Beschluss vom 29.08.2012 -
BVerwG 10 B 35.12ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B10B35.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2012 - 10 B 35.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:290812B10B35.12.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 35.12

  • VG Trier - 21.09.2011 - AZ: VG 5 K 361/11.TR
  • OVG Rheinland-Pfalz - 30.05.2012 - AZ: OVG 8 A 10357/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Mai 2012 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

2 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Eine solche Rechtsfrage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

3 Die Beschwerde hält im Rahmen eines Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz, das allein nach Abweisung der weitergehenden Klage durch das Verwaltungsgericht noch Gegenstand des Berufungsbegehrens war, für klärungsbedürftig,
„ob afghanische Staatsangehörige, die zum Zeitpunkt der Entscheidung an einer nicht aktiven Lymphknotentuberkulose leiden, im Falle einer Rückführung in ihr Herkunftsland eine extreme Gefahrenlage zu gewärtigen haben, sodass sie gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würden, sofern die obersten Landesbehörden von der Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben.“,
„ob die Erkrankung an einer Lymphknotentuberkulose, wenn auch im nicht aktiven Zustand, eine gesundheitliche Beeinträchtigung darstellt, die bei einer Rückführung nach Afghanistan etwa auch in den Raum Kabul, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme existenzielle Gefahr für den Betroffenen insbesondere ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige begründet.“,
„ob (durch Lymphknotentuberkulose) gesundheitlich vorgeschädigte Personen in Anbetracht der in Afghanistan herrschenden schwierigen Versorgungslage ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige von einer existenziellen Gefahr betroffen sind, sodass sie gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen im Falle einer Rückführung ausgesetzt sein würden.“,
„ob Personen, die (durch eine nicht aktive Lymphknotentuberkulose) gesundheitlich vorgeschädigt sind und/oder seit dem siebten Lebensjahr sich außerhalb Afghanistans aufgehalten haben, dort ihren Lebensunterhalt dauerhaft sicherstellen können.“,
„ob gesundheitlich erheblich etwa durch Lymphknotentuberkulose vorgeschädigte Personen und/oder solche, die seit ihrer Kindheit nicht mehr in Afghanistan gelebt haben, dort eine ausreichende Existenzgrundlage zu finden vermögen, oder aber im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland eine extreme Gefahrenlage zu gewärtigen haben, sodass sie gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würden.“ und
"ob an inaktiver Lymphknotentuberkulose leidende Personen in Afghanistan durch harte körperliche Arbeit eine Existenzgrundlage zu finden und den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen zu vermeiden vermögen oder gar diesen oder jene gerade herbeiführen und verursachen.“

4 Mit diesen Fragen, die um denselben Tatsachenkern kreisen, formuliert die Beschwerde keine revisionsgerichtlich klärungsfähige Rechtsfrage, sondern zielt im Kern auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Prognose, ob dem Kläger aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse angesichts der tatsächlichen Verhältnisse und politischen Gegebenheiten in seinem Heimatstaat Gefahren drohen, welche die Voraussetzungen unionsrechtlicher Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG oder nationalrechtlicher Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG erfüllen. Hierfür verweist sie u.a. auf die schlechte bzw. katastrophale Versorgungslage in Afghanistan, das Fehlen sozialer Absicherungssysteme, die traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden liegende soziale Absicherung sowie die Korruption bzw. Patronagewirtschaft in Afghanistan. Damit greift die Beschwerde der Sache nach allein die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete, abstrakter und fallübergreifender Klärung zugängliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Es fehlt überdies an einer Auseinandersetzung mit den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, „dass derzeit keine Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung“ besteht (UA S. 8), „auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten [ist], dass alsbald nach der Rückkehr des Klägers mit einer erneuten Aktivierung der Tuberkulose zu rechnen ist“ (UA S. 8) und es sich nicht feststellen lasse, „dass der Kläger insoweit wegen der von ihm durchstandenen Lymphknotentuberkulose entscheidend körperlich geschwächt wäre [...].“ (UA S. 12).

5 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.