Rechtskraft eines SMT-Urteils eingetreten, wenn die Gegenstände der Vermögenseinziehung bei Eintritt der Rechtskraft individualisert und beschlagnahmt gewesen seien. Anders verhalte es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der SMT-Verurteilung auf das eingezogene Vermögen tatsächlich nicht zugegriffen worden sei. Im Zeitpunkt der Verurteilung sei eine Beschlagnahme oder spätere Enteignung des Grundstücks weder gegenständlich noch sachlich vorgeformt gewesen. Es könne daher nicht angenommen werden, dass mit der späteren Listenenteignung die im SMT-Urteil ausgesprochene Einziehung habe vollzogen werden sollen.

II

8 Die Revision ist unbegründet. Ohne Verletzung von Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der geltend gemachte Rückgabeanspruch unbegründet ist, weil das Einfamilienhausgrundstück nicht durch das SMT-Urteil eingezogen wurde und die Anwendung des Vermögensgesetzes auf die Enteignung aufgrund des Berliner Einziehungsgesetzes ausgeschlossen ist (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG).

9 Nach § 1 Abs. 7 VermG gilt das Vermögensgesetz entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger strafrechtlicher Entscheidungen steht. Die Bestimmungen des russischen Rehabilitierungsgesetzes sind andere Vorschriften in diesem Sinn. Die Aufhebung des SMT-Urteils vom 21. Februar 1946 durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation vom 18. Oktober 1995 hat die Möglichkeit der Rückgabe des Vermögens eröffnet. Das SMT-Urteil hatte zwar nach dem Wortlaut seiner Übersetzung aus dem Russischen nur die „Beschlagnahme“ des gesamten Vermögens des Rechtsvorgängers der Kläger angeordnet. Der mit der verhängten Todesstrafe verbundene Ausspruch der Beschlagnahme des gesamten Vermögens ist aber als Einziehung zu verstehen. Eine derartige Vermögenskonfiskation entsprach der Praxis der sowjetischen Militärtribunale bei Verhängung der Todesstrafe wegen angeblicher „Staatsverbrechen“, wie sie beim Rechtsvorgänger der Kläger auf der Grundlage des Erlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 19. April 1943 angenommen worden waren (vgl. Hilger, ZOV 2002, 81). Der Rehabilitierungsbeschluss erfasst die Aufhebung sowohl der strafrechtlichen Verurteilung zum Tod als auch der Einziehung des gesamten Vermögens. Er beruht auf der Erkenntnis, dass das Verhalten des Rechtsvorgängers der Kläger keinen Straftatbestand erfüllte. Damit ist die rechtliche Grundlage der Todesstrafe sowie der Nebenstrafe der Vermögenseinziehung entfallen und die Voraussetzung für die Rückgabe des eingezogenen Vermögens geschaffen worden.

10 Für eine Rückgabe des Einfamilienhausgrundstücks ist gleichwohl kein Raum, weil die Vermögenseinziehung mangels tatsächlichen Zugriffs auf diesen Vermögensgegenstand wirkungslos geblieben ist.

11 Der Senat kann zugunsten der Kläger unterstellen, dass eine Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil nach dem damals geltenden sowjetischem Recht unmittelbar mit dessen Rechtskraft wirksam werden und den Eigentumsübergang auf die UdSSR herbeiführen, im Grundsatz also eine der Einziehung nach § 74a Abs. 1 StGB entsprechende Wirkung haben sollte. Eine solche unmittelbare Wirkung eines rechtskräftigen SMT-Urteils wird in der einschlägigen Literatur (Hilger, a.a.O. m. Nachw. aus den Archiven) und in der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts angenommen (Urteil vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - BVerwGE 111, 182 <184>; Urteil vom 25. September 2002 - BVerwG 8 C 41.01 - BVerwGE 117, 76 <78 f.>; vgl. auch Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 C 6.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 5 S. 18 <22> und Urteil vom 24. April 2002 - BVerwG 8 C 9.01 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 65 S. 56 <61> zu Einziehungen durch Urteile von DDR-Gerichten). Ein Eigentumsverlust durch Rechtskraft eines Vermögen einziehenden SMT-Urteils kann allerdings nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass auf den betroffenen Vermögensgegenstand tatsächlich zugegriffen worden ist. Fehlt es am tatsächlichen Zugriff im Zusammenhang mit dem Einziehungsurteil, ist der entsprechende Ausspruch eines SMT-Urteils wirkungslos geblieben. Eine in der Rechtswirklichkeit folgenlos gebliebene Vermögenseinziehung durch das Urteil eines sowjetischen Militärtribunals hat keinen Eigentumsverlust begründet, der nach § 1 Abs. 7 VermG wieder gutzumachen ist.

