Beschluss vom 29.06.2022 -
BVerwG 4 BN 16.22ECLI:DE:BVerwG:2022:290622B4BN16.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.06.2022 - 4 BN 16.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:290622B4BN16.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 16.22

  • VGH München - 18.02.2022 - AZ: 1 N 19.160

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt erfolglos. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 1. Die Beschwerde wendet sich mit einer Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegen die Annahme der Vorinstanz, Verfahrens- oder Formfehler infolge der Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 BauGB seien nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden (UA Rn. 22). Dies bleibt erfolglos.

3 § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt abschließend ("nur"), die Verletzung welcher Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans beachtlich ist (BVerwG, Urteile vom 4. August 2009 - 4 CN 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 18 und vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 28). Die Verfahrensvorschrift des § 13a BauGB nennt § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht. Wählt die Gemeinde indes das beschleunigte Verfahren für die Aufstellung des Bebauungsplans, obwohl die dafür notwendigen Voraussetzungen fehlen, können daraus weitere Verfahrensfehler folgen, deren Beachtlichkeit nach § 214 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - a. a. O. Rn. 29 und vom 29. Juni 2021 - 4 CN 6.19 - ZfBR 2021, 873 Rn. 21). Dies gilt etwa, wenn infolge der Wahl eines beschleunigten Verfahrens eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB unterbleibt und daher ein Umweltbericht in der Planbegründung entgegen § 2a Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 BauGB fehlt: Das Fehlen des Umweltberichts ist ein nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verfahrensfehler; er wird nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich, wenn er nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden ist. Grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich dieser bundesrechtlichen Rechtslage zeigt die Beschwerde nicht auf.

4 Sie hält für klärungsbedürftig, ob § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit den Anforderungen des Unionsrechts vereinbar ist und beruft sich insoweit auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683] - (NJW 2015, 3495). Klärungsbedarf legt sie auch insoweit nicht dar. Der Senat hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2017 - 4 CN 3.16 - (Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 20) der Sache nach die Frage vorgelegt, ob Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) (UVP-Richtlinie) so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegensteht. Die Frage wird aber nur für Bebauungspläne aufgeworfen, für welche die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit gelten (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 4 BN 13.20 - juris Rn. 12). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der angegriffene Bebauungsplan diesen Bestimmungen unterliegt. Insbesondere war der Beschluss über den Bebauungsplan keine Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 UVPG, durch den die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens im Sinne der Anlage 1 zum UVPG begründet werden sollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. März 2017 - 4 CN 3.16 - a. a. O. Rn. 13).

5 2. Nach Auffassung der Vorinstanz wäre ein - etwaiger - Verstoß des Bebauungsplans gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende städtebauliche Ordnung nicht verletzt worden ist. Einen Revisionszulassungsgrund zeigt die Beschwerde nicht auf.

6 Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klären lassen, ob ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB rechtlich unbeachtlich sein kann, wenn sich die Gemeinde bewusst über ihre eigenen Planungen hinwegsetzt. Die Frage führt schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie von tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat.

7 Die Beschwerde macht ferner eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Senatsurteil vom 26. Februar 1999 - 4 CN 6.98 - (Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 14) geltend. Sie entnimmt dem Urteil den Rechtssatz, dass sich die Frage, ob das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB eingehalten ist, nach der planerischen Konzeption des Flächennutzungsplans für den (engeren) Bereich des Bebauungsplans bemisst. Dies führt schon deswegen nicht auf eine Abweichung, weil der Verwaltungsgerichtshof offengelassen hat, ob der angegriffene Plan gegen das Entwicklungsgebot verstößt (UA Rn. 29). Sein entscheidungstragender Rechtssatz, für die nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB maßgebende geordnete städtebauliche Entwicklung komme es auf das planerische Konzept für einen größeren Bereich an, steht mit dem genannten Urteil des Senats in Einklang (a. a. O. S. 6).

8 3. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB und gegen § 1 Abs. 7 BauGB verneint (UA Rn. 30 ff.). Die Beschwerde greift diese Einschätzung im Stile eines zulassungsfreien Rechtsmittels an und verfehlt insoweit die Darlegungs- und Bezeichnungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem derartigen Vorbringen dasjenige herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 2005 - 1 B 26.05 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 82 Rn. 3, vom 8. Juli 2014 - 4 BN 16.14 - juris Rn. 4 und vom 15. Oktober 2019 - 4 BN 48.19 - juris Rn. 10).

9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Sie wäre nicht geeignet, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.