Beschluss vom 29.06.2017 -
BVerwG 6 B 67.16ECLI:DE:BVerwG:2017:290617B6B67.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2017 - 6 B 67.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617B6B67.16.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 67.16

  • VG Minden - 19.02.2016 - AZ: VG 11 K 2205/14
  • OVG Münster - 13.09.2016 - AZ: OVG 5 A 667/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 100 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt die Herausgabe von auf der Grundlage von § 43 Nr. 2 PolG NRW sichergestellten 7 100 €. Das Verwaltungsgericht hat einen Herausgabeanspruch der Klägerin aus § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW bejaht und der Klage insoweit stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch verneint, der Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil stattgegeben und die Revision nicht zugelassen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

2 Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen erfüllt sind.

4 1. Die Klägerin möchte zunächst grundsätzlich geklärt wissen,
"ob es der Schutz des Eigentums aus Artikel 14 GG gebietet, eine sichergestellte Sache nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens auch dann nicht an den letzten Besitzer herauszugeben, wenn nicht festgestellt werden kann, dass dieser eine Straftat begangen hat, die Sicherstellung mehr als vier Jahre zurückliegt und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein vermeintlich wahrer Eigentümer ermittelt werden kann."

5 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.

6 Erstens hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt, dass keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Ermittlung eines "vermeintlich wahre(n) Eigentümer(s)" ersichtlich sind. Es hat vielmehr ausgeführt, der oder die Eigentümer des sichergestellten Geldes hätten bislang nicht ermittelt werden können (UA S. 10).

7 Zweitens kann es nicht darauf ankommen, ob Art. 14 GG eine eigentumsfreundliche Auslegung des § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW gebietet. Entscheidend ist, ob das Eigentumsgrundrecht der Auslegung des Landesrechts entgegensteht. Dies ist im Hinblick auf das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts ersichtlich nicht der Fall.

8 Drittens ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht, von welcher Rechtsposition aus sie überhaupt rügen könnte, dass § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW mit seinem von dem Oberverwaltungsrecht festgestellten Inhalt mit den Maßstäben des Art. 14 GG nicht in Einklang steht. Das Oberverwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Klägerin das Eingreifen der Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB - und hinsichtlich ihrer Angehörigen derjenigen aus § 1006 Abs. 3 BGB - verneint (UA S. 9).

9 2. Grundsatzbedeutung misst die Klägerin ferner der Frage zu,
"ob es (eine) Rechtsmissbräuchlichkeit darstellt, wenn der letzte Besitzer eines sichergestellten Geldbetrages die Herausgabe verlangt, obwohl die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB als widerlegt gilt, obwohl seit der Sicherstellung ein Zeitraum von mehr als vier Jahren vergangen ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein vermeintlich wahrer Eigentümer noch festgestellt werden kann."

10 Auch dieser Frage fehlt es an der Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren und damit an der grundsätzlichen Bedeutung.

11 Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht Landesrecht ausgelegt, indem es den Herausgabeanspruch nach § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs als ausgeschlossen angesehen hat, wenn für die Nichtberechtigung desjenigen, bei dem die Sache sichergestellt worden ist, konkrete Anhaltspunkte vorliegen (UA S. 12). Fragen des Landesrechts können in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.

12 Zum anderen gilt auch hier, dass das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, dass keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Ermittlung eines "vermeintlich wahre(n) Eigentümer(s)" mehr bestehen.

13 3. Für eine auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache weisende Frage hält die Klägerin weiterhin,
"ob die Vorschriften des Verfalls bzw. erweiterten Verfalls gem. §§ 73 ff. StGB abschließend sind im Hinblick auf gesetzliche Möglichkeiten, Vermögen oder Vermögensgegenstände, die möglicherweise aus einer Straftat stammen, staatlicherseits dem letzten Besitzer auf Dauer zu entziehen."

14 Auch diese Frage ist einer Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.

15 Das Oberverwaltungsgericht hat einen Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung und damit den Herausgabeanspruch nach § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW verneint, wenn die weitere Sicherstellung bei der maßgeblichen objektiven Betrachtung im Interesse des Berechtigten erfolgt. Dies hat es für den zur Entscheidung stehenden Fall bejaht (UA S. 11). Das Oberverwaltungsgericht hat mithin den Zweck des von ihm angewandten Landesrechts nicht darin erblickt, staatlichen Stellen als Mittel zu dienen, möglicherweise aus einer Straftat stammende Vermögensgegenstände dem letzten Besitzer auf Dauer zu entziehen. Es hat - wie bereits mehrfach hervorgehoben - entgegen dem von der Klägerin auch in diesem Zusammenhang unterstellten Sachverhalt insbesondere nicht festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Ermittlung eines "vermeintlich wahre(n) Eigentümer(s)" gibt.

16 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.