12 Das folgt aus dem Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vornehmlich in einem faktischen Sinn zu verstehen ist. Dieses Verständnis entspricht dem Sinn des Gesetzes, demjenigen, der durch staatliche Unrechtsmaßnahmen sein Vermögen verloren hat, ein behördliches Verfahren an die Hand zu geben, mit dem das geschehene Unrecht wieder gutgemacht wird. Entscheidend ist hiernach, ob überhaupt und gegebenenfalls wann die Vermögensentziehung in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam und sich der frühere Eigentümer als vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt sehen musste (Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 7 C 10.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 1 S. 1 <3> m.w.N.). Die vom Vermögensgesetz bezweckte Wiedergutmachung knüpft an den Geltungsanspruch der jeweiligen Rechtsordnung an und will deshalb auch solche Vermögenswerte erfassen, die dem Rechtsinhaber ungeachtet etwaiger Rechtsmängel jedenfalls faktisch entzogen worden sind (Urteil vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 5.94 - BVerwGE 98, 137 <141>). Dem entspricht die spiegelbildliche Konsequenz, dass für eine Rückübertragung regelmäßig kein Raum ist, wenn auf das Vermögen tatsächlich nicht zugegriffen wurde. Ob eigentumsrelevante Entscheidungen unter der Herrschaft eines rechtsstaatlicher Maßstäbe entbehrenden Systems wiedergutmachungsbedürftig sind, lässt sich nicht allein nach den in jenem System angewandten Vorschriften beurteilen. Das gilt namentlich für Vermögenseinziehungen durch SMT-Urteile, die durch weitestgehende Geheimhaltung der Gründe, objektiv willkürliche Verfahrensweisen und vielfach unklare praktische Auswirkungen gekennzeichnet waren (vgl. die Dokumentation in den BARoV-Rundbriefen Nr. 23 vom 6. Oktober 1998, D II 1, und Nr. 25 vom 27. April 1999, D II 1). Darum muss im Rahmen der Wiedergutmachung zur Wahrung der Rechtsklarheit darauf abgestellt werden, ob und in welchem Umfang die von sowjetischen Militärtribunalen ausgesprochenen Vermögenseinziehungen tatsächlich zu einem Eigentumsverlust geführt haben. Davon abgesehen gibt es keinen vernünftigen Grund dafür, Vermögenseinziehungen durch SMT-Urteile nach einem anderen Enteignungsbegriff zu beurteilen als sonstige Eigentumszugriffe i.S.d. § 1 VermG. Einen derart gespaltenen Enteignungsbegriff kennt das Vermögensgesetz nicht.

13 Mit dieser Auffassung weicht der erkennende Senat nicht i.S.d. § 11 VwGO von der einschlägigen Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts ab, so dass eine Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Der 8. Senat ist in den bereits zitierten Entscheidungen zwar davon ausgegangen, dass bei einer Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil oder durch Urteil eines DDR-Strafgerichts der Rechtsverlust unmittelbar durch das Urteil herbeigeführt worden ist, die vermögensrechtlichen Folgeansprüche allein das Vorliegen einer Vermögenseinziehung voraussetzen und (so ausdrücklich das Urteil vom 25. September 2002 a.a.O. S. 79) die Grundsätze der faktischen Enteignung „hier“ keine andere Beurteilung rechtfertigen. Die Rechtsfrage, ob eine Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil oder durch Urteil eines DDR-Strafgerichts wirkungslos bleibt, wenn dem gerichtlichen Ausspruch kein tatsächlicher Zugriff auf das Vermögen nachfolgt, war aber in keinem der einschlägigen Urteile des 8. Senats entscheidungserheblich, weil entweder in den zugrunde liegenden Sachverhalten auf das von der Vermögenseinziehung betroffene Eigentum tatsächlich zugegriffen worden war oder das Urteil nicht auf der abweichenden Rechtsauffassung beruht. Der durch Urteil vom 25. September 2002 (a.a.O.) entschiedene Fall war dadurch gekennzeichnet, dass drei Wochen vor der Verurteilung zur Einziehung des Vermögens eine „Vermögensaufstellung zur Beschlagnahme des Vermögens“ angefertigt und auf die darin aufgeführten Vermögensgegenstände tatsächlich zugegriffen worden war (Urteilsabdruck S. 3, 5 f.; in BVerwGE 117, 76 nicht abgedruckt); davon abgesehen hatte der 8. Senat in jenem Urteil zu entscheiden, ob sich eine durch SMT-Urteil ausgesprochene Vermögenseinziehung auch auf Vermögenswerte eines Angehörigen des Verurteilten erstreckte, wobei er das Maß der Einziehung anhand des von der Vorinstanz bindend festgestellten tatsächlichen Vermögenszugriffs bestimmt hat. In dem Sachverhalt, der dem Urteil vom 17. Mai 2000 zugrunde lag, war auf das in Rede stehende Grundstück im Wege der Überführung in den Bodenfonds zugegriffen worden (a.a.O. S. 182 f.); diese Vorgehensweise entsprach einer verbreiteten Praxis, durch SMT-Urteile eingezogenes land- und forstwirtschaftliches Grundvermögen in den Bodenfonds zu übernehmen (BARoV-Rundbrief vom 6. Oktober 1998 a.a.O. S. 9 f., 14 f.; vgl. auch Hilger, a.a.O. S. 82). Das Urteil vom 19. Juli 2000 betraf einen Fall, in dem es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlte, ob das in Rede stehende Grundstück von einer Einziehung aufgrund des § 16 der Wirtschaftsstrafverordnung erfasst war; zu der Frage, ob dies einen tatsächlichen Eigentumszugriff voraussetzte, hat sich der 8. Senat nicht geäußert, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf andere Gesichtspunkte ankam (a.a.O. S. 22 f.). Im Urteil vom 24. April 2002 fehlte es offenbar an einem tatsächlichen Zugriff auf das Eigentum der in Rede stehenden Kunstsammlung; die Entscheidung beruht indes nicht auf der beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Rechtskraft des Einziehungsurteils „ohne weiteres Volkseigentum begründet hätte“ (a.a.O. S. 61).

14 Demgegenüber findet die Rechtsauffassung des erkennenden Senats, dass eine durch SMT-Urteil ausgesprochene Vermögenseinziehung bei Ausbleiben eines tatsächlichen Zugriffs auf das eingezogene Vermögen wirkungslos ist, ihre Bestätigung in einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu dem in Rede stehenden Themenkreis. Nach dem Urteil vom 19. Juli 2000 (a.a.O. S. 22) ist die Rückgabe nach Aufhebung einer Vermögensentziehung im Wege der Rehabilitierung davon abhängig, dass die verfügte Einziehung den konkreten Vermögensgegenstand erfasste. Die Beschränkung der Rückübertragung auf einen konkret entzogenen Vermögensgegenstand entspricht der Einsicht, dass die Rückübertragungsentscheidung der actus contrarius zu der vom Enteignungsstaat durchgeführten oder ermöglichten Entziehung des Vermögensgegenstands ist (Urteil vom 20. März 2002 - BVerwG 8 C 2.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 8 S. 30 <33> m.w.N.). Dass derjenige, der von einer im Wege der Rehabilitierung aufgehobenen Enteignung betroffen war, die Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände unabhängig davon beanspruchen kann, ob diese Gegenstände zeitgleich oder später auch auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen wurden (Urteil vom 28. September 1995 - BVerwG 7 C 28.94 - BVerwGE 99, 268 <275>), setzt eine Vermögensentziehung voraus, die durch die aufgehobene rechtsstaatswidrige Entscheidung bewirkt wurde, also konkrete Wirksamkeit erlangt hat. Darum muss das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht feststellen, ob ein bestimmter Vermögenswert durch Strafurteil eingezogen oder auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet wurde (Beschluss vom 21. August 2001 - BVerwG 8 B 123.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 7 S. 24 <28 f.>). Russische Rehabilitierungen sind zwar auf die von der Besatzungsmacht getroffenen Maßnahmen beschränkt und erfassen keine von deutschen Stellen vorgenommenen Enteignungen (Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 315 <322 f.>). Das schließt aber nicht aus, dass eine durch ein SMT-Urteil verfügte Vermögenseinziehung wirkungslos geblieben ist, wenn der betroffene Vermögensgegenstand nicht konkret bezeichnet und infolgedessen einem Zugriff - sei es durch sowjetische oder durch deutsche Stellen - tatsächlich nicht ausgesetzt war. Anknüpfungspunkt der Entscheidung über eine Rückübertragung bleibt auch in Fällen dieser Art die von der Besatzungsmacht angeordnete Vermögenseinziehung. Wurde auf einen Vermögensgegenstand - z.B. mangels Kenntnis vom Eigentum des Verurteilten - tatsächlich nicht zugegriffen, ging die Einziehung ins Leere. Das hat schon aus denkgesetzlichen Gründen zur Folge, dass die Aufhebung der Einziehung im Wege der Rehabilitierung keinen Anspruch auf Rückübertragung des Vermögensgegenstands auslöst. Blieb eine SMT-Verurteilung ohne Bedeutung für den Verlust eines Vermögensgegenstands, ist deren Aufhebung auch für die Rückgabe ohne Belang.

15 Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum „faktischen“ Enteignungsbegriff. Hiernach kann eine Enteignung auch hinsichtlich nicht näher bezeichneter Vermögensgegenstände anzunehmen sein, wenn auf in Enteignungslisten ausdrücklich benannte Vermögenswerte bestimmter Personen zugegriffen wurde und besatzungshoheitliche Vorschriften vorsahen, dass die Enteignung auf das übrige, nicht in solchen Listen verzeichnete Vermögen dieser Personen erstreckt wurde (Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 42.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 106). In Fällen dieser Art ändert indessen auch der faktische Enteignungsbegriff nichts daran, dass eine Enteignung nur angenommen werden kann, wenn - zu welchem Zeitpunkt auch immer - ein Zugriff auf den betroffenen Vermögensgegenstand tatsächlich stattgefunden hat. Auch hier ist bei einer ohne tatsächlichen Zugriff wirkungslos gebliebenen Enteignung für einen Rückübertragungsanspruch nach dem Vermögensgesetz kein Raum. In Übereinstimmung hiermit liegt keine nach dem Vermögensgesetz wieder gutzumachende Enteignung vor, wenn ein zur Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilter Eigentümer sich bei Rechtskraft des ihm verkündeten Urteils zwar subjektiv als vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt betrachten musste, der Einziehungsausspruch aber objektiv keinen Zugriff auf den betroffenen Vermögensgegenstand zur Folge hatte, so dass dieser mangels eines Rechtsverlusts Eigentum des Verurteilten oder seiner Rechtsnachfolger geblieben ist. Ein derart von einer Vermögenseinziehung Betroffener steht rechtlich nicht schlechter als ein Eigentümer, der sich auf der Grundlage einer besatzungshoheitlichen Enteignung in Bezug auf einen Vermögensgegenstand zwar subjektiv als enteignet sehen musste, sein Eigentum mangels tatsächlichen Zugriffs aber objektiv nicht verloren hat. Allein die subjektive Annahme, enteignet worden zu sein, rechtfertigt nicht die Rückgabe eines Vermögensgegenstands, der objektiv nicht enteignet wurde.

16 Diese Grundsätze gelten auch in Fällen, in denen es nach einer Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil zur Enteignung auf einer anderen Grundlage gekommen ist. Wurden durch ein SMT-Urteil Vermögensgegenstände eingezogen, lässt die Aufhebung des Urteils im Wege der Rehabilitierung den Rechtsgrund der Einziehung entfallen. War im Zusammenhang mit dem SMT-Urteil auf die Vermögensgegenstände tatsächlich zugegriffen worden, sind diese nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 VermG unabhängig davon zurückzugeben, ob sie nach der Rechtskraft des Urteils über die Vermögenseinziehung von einer weiteren Enteignung betroffen waren. In derartigen Fällen geht die Zweitenteignung ins Leere (Urteil vom 28. September 1995 a.a.O. S. 275; Beschluss vom 5. September 1997 - BVerwG 7 B 203.97 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 32 S. 41). Wurden demgegenüber die Vermögensgegenstände auf besatzungshoheitlicher oder besatzungsrechtlicher Grundlage enteignet, bevor das Vermögen durch SMT-Urteil eingezogen wurde, lässt dessen Aufhebung den Enteignungsgrund nicht entfallen; eine Restitution ist unter diesen Umständen nur möglich, wenn die Erstenteignung wiedergutmachungsbedürftiges Unrecht war (Urteil vom 28. September 1995 a.a.O.). Nichts anderes gilt, wenn ein früher ergangenes Einziehungsurteil mangels tatsächlichen Zugriffs wirkungslos geblieben ist, bis aufgrund einer späteren Enteignung aus anderem Grund auf die Vermögensgegenstände zugegriffen wurde. In einem Fall dieser Art kommt eine Rückübertragung aufgrund der Aufhebung des Einziehungsurteils nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass sich die spätere Enteignung der Sache nach als Vollzug des Einziehungsurteils darstellte, das Einziehungsurteil also für den nachfolgenden Eigentumszugriff kausal war. Der von der Revision angestellte Vergleich mit der Unerheblichkeit einer Zweitenteignung bei verfolgungsbedingten Vermögensverlusten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG führt nicht weiter. Auch solche Vermögensverluste können nur angenommen werden, wenn sie tatsächlich eingetreten sind.

17 Welcher Art der tatsächliche Zugriff auf den eingezogenen Vermögensgegenstand sein muss, um den Schluss auf eine wirksame Vermögenseinziehung zuzulassen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Wie bei sonstigen enteignenden Maßnahmen i.S.d. § 1 VermG kann die Frage der faktischen Enteignung nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Eine Enteignung in diesem Sinne setzt keine bestimmte Form voraus. Die Bedingung, dass der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist, kann bei einer Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil beispielsweise dann erfüllt sein, wenn der Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit dem SMT-Urteil beschlagnahmt, in staatliche Verwaltung genommen, in Volkseigentum oder in den Bodenfonds überführt oder in einer Weise behandelt wurde, die den Eigentumsverlust deshalb erkennen ließ, weil staatliche Stellen sich wie ein Eigentümer gerierten. Dagegen liegt eine wirksame Einziehung, deren Aufhebung zu einer Rückübertragung des Vermögensgegenstands führen kann, nicht vor, wenn es an einem tatsächlichen Zugriff auf den durch SMT-Urteil eingezogenen Vermögensgegenstand fehlt. Die Prüfung der Wirksamkeit einer Einziehung durch SMT-Urteil obliegt den Vermögensbehörden und im Klageverfahren den Verwaltungsgerichten jedenfalls dann, wenn sich dem Rehabilitierungsbeschluss - wie hier - nicht entnehmen lässt, dass im Zusammenhang mit dem Einziehungsurteil auf den eingezogenen Vermögensgegenstand tatsächlich zugegriffen wurde.

18 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und darum für den Senat verbindlich sind, hatte die Verurteilung des Rechtsvorgängers der Kläger zum Tode und zur Einziehung seines gesamten Vermögens keinen hierauf beruhenden tatsächlichen Zugriff auf das Einfamilienhausgrundstück zur Folge. Der Verlust des Eigentums an diesem Grundstück wurde vielmehr erst durch die besatzungshoheitliche Enteignung aufgrund des Einziehungsgesetzes vom 8. Februar 1949 herbeigeführt. Die besatzungshoheitliche Enteignung stand in keinem Zusammenhang mit dem SMT-Urteil vom 21. Februar 1946. Das hat das Verwaltungsgericht daraus abgeleitet, dass der im Jahr 1948 erstellte und das Grundstück erstmals aktenkundig erfassende Enteignungsvorschlag der Deutschen Treuhandverwaltung noch in der Gestalt, in der er an die sowjetische Kommandantur gerichtet wurde, den Vermerk enthielt, der Eigentümer befinde sich z. Zt. in Haft der sowjetischen Besatzungsmacht. Aus diesem Vermerk durfte das Verwaltungsgericht schließen, dass die enteignenden Stellen in Unkenntnis der Vermögenseinziehung und damit unabhängig von dem SMT-Urteil handelten. Der erstmalige Zugriff auf das Einfamilienhausgrundstück aufgrund des Einziehungsgesetzes wird dadurch bestätigt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts der mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragte private Verwalter erst mit dessen Übertragung auf die Groß-Berliner Grundstücksverwaltung im April 1949 angewiesen wurde, die anfallenden Mieten nicht mehr an die Eigentümer auszuzahlen, was bis dahin auch nach Rechtskraft des Einziehungsurteils noch erfolgt war. Hiernach ist gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Verlust des Eigentums an dem Grundstück nicht bereits mit der Rechtskraft des Einziehungsurteils bewirkt wurde, revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO.

Beschluss vom 02.11.2006 -
BVerwG 7 C 10.06ECLI:DE:BVerwG:2006:021106B7C10.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.11.2006 - 7 C 10.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:021106B7C10.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 C 10.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann
und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des
  2. Senats vom 29. Juni 2006 wird verworfen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

1 Die Kläger machen im Rahmen der Anhörungsrüge geltend, der Senat habe entweder in Bezug auf ihr Vorbringen, dass eine Vermögenseinziehung durch Urteil eines sowjetischen Militärtribunals (SMT) nach dem damals geltenden Recht unmittelbar mit dessen Rechtskraft wirksam wurde und den Eigentumsübergang auf die UdSSR herbeiführte, oder bei Zugrundelegung dieses Vorbringens durch eine unterlassene Begründung der verneinten Wiedergutmachungsbedürftigkeit eines solchen Rechtsverlusts ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Sie beantragen ferner Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge mit der Begründung, ihr Prozessbevollmächtigter habe erst bei der am 7./8. Oktober 2006 von ihm vorgenommenen Endredaktion eines Besprechungsaufsatzes zu dem ihm am 26. Juli 2006 zugestellten Urteil des Senats Kenntnis von einer Verständnisvariante dieses Urteils erlangt, wonach der Senat das Vorbringen der Kläger zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils weder zur Kenntnis genommen noch erwogen habe.

2 Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

3 1. Die Zulässigkeit der Anhörungsrüge scheitert schon daran, dass sie nach Ablauf der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangen und Wiedereinsetzung gegen die versäumte Frist nicht zu gewähren ist.

4 Das folgt in Bezug auf den alternativ gerügten Begründungsausfall daraus, dass die Kläger insoweit keinen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht haben (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO). Tatsachen zur Begründung der Behauptung, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger gehindert war, die Anhörungsrüge hinsichtlich des alternativ gerügten Begründungsausfalls innerhalb der Rügefrist zu erheben, sind weder glaubhaft gemacht noch erkennbar.

5 Soweit die Kläger einen Gehörsverstoß hinsichtlich ihres Vorbringens zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils rügen, kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, weil die Anhörungsfrist nicht unverschuldet versäumt wurde (§ 60 Abs. 1 VwGO). Nach dem Rügevorbringen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger von der behaupteten Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erstmals am 7./8. Oktober 2006 Kenntnis erlangt. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ihm aufgefallen, dass die unter Rn. 11 Satz 1 des Urteils wiedergegebene Erwägung im Sinne eines „Alternativverständnisses“ verstanden werden könne, das nach Auffassung der Kläger den Gehörsverstoß begründe. Die Anhörungsrüge macht damit der Sache nach geltend, der Prozessbevollmächtigte habe die Kenntnis von dem behaupteten Gehörsverstoß erst zu dem Zeitpunkt erlangt, als er sich der möglichen Auslegungsvariante der in Rede stehenden Erwägung bewusst geworden sei. Mit diesem Vorbringen wird der Begriff der Kenntnis i.S.d. § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO verkannt. Diese Kenntnis ist schon dann gegeben, wenn der Betroffene alle Umstände kennt, aus denen sich die Berechtigung zur Erhebung der Anhörungsrüge ergibt (Rudisile, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 152a Rn. 22). Als rügerelevanter Umstand kommt hiernach allein die in Rede stehende Erwägung in Betracht, die in den Gründen des Urteils wiedergegeben ist. Nicht zu den rügerelevanten Umständen gehören Auslegungsvarianten, die sich dieser Erwägung zu Recht oder zu Unrecht entnehmen lassen. Da dem Prozessbevollmächtigten die als Grundlage der Anhörungsrüge dienende Urteilserwägung bereits mit der Zustellung des Urteils zur Kenntnis gelangt ist, ist deren rechtliche Einordnung im Sinne der von den Klägern vertretenen Auslegungsvariante innerhalb der Rügefrist nicht unverschuldet unterblieben.

6 2. Unabhängig von der Fristversäumung ist die Anhörungsrüge auch aus materiellen Gründen unzulässig. Deren Begründung ergibt nicht, dass der Senat das Vorbringen der Kläger zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Sie läuft in Wirklichkeit auf den Vorwurf hinaus, dass der Senat das Vorbringen der Kläger fehlerhaft gewürdigt oder infolge unzutreffender Erwägungen nicht oder nur unzureichend geprüft habe. Damit lässt sich eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht begründen. Diese Verfahrensgarantie verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, verlangt jedoch nicht, dass es bei der Würdigung des Vorbringens den Vorstellungen der Beteiligten folgt.

7 Mit der in Rede stehenden Erwägung hat der Senat zugunsten der Kläger unterstellt, dass eine Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil nach dem damals geltenden sowjetischen Recht unmittelbar mit dessen Rechtskraft wirksam werden und den Eigentumsübergang auf die UdSSR herbeiführen, im Grundsatz also eine der Einziehung nach § 74e Abs. 1 StGB entsprechende Wirkung haben sollte; die Unrichtigkeit der Bezeichnung des zitierten Gesetzes in dem Urteil als § 74a Abs. 1 StGB ist nach der Systematik des Gesetzes und seinem in dem Urteil wiedergegebenen Inhalt offensichtlich. Wie dem Wort „sollte“ unschwer zu entnehmen und in den Entscheidungsgründen im Einzelnen dargelegt ist, hat der Senat einer solchen Rechtslage jedoch keine Bedeutung beigemessen, weil es im Rahmen der Wiedergutmachung darauf ankommt, ob die von sowjetischen Militärtribunalen ausgesprochenen Vermögenseinziehungen tatsächlich einen Eigentumszugriff zur Folge hatten. Die in der Anhörungsrüge hierzu vorgebrachte Kritik eröffnet keine Überprüfung der materiellrechtlichen Auffassung des Senats.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